Parteiengeplänkel verhindert häufig grosse politische Reformen

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TH URGAU ER WIRTSCHAFTS-INSTITUT AKTU ELL
Slmeon Schudy, wissensc haftlicher Mitarbeiter am Thu rgauer Wirtschafts-Institut
Parteiengeplänkel verhindert häufig grosse
politische Reformen
Die grossen Reformen sind in aller
Munde, wenn es in Krisenzeiten um die
Regulierung der Finanzmärkte geht
oder um die Vereinfachung des Steuersystems. Dennoch verwandeln sich
viele grosse Reformen durch den politischen Prozess immer wieder zu Stück-
werk, das letztendlich nur einen Teil
der möglichen Verbesserungen liefert.
Warum scheitern grosse Reformprojekte immer wieder? Weshalb werden
Reformpakete oftmals aufgeschnürt?
Wir haben in verschiedenen Entscheidungsexperimenten an der Universität Konstanz untersucht, welche
Aspekte des politischen Prozesses ein
Scheitern umfangreicher Reformen
verursachen können. Hierbei haben
wir die Studienteilnehmer mit der Abstimmung über eine grosse Reform
konfrontiert, die sich aus drei Teilreformen zusammensetzte.
Im Experiment war klar, dass jede
Partei durch das grosse Paket profitieren würde. Die Parteien wussten jedoch auch, dass es für sie noch besser
wäre, nur diejenige Teilreform durchzusetzen, die ihnen selbst nützte. Zunächst stimmten drei Parteien über die
grosse Reform ab, in der alle drei Teilreformen enthalten waren. Die grosse
Reform konnte nur durch Einstimmigkeit angenommen werden. Votierte
eine der Parteien gegen die grosse Reform , wurde über die Teilreformen ein-
zein abgestimmt. Um eine Teilreform
mungüberdieTeilreformenlnformationen über das Abstimmungsverhalten
umzusetzen, bedurfte es der einfachen
ihrer Kollegen erhielten,' nutzten sie
Mehrheit. Das h~i sst die Durchsetzung
diese Information strategisch aus. Sie
der Teilreform war nur mit der Unbegannen also eine Teilreform zu unterstützung mindestens einer anderen
terstützen, die durch eine andere ParPartei möglich.
tei bevorzugt wurde. Im Gegenzug erDer Verdienst aus der Teilnahme
warteten sie Unterstützung für «ihre»
am Experiment war mit den Abstimmungen über die Reformen verknüpft. Teilreform, die sie in vielen Fällen auch
erhielten. Auf diese Weise gelang es ihKonkret bedeutete das für die Teilnen, auf Kosten Dritter für sich selbst
nehmer, dass. sie bei der Umsetzung
der grossen Reform zusätzlich Geld . und einen Koalitionspartner einen hö·
heren Verdienst aus dem Experiment
verdienen konnten, jedoch noch mehr
. erhielten, wenn sie es schafften, nur
zu erzielen. Einige Parteien blockierten
grosse Reformen zu diesem Zweck von
«ihre» Teilreform durchzubringen und
vornherein.
die von den anderen Parteien bevorUnsere Ergebnisse zeigen, dass ein
zugten Teilreformen zu verhindern.
wichtiger Grund für das Scheitern gros·
Ohne offene Kommunikation
ser Reformen die Möglichkeit der inUnsere Ergebnisse zeigen, dass grosse
formellen Absprache ist. Die Experimente zeigen. dass einzelne Parteien
Reformen selbst dann scheitern können, wenn sie mit Sicherheit allen Begrosse Reformen blockieren, um nur
die für sie nützlichen Teilreformen um·
troffenen nützen. Der Grund hietfür
liegt in der Möglichkeit von Absprazusetzen - selbst wenn die grosse Reform mit Sicherheit allen nützen würde.
chen. Gelingt es einem Teil der ParInteressanterweise wurden grosse Reteien' eine E inigung über die nur für sie
vorteilhaften Teilreformen zu treffen, formen im Experiment deutlich weniger blockiert, wenn keine Information
können sinnvolle grosse Reformvorhaüber das Abstimmungsverhalten der
ben strategisch blockiert werden.
Kollegen vorhanden war. Das heisst:
Im Experiment war es den Parteien
nicht erlaubt, offen zu kommunizieren.
Für grosse Reformvorhaben sind möglicherweise geheime Abstimmungen
Dennoch lehnten sie die grosse Reform
in vielen Fällen ab, wenn sie die Chance
von Vorteil, da sie zumindest teilweise
verhindern können, dass Koalitionen
sahen,dass«ihre»Reformdurchkommt.
über Teilreformen gelingen.
Wenn die Parteien bei der Abstim-
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