Psychologische Diagnostik I – Teil 2 Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 1 1. Einleitung 2. Klassifikation und Diagnostik 3. Vorteile und Nachteile der Klassifikation 4. Der Störungsbegriff - im ICD -10 (ICD = International Classification of Deseases) Chapter V (F): Classification Of Mental and Behavioural Disorders: - im OPD (= Operationale Psychodynamische Diagnostik) 5. Internationale Klassifikation (WHO) nach ICD – 10 – Kapitel V (F) – Hauptgruppen und psychologische Diagnostik: 5.1.Diagnostik der organischen psychischen Störungen 5.2.Diagnostik von Psychischen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen 5.3.Diagnostik schizophrener, schizotyper und wahnhafter Störungen 5.4.Diagnostik affektiver Störungen 5.5.Diagnostik von neurotischen, Belastungs-, und somatoformen Störungen – 5.6.Diagnostik von Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren 5.7.Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen 5.8.Diagnostik von Intelligenzminderung 5.9.Diagnostik von Entwicklungsstörungen 5.10. Diagnostik von Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend 6. Der psychologische Befund in der störungsbezogenen Diagnostik 6.1.Richtlinien der psychologischen Befunderstellung 6.2.Aufbau eines psychologischen Befundes 6.3.Beispiel eines psychologischen Befundes Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 2 Einleitung: „Diagnose“, „Diagnostik“ "διαγιγνϖσκειν" (diagignoskein) = gründlich kennen lernen, entscheiden, beschließen. Diagnostik: Erkenntnisgewinnung zur Unterscheidung zwischen Objekten Diagnose liefert Aussagen darüber, welche Sachverhalte (in der Vergangenheit) für ein Verhalten (in der Gegenwart) verantwortlich sind. "Diagnostik" schließt heute auch Aussagen im Sinne einer Prognose, also der Zukunft ein. Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 3 Störungsbezogene Diagnostik : „beschließen“: aus dem gewonnenen Wissen eine Behandlungsindikation ableiten „gründlich kennen lernen“: die Störung in ihrer Bedingtheit und Genese verstehen „entscheiden“: die Störung(en) benennen Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 4 Störungsbezogene Diagnostik endet nicht bei der Klassifikation, sie beginnt mit dieser. Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 5 Klassifikation und Diagnostik Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 6 Störungsbezogene Diagnostik hat zwei grundsätzliche Aspekte: kategorial = welche Störung liegt vor? dimensional = wie schwer ist die Störung? Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 7 Ansprüche an die störungsbezogene Diagnostik: deskriptive -> was ist die Störung? -> wie heißt die Störung? Diagnostik -> woher kommt die Störung? -> was ist gegen die Störung zu tun? -> hilft das, was gegen die Störung getan wird? Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 8 Ansprüche an die störungsbezogene Diagnostik: deskriptive -> was ist die Störung? Diagnostik -> Zuordnung wie heißt die Störung? der Symptomatik -> zu woher kommt die Störung? umschriebenen Störungen -> (z.B. was ist gegen nach ICD die 10):Störung zu tun? -> die hilft das, was gegen Störung getan Symptomatik wirddie differenziert und wird? detailliert erhoben -> Benennen der Störung Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 9 Ansprüche an die störungsbezogene Diagnostik: -> was ist die Störung? deskriptive Klassifikation -> wie heißt die Störung? Diagnostik -> -> woher woher kommt kommt die die Störung? Störung? -> was ist gegen die Störung -> was ist gegen die Störung zu zu tun? tun? -> hilft das, was gegen die Störung -> hilft das, was gegen die Störung getan getan wird? wird? nur bedingt therapeutische Implikationen ableitbar Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 10 Deskriptiver Ansatz der neuen Diagnosesysteme ??? => multiple Diagnosestellung bei ein und derselben Person (zum Beispiel: Angst und Abhängigkeit) = „Komorbidität“ = Benennen aller Störungen dieses Menschen „neu“ ? Zitat Walter Spiel: „Der Mensch kann Wanzen, Flöhe und Läuse haben“ Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 11 Klassifikationssysteme ICD International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems Diagnoseschlüssel der Weltgesundheitsorganisation WHO, nach dem in Österreich und der BRD mit den Sozialversicherungen abgerechnet wird. − Vorläufer: internationale Listen International Classification of Causes of Sickness and Death, begonnen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. − 1948: Manual of the International Statistical Classification of Diseases, Injuries, and Causes of Death (6. Revision) veröffentlicht. − 1955: ICD 7; 1965: ICD 8; 1975: ICD 9; 1992/93: ICD 10 − erwartet für 2018: ICD 11 Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 12 Klassifikationssysteme DSM Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen der American Psychiatric Association (APA) 1921: in Zusammenarbeit mit New York Academy of Medicine: Psychiatrische Klassifikation: “Medical Association’s Standard Classified Nomenclature of Diseases” 1952: DSM-I …. 1980: DSM-III; 1987: DSM -III-R;1994: DSM-IV; 2000: DSM-IV TR (TE =”text revísion” ); 2013: DSM-5 Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 13 Definition psychischer Störungen durch die Amerikanische Psychiatrische Assoziation, dem DSM IV (Diagnostisches Statistisches Manual IV): "Psychische Störungen sind konzeptualisiert als ein klinisch bedeutsames behaviorales oder psychisches Syndrom oder Muster, das bei einem Individuum erscheint und das verbunden ist mit gegenwärtigen (Anmerkung: Die Finanzierung Belastungen, z.B. einem schmerzvollen Symptom mit bzw. Teilfinanzierung von Psychotherapie Beeinträchtigungen, z.B. Behinderung in einem oder durch die Sozialversicherungsträger ist mehreren Funktionsbereichen oderanmit daseinem Vorliegen von Krankheit bedeutsam erhöhtem Risiko zu sterben, Schmerzen gebunden („Vorliegen einer krankheitswertigen Diagnose“).) oder Behinderungen zu erleiden oder einem wesentlichem Verlust von Freiheit". Krankheitsbegriff Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 14 Mai 2013: DSM 5 Definition „Psychische Störung“ in DSM-5 (p. 20) • „Eine psychische Störung ist definiert als Syndrom, welches durch klinisch signifikante Störungen in den Kognitionen, in der Emotionsregulation und im Verhalten einer Person charakterisiert ist.“ • „Diese Störungen sind Ausdruck von dysfunktionalen psychologischen, biologischen oder entwicklungsbezogenen Prozessen, die psychischen und seelischen Funktionen zugrunde liegen.“ • „Psychische Störungen sind typischerweise verbunden mit bedeutsamen Leiden oder Behinderung hinsichtlich sozialer oder berufs-/ausbildungsbezogener und anderer wichtiger Aktivitäten.“ Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 15 DSM 5 • Im DSM-5 wurde das Mehrachsensystem verlassen, nur die Achse V ist zusätzlich zur Achse I geblieben: I Psychische Störungen V Beurteilung der beruflichen und sozialen Anpassung (Funktionsniveau). • Neuanordnung der Störungsklassen und einzelner Störungen • Einführung neuer Diagnosen (z.B. Leichte Kognitive Störungen, Binge-Eating-Störung, Prämenstruelle Dysphorische Störung, Pathologisches Horten, Pathologisches Glückspiel..) • Einiger Beschwerdebilder, die teils vehement postuliert wurden, wurden nicht aufgenommen (z.B. Burnout-Syndrom, Internetsucht) Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 16 Krankheitsursache = Ordnungsmodell Patienten mit gleichem Zustandsbild Diagnostik nach Krankheitsursachen unterschiedliche Diagnosen, je nach ätiologischem Hintergrund des Diagnostikers möglichst präzise definitorische Erfassung von "Symptomen und Syndromen" Anstieg der Reliabilität der diagnostischen Aussagen Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 17 Vorteile und Nachteile der Klassifikation Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 18 Skepsis gegenüber der Klassifikation psychischer Störungen ging vor allem von den Psychotherapeuten aus: • Der Vorgang der Diagnostik gefährdet die akzeptierende therapeutische Haltung und fördert eine objektivierende Einstellung Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 19 Skepsis gegenüber der Klassifikation psychischer Störungen ging vor allem von den Psychotherapeuten aus: • Die Patienten werden durch die Vergabe von Diagnosen etikettiert, pathologisiert, im schlimmsten Fall stigmatisiert Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 20 Skepsis gegenüber der Klassifikation psychischer Störungen ging vor allem von den Psychotherapeuten aus: • Die Patienten werden durch die Speicherung und Weitergabe persönlicher Befunde versachlicht und entpersönlicht Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 21 Skepsis gegenüber der Klassifikation psychischer Störungen ging vor allem von den Psychotherapeuten aus: • Die vergebenen Diagnosen sind unvalide und für die Klärung psychotherapeutischer Zielsetzungen ungeeignet Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 22 Skepsis gegenüber der Klassifikation psychischer Störungen ging vor allem von den Psychotherapeuten aus: • Klassifikation bedeutet Informationsverlust, da sie zu einer diagnostische Vergröberung führt Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 23 Skepsis gegenüber der Klassifikation psychischer Störungen ging vor allem von den Psychotherapeuten aus: • der typologischer Ansatz der Klassifikation nivelliert interindividuelle Unterschiede und negiert Einmaligkeit des Individuums durch vereinfachende Klassenzuweisung Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 24 Skepsis gegenüber der Klassifikation psychischer Störungen ging vor allem von den Psychotherapeuten aus: • die deskriptive Klassifikation ist lediglich kategorial und nicht dimensional Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 25 Skepsis gegenüber der Klassifikation psychischer Störungen ging vor allem von den Psychotherapeuten aus: • die Klassifikation ist weitgehend eine dichotome Entscheidungsklassifikation (Störung vorhanden oder nicht?) Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 26 Skepsis gegenüber der Klassifikation psychischer Störungen ging vor allem von den Psychotherapeuten aus: • die Inter-Diagnostiker Reliabilität habe sich nur mäßig erhöht (trotz anderer Hoffnungen ) Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 27 Kritik aus (Schul-)Psychiatrie und Psychoanalyse: •eine rein deskriptive, a-theoretische Klassifikation ohne ätiologische Annahmen ist nutzlos Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 28 Kritik aus (Schul-)Psychiatrie und Psychoanalyse: •„Bewährte“ Konzepte wie „endogen“, „psychosomatisch“, „Psychose“, „Sucht“ etc., die wegen Ätiologieannahmen und Schulenbindung in der deskriptiven Diagnostik keine Bedeutung haben, aufzugeben, ist gleichbedeutend mit einem Verlust der diagnostischen Qualität Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 29 Kritik aus (Schul-)Psychiatrie und Psychoanalyse: •Das System ist psychiatrielastig, d.h. psychosomatische Störungen sind randständig und die neurotischen Störungen unlogisch erfasst Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 30 Kritik aus (Schul-)Psychiatrie und Psychoanalyse: •Die beschriebenen Krankheitseinheiten haben keine psychotherapeutische Validität, das heißt, es resultieren aus ihnen keine psychotherapeutischen Strategien Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 31 Kritik aus (Schul-)Psychiatrie und Psychoanalyse: •Die kategorialen Syndrome sind zeigen erhebliche Überschneidungen, so dass man einen Begriff wie Komorbidität einführen muss, um zu beschreiben, dass z. B. eine Persönlichkeitsstörung zu 60% mit anderen Persönlichkeitsstörungen überlappt oder dass somatoforme Störungen zu 50% auch die Kriterien für Depression oder Angststörung erfüllen. Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 32 Kritik aus (Schul-)Psychiatrie und Psychoanalyse: •ICD und DSM sind in der Praxis schwer praktikabel Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 33 Vorsicht im Umgang mit vermeintlichen Realitäten, ihrer Zuordnung und vor allem ihrer Bewertung. Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 34 Vorteile eines diagnostisches Klassifikationssystem wie ICD oder DSM : Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 35 Vorteile eines diagnostisches Klassifikationssystem wie ICD oder DSM : Das Ordnungssystem psychischer Störungen, auf das sich interdisziplinär und international jeder beziehen kann, erleichtert die interpersonale, interdisziplinäre und internationale Verständigung Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 36 Vorteile eines diagnostisches Klassifikationssystem wie ICD oder DSM : Es ist operational definiert, d. h. die Krankheitsbilder sind genau festgelegt und es liegt nicht im Ermessen des einzelnen Therapeuten, was er dafür hält. Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 37 Vorteile eines diagnostisches Klassifikationssystem wie ICD oder DSM : Es ist empirisch überprüfbar Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 38 Vorteile eines diagnostisches Klassifikationssystem wie ICD oder DSM : Daraus folgt: die Ergebnisse dieser Überprüfung wirken zurück auf die Weiterentwicklung des Systems von Version zu Version, d.h. es zeigt eine gewisse Flexibilität und Anpassung an jeweils aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 39 Vorteile eines diagnostisches Klassifikationssystem wie ICD oder DSM : Es entwickelt sich von Version zu Version weiter Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 40 Vorteile eines diagnostisches Klassifikationssystem wie ICD oder DSM : Die hypothetische Klassenbildung ermöglicht empirische Analysen, die neue Informationen (zu Ätiologie, Epidemiologie, Symptomatologie, Behandlungsmöglichkeiten) erbringen Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 41 Vorteile eines diagnostisches Klassifikationssystem wie ICD oder DSM : Die Reliabilität wird in einem gewissen Maß erhöht durch den deskriptiven Ansatz und die „Operationalisierung“ der diagnostischen Leitlinien nach möglichst verhaltensnahen Symptombeschreibungen und durch die Spezifikation von Symptomanzahl und Symptomdauer sowie durch die Konstruktvalidität Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 42 Vorteile eines diagnostisches Klassifikationssystem wie ICD oder DSM : Durch „diagnostische Leitlinien“ nach dem aktuellen wissenschaftlichen Stand ist eine Inhaltsvalidität gegeben Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 43 Vorteile eines diagnostisches Klassifikationssystem wie ICD oder DSM : Die allgemeine Indikationsstellung („Krankheitswertigkeit“) wird erleichtert, (= behandlungsbedürftig), nicht aber die differentielle Indikationsstellung (= welcher Behandlung bedürftig) Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 44 Vorteile eines diagnostisches Klassifikationssystem wie ICD oder DSM : Es ist frei von unbeweisbaren theoretischen Annahmen (z. B. der Neurosentheorie) Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 45 Vorteile eines diagnostisches Klassifikationssystem wie ICD oder DSM : Zum größten Teil dienen Diagnostik und Klassifikation unmittelbar der Therapieplanung und der Therapiedurchführung. Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 46 Beispiel: ICD 10: F 90.0 Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (DSM: ADHS) Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 47 Klassifikation: ICD 10: - Unaufmerksamkeit - Hyperaktivität - Impulsivität - Störung des Sozialverhaltens Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung F 90.0 Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens F 90.1 Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 48 Klassifikation: DSM-5 (erschienen im Mai 2013): - Unaufmerksamkeit ADHS: vorwiegend unaufmerksamer Typ - Hyperaktivität - Impulsivität ADHS: vorwiegend hyperaktiv/impulsiver Typ ADHS: Mischtyp Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 49 Kurzdefinition KERNSYMPTOME: = ein auf das Entwicklungsniveau bezogener unangemessener Grad an Unaufmerksamkeit und/oder Hyperaktivität-Impulsivität vor dem Alter von 7 Jahren Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 50 DSM-5 (erschienen im Mai 2013): - Unaufmerksamkeit - ADHS: vorwiegend unaufmerksamer Typ Hyperaktivität Impulsivität ADHS: vorwiegend hyperaktiv/impulsiver Typ ADHS: Mischtyp DSM IV: Kriterium: Beginn der Symptomatik vor dem 7. Lebensjahr DSM-5: Kriterium: Beginn der Symptomatik vor dem 12. Lebensjahr Warum die Veränderung? “The age-of-onset criterion, first introduced in the DSM-III, has been one of the most controversial aspects of ADHD diagnosis, essentially because there is no body of knowledge to support 7 years of age as the developmental frontier that distinguishes whether new-onset symptoms are primary to ADHD or secondary to another condition. [J] The DSM-IV created further confusion by changing “onset of symptoms” to ´onset of symptoms producing impairment.` [J] Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 51 DSM-5 (erschienen im Mai 2013): - Unaufmerksamkeit ADHS: vorwiegend unaufmerksamer Typ - Hyperaktivität Impulsivität ADHS: vorwiegend hyperaktiv/impulsiver Typ ADHS: Mischtyp DSM IV: Kriterium: Beginn der Symptomatik vor dem 7. Lebensjahr DSM-%: Kriterium: Beginn der Symptomatik vor dem 12. Lebensjahr Warum die Veränderung? J „Studies after the introduction of the DSM-IV showed that parents have poor ability to recall the onset of their child’s symptoms. One study reported that 46% of children initially diagnosed with ADHD who continued to meet criteria at 5-year follow-up were no longer recognized as having presented symptoms before 7 years of age. [J] As empirical evidence about the fragility of the age-of-onset criterion ccumulated, suggestions were made that the DSM-5 should extend the age of onset from 7 to 12 years.7 On the one hand, the 12-year cutoff was expected to preserve the nature of ADHD as a neurodevelopmental disorder with childhood onset; on the other hand, the 5-year extension was expected to benefit the assessment of adults by shortening the recall period. Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 52 DSM-5 (erschienen im Mai 2013): - Unaufmerksamkeit ADHS: vorwiegend unaufmerksamer Typ - Hyperaktivität Impulsivität ADHS: vorwiegend hyperaktiv/impulsiver Typ ADHS: Mischtyp DSM IV: Kriterium: Beginn der Symptomatik vor dem 7. Lebensjahr DSM-%: Kriterium: Beginn der Symptomatik vor dem 12. Lebensjahr Auswirkungen der Veränderung auf Prävalenzraten: „Prevalence rates were 8.7% and 10.84%, respectively, representing a 47% relative increase in prevalence for the DSM-5. Comparisons of subgroups of children with ADHD based on age of onset (´early onset,´ up to 7 years of age; ´late onset,´ 7 to 12 years of age) showed no differences in sex or age distribution.” Polanczyk, G. V., & Moffitt, T. E. (2014). How Evidence on the Developmental Nature of Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder Can Increase the Validity and Utility of Diagnostic Criteria. Journal of the American Acadmy of Child & Adolescent Psychiatry 53/7, S. 723 - 725. Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 53 Symptome • … müssen schwerwiegender sein als bei anderen Kindern gleichen Alters • ... müssen schwerwiegender sein als bei anderen Kindern gleichen Entwicklungsstands • ... müssen in verschiedenen Lebensbereichen auftreten (z. B. Familie, Schule) • ... müssen im Alltagsleben ernste Probleme verursachen • ... verändern sich mit zunehmendem Alter und können lebenslang bestehen Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 54 Häufigkeit der Diagnose ADHS 12% 10% 7% 5,29% 6% 5% 4% 3% 2,50% Kein signifikanter Unterschied zwischen Nord-Amerika (ca 6 Prozent) und Europa (knapp unter 5 Prozent) Mittlerer Starke Schwankungen, die jedoch nicht vom Land abhängig sind, sondern auch innerhalb eines Ostendiagnostischen USA Europa weltweit weiblich Kinder Erwachsene Südamerikawelche Landes von 3,7männlich Prozent bis 8,9 Prozent schwanken, je nachdem, Kriterien verwendet wurden. graphisch dargestellt nach: Polanczyk, G., Silva de Lima, M., Lessa Horta, B., Biederman, J., & Rohde, L. (2007). The Worldwide Prevalence of ADHD: A Systematic Review and Metaregression Analysis. American Journal of Psychiatry 164, p. 942-948. Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 55 12% Vergleich: 6% 5% Häufigkeit der Diagnose ADHS Südamerika USA Europa Konsumation von Methylphenidat Olavo B. Amaral, M.D. American Journal of Psychiatry, 2007 Chile Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar USA Spain 56 Häufigkeit der Diagnose ADHS Starke Schwankungen, die jedoch nicht vom Land abhängig sind, sondern auch innerhalb eines Landes von 3,7 Prozent bis 8,9 Prozent schwanken, je nachdem, welche diagnostischen Kriterien verwendet wurden. Wie kommt es zu diesen starken Schwankungen in den Häufigkeitsangaben? Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 57 F90 hyperkinetische Störungen: einfache Aufmerksamkeitsstörung G1: Unaufmerksamkeit Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 58 G1: Unaufmerksamkeit 1. sind häufig unaufmerksam gegenüber Details oder machen Flüchtigkeitsfehler bei den Schularbeiten und sonstigen Arbeiten und Aktivitäten 2. sind häufig nicht in der Lage, die Aufmerksamkeit bei Aufgaben und beim Spielen aufrechtzuerhalten 3. hören häufig scheinbar nicht, was ihnen gesagt wird 4. können oft Erklärungen nicht folgen oder ihre Schularbeiten, Aufgaben oder Pflichten am Arbeitsplatz nicht erfüllen 5. sind häufig beeinträchtigt, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren 6. vermeiden oder verabscheuen Arbeiten, wie Hausarbeiten, die Durchhaltevermögen erfordern 7. verlieren häufig Gegenstände, die für bestimmte Aufgaben oder Tätigkeiten wichtig sind, z.B. Schularbeiten, Bleistifte, Bücher, Spielsachen und Werkzeuge 8. werden häufig von externen Stimuli abgelenkt 9. sind im Verlaufe der alltäglichen Aktivitäten oft vergesslich Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 59 mindestens sechs der Symptome von Unaufmerksamkeit bestanden mindestens sechs Monate lang in einem mit einem mit dem Entwicklungsstand des Kindes nicht zu vereinbarenden und unangemessenen Ausmaß. Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 60 Klinisch-psychologische Diagnostik bei Aufmerksamkeitsstörung (ICD 10) – ADHS (DSM) Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 61 Diagnostik • Evaluation • Prognose • Erklärung Symptomdeskription von ICD 10 und DSM-5 endet auf der Ebene der Klassifikation • Klassifikation • Deskription subsumiert unterschiedlichste Ätiologien Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 62 Instrumente der deskriptiven psychologischen Diagnostik bei Verdacht auf ADS/ADHS Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 63 Fremdbeurteilung durch Eltern und Lehrer = deskriptive Diagnostik: erhoben wird Vorhandensein und Ausmaß der Symptome - Conners Scale (Screening) - FBB-HKS: FremdBeurteilungsBogen - HyperKinetisches Syndrom (aus: DYSIPS, Manfred DÖPFNER, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universität zu Köln ) Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 64 Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 65 Versuch, die Grauzone zu obektivieren: FBB-HKS (Döpfner et al, 2008) : Einschätzung der Schwere des Symptomatik und der Belastung, die diese Symptomatik darstellt in der Fremdbeurteilung durch Eltern und Lehrer, Standardisierung des Elternurteils in klinisch auffällig – klinisch unauffällig: Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 66 Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 67 Funktionen der Diagnostik • Evaluation • Prognose Erklärung Therapieplanung • Erklärung • Klassifikation subsummiert unterschiedlichste Ätiologien • Deskription Symptomdeskription der Klassifikationssysteme Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar ICD 10 und DSM 5 68 Klinisch-psychologische Diagnostik von ADHS muss abklären: • Entwicklungsdefizite in der Informationsverarbeitung ? Störung der Exekutivfunktionen, Lernstörungen • emotionale Ursachen? cave: Differentialdiagnostik (Familienkonflikte, der sekundären Geschwisterrivalität, Neurotisierung! neurotische Entwicklung usw..) • soziales und pädagogisches Umfeld ? (psychosoziale Risikofaktoren; Überforderung in der Schule, Probleme mit der Peer-Group usw...) Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 69 Es gibt keinen spezifischen „Test“ für ADHS Ergebnisse der ADHS-Forschungsambulanz Sindelar, B., & Ableidinger, K. (2011). Behandlungsrelevante Diagnostik von AHDS. Ergebnisse einer klinisch-empirischen Studie. Zeitschrift für Pädiatrie und Pädologie, 4, S. 22-27. 70 Der Störungsbegriff: - im ICD-10 (ICD = International Classification of Deseases) Chapter V (F): Classification Of Mental and Behavioural Disorders: Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 71 der Störungsbegriff im ICD -10 -verzichtet durchgängig auf den Begriff der Krankheit - nicht „psychiatrische“ Störungen, sondern „psychische Störungen“ Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 72 der Störungsbegriff im ICD -10 -Störung = Komplex von Symptomen oder Verhaltensauffälligkeiten, die mit individuellen psychischen Beeinträchtigungen, mit individuellen Behinderungen im Sinne einer verminderten Bewältigungsfähigkeit von Alltagsaktivitäten verbunden sind und auch auf der sozialen Ebene mit Belastungen und Funktionsbeeinträchtigungen verbunden sein können Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 73 der Störungsbegriff im ICD -10 -diagnostiziert anhand „diagnostischer Leitlinien“ -spezifiziert Anzahl und Gewichtung der Symptome, die für eine Diagnose vorliegen müssen -Angaben zur Symptomdauer sind dabei allgemeinere Richtlinien Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 74 der Störungsbegriff im ICD -10 -unterscheidet Diagnose-Typen: •„sichere Diagnose“= diagnostische Leitlinien vollständig erfüllt •„vorläufige Diagnose“ = diagnostische Leitlinien nicht vollständig erfüllt, fehlende Informationen können wahrscheinlich ergänzt werden •„Verdacht auf ...“-Diagnose = diagnostische Leitlinien nicht vollständig erfüllt, fehlende Informationen können Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 75 nicht ergänztUniv.werden der Störungsbegriff im ICD -10 -Prinzip der Komorbidität: so viele Diagnosen wie nötig (Haupt-, Neben- und Zusatzdiagnosen) -Rangreihe nach Aktualität der Störungskomponenten (Leidensdruck) - Bezug zu den anderen ICD-10-Kapiteln (zum Beispiel somatischen) Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 76 der Störungsbegriff im OPD (= Operationale Psychodynamische Diagnostik) = psychotherapiespezifische diagnostische Klassifikation Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 77 der Störungsbegriff im OPD - vier psychodynamische Achsen aus mehreren Dimensionen zusammengesetzt - eine klassifikatorische Achse Achse I: Krankheitserleben und Behandlungsvoraussetzungen Achse II: Beziehung Achse III: (psychodynamische) Konflikt(e) Achse IV: (Persönlichkeits-) Struktur Achse V: Psychische und Psychosomatische Störungen (Verknüpfung mit der 78 Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar Symptom-beschreibung nach ICD 10 Internationale Klassifikation (WHO) nach ICD – 10– Kapitel V (F)Hauptgruppen: Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 79 ICD-10: insgesamt 21 Kapitel Kapitel V: psychische Störungen: 10 Hauptgruppen ( F0 bis F9) 398 Störungsdiagnosen Die 10 Hauptgruppen sind von F0 bis F9 jeweils zweistellig kodiert. Jeweils weitere Stellen sind für Untergruppen, zusätzliche Symptome, Verlaufsmerkmale und das klinische Erscheinungsbild (z.B. akut oder nicht akut) Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 80 vorgesehen. Internationale Klassifikation (WHO) nach ICD – 10– Kapitel V (F)Hauptgruppen: Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 81 • F0 Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen • F1 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen • F2 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen • F3 Affektive Störungen • F4 Neurotische-, Belastungs- und somatoforme Störungen • F5 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen oder Faktoren • F6 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen • F7 Intelligenzminderung • F8 Entwicklungsstörungen • F9 Verhaltens- u. emotionale Störungen mit Beginn in Kindheit/Jugend Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 82 Diagnostik der organischen psychischen Störungen Einteilung nach ICD 10 (F0): F00: Demenz bei Alzheimer Krankheit F01: vaskuläre Demenz F02: Demenz bei andernorts klassifizierten Erkrankungen F03: nicht näher bezeichnete Demenz F04: organisches amnestisches Syndrom F05: Delir, nicht durch Alkohol oder sonstige psychotrope Substanzen bedingt F06: sonstige psychische Störungen aufgrund einer Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns oder einer körperlichen Erkrankung F07: Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen aufgrund einer Erkrankung, Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns F09: nicht näher bezeichnete Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar organische oder symptomatische psychische Störungen Allgemeine Probleme der Diagnostik bei 83 Einteilung nach ICD 10 (F0): organischen psychischen F00: Demenz bei Alzheimer Krankheit Störungen: F01: vaskuläre Demenz F02:oft Demenz bei andernorts klassifizierten Erkrankungen erhebliche F03:kognitive nicht näher bezeichnete Demenz F04: organisches amnestisches Syndrom F05:Beeinträchtigungen Delir, nicht durch Alkohol oder sonstige psychotrope SubstanzenFremdbeurteilungsbedingt F06: sonstige psychische Störungen aufgrund methoden einer Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns oder einer körperlichen Erkrankung neuropsychologische F07: Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen Testverfahren aufgrund einer Erkrankung, Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns Selbstbeurteilungsverfahren F09: nicht näher bezeichnete Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 84 organische oder symptomatische psychische Störungen Verfahren, die den Patienten direkt evaluieren (z.B. neuropsychologische Testverfahren), haben zu berücksichtigen: •limitierte zeitliche Belastbarkeit des Patienten •sensorische Beschränkungen •Abhängigkeit der Untersuchungsergebnisse von situativen Determinanten durch intraindividuelle Schwankungen •andere psychische Störungen nichtorganischer Genese verschlechtern Testleistungen („depressive Pseudodemenz“) Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 85 Beispiele für ein Screening-Verfahren der Demenzdiagnostik: MMSE (Mini-Mental-State-Examination) (Folstein et al, 1975) geprüft werden: Orientierung Merkfähigkeit Aufmerksamkeit und Rechnen Erinnerungsfähigkeit Sprache Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 86 Auswertung: 30 (maximal) -27 Punkte = unauffällig 26-25 Punkte = leichte kognitive Beeinträchtigung 18-24 Punkte = leichte Demenz 10-17 Punkte = mittelgradige Demenz weniger als 10 Punkte = schwere Demenz Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 87 SIDAM: Strukturiertes Interview für die Diagnose einer Demenz vom Alzheimer Typ, der Multiinfarkt (oder vaskulären) Demenz und Demenzen anderer Ätiologie nach DSM-III-R, DSM-IV und ICD-10 (Zaudig et al. (1996) Einsatzbereich: Erwachsene von 60 bis 90 Jahren. Verwendung sowohl im epidemiologischen, ambulanten als auch stationären gerontopsychatrischen/-psychologischen Bereich. Das SIDAM kann - nach entsprechendem Training - von Ärzten, Psychologen, Studenten, Pflegepersonal und Sprechstundenhilfen zuverlässig benutzt werden. Geeignet als Screening-Instrument wie auch zur basalen neuropsychologischen Einschätzung des kognitiven Funktionszustandes. Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 88 Diagnostik von psychischen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen Einteilung nach ICD 10(F1): F10:Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol F11:Psychische und Verhaltensstörungen durch Opioide F12:Psychische und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide F13:Psychische und Verhaltensstörungen durch Sedativa oder Hypnotika F14:Psychische und Verhaltensstörungen durch Kokain F15:Psychische und Verhaltensstörungen durch sonstige Stimulantien einschließlich Koffein F16:Psychische und Verhaltensstörungen durch Halluzinogene F17:Psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak F18:Psychische und Verhaltensstörungen durch flüchtige Lösungsmittel F19: Psychische und Verhaltensstörungen durch multiplen Substanzgebrauch undUniv. Konsum sonstiger psychotroper Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 89 Substanzen Klassifikationssysteme Einteilung nach ICDZuordnung 10(F1): zuverlässige zu Diagnosekategorien, F10:Psychische und Verhaltensstörungen allerdings: durch Alkohol F11:Psychische und Verhaltensstörungen durch Opioide • Ätiologie, Pathogenese, Krankheitsverlauf, F12:Psychische und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide Rehabilitation sind hoch fallspezifisch. F13:Psychische und Verhaltensstörungen durch Sedativa oder • keine einheitliche Modellvorstellung der Sucht, Hypnotika besonders, und seit Verhaltensstörungen der Begriff Sucht um durch nicht Kokain F14:Psychische stoffbezogene (Spielen, Arbeiten, F15:Psychische undSüchte Verhaltensstörungen durchInternet..) sonstige erweitert wurde. Stimulantien einschließlich Koffein F16:Psychische und Verhaltensstörungen durch Halluzinogene • Für Medikamentenund Drogenabhängigkeit existieren F17:Psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak kaum psychometrisch überprüfte Verfahren F18:Psychische und Verhaltensstörungen durch flüchtige - Illegalität und Substanzen sind hinsichtlich Lösungsmittel Strafandrohung geringe Einnahme, Wirkung und F19: Psychische und Verhaltensstörungen durch multiplen Bereitschaft von Patienten Folgeerscheinung sehr Substanzgebrauch und Konsum sonstiger psychotroper zur Durchführung von unterschiedlich Substanzen Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 90 Forschungsvorhaben Typologien der Suchtkranken Cloninger (1995): milieugeprägte genetisch geprägt Babor (1992): Typ A: umweltgeprägt: weniger schwer Typ B: früher Beginn, familiäre Belastung, Verhaltensauffälligkeiten in der Kindheit, psychiatrische Komorbidität (vor allem: antisoziale Persönlichkeitsstörung) Zwei-Klassen-Einteilungen wurden bis jetzt Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 91 nicht ausreichend bestätigt diagnostische Kontroverse: Abhängigkeitserkrankungen = psychische Störungen an sich Symptome einer anderen, grundlegenden Krankheit ICD 10: multiple Diagnosestellungen für ein und dieselbe Person am häufigsten: Diagnosekombinationen mit Persönlichkeitsstörungen, Depressionen und Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar Angsterkrankungen 92 Aspekte der Diagnostik von Abhängigkeiten: -Screening ( zum Beispiel: Lübecker Alkoholismus Screening Test (LAST), Rumpf, 1998) -Schweregrad und Differenzierung von Abhängigkeitsphänomenen (Trierer Alkoholismus Inventar (TAI), Funke et al., 1987 -spezielle Phänomene wie zum Beispiel Rückfall, Craving (= unwiderstehliches Verlangen zum Substanzenkonsum), Konsummotive Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 93 massive transkulturelle Unterschiede in der Lebensrealität des Menschen in der Sucht Vorhandene Diagnose-Instrumente international nicht vergleichbar Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 94 Diagnostik schizophrener, schizotyper und wahnhafter Störungen Einteilung nach ICD 10 –(F2) F20: Schizophrenie F21: schizotype Störungen F22: anhaltende wahnhafte Störungen F23: akute vorübergehende psychotische Störungen F24: induzierte wahnhafte Störung F25: schizoaffektive Störungen F28: sonstige nichtorganische psychotische Störungen F29: nicht näher bezeichnete nichtorganische Psychose Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 95 Diagnostik schizophrener, schizotyper und wahnhafter Störungen Einteilung nach ICD 10 –(F2) F20: Schizophrenie F21: schizotype Störungen gemeinsames Kennzeichen: F22: anhaltende wahnhafte Störungen F23: akute von vorübergehende psychotische Störungen Vorliegen Wahn, Halluzinationen und/oder F24: induzierte wahnhafte Störung Denkstörungen F25: schizoaffektive Störungen F28: sonstige nichtorganische psychotische Störungen F29: nicht näher bezeichnete nichtorganische Psychose Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 96 Dreidimensionale Struktur schizophrener Symptomatik: Negativsymptomatik: z.B.:Affektverflachung, Anhedonie, Sprachverarmung Positivsymptomatik: Wahn, Halluzinationen Desorganisationssymptomatik: Denkstörungen, bizarres Verhalten Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 97 Diagnostik affektiver Störungen Einteilung nach ICD 10 –(F3) F30: manische Episode F31: bipolare affektive Störung F32: depressive Episode F33: rezidivierende depressive Störungen F34: anhaltende affektive Störungen F38: sonstige affektive Störungen F39: nicht näher bezeichnete affektive Störungen Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 98 Diagnostik affektiver Störungen Einteilung nach ICD 10 –(F3) F30: manische Episode F31: bipolare affektive Störung F32: depressive Episode normales F33: rezidivierende depressive Störungen emotionales Traurigkeit, F34: anhaltende affektive Störungen Erleben Verstimmung, F38: sonstige affektive Störungen Gereiztheit, gehobene F39: nicht näher bezeichnete affektive Störungen Stimmung, Unruhe, Ängstlichkeit krankheitswertig, behandlungsbedürftig Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 99 Beispiel für ein Verfahren zur Diagnostik des Schweregrads einer Depression: Beck Depressionsinventar (BDI) (Beck & Steer, 1987; BDI II, Beck, Steer & Brown, 1996; Hautzinger, Bailer, Worrall & Keller, 1995 international gebräuchlichstes Selbstbeurteilungsinstrument zur Erfassung des Schweregrades einer depressiven Episode 21 Items, (A bis U) enthalten jeweils vier Aussagen, die, auf einen Bereich depressiver Symptomatik bezogen, Schweregrade unterscheiden. Patient beurteilt jedes dieser Items auf einer vierstufigen Skala von 0 bis 3 hinsichtlich dessen Auftretens während der letzten Woche und dessen Intensität Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 100 21 Items des BDI: • • • • • • • • • • • • L: Soziale Isolation A: Traurigkeit • M: Entschlussunfähigkeit B: Pessimismus • N: Negatives Körperbild C: Versagen • O: Arbeitsunfähigkeit D: Unzufriedenheit • P: Schlafstörungen E: Schuldgefühle • Q: Ermüdbarkeit F: Strafwünsche • R: Appetitverlust G: Selbsthass • S: Gewichtsverlust H: Selbstanklagen • T: Hypochondrie I: Suizidimpulse • U: Libidoverlust J: Weinen K: Reizbarkeit Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 101 Diagnostik von neurotischen, Belastungs-, und somatoforme Störungen Einteilung nach ICD 10 –(F4) F40: phobische Störung F41: sonstige Angststörungen F42: Zwangsstörung F43: Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen F44: dissoziative Störungen (Konversionsstörungen) F45: somatoforme Störungen F48: sonstige neurotische Störungen Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 102 Diagnostik von neurotischen, Belastungs-, und somatoforme Störungen Einteilung nach ICD 10 –(F4) F40: phobische Störung psychischer und •heterogenes Spektrum psychophysiologischer Störungen F41: sonstige Angststörungen Zwangsstörung •F42: keine einheitliche Leitsymptomatik F43: Reaktionen auf schwere Belastungen und •kein gemeinsamer psychopathologischen Kern Anpassungsstörungen •gemeinsam: Annahme eines(Konversionsstörungen) hohen psychogenetischen F44: dissoziative Störungen Anteils für die Entstehung, Auslösung und F45: somatoforme Störungen Aufrechterhaltung der Störungen. F48: sonstige neurotische Störungen Compliance meistens hoch, Symptomatik oft nicht von außen beobachtbar Selbstbeurteilungsverfahren Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 103 Diagnostik von Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren Einteilung nach ICD 10 –(F 5) F50: Essstörungen F51: nicht-organische Schlafstörungen F52: sexuelle Funktionsstörungen, nicht verursacht durch eine organische Störung oder Erkrankung F53: psychische oder Verhaltensstörungen im Wochenbett, nicht andernorts klassifizierbar F54: psychische Faktoren oder Verhaltenseinflüsse bei andernorts klassifizierten Erkrankungen F55: Missbrauch von Substanzen, die keine Abhängigkeit hervorrufen F59: nicht näher bezeichnete Verhaltensauffälligkeiten mit Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 104 körperlichen Störungen und Faktoren Diagnostik von Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren Einteilung nach ICD 10 –(F 5) F50: Essstörungen Schwierigkeiten der diagnostischen F51: nicht-organische Schlafstörungen zu: F52:Abgrenzung sexuelle Funktionsstörungen, nicht verursacht durch eine organische Störung oder Erkrankung -somatischen Erkrankungen F53: psychische oder Verhaltensstörungen im Wochenbett, nicht andernorts klassifizierbar -zu depressiven und Angststörungen, F54: psychische Faktoren oder Verhaltenseinflüsse bei bei denen ebenfallsErkrankungen die Symptome andernorts klassifizierten Störungen auftreten können F55:dieser Missbrauch von Substanzen, die keine Abhängigkeit hervorrufen F59: nicht näher bezeichnete Verhaltensauffälligkeiten mit Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 105 körperlichen Störungen und Faktoren Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen Einteilung nach ICD 10 –(F 6) F60: Persönlichkeitsstörungen F61: kombinierte und sonstige Persönlichkeitsstörungen F62: andauernde Persönlichkeitsänderungen, nicht Folge einer Schädigung oder Erkrankung des Gehirns F63: abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle F64: Störungen der Geschlechtsidentität F65: Störungen der Sexualpräferenz F66: psychische und Verhaltensprobleme in Verbindung mit der sexuellen Entwicklung und Orientierung F68: sonstige Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen F69: nicht näher bezeichnete Persönlichkeitsund Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 106 Verhaltensstörung Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen gemeinsames Nachweis anhaltender, gestörter Einteilung nachMerkmal: ICD 10 –(F 6) Verhaltensmuster: F60: Persönlichkeitsstörungen -tief verwurzelte, anhaltende Verhaltensmuster mit starren F61: kombinierte und sonstige Persönlichkeitsstörungen Reaktionen auf persönliche und soziale Lebenslagen F62: andauernde Persönlichkeitsänderungen, nicht Folge -Persönlichkeitsund Verhaltensstörungen in Bezug auf die einer Schädigung oder Erkrankung des Gehirns Sexualität (z.B. Störungen der Geschlechtsidentität) F63: abnorme Gewohnheiten und Störungen -Verhaltensstörungen in isolierten Bereichen der (z.B. abnorme Impulskontrolle Gewohnheiten) F64: Störungen der Geschlechtsidentität F65: Störungen der Sexualpräferenz -insgesamt heterogen F66: psychische und Verhaltensprobleme in Verbindung -kein akzeptierter Konsens hinsichtlich der mit allgemein der sexuellen Entwicklung und Orientierung Abgrenzung von „normalen“ Persönlichkeitsvarianten F68: sonstige Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen F69: nicht näher bezeichnete Persönlichkeitsund Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 107 Verhaltensstörung Diagnostik von Intelligenzminderung Einteilung nach ICD 10 –(F 7) F70: leichte lntelligenzminderung: IQ: 50-69 (mentales Alter: 9 bis unter 12) F71: mittelgradige Intelligenzminderung: IQ 35-49 F72: schwere lntelligenzminderung: IQ 20-34 F73: schwerste lntelligenzminderung: IQ unter 20 F78: sonstige lntelligenzminderung F79: nicht näher bezeichnete Intelligenzminderung Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 108 Diagnostik von Intelligenzminderung Einteilung nach ICD 10 –(F 7) F70: leichte lntelligenzminderung: IQ: 50-69 (mentales Alter: 9 bis unter 12) F71: mittelgradige Intelligenzminderung: IQ 35-49 F72: schwere lntelligenzminderung: IQ 20-34 4.Stelle (F 7x.x): Ausmaß derIQ unter 20 F73: schwerste lntelligenzminderung: Verhaltensbeeinträchtigung F78: sonstige lntelligenzminderung in Verbindung mit den F70-F79 (zum Beispiel: F79: nicht Kategorien näher bezeichnete Intelligenzminderung F70.0 = leichte Intelligenzminderung, keine oder nur geringfügige Verhaltensstörung) Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 109 BUB 2, OKTOBER 2. VOLKSSCHULE; IQ 77 Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 110 BUB 1, JULI NACH 2. VOLKSSCHULE, IQ 103 Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 111 Diagnostik von Entwicklungsstörungen Einteilung nach ICD 10 –(F 8) F80: umschriebene Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache F81: umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten F82: umschriebene Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen F83: kombinierte umschriebene Entwicklungsstörung F84: tiefgreifende Entwicklungsstörungen F88: sonstige Entwicklungsstörungen F89: nicht näher bezeichnete Entwicklungsstörung Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 112 -Fallbeispiel: F81.0: Lese- und Rechtschreibstörung- BUB 1, DEZEMBER 2. VOLKSSCHULE, IQ 135 Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 113 Diagnostik von Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend Einteilung nach ICD 10 –(F 9) F90: hyperkinetische Störungen F91: Störung des Sozialverhaltens F92: kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen F93: emotionale Störung des Kindesalters F94: Störungen sozialer Funktionen mit Beginn in der Kindheit und Jugend F95: Ticstörungen F98: sonstige Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar F99: nicht näher bezeichnete psychische Störungen 114 multiaxiale Klassifikationsschema für psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters nach ICD-10 (Remschmidt, Schmidt, Poustka, 2001) sechs Achsen zur Befunderhebung • Achse 1: klinisch-psychiatrisches Syndrom (F0-F6, F9) • Achse 2: umschriebene Entwicklungsstörungen (F8) • Achse 3: Intelligenzniveau (F7) • Achse 4: körperliche Symptomatik • Achse 5: aktuelle abnorme psychosoziale Umstände • Achse 6: Globalbeurteilung der psychosozialen Anpassung Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 115 -FallbeispielBub, 7a, 1. VS Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 116 F90.0: einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung G1: Unaufmerksamkeit 1. sind häufig unaufmerksam gegenüber Details oder machen Flüchtigkeitsfehler bei den Schularbeiten und sonstigen Arbeiten und Aktivitäten 2. sind häufig nicht in der Lage, die Aufmerksamkeit bei Aufgaben und beim Spielen aufrechtzuerhalten 3. hören häufig scheinbar nicht, was ihnen gesagt wird 4. können oft Erklärungen nicht folgen oder ihre Schularbeiten, Aufgaben oder Pflichten am Arbeitsplatz nicht erfüllen 5. sind häufig beeinträchtigt, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren 6. vermeiden oder verabscheuen Arbeiten, wie Hausarbeiten, die Durchhaltevermögen erfordern 7. verlieren häufig Gegenstände, die für bestimmte Aufgaben oder Tätigkeiten wichtig sind, z.B. Schularbeiten, Bleistifte, Bücher, Spielsachen und Werkzeuge 8. werden häufig von externen Stimuli abgelenkt 9. sind im Verlaufe der alltäglichen Aktivitäten oft vergesslich Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 117 -FallbeispielBub, 7a, 1. VS, fünf Monate später Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 118 F90.0: einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung G1: Unaufmerksamkeit 1. sind häufig unaufmerksam gegenüber Details oder machen Flüchtigkeitsfehler bei den Schularbeiten und sonstigen Arbeiten und Aktivitäten 2. sind häufig nicht in der Lage, die Aufmerksamkeit bei Aufgaben und beim Spielen aufrechtzuerhalten 3. hören häufig scheinbar nicht, was ihnen gesagt wird 4. können oft Erklärungen nicht folgen oder ihre Schularbeiten, Aufgaben oder Pflichten am Arbeitsplatz nicht erfüllen 5. sind häufig beeinträchtigt, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren 6. vermeiden oder verabscheuen Arbeiten, wie Hausarbeiten, die Durchhaltevermögen erfordern 7. verlieren häufig Gegenstände, die für bestimmte Aufgaben oder Tätigkeiten wichtig sind, z.B. Schularbeiten, Bleistifte, Bücher, Spielsachen und Werkzeuge 8. werden häufig von externen Stimuli abgelenkt 9. sind im Verlaufe der alltäglichen Aktivitäten oft vergesslich Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 119 -FallbeispielBub, 7a, 1. VS, sechs Monate später Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 120 F90.0: einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung G1: Unaufmerksamkeit 1. sind häufig unaufmerksam gegenüber Details oder machen Flüchtigkeitsfehler bei den Schularbeiten und sonstigen Arbeiten und Aktivitäten 2. sind häufig nicht in der Lage, die Aufmerksamkeit bei Aufgaben und beim Spielen aufrechtzuerhalten 3. hören häufig scheinbar nicht, was ihnen gesagt wird 4. können oft Erklärungen nicht folgen oder ihre Schularbeiten, Aufgaben oder Pflichten am Arbeitsplatz nicht erfüllen 5. sind häufig beeinträchtigt, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren 6. vermeiden oder verabscheuen Arbeiten, wie Hausarbeiten, die Durchhaltevermögen erfordern 7. verlieren häufig Gegenstände, die für bestimmte Aufgaben oder Tätigkeiten wichtig sind, z.B. Schularbeiten, Bleistifte, Bücher, Spielsachen und Werkzeuge 8. werden häufig von externen Stimuli abgelenkt 9. sind im Verlaufe der alltäglichen Aktivitäten oft vergesslich Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 121 Zusätzliche Symptome: • Schweißausbrüche • Abdominelle Missempfindung (Kribbeln im Bauch) • Angst, zu sterben • Ruhelosigkeit und Unfähigkeit zum Entspannen • Kloßgefühl im Hals • Konzentrationsschwierigkeiten • Einschlafstörungen wegen der Besorgnis = F41.1 generalisierte Angststörung ? Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 122 = F41.1 generalisierte Angststörung Zusätzliche Symptome: • Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit • Unangemessene Überaktivität • Erhöhte Schreckhaftigkeit = F43.1 posttraumatische Belastungsstörung Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 123 Mädchen, 7a • Wiederholtes willkürliches und unwillkürliches Absetzen von Faeces an dafür nicht vorgesehenen Stellen • Mehrmals pro Woche • In die Kleidung • Seit einem halben Jahr • Keine organische Ursache F98.1 nichtorganische Enkopresis (F98.11 = bei adäquater Darmkontrolle) Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 124 Differentialdiagnostik versus Komorbidität Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 125 Weiblich, 46a • Einschlafstörungen, Durchschlafstörungen • Täglich seit etwa einem halben Jahr • Soziale und berufliche Funktionsfähigkeit eingeschränkt • Keine organischen Ursachen F 51.0 nichtorganische Insomnie Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 126 weiblich, 46a wiederholt, ohne erkennbaren Auslöser, seit etwa sechs Wochen, fast täglich: • Atembeschwerden • Schwindelgefühl zu wenige der Symptome von F 41.0 • Angst, zu sterben (mindestens vier) F 41.0 Panikstörung ? Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 127 weiblich, 46a • Symptome aus F4 (neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen), Kriterien einer einzelnen Störung werden aber nicht erfüllt • Identifizierbare psychosoziale Belastung, von einem nicht außergewöhnlichen oder katastrophalen Ausmaß; Beginn der Symptome innerhalb eines Monats Trennung vor zwei Monaten F43.22 Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion F 51.0 nichtorganische Insomnie Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 128 Diagnosen sind Konstrukte! Menschen HABEN nicht eine psychische Störung, sondern sie erfüllen die Kriterien einer psychischen Störung! Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 129 Der psychologische Befund in der störungsbezogenen Diagnostik Richtlinien der psychologischen Befunderstellung • aufgrund wissenschaftlich anerkannter Methoden und Kriterien • nach feststehenden Regeln der Gewinnung und Interpretation von Daten • zu konkreten Fragestellungen Aussagen Verantwortung des Psychologen, • welche Verfahren er aufgrund des aktuellen Forschungsstandes in der wissenschaftlichen Psychologie auswählt, • welchen Umfang der Datenerhebung er für angemessen hält • was aus der Sicht der Fragestellung als mitteilensnotwendig gilt • was zum Schutz der Persönlichkeit des Begutachteten nicht Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar mitzuteilen ist. 130 • Bemühen um Objektivität • Freiwilligkeit einer Teilnahme an psychologischer Begutachtung respektieren • Sorge tragen für hinreichenden Datenschutz Siehe: Richtlinie für die Erstellung von klinisch-psychologischen und gesundheitspsychologischen Befunden und Gutachten des Bundesministeriums für Gesundheit auf Grundlage eines Gutachtens des Psychologenbeirates vom 23.02.2012 Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 131 psychologischer Befund - psychologisches Gutachten: laut österreichischer Zivilprozessordnung (§ 362 Abs. 1 ZPO) zwei unterschiedliche Gesetzesbegriffe: • psychologischer Befund: Feststellung und Beschreibung von psychologischen Tatsachen; rein deskriptiv abgefasste Ergebnisse von Anamneseerhebung, Exploration, psychologischen Tests und gegebenenfalls von biographischem Inventar • psychologisches Gutachten: Schlussfolgerungen aus den ermittelten Tatsachen durch Anwendung des Fachwissens; Interpretation der Untersuchungsergebnisse und darauf basierend Vorschlag von Maßnahmen Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 132 Aufbau eines psychologischen Befundes: • Eckdaten der Befunderhebung: an wem wurde wann die psychologische Untersuchung durchgeführt? • In wessen Auftrag (zum Beispiel: Zuweisung durch Arzt, Empfehlung durch Schule, Selbstvorstellung) und zur Klärung welcher Fragestellung wurde der Befund erhoben? • Anamnese der für die Fragestellung relevanten Inhalte, wobei die Befund Informationsquelle angegeben werden muss (zum Beispiel: „nach Bericht der Eltern…“) • Biographische Anamnese • Exploration und Verhaltensbeobachtung • Durchgeführte Testverfahren (müssen namentlich angeführt werden) • Deskription der Testergebnisse • Interpretation der Testergebnisse • Empfehlungen Gutachten 133 Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar Zusammenfassung: Störungsspezifische klinisch-psychologische Diagnostik • Evaluation • Prognose Exploration Symptomfragebogen, Leistungstests, Intelligenztest Neuropsychologische Tests, projektive Tests Therapieplanung • Erklärung Neuropsychologische Tests, projektive Tests • Klassifikation Standardisierte Symptomfragebogen Standardisierte Leistungstests Standardisierte Intelligenztests • Deskription Exploration Univ. Doz.in Dr.in Brigitte Sindelar 134