Entwicklung des Problemlösen

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Entwicklung des Problemlösen
Geschrieben von: Jörg
Donnerstag, den 20. August 2009 um 17:30 Uhr - Aktualisiert Freitag, den 21. August 2009 um 09:15 Uhr
Vorneweg
Mein Referat bezieht sich auf einen Artikel aus dem " Oerter/Montada ", und der gehört ja
bekanntlich zur prüfungsrelevanten Literatur. Somit wird wahrscheinlich jeder über kurz oder
lang den Originaltext selbst lesen. Ich möchte mich aus diesem Grund auch nicht an einer
Zusammenfassung im üblichen Sinn versuchen, sondern euch sowas wie eine Vorausschau
über die Entwicklung der Gedächtnisgrundlagen bieten. Da die Informationsfülle aber auch
dann noch beträchtlich ist, hoffe ich für den teilweise stichwortartig auflistenden Charakter des
Referates, auf euer Verständnis.
Funktionsweise des Gedächtnisses und ihre Entwicklung
1.1 Wiedererkennen und Erinnern - Reproduzieren
Sowohl im Alltag als auch in der psychologischen Forschung interessieren uns zwei
wesentliche Gedächtnisleistungen, das Wiedererkennen und das Erinnern.
1.1.1 Wiedererkennen
Das Wiedererkennen ist die Verbindung von momentan wahrgenommenen Ereignissen mit
früheren Ereignissen desselben Typs. Das Wiedererkennen ist im Alltag offensichtlich von
entscheidender Bedeutung und stellt die einfachste Leistung des Langzeitgedächtnisses dar.
Entwicklungspsychologische Untersuchungen zeigen, daß diese grundsätzliche
Gedächtnisleistung bereits bei Säuglingen auftritt.FN1 Bereits 6-8 Wochen alte Kinder erkennen
ein länger dargebotenes Bild nach 24 h wieder.
Auch im Alter scheint das Wiedererkennen nur wenig beeinträchtigt zu sein. Die Stabilität des
Wiedererkennens über das ganze Leben hinweg, läßt vermuten, daß diese Leistung eine
"allgemeine Funktionstüchtigkeit des Gedächtnisses", einschließlich ihrer neurostrukturellen
Grundlage zeitlebens vorhanden und keiner Entwicklungs-veränderung unterworfen ist ( Reese
1979 ).
1.1.2 Freies Reproduzieren
Freies Reproduzieren ( Erinnern ) ist die aktive Vergegenwärtigung von früheren Ereignissen.
Diese Gedächtnisleistung erfordert zusätzlich zu den Prozessen des Einspeicherns und
Vergleichens beim Wiedererkennen noch Prozesse des Abrufens von Informationen aus dem
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Langzeitgedächtnis. Die Entwicklung des freien Reproduzierens erfolgt später als die des
Wiedererkennens. Die Fähigkeit zum Reproduzieren verbessert sich bis zum Erwachsenenalter
ständig und nimmt im Alter wieder ab.
1.2 Episodisches und semantisches Gedächtnis
Die Gedächtnisforschung unterscheidet zwei Formen des Langzeitgedächtnisses: das
episodische und das semantische Gedächtnis (Tulving 1972).
1.2.1 Episodisches Gedächtnis
Unter episodischem Gedächtnis versteht man "die Speicherung und Reproduktion von zeitlich
datierten, räumlich lokalisierten und persönlich erfahrenen Ereignissen oder Episoden" (Brown
1975).
1.2.2 Semantisches Gedächtnis
Das semantische Gedächtnis klassifiziert und gruppiert die Informationen. Die Struktur-ierung
erfolgt z.B. nach Bedeutungszusammenhängen, nach begrifflicher Über- und Unterordnung,
oder aber auch nach phonetischen Merkmalen.FN2
Das semantische Gedächtnis entwickelt sich später, gewinnt dann aber gegenüber dem
episodischen Gedächtnis zunehmend an Bedeutung.
1.3 Funktionseinheiten des Gedächtnisses
Das gebräuchlichste Gedächtnismodell unterscheidet drei Prozeßebenen (vgl. Atkinson &
Shiffrin 1986) :
- den sensorischen Informationsspeicher ( sensorischer Buffer )
- den Kurzzeit- und Arbeitsspeicher
- den Langzeitspeicher
1.3.1 Der sensorische Informationsspeicher ( SIS )
Die Aufgaben des sensorischen Informationsspeichers bestehen in der kurzfristigen
Speicherung von Sinneswahrnehmungen (für Sekundenbruchteile), um an den Daten eine
Mustererkennung und Auswahl durchzuführen.
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Die Daten werden dann im SIS kodiert und nach Modalität (Art und Weise) eingeteilt. Bei
Kindern sind die Modalitäten anfangs nicht exakt geschieden, hier finden wir auch die Erklärung
warum bei Kindern SynästhesienFN3 häufiger zu finden sind als bei Erwachsenen.
1.3.2 Der Kurzzeit und Arbeitsspeicher ( KZS )
Die Informationsspeicherung erfolgt im KZS für ca. 30 sek.. Seine Kapazität beträgt etwa 7+-2
Elemente.
Der Kurzzeitspeicher ist zugleich Arbeitsspeicher für In- und Output von Gedächtnis-material
sowie für das Denken und Vorstellen.
Der KZS baut sich beim Kleinkind mit etwa 8 Monaten auf.FN4 ( Kagan 1979 Vers S.544 )
Die Gedächtniskapazität nimmt als Folge neurologischer Reifung linear zu ( 3 jährige / 1
Informationseinheit ; 5-10 jährige / 7 Informationseinheiten)
Die effektivere Nutzung führt zu einer Erhöhung der Informationsgeschwindigkeit. Im
wesentlichen gibt es drei Methoden der Effizienzerhöhung :
- a) ChunkbildungFN5 / Erhöhung der Einzelelemente einer Einheit
- b) Einsatz von Strategien ( bewußt oder unbewußt ) / wachsende Fähigkeit zur gezielten
Aufmerksamkeit
- c) Die Automatisierung von Strategien durch häufige Nutzung führt zu einem
Prozeßablauf ohne bewußte Kontrolle, mit dem Vorteil eines geringeren Speicherplatzbedarfs.
1.3.3 Der Langzeitspeicher ( LZS )
Der LZS nimmt einen Teil der Information aus dem KZS auf.
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Wir unterscheiden zwischen
1. mittelfristigem Gedächtnis (sekundäres LZS) Informationsspeicherung über Minuten bis
zu Tagen.
2. langfristigem Gedächtnis (tertiärer LZS) Informationsspeicherung praktisch zeitlich
unbegrenzt.
Gewöhnlich ist mit dem LZS der tertiärer LZS gemeint.
Im LZS werden die Bedeutungen der aufgenommenen Informationen gespeichert
Die Informationen im LZS sind nicht direkt zugänglich. Deshalb erfolgt eine Katalogisierung der
Informationen durch geeignete Hinweise / Adressen (wie bei einer Bibliothek).
Die Leistungsfähigkeit des LZS steigt mit verbesserter Ordnung und Struktur.
Gespeicherte Informationen bleiben nicht unverändert, sondern ändern ihre Struktur durch
ergänzende Informationen und Vereinfachungen.
Eine Annahme bezüglich der Entwicklung des LZS : in der frühen Kindheit ist der LZS bereits
voll funktionstüchtig. Änderungen erfolgen nur in der Wissensstruktur und im Wissensumfang.
1. Cohen & Gelber (1975). Versuche mit Säuglingen denen ein Bild solange dargeboten
wurde, bis das Habituierungsphänomen ( Nachlassen der Aufmerksamkeit ) eintritt. Danach
wird das Bild in eine neue Bilderfolge eingereiht. Durch unterschiedliche Fixierungsdauer, sieht
man ob der Säugling das vertraute Bild wiedererkennt.
2. Im semantischen Gedächtnis ist z.B. das Wissen über Regeln und Anordnungen und das
meiste schulische und berufliche Wissen gespeichert.
3. Synästesie : Vermischung von Sinnesmodalitäten Wahrnehmung eines Sinneseindrucks
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der gar nicht gereizt wurde. z.B. Farbenhören
4. Kagan 1979 siehe Versuch S.544 im Oerter/Montada
5. Das Lesen ist ein sehr anschauliches Beispiel zur Erhöhung der Einzelelemente einer
Einheit (Chunkbildung). Bei Kindern die Lesen lernen, bildet noch jeder Buchstabe eine Einheit,
dann werden Wörter als Einheit erkannt und zuletzt bestehen Einheiten aus Wortgruppen oder
gar ganzen Satzteilen. Genauso wie sich hierbei die Lesegeschwindigkeit steigert, erhöht die
Chunkbildung im KZS die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit.
Entwicklung von Gedächtnisstrategien
Das Gedächtnis entwickelt sich nur teilweise. Eine grundlegende Funktionstüchtigkeit existiert
(wie bei den Sinnesorganen) zeitlebens.
Veränderung und Entwicklung erfolgt vor allem bei den GedächtnisstrategienFN6.
2.1 Zur Entwicklung einzelner Strategien
2.1.1 aktives Wiederholen (rehearsal)
Das laute oder leise wiederholende Hersagen (rehearsal) wird als die einfachste Strategie
betrachtet.
Die Abruffähigkeit aus dem KZS (retrieval) ist Bedingung für rehearsal. Der Abruf wird durch die
optische Darbietung des Objekts erleichtert.
Der Aufbau der rehearsal-Strategie erfolgt mit 8 Jahren.FN7
2.1.2 Gruppieren und Organisieren
Hierbei handelt es sich um die Umstrukturierung des Materials nach logischen oder anderen
Prinzipien der Zusammengehörigkeit. Eine hierarchische Gruppierung ist vorteilhaft.FN8
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Zur Entwicklung dieser Strategie : Bei 5-jährigen konnte ein spontanes Auftreten dieser
Strategie nicht beobachtet werden, während etwa die Hälfte der 10-jährigen und alle
Erwachsenen die Vorteile des Gruppierens nutzten.FN9
2.1.3 Elaborative ( hochentwickelte ) Gedächtnisstrategien
Bei elaborativen Gedächtnisstrategien wird dem Lernmaterial eine Verknüpfung, bild-hafter oder
verbaler Natur, hinzugefügt - z.B. eine Geschichte oder ein Bild. Ein einprägsames Beispiel
hierfür sind Paarassoziationen (zu deutsch : Eselsbrücken).
Bereits Kinder im Alter von 5-6 Jahren können verbale Verknüpfungen einsetzen wenn sie dazu
angeleitet werden. Die Wirkung dieser Technik steigt bis zum 11. Lebensjahr noch an. Spontan
werden diese Strategien jedoch auch im Erwachsenenalter nicht von allen Menschen genutzt
2.2 Denken und die Motivation
2.2.1 Zum Einfluß von Denkoperationen
Nach Piaget ist die Gedächtnisleistung eng mit den Strukturierungsleistungen des Denkens
verknüpft. Case (1978) versucht durch eine detaillierte Analyse von Piaget- Aufgaben zu
zeigen, daß die Leistungsfortschritte des KZS nicht auf eine entwicklungsbedingte
Kapazitätserweiterung, sondern vielmehr auf den Einsatz von Strategien und Operationen
zurückzuführen sind. Der kognitive Fortschritt geht also seiner Meinung nach einerseits auf den
Aufbau effektiver Strategien, die wenig Speicherplatz benötigen, und andererseits auf die
Nutzung von automatischen Operationen, die gar keinen Speicherplatz benötigen, zurück.
2.2.2 Zum Einfluß der Motivation
Der Sinn einer Gedächtnisaufgabe für das Subjekt beeinflußt die Gedächtnisleistung in
erheblichem Maße. So erfolgt eine beiläufige (nicht willentliche) Einprägung von Material umso
besser, je interessanter bzw. persönlich bedeutsamer die Ereignisse waren.FN10 In unserem
Lebenslauf erfahren wir eine Veränderung der Sinnstiftung bei Gedächtnisleistung : Für kleine
Kinder machen vor allem Gedächtnisleistungen im Zusammenhang mit ihrer Spieltätigkeit einen
Sinn. Bei Schulkindern wird das Lernen per se als sinnvolle Aufgabe erkannt. Beim
Erwachsenen wird der Sinn einer Gedächtnisleistung dann vorwiegend mit berufsbedingten
Aufgaben verknüpft.
- 6 Der Strategiebegriff nach Naus und Ornstein (1983) :" aufgabenbezogene Kognitionsund Verhaltensaktivitäten, die das Subjekt willentlich einsetzt, um die Gedächtnisleistung zu
verbessern ".
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- 7 siehe den Versuch S 549 im Oerter/Montada
- 8 Bower et al. zeigten 1969, daß sich die Gedächtnisleistung durch eine hierarchische
Gliederung des Materials um bis zu 40 % verbessert.
- 9 siehe den Versuch S 549 im Oerter/Montada
- 10 Wahrscheinlich können sich viele an frühe Ereignisse erinnern, bei denen sie/er sich in
irgendeiner Weise wehgetan oder sogar verletzt hat. Hierbei ist die Gedächtnisleistung nicht
durch einen willentlichen Akt bedingt, sondern hängt mit der Bedeutsamkeit des Ereignisses
zusammen
Wissen und Gedächtnis
Nach Meumann (1912) kann das Gedächtnis umso mehr (sinnvolle) Informationen aufnehmen,
je mehr Informationen sich bereits im Gedächtnis befinden. Die Gedächtniskapazität des LZS
wird als nahezu unbegrenzt anzusehen.
3.1 Wissen verbessert die Gedächtnisleistung
Je differenzierter und reichhaltiger das bereits im Gedächtnis vorhandene Material ist, umso
mehr Elemente lassen sich an das bereits ausgebildete Wissen anknüpfen. Die
Gedächtnisentwicklung ist also in diesem Sinne vorwiegend als Aufbau von Wissens-strukturen
zu verstehen.
3.1.1 Das Metagedächtnis
Eine wesentliche Rolle bei der Gedächtnisleistung spielt auch das Wissen um die
Funktionsweise des Gedächtnisses selbst. Dieses Metawissen ist vor allem das Wissen über
Strategien und die Vorteile ihrer Verwendung.FN11
3.1.2 Experte und Laie
Die Zunahme der Lern- und Gedächtnisfähigkeit hängt mit der Wissensakkumulation eng
zusammen. So können Experten auf ihrem jeweiligen Wissensgebiet erheblich mehr und vor
allem schneller lernen als Neulinge. Diese größere Fähigkeit läßt sich auf unterschiedliche
Chunkgrößen zwischen Experte und Laie zurückführen.
3.2 Der Aufbau von Wissensstrukturen
Unsere Erfahrungen werden nicht Stück für Stück angesammelt, sondern als
zusammenhängende Wissensstruktur konstruiert. Der entscheidende Faktor sind
vorausgegangene Erfahrungen. Diese früheren Erfahrungen werden vereinfacht und
schematisiert. So haben wir für viele unserer Aktionen bereits vorgefertigte
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Handlungsschemata, die bei entsprechenden Aktionen dann den Ablauf und die Folgen
unseres Tuns bestimmen. Schank und Abelson (1970) führten den Begriff des Skripts als
schematischen Ablaufplan eines Ereignisses ein. Mit etwa 3 Jahren sind Kinder in der Lage,
Ereignisse in Form von Skripts zu repräsentieren. Erst damit sind sie in der Lage,
wiederkehrende Ereignisse im Gedächtnis festzuhalten.
Vieles an Wissen, das wir aufnehmen ist unwichtig - es ist für die Lebensbewältigung nicht von
Bedeutung. Anders verhält es sich mit dem autobiographischen Wissen, denn es bildet die
Grundlage unserer eigenen Identität. Dieses biographische Wissen scheint sich beim Kind erst
mit etwa drei Jahren zu entwickeln.FN12
- 11 Leider hängen das Wissen über günstige Gedächtnisstrategien und ihre Anwendung
nicht zwangsläufig zusammen. (dummerweise !). (Salatas & Flavell 1976, Cananaugh &
Borkowski 1980)
- 12 Hier finden wir auch den Grund, warum wir uns nur selten an Ereignisse vor dem
dritten Lebensjahr erinnern können.
Fazit
In der aktuellen Diskussion zur Gedächtnisleistung spielen hauptsächlich zwei Hypothesen eine
Rolle. Die Entwicklung der Leistungssteigerung durch wachsende Gedächtniskapazität und die
Entwicklung der Nutzung von Strategien zur Automatisierung von Gedächtnisprozessen.
Offensichtlich ist jedoch , daß der planend und überlegt Lernende dem rein mechanisch
Lernenden auf Dauer überlegen ist.
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