Stellungnahme der Landesarbeitsgemeinschaft Elterninitiativen Nds./HB e.V. (lagE e.V.) „Musikland Niedersachsen stärken - Musikalische Bildung fördern Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP- Drs.16/178 Die lagE e.V. begrüßt den Entschließungsantrag der Landtagsfraktionen der CDU und FDP, die musikalische Bildung zu fördern. Hierzu gehört selbstverständlich auch die frühkindliche Bildung in Tageseinrichtungen für Kinder. In unserer Stellungnahme beziehen wir uns vor allem auf den ersten Spiegelstrich der Entschließung, nach dem das Fach Musik unter besonderer Berücksichtigung des kinderstimmengerechten Singens stärker in der Ausbildung von Erzieher/innen verankert werden soll. Im Nds. Orientierungsplan für Bildung und Erziehung im Elementarbereich niedersächsischer Tageseinrichtungen für Kinder ist die musikalische Bildung in Kitas als Element der Ästhetischen Bildung verankert und als Bildungsziel formuliert worden. Laut Begleitstudie von 2006 zum Orientierungsplan rangiert die Förderung musikalischer Fähigkeiten bereits jetzt schon deutlich vor der Anregung zur Beschäftigung mit Mathematik, Naturwissenschaft, Schriftsprache, Ethik/Religion. Etwa die Hälfte der befragten Leiterinnen schätzen die Förderung musikalischer Fähigkeiten als „sehr wichtig“ ein. Dabei geht es darum, Musik zu nutzen, um „die Welt besser zu verstehen“. Singen hilft beim Sprechen lernen, Tanzen bei der Entwicklung der Motorik, Rhythmik bei der Mathematik, Liedtexte führen zu Themen, die in der Kita besprochen werden. 1 Die emotionale, kognitive und soziale Entwicklung können durch Musik in der Kita befördert werden. Musik spricht alle Kinder in unterschiedlicher Weise an, sie grenzt nicht aus, sondern bezieht alle ein. Für eine integrative und interkulturelle Arbeit in Kitas ist Musik eine geeignete Basis. Wichtig ist auch, dass Eltern gut durch Musik angesprochen werden können. Bei gemeinsamen Festen miteinander zu singen, zu tanzen oder auch die instrumentellen Fähigkeiten von Eltern mit einzubeziehen, kann die Erziehungspartnerschaft zwischen Elternhaus und Kita in positivem Sinne bestärken. In diesem Sinne darf frühe Kindheit aber keinesfalls als Vorbereitungszeit auf die Schule angesehen werden, sondern als eine eigenständige Entwicklungs- und Bildungsphase (vgl. 12. Kinder- und Jugendbericht): Es geht nicht um eine „Musikalisierung“ der Kinder und nicht um Musik- oder Instrumentalunterricht. Als lagE e.V. ist es daher für uns besonders wichtig, dass bei der Umsetzung des geplanten Förderprogramms „Musikland Niedersachsen – wir machen die Musik!“ dieses Bildungsverständnis des Elementarbereichs berücksichtigt wird. Dazu gehört, dass alle Kinder einer Kita-Gruppe das Angebot wahrnehmen können und nicht wegen einer notwendigen Mitfinanzierung durch die Eltern ausgeschlossen werden. Bedauerlich ist natürlich, dass der Umfang des Projektangebots u.W. auf eine Wochenstunde beschränkt bleibt. Verankerung des Faches Musik in der Ausbildung von Erzieherinnen und Erzieher Grundsätzlich halten wir es als lagE e.V. für unterstützenswert, dass das Fach Musik in der Erzieher/innen-Ausbildung eine größere Berücksichtigung erfährt. Hierzu gehört neben der musikalischen Ausbildung auch die Entwicklung der Kompetenz, die Bildungsinhalte des Elementarbereiches wie Sprache, Körper/Bewegung, Mathematik usw. professionell durch das Medium Musik miteinander verknüpfen und ganzheitlich und integrativ vermitteln zu können. 2 Entsprechend sind auch berufsbegleitende Fort- und Weiterbildungsangebote zu unterstützen. Nach einer Untersuchung von S. Viernickel (2009) steht bis heute eine systematische Verzahnung der Inhalte der Bildungsprogramme der einzelnen Länder mit den Curricula der unterschiedlichen Aus- und Weiterbildungsgänge noch aus. „Die Anstrengungen für eine generelle Anhebung des QualifikationsNiveaus von pädagogischen Fachkräften sollten weitergeführt werden. In diesem Zusammenhang sollte auch eine damit einhergehende verbesserte Bezahlung angestrebt werden“. Demnach müssen die Ausbildung und der Beruf deutlich attraktiver werden, damit frühkindliche Bildung und der Betreuungsanspruch gewährleistet werden können (vgl. auch Rauschenbach und Sell 2009, die einen Fachkräftemangel für die nächsten Jahre vorhersagen). Musik im Kita-Alltag Auch wenn die meisten Kitas von der Wichtigkeit musikalischer Bildung überzeugt sind, bedeutet dies möglicherweise, dass (nur) täglich im Morgenkreis ein gemeinsames Lied gesungen wird. Vielleicht aber auch, dass Bewegungsangebote, Tanzspiele, Abzählreime u.ä. Alltag in einer Kita sind oder dass – vermutlich nur in wenigen Kitas - noch darüber hinaus Musik konzeptionell verankert ist. Der berühmte Musikkindergarten in Berlin, der auf Initiative von Daniel Barenboim gegründet wurde und in enger Kooperation mit der Staatsoper Berlin arbeitet, ist wahrscheinlich für alle ein besonders gelungenes Beispiel für die Förderung von Musik in der Kita. Aber er ist auch ein mehr oder weniger einmaliges Beispiel. Barenboim gibt Benefiz-Konzerte zur Finanzierung des Kindergartens. Er stellt Erzieherinnen mit akademischen Abschluss ein, die Kita hat einen besseren Personalschlüssel und Barenboim verpflichtet seine 3 Orchestermusiker zu wöchentlichen Aufenthalten in der Kita. Mit Überzeugung tritt er dafür ein, dass diese Kita nicht dazu da ist, musikalischen Nachwuchs hervorzubringen. Die Kinder kommen aus verschiedenen sozialen Milieus und kulturellen Herkünften und die Eltern zahlen nur den in Berlin üblichen Elternbeitrag. Ein zentrales Ergebnis der oben genannten Begleitstudie zum Bildungsplan war, dass die Möglichkeiten der Umsetzung der Bildungsziele durch den bestehenden Zeitmangel stark eingeschränkt sind. Die aus dem Bildungsplan resultierenden Anforderungen stehen bislang nicht in angemessener Relation zu den in den niedersächsischen Kitas vorzufindenden strukturellen Ressourcen. In der Fachdebatte spricht man vom sog. „Eisernen Dreieck der Strukturqualität“. Dazu gehören im Kita-Bereich der Erzieher-Kind-Schlüssel, die Gruppengröße und die Ausbildung des Fachpersonals. Damit sind wir beim Grundproblem der frühkindlichen Bildungsarbeit in unseren Tageseinrichtungen. Die Frage ist, was kann die Verstärkung musikalischer Inhalte in der Ausbildung zur Folge haben? Können strukturelle Mängel ausgeglichen werden? Allein mehr Musik in der Ausbildung von Erzieherinnen zu unterrichten, führt nicht automatisch zu einer stärkeren Berücksichtigung in der späteren Berufspraxis. Es sei denn, die Bedingungen in der Kita würden ebenfalls verbessert. Eine Erhöhung des Personalschlüssels wäre u.E. die wichtigste Maßnahme, die in allen Bildungsbereichen des Elementarbereiches zu positiven und nachhaltigen Lernerfolgen führen würde. Es fehlt den Kita nicht an Willen und Ideen, sondern schlicht an Ressourcen. So werden nach Beendigung von Projekten diese oft nicht weitergeführt, alle zusätzlichen Aufgaben werden im Zweifelsfall dem absolut Notwendigen geopfert. Das immer Mehr in der Ausbildung löst daher nicht das Problem der schlechten Personalausstattung in den Kitas. 4 Das Förderprogramm des MWK und MK in Zusammenarbeit mit dem Landesverband niedersächsischer Musikschulen Wir als lagE e.V. bedanken uns für die Gelegenheit, zu dem oben genannten Entschließungsantrag angehört zu werden. Allein die Einladung zu dieser Anhörung hat auf jeden Fall unsere Bereitschaft zu zukünftigen Kooperationen bestärkt - denn wir haben dadurch zum ersten Mal von dem geplanten neuen Förderprogramm Kenntnis erhalten. Wir möchten daher anregen, dass in Kooperation mit dem MK die Adressatenliste der Kita-Träger noch einmal überprüft wird und in der vielfältigen Kita-Trägerstruktur des Elementarbereiches verstärkt für eine Zusammenarbeit geworben wird. Gez. Heide Tremel, Geschäftsführung Hannover, 28.5.09 5