Master-AK-OSF Vorschlag Oliver Schwab-Felisch v2 Hanjo

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Magister-/Master-/Diplomarbeit
Zum Einfluss der musikalischen und musiktheoretischen Expertise auf
individuelle Strategien der Erstellung vereinfachender Diagramme
musikalischer Struktur.
Mehrere musiktheoretische Ansätze beschreiben tonale Musik als hierarchisch strukturiert. Ob diese
Beschreibungen der Weise entsprechen, in der Musikhörer musikalische Kompositionen kognitiv
repräsentieren, wird von der Musikpsychologie seit Anfang der 1980er Jahre empirisch untersucht. Alle
Studien arbeiteten mit Hörversuchen, in denen musikalische Originale und theoriebasierte Reduktionen
dieser Originale präsentiert wurden. Zur Herstellung der Reduktionen wurde entweder die Schichtenlehre
Heinrich Schenkers (Shifres 2007) oder die Generative Theory of Tonal Music (GTTM) von Fred Lerdahl
und Ray Jackendoff (Bigand 1990, Dibben 1994) herangezogen (Für eine umfassende Literaturliste siehe
Shifres 2007). Allerdings lassen die vorliegenden Studien mehrere Fragen offen:
•
Sowohl Schenkers Schichtenlehre als auch Lerdahl/Jackendoffs GTTM wurden experimentell bestätigt.
Unklar ist aber nach wie vor, welche Theorie die kognitiven Repräsentationen hierarchischer
Tonhöhenstrukturen besser beschreibt. Unklar ist zudem, ob kognitive Repräsentationen
hierarchischer Tonhöhenstrukturen durch andere Beschreibungsweisen adäquater erfasst werden
könnten.
•
Einige Studien differenzieren zwischen musikalischen Laien und Experten. Als Experten gelten für
gewöhnlich Studierende eines musikbezogenen Faches. Das dichotome Laien-Experten-Schema
erfasst allerdings die realen Unterschiede der musikalischen und musiktheoretischen Expertise nur
unzureichend.
•
Hinzu kommen praktische Schwierigkeiten, denen jede hörexperimentelle Untersuchung der
kognitiven Repräsentation hierarchischer Strukturen ausgesetzt ist: Da die meisten melodischen
Parameter nicht unabhängig voneinander variiert werden können, ist es fraglich, ob eine hinreichend
kontrollierte Variation von Hintergrund- und Vordergrundmerkmalen überhaupt durchführbar ist.
Zudem stellt die auditive Präsentation einer Mittelgrund-Reduktion nach Schenker insofern vor
Probleme, als tiefe Reduktionsschichten für sich genommen wenig Informationsgehalt haben, die
gleichzeitige auditive Präsentation verschiedener Reduktionsschichten aber nicht möglich ist (siehe
Dibben 1994).
Vor diesem Hintergrund wird die eingeführte Forschungsfrage nach der kognitiven Realität hierarchischer
Strukturen durch die Frage nach dem Einfluss der musikalischen und musiktheoretischen Expertise auf
individuelle Strategien der Erstellung vereinfachender Diagramme musikalischer Struktur ersetzt. Zu ihrer
Beantwortung soll eine explorative Studie durchgeführt werden. Als Probanden werden notenfeste
Personen herangezogen, die sich in der Ausrichtung ihrer musikalischen Expertise unterscheiden:
musikalisch literate Laien, ausübende Musiker, Komponisten, Dirigenten, Musikproduzenten, -theoretiker
und wissenschaftler. In jeder Gruppe wird außerdem der Ausprägungsgrad der Expertise zweistufig
variiert (z.B. Student–Dozent). Die individuellen musikalischen und musiktheoretischen Vorerfahrungen
der Probanden werden über Fragebogen erfasst. Das Testverfahren basiert auf einem ProduktionsParadigma: Die Probanden erhalten eine mehrstimmige Originalkomposition und werden gebeten, in
vertrauter Umgebung, ohne Zeitdruck und unter Zuhilfenahme ihrer Stimme bzw. eines
Musikinstrumentes eine notenschriftliche Reduktion anzufertigen, von der sie glauben, dass sie die
ästhetischen Eigenschaften des Originals bestmöglich konserviert. Für die Reduktionstiefe wird ein
Korridor vorgegeben (minimale / maximale Anzahl der Noten).
Die produzierten Notentexte werden von musiktheoretischen Experten in methodischer Anlehnung an die
qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring (2003) ausgewertet. Da nicht die unmittelbare perzeptuelle
Reaktion auf den Stimulus, sondern der »Endzustand eines Verstehensprozesses« (Lerdahl/Jackendoff
1983, 4) im Fokus der Untersuchung steht, kann und soll der Einfluss musiktheoretischen Vorwissens auf
die Reduktionen nicht ausgeschlossen werden. Nach Möglichkeit zu minimieren sind allerdings – obwohl
kaum zu erwarten – mechanische, ohne Bezug auf die auditive Wahrnehmung vorgenommene
Anwendungen abstrakten Regelwissens.
Es wird erwartet, dass sich unter den experimentell erstellten Reduktionen auch solche finden, die mit
keiner der in der bisherigen Forschung verwendeten Theorien zu erstellen gewesen wären. Es wird zudem
erwartet, dass sich aus der interpretativen Beschreibung dieser Reduktionen neue Einsichten in
individuelle Weisen des Musikverstehens und ihren Zusammenhang mit der musikalischen und
musiktheoretischen Expertise eröffnen.
Eine Folgestudie soll prüfen, inwieweit die experimentell erstellten Reduktionen die kognitive
Strukturierung ausschließlich auditiv wahrgenommener Musik abbilden. Hierzu sind die Reduktionen in
Regelsysteme zu übersetzen, die als Grundlage für die Generation neuer Reduktionen dienen können. Die
kognitive Realität dieser Reduktionen soll mit quantitativen Verfahren empirisch untersucht werden.
Eine weitere Folgestudie stellt auf die Qualia der klingenden Reduktionen ab: Die produzierten Notentexte
werden eingespielt. Die Einspielungen werden von Laienhörern angehört und offen beschrieben. Die auf
diese Weise erzeugten Texte werden mit qualitativen Verfahren ausgewertet (Flick 2007). Auf diese
Weise wird erkundet, inwieweit die verschiedenen Expertisegruppen zur Produktion von Reduktionen
unterschiedlicher Wirkung neigen.
Voraussetzungen:
•
Gute musiktheoretische Vorkenntnisse, insbesondere in den Bereichen Harmonik und Kontrapunkt
sowie Rhythmik und Metrik
•
•
Kenntnisse in den analytischen Methoden von Schenker und Lerdahl/Jackendoff
Interesse an der Durchführung qualitativer empirischer Studien
Literatur:
Schenker, Heinrich (1956): Der Freie Satz, 2. Aufl., Wien: Universal Edition.
Lerdahl, Fred / Ray Jackendoff (1983): A Generative Theory of Tonal Music, Cambridge: MIT Press.
Bigand, Emmanuel (1990): »Abstraction of Two Forms of Underlying Structure in a Tonal Melody«,
Psychology of Music 18/1, 45–59.
Dibben, Nicola (1994): »The Cognitive Reality of Hierarchic Structure in Tonal and Atonal Music«, Music
Perception 12/1, 1–25.
Flick, Uwe (Hg.) (2007): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. 5. Aufl., Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.
Mayring, Philipp (2003): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken, 8. Aufl., Weinheim,
Basel: Beltz.
Shifres, Favio (2007): Beyond Cognitivism. Alternative Perspectives on the Communication of Musical
Structure Through Performance, Ph.D. Diss., School of Education, Roehampton University,
University of Surrey.
Betreuung:
Oliver Schwab-Felisch, FG Audiokommunikation, [email protected]
Dr. Hans-Joachim Maempel, FG Audiokommunikation, [email protected]
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