[2. Auschwitz I Stammlager] Auschwitz I Stammlager Zu Beginn befanden sich in Auschwitz I, dem Stammlager etwa 20 steinerne Gebäude, die als Unterkünfte für die Häftlinge dienen sollten. Dies waren ehemalige Kasernengebäude mit den Maßen: 45,38 x 17,75 m. Die Situation für hunderte Häftlinge, die in jenen Gebäuden untergebracht waren, in denen jegliche Wasserleitungen und sanitäre Einrichtungen fehlten, verschlimmerte sich zunehmend. Ebenfalls sollten die vorhandenen Gebäude umgebaut, aufgestockt bzw. neue Gebäude errichtet werden, doch diese wurden erst im Jahr 1943 vollständig fertiggestellt. Die Verhältnisse im Lager waren durchgängig auch davon abhängig, wie die Konstellation der neu hinzukommenden Häftlinge aussah. Zum Beispiel verschlimmerte sich die Situation in den Baracken, im Jahr 1942, als zusätzliche weibliche Häftlinge in zehn abgesonderten Blocks untergebracht wurden. Ab Februar 1941 wurden dann „von Fall zu Fall in den Wohnblocks dreistöckige Holzpritschen“ aufgestellt. Diese Pritschen sahen eigentlich eine Person pro „Etage“ vor, doch sah es in der Realität so aus, dass sich meist zwei oder mehr Häftlinge eine Pritsche teilten. 1 Geschichte des Konzentrationslagers Die SS in Breslau (heute: Wroclaw) entschied bereits Ende 1939, nach der Besetzung Polens, dass in Auschwitz (Oswiecim) ein Konzentrationslager für 10.000 Häftlinge errichtet werden solle, da die Gefängnisse in der näheren Umgebung überfüllt waren. Besonders die bereits vorhandenen Kasernen an der Gabelung der Flüsse Weichsel und Sola boten für die Errichtung jenes Konzentrationslagers in Oswiecim viele (logistische) Vorteile. Darüber hinaus sollte sich herausstellen, dass der Standort im Hinblick auf den späteren Ausbau des Lagers strategisch sehr günstig war, aufgrund der „guten“ Isolation von der Umwelt.2 Oswiecim liegt etwa 60km von Krakau und 30km südöstlich von Katowice 1 Iwaszko, Tadeusz: Kapitel 7 „Unterbringung und sanitäre Verhältnisse“ aus „Auschwitz – faschistisches Vernichtungslager“ 2 Brünjes, Nico & Buschmann, Christian: Gedenkstättenfahrt Auschwitz faschistisches Vernichtungslager – Reader Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken Bezirk Weser-Ems, S.14 (Kattowitz). Quelle: Wikipedia Schaut Euch an dieser Stelle auch mal das sogenannte „Auschwitz-Album“ (http://www.yadvashem.org/yv/de/exhibitions/album_auschwitz/ ) mit den Luftaufnahmen der Auschwitz-Lager an. Es vermittelt einen ersten Eindruck von der schier unvorstellbaren Größe der Lager und bietet dir eine Orientierungshilfe. Ab dem 4. Mai 1940 war Rudolf Höß neuer Kommandant im Konzentrationslager Auschwitz. Er kümmerte sich um den Umbau des Kasernengeländes durch Zwangsarbeiter, polnische Häftlinge und Funktionshäftlinge. Bis zum Herbst 1941 waren fast ausschließlich Häftlinge aus Polen, mit dem Hintergrund der Vernichtung der polnischen Führungsschicht und der Errichtung des Lagers, in Auschwitz untergebracht. 3 Am 31. Mai 1941 wurde das Gebiet rund um das KZ Auschwitz zum Sperrgebiet erklärt und dafür mussten Einwohner in der Umgebung des Lagers sowie benachbarte Dörfer geräumt werden. Es entstand eine Lagerfläche von 40 Quadratkilometern: „Der Amtsbezirk Auschwitz“.4 Bereits frühzeitig war das Konzentrationslager in seinem Umfang und seiner Funktion im Hinblick auf den wirtschaftlichen Nutzen eingeplant worden. Die IG Farben, als Hauptsächlicher Profiteur wurde durch das KZ mit Arbeitskräften sowohl für den Bau seiner Werke, als auch bei der Produktion von künstlichem Kautschuk unterstützt. Etwa zur selben Zeit wurde ebenfalls der Befehl, das Stammlager Auschwitz für 30.000 Häftlinge auszubauen und bei Birkenau (Brzezinka; 3km entferntes Dorf) ein Lager für 100.000 Kriegsgefangene zu errichten, umgesetzt. Auschwitz war von Beginn an, als ein Ort der Menschenvernichtung geplant. Die Arbeits- und Lebensbedingungen waren von der SS mit Absicht auf extrem menschenunwürdigem und niedrigem 3 Iwaszko, Tadeusz& Czech, Danuta: „Auschwitz – faschistisches Vernichtungslager“, Interpress 4 Iwaszko, Tadeusz& Czech, Danuta: „Auschwitz – faschistisches Vernichtungslager“, Interpress Niveau gehalten, da der Tod der Häftlinge in Kauf genommen wurde und viele der Deportationen mit dem Ziel der Menschenvernichtung erfolgten. Ab dem Sommer 1941 wurde Auschwitz zu einem besonderen Ort der massenhaften Menschenvernichtung, denn laut dem Lagerkommandanten Rudolf Höß habe er den Auftrag zur Vorbereitung der „Endlösung der Judenfrage“ vorliegend gehabt. Zu diesen Vorbereitungen zählte unter anderem eine Tötung von 600 sowjetischen Kriegsgefangenen und 250 kranken Häftlingen, die mit dem Giftgas Zyklon B „als Test“ vernichtet wurden. Das hochgiftige Desinfektionsmittel Zyklon B wurde durch die IG Farben in Kooperation und ohne den warnenden Geruchsstoff geliefert. Ab dem Frühjahr 1942 wurden Juden nach Auschwitz transportiert und nicht mehr als Häftlinge registriert, sondern direkt mit dem Giftgas umgebracht. Zunächst erfolgte diese Tötung in provisorischen Gaskammern in Birkenau, doch ab Juni 1942 wurden neue Gebäude mit Krematorien und Gaskammern in Betrieb genommen. Seit diesem Zeitpunkt endeten die Transporte an jener Eisenbahnrampe unweit des Lagereingangs. Hungern bis zum Tode „Das erste Mal, als er zurückkehrte an den Ort des Grauens, da hatte er sich ein riesengroßes Sandwich vorbereitet. Er würde eine Gruppe deutscher Jugendlicher nach Theresienstadt begleiten und ihnen von seiner Zeit dort berichten. Zvi Cohen, ein Überlebender des Holocausts, der seit seiner Emigration nach Israel im Kibbuz Ma’arbarot lebt, spricht regelmäßig zu Schulklassen und Jugendgruppen, um ihnen von seiner Zeit im Konzentrationslager Theresienstadt zu berichten. In seinen Vorträgen spricht er oft von seinem unbeschreiblich großen Hunger. Der Hunger, der ihn Tag für Tag quälte und wohl die Gedanken vieler Häftlinge bestimmte. Es war seine Genugtuung, die ihn dazu brachte, bei seiner ersten Rückkehr nach Theresienstadt direkt am Eingangstor des Lagers in sein riesengroßes selbstgemachtes Sandwich zu beißen.“ 5 Der Hunger der Häftlinge stand in den Konzentrationslagern auf der Tagesordnung. Lagerhäftlinge sollten eigentlich drei Mahlzeiten täglich (morgens, mittags, abends) erhalten. Von der Lagerleitung wurden wiederum sogenannte Speisezettel für jede Woche und jeden einzelnen Tag erstellt. Anhand dieser Zettel sollte in der Lagerküche gekocht bzw. die Essensrationen zusammengestellt werden. Die Normen der SS sahen eigentlich vor, dass für jeden Häftling „1700 Kalorien für leichte Arbeit und etwa 2150 Kalorien für Schwerarbeiter“ zur Verfügung standen. 6 Allerdings sah die Wirklichkeit völlig anders aus, denn laut der Ernährungswissenschaftlerin und Historikerin Christine Stahl, die das Buch „Sehnsucht Brot“ geschrieben hat, bestand die tägliche Kalorienzufuhr bei Häftlingen (beispielsweise im KZ Mauthausen) aus rund 800 bis 1000 Kalorien pro Tag. 7 Zu dieser prekären Situation kam es vor allem, da die Küchen der SS unterstanden und die SSMänner die wertvollsten und nahrhaftesten Lebensmittel wie Beispielsweise Fleisch, Margarine, Zucker, Graupen, Mehl & Co für sich selbst abzweigten. Somit bestanden die Lebensmittel der Häftlinge häufig nur aus den Überresten.8 Doch gemessen an der eigentlich notwendigen Kalorienzufuhr, hätte die Kalorienzufuhr bei „[…] 4.200 bis 4.400 für Männer und 3.200 bis 3.300 Kalorien für Frauen […]“ liegen müssen.9 5 Aus einem Zeitzeugengespräch mit Zvi Cohen, Überlebender des Konzentrationslagers Theresienstadt, Israel, Kibbuz Ma’arbarot: 2010, S. Profus 6 Iwaszko, Tadeusz: „Die Häftlinge – 9. Ernährung“ aus „Auschwitz – faschistisches Vernichtungslager“, S.64 f 7 http://derstandard.at/1297818334219/Ernaehrung-im-KZ-800-Kalorien-fuer-Schwerstarbeit-Duenne-Suppeund-Brot-mit-Saegemehl-und-Gips (Stand: 23.09.14) 8 Iwaszko, Tadeusz: „Die Häftlinge – 9. Ernährung“ aus „Auschwitz – faschistisches Vernichtungslager“, S.64 f 9 http://derstandard.at/1297818334219/Ernaehrung-im-KZ-800-Kalorien-fuer-Schwerstarbeit-Duenne-Suppeund-Brot-mit-Saegemehl-und-Gips (Stand: 23.09.14) Da der deutsche Arzt Dr. Hans Münch während der Besatzungszeit im SS-Hygieneinstitut in Rajsko bei Auschwitz tätig war, liegen uns auch heute überlieferte Akten vor, die eine detaillierte Anzahl von Berichten unter anderem über „die Qualität von Mahlzeiten für Häftlinge im KZ Auschwitz“ beinhalten. Denn besonders im Jahr 1943 seien Lebensmittelproben von Häftlingsmahlzeiten in das oben genannte Institut geschickt worden und es wurde festgestellt, dass „z.B. für Suppen, etwa 60 bis 90 % weniger Margarine benutzt wurde, als in der offiziellen Rezeptur vorgesehen war. Brot war sauer und schwer verdaulich, Wurst für Häftlinge enthielt lediglich die Hälfte an Fettmasse im Vergleich mit Wurst für die SS-Mannschaft, obwohl sie in der gleichen Schlächterei hergestellt wurde.“ 10 Als Hauptmahlzeit zur Mittagszeit wurde durch verschiedene Quellen überliefert, dass es an verschiedenen Tagen in der Woche sogenannte „Suppen mit Fleischeinlagen“ oder „Gemüsesuppen“ ohne Fleisch gegeben hat. Kohlrüben, Kartoffeln oder Zutaten wie Gerstengraupen, Hirse & Co waren das verwendete Gemüse. Doch waren die Suppen alles andere als schmackhaft, sondern eher wässrig und besonders im kalten Zustand absolut ungenießbar. Ebenso wird das Brot von ehemaligen Häftlingen als meistens verschimmelt und steinhart beschrieben. 11 Hinzu kommt das Problem der verantwortlichen Personen für die Essensausgabe, denn jene Schutzhäftlinge zweigten häufig „die besten“ Lebensmittel unter den zu verteilenden Rationen bereits für sich und die ihren ab. Somit war man nicht nur der Willkür der SS-Männer ausgeliefert, sondern auch von seinen Mithäftlingen beschränkt. Die Anzeichen von Unterernährung und völlige Entkräftung traten also bereits nach kurzer Zeit zu Gesicht und der bekannte Hungerdurchfall plagte viele Häftlinge. Darüber hinaus führten die fatalen Folgen der schweren körperlichen Arbeit, die körperliche Züchtigung und die hygienischen Bedingungen schnell zu weiteren Krankheiten und häufig dann auch zum Tod. 12 10 APMO, Sygn. „Opracowania“ (Zeichen „Bearbeitungen“, Münch) 103, Bd.35 Iwaszko, Tadeusz: „Die Häftlinge – 9. Ernährung“ aus „Auschwitz – faschistisches Vernichtungslager“, S.64 f 12 ebenda, S.64 f 11 13 Konzentrationslager - Infrastruktur Das Bordell von Auschwitz Im Konzentrationslager Auschwitz wurden etwa 100 Frauen Abend für Abend zur Zwangsprostitution selektiert. Innerhalb der Konzentrationslager sollte es als Anreiz für hart arbeitende Häftlinge dienen und sie wurden willkürlich von SS-Männern „belohnt“. „Ausgerechnet der Pedant Himmler war, gemessen an der Zahl ‚seiner‘ Zwangsprostituierten, der wohl größte Zuhälter der deutschen Kriminalgeschichte.“14 Mit dem Euphemismus „Sonderbau“ wurde den Lagerbordellen ab 1942 auch noch ein zynischer Name gegeben und ab 1943 in Auschwitz I im Block 24a untergebracht.15 13 Kogon, Eugen: Kapitel: „Die Ernährung der KL-Häftlinge“ aus Der SS-Staat, S.137 http://www.wider-des-vergessens.org/index.php?option=com_content&view=article&id=62%3Aderauschwitz-erlass&catid=7&Itemid=36&limitstart=8 (Stand: 23.09.2014) 15 ebenda 14 Für die Selektion der Frauen für den „Sonderbau“ in Auschwitz galten die verschärften Nürnberger Rassegesetze, da man nur „arischen“ Mädchen selbst das „Privileg“ der Prostitution zugestand. Nicht selten wurden sie für diese Arbeit aus dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück bzw. aus Auschwitz II-Birkenau nach Auschwitz I verlegt. Das Lagerbordell bestand bis kurz vor der Evakuierung des Lagers Auschwitz. Das Lagerorchester In Auschwitz bestanden mehrere Orchester aus verschiedenen Häftlingsgruppen. Zumeist waren es Berufsmusiker, die den Anstoß für jene organisierten Proben und Veranstaltungen gaben. Es gab: 1) Ein Mädchenorchester: Es wurde im KZ Auschwitz-Birkenau ab 1942 durch die SS organisiert und schützte die Mitglieder durch ihre Zugehörigkeit zum Chor vor der Vernichtung durch Arbeit und den Gaskammern. Die Dirigentin war Alma Rosé. Es kam zu zahlreichen Privatkonzerten für die SSOberaufseher sowie für den KZ Arzt Josef Mengele. 2) Bereits seit 1941 hatte das Lager Auschwitz einen Männerchor, der sich mit der Zeit zu insgesamt sechs eigenständigen „Männerorchestern“ weiterentwickelte. Als Chorleiter arbeitete der spätere Leiter der Warschauer Philharmonie, Adam Kopycinski. Diese Männerchöre waren dafür zuständig, dass die ausrückenden Arbeiter, die in vierer oder fünfer Reihen zu ihren Zwangsarbeitsstellen marschierten, von der Musik begleitet wurden. Passend kannst du dir den Film „Jakob der Lügner“ ansehen und wirst einen solchen Männerchor wiederfinden. Durch jene Männerorchester entstanden an vielen Orten der Vernichtung auch Lieder und versteckte Liedinhalte, die Kraft (siehe dazu: das Lied der Moorsoldaten) oder Widerstand gegen die nationalsozialistische Herrschaft symbolisierten (siehe dazu: das Dachaulied). Die Ofenbauer von Auschwitz Es waren die Gebrüder Ludwig und Ernst Wolfgang Topf, die die Firma J.A.Topf und Söhne in dritter Generation führten. Die Firma galt als ein Spezialgeschäft für Heizungsanlagen sowie Brauerei- und Mälzereibedarf. Im Jahr 1914 arbeiteten rund 500 Mitarbeiter für das mittelständige Unternehmen und das Firmengelände in Erfurt wurde bald darauf auch schon dafür ausgebaut, dass auch Einäscherungsöfen für Krematorien gebaut wurden. Die Firma Topf und Söhne wurde in dieser Branche schnell zum Marktführer.16 Ab 1939 begann das dunkelste Kapitel der Firmengeschichte, als die Gebrüder Topf anfingen die SS „mit speziell für die Konzentrationslager entwickelten Leichenverbrennungsöfen zu beliefern“.17 Sie lieferten die Herzstücke der Konzentrationslager und trugen somit maßgeblich zur massenhaften Vernichtung während des Holocausts bei. In einem der Zeichensäle, wo heute „die Gedenkstätte Topf und Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz“ untergebracht ist, hat damals der Oberingenieur Kurt Prüfer die Verbrennungsöfen bis zur technischen Perfektionierung vorangetrieben.18 Der ebenfalls involvierte Ingenieur Fritz Sander brachte es dann 1942 soweit, dass er einen Patentantrag für einen „kontinuierlich arbeitenden Leichenverbrennungsofen für Massenbetrieb“ stellte. Wissend um den Massenmord in Auschwitz und weiteren Konzentrationslagern trieb man also 16 Gedenkstätte & Erinnerungsort Topf und Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz, Erfurt, http://www.topfundsoehne.de/cms-www/index.php?id=94 (Stand: 23.09.2014) 17 ebenda 18 http://www.zeit.de/2011/04/Topf-und-Soehne (Stand: 23.09.2014) die Produktion lediglich auf die persönlichen Vorteile bedacht immer weiter voran und entzog sich jeglicher Verantwortung durch den Gebrauch einer „[…] technokratischen Sprache, welche die Leichen abstrakt in Stückzahlen und Ofenleistung umrechnete.“19 Ihre Mitwisserschaft zeigt sich auch dadurch, dass neben den Verbrennungsöfen auch noch Entlüftungsanlagen, sowie einige gasdichte Türen in den Gaskammern eingebaut wurden. Diese Tätigkeiten sowie anschließende Probeläufe der Öfen konnten nur im Beisein der Mitarbeiter bzw. Ingenieure der Firma J.A. Topf & Söhne durchgeführt werden. 20 Bereits im Februar 1945 kam es dann zur Demontage der Anlagen in Auschwitz, jedoch war nicht das Ziel die Massenvernichtung einzustellen, sondern ganz im Gegenteil ein eigenes Zentrum für die fortsetzende Vernichtung bei Mauthausen einzurichten. Die Geschäftsbeziehungen wurden später als „gewöhnliche Ofenlieferungen“ abgetan, doch einer der Brüder, nämlich Ludwig Topf war sich seiner Mitwisserschaft und Schuld bewusst. Denn er beging am 31.Mai aus Angst vor der bevorstehenden Verhaftung durch die US-Armee Selbstmord. Sein Bruder Wolfgang reiste in die westliche Besatzungszone und wurde später an seiner Rückkehr verhindert, sodass er die Firma J.A. Topf & Söhne in Wiesbaden 1951 neugründete. Zu einer Aufarbeitung der Firmengeschichte durch Wolfgang Topf selbst kam es nie. Die Ingenieure und Betriebsdirektoren, die in die Geschäftsbeziehungen und Aufträge für die SS involviert waren (Kurt Prüfer, Fritz Sander, Karl Schultze und Gustav Braun), konnten noch 1946 verhaftet werden. In Moskau wurde ihnen im Jahr 1948 der Prozess gemacht und sie wurden zu 25 Jahren „Lagerhaft wegen Unterstützung der SS beim Völkermord“ verurteilt. 21 Wolfgang Topf hatte mit seiner neu gegründeten Firma in Mainz ebenfalls wenig Erfolg und meldete daher im Jahr 1963 Konkurs an. Seit 1993 kam es zum Erscheinen des Buches Die Krematorien von Auschwitz. Die Technik des Massenmordes von Jean-Claude Pressac (welches an dieser Stelle sehr zu empfehlen ist) kam es zur langsamen Aufarbeitung der Firmengeschichte und schließlich zur Errichtung des „Erinnerungsortes Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz“, welches heute in den ehemaligen Firmengebäuden untergebracht ist. 22 Dieser Ort des Gedenkens und Erinnerns ist ein ganz besonderer Ort, da er spezifisch nach den Tätern fragt und aufzeigen will, dass es Mitwisser aus der Bevölkerung gegeben hat und dass man vor allem als „Ofenbauer von Auschwitz“ eine Schlüsselrolle im Netzwerk des NS-Regimes gespielt hat. Vor allem aber, ist es „der bislang einzige Erinnerungsort in Deutschland, der die Mitwirkung eines privaten Unternehmens an der Umsetzung des Holocausts am authentischen Schauplatz umfassend dokumentiert“. 23 19 ebenda http://de.wikipedia.org/wiki/J._A._Topf_%26_S%C3%B6hne (Stand: 23.09.2014) 21 Gedenkstätte & Erinnerungsort Topf und Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz, Erfurt, http://www.topfundsoehne.de/cms-www/index.php?id=94 (Stand: 23.09.2014) 22 ebenda 23 http://www.zeit.de/2011/04/Topf-und-Soehne (Stand: 23.09.2014) 20