2011 www.schauspiel-leipzig.de Centraltheater 2012 aus Leipzig, 3 Jahre Centraltheater Fanny und ­Alexander Penthesilea nach dem Drehbuch von Ingmar Bergman von Heinrich von Kleist Es ist Bergmans Opus magnum und sollte sein letzter Film sein. Ein Vermächtnis an das Kino, eine Hommage an die eigene Kindheit und an seine große Liebe: das Theater. Bergman selbst bezeichnete „­Fanny und Alexander“ als die Essenz seines Schaffens. Ein psychologisches Meisterwerk über die großen Fragen und Themen unserer Existenz: Es ist der bedingungslose Gang in das Innere der menschlichen Seele und die schonungs­lose Suche nach Wahrheit und Wahrhaftigkeit in der Auseinandersetzung mit Leben und Tod, Glauben und Atheismus, Liebe und Hass. 2011 ist Kleist-Jahr. Um aber mit Kleists „Penthesilea“ auf das Schlachtfeld der Liebe vor die Tore von Troja zu ziehen, braucht es im Grunde genommen keinen gesonderten Anlass: Die Angstlust, mit der wir den waffenbewehrten Liebeswahn zwischen der Amazone Penthesilea und dem Krieger Achill als blutige Unterwerfungsphantasie und Todestrieb erleben, und die Faszination darüber, mit welcher brutalen Poetik Kleist uns das vermittelt – dies greift tief in unser Unbewusstes. Wenn hier am Ende die Frau den Mann bezwingt und sich selbst vernichtet, liegen zwei Verlierer am Boden eines romantischen Albtraums, und Kleist hat den ursprünglichen Mythos schicksalhaft umgeschrieben. Mit der inneren Erschütterung der Menschen gerät auch die äußere Ordnung durcheinander. Schon das Erscheinen des Amazonenheers auf dem Kriegsschauplatz zwingt die Männer auf beiden Seiten der Schlacht zur Neuordnung der Verhältnisse: denn plötzlich werden sie zur Kriegsbeute, sollen als Gefangene neuen Nachwuchs für den Frauenstaat zeugen, ihr eigentlicher Kampf um Troja wird irrelevant. Als dann noch die Liebe zwischen Penthesilea und Achill erwacht und die beiden aus ihren feindlichen Formationen heraustreten, die Bedürfnisse ihres Volkes gegen ihre privaten einlösen wollen, durchbricht diese irrationale Front alle Kampflinien und Staatsdoktrinen. Doch diese Liebenden sind blutige Anfänger. Sie wollen das kollektive Schicksal gegen das eigene tauschen und werden doch nur zum Schicksalsschlag für den anderen. Mit Bergmans Epos über die Geschichte der Theaterdynastie Ekdahl führt Sebastian Hartmann das mit „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ in der ersten Spielzeit erarbeitete und als „Leipziger Handschrift“ titulierte Spielprinzip weiter fort. Regie Sebastian Hartmann Premiere im Centraltheater am 22. September 2011 Regie Robert Borgmann Premiere im Centraltheater am 27. Oktober 2011 Nackter Wahnsinn – Was ihr wollt (Ich will nicht dass mir jemand sagt welche Rolle ich zu spielen habe!) nach Shakespeare/Anderen/Hartmann William Shakespeare hat in seiner klugen Komödie WAS IHR WOLLT die Frage, ob wir alle nur in der Verstellung zum eigenen Wesenskern vorzudringen im Stande sind, spielerisch elegant mit einem klaren „jein“ beantwortet. Seine Gestrandeten, Liebespaare und kommentierenden Witz­figuren probieren alle immer sich selbst – im Gegenüber – aus. Ihre „Rolle“ komponiert das unbekannte ICH. Was macht ein Schauspieler? Er verstellt er sich in Menschen hinein, die man dann „Figur“ nennt. Er spielt seine Rolle, mehr oder weniger überzeugend, denen vor, die das für bare Münze nehmen sollen. Die Rolle zu spielen ist schwer. Noch schwerer ist es, ihr zu entgehen. Wie im richtigen Leben besteht die Identität des Künstlers damit im permanenten Rollenwechsel. Er hat seine Identität gleichsam in der Nicht-Identität. Entwerfen wir die folgende Struktur: Ein Schau­spielerensemble probiert Shakespeares WAS IHR WOLLT. Das ist naturgemäß NACKTER WAHNSINN und MUSS scheitern, wenn alle allen anderen einschließlich sich selbst ein X für ein U vormachen wollen. Ist das da oben nur die Generalprobe vor der Premiere, was Autor, Regisseur und Ensemble da treiben? Oder ist dies alles eine Probe auf die Wirklichkeit, die wir vermeintlich im Griff zu haben scheinen? Wenn irgendwo da draußen ein Selbst ist, das mir gehört und sich zu verwirklichen lohnt: Wo ist dieses Selbst hin? Kommt es eines Tages wieder? Was in uns ist es dann, das fühlt, liebt und am Ende stirbt? Also sind all das nur Rollen, die mich jemand zu spielen zwingt? Das Centraltheater, Komödienautoren wie Shakespeare und Andere, Sebastian Hartmann und sein Ensemble bastardisieren lustvoll – durchaus als Gegenstück zur Reise nach innen mit „Fanny und Alexander“ von Bergman - das Scheitern und den Triumph von Theater als Satyrspiel: Eine Eröffnung. Regie Sebastian Hartmann Premiere im Centraltheater am 19. November 2011 Dornröschen von Martina Eitner-Acheampong nach Jacob & Wilhelm Grimm Wiederaufnahme Nach dem großen Erfolg und auf vielfachen Wunsch wird das Centraltheater „Dornröschen“ als Weihnachtsmärchen wiederaufnehmen. Das vielleicht schönste Zaubermärchen der Brüder Grimm begeisterte mit seinen guten und bösen Feen, dem verwunschenen Schloss, der 100 Jahre schlafenden Prinzessin, einem Frosch, den niemand küssen will, und vor allem mit viel Poesie und Musik das Leipziger Publikum von jung bis alt gleichermaßen. Regie Martina Eitner-Acheampong Wieder ab 24. November 2011 im Centraltheater Wer hat Angst vor Virginia Woolf? Von morgens bis mitternachts von Edward Albee, deutsch von Alissa und Martin Walser von Georg Kaiser Das Akademikerpaar George und Martha kommt angetrunken von einer Universitätsfeier nach Hause – und erwartet noch Besuch: den neuen Biologieprofessor Nick und dessen Frau. Ungewollt werden diese beiden Zeugen eines seit Jahren andauernden Ehekrieges, der extrem klug und häufig mit Witz und Ironie zwischen den Gastgebern geführt wird. Nick und seine Frau werden bald mit in den Konflikt hineingezogen und müssen Stellung beziehen – dabei bröckelt langsam auch die Fassade ihrer eigenen Liebesbeziehung. Edward Albees Stück ist gnadenlos ehrlich. In der Begegnung von zwei Ehepaaren in einer Nacht zeigt der amerikanische Autor den gesamten Kosmos an Macht- und Ohnmachtsgefühlen, an Liebessehnsucht und Todesangst, an Traumhoffnungen und Realitätsverweigerungen. Der brodelnde Beziehungskessel zwischen George und Martha kocht so lange über, bis alles Wasser aufgebraucht ist. Die beiden geben fast alles über sich preis – nur nicht, dass sie eine tiefe, innige Liebe verbindet. Das Stück wurde durch die Verfilmung mit Elizabeth Taylor und Richard Burton in den Hauptrollen zum Welterfolg und ist nicht nur ein virtuos gezeichnetes Beziehungsdrama, sondern auch ein gefundenes Fressen für starke Schauspieler: Unter der Regie von Amina Gusner spielen Katja Riemann, Peter René Lüdicke, Anne Haug und Karim Cherif. Koproduktion mit Theater und Komödie am Kurfürstendamm Berlin Regie Amina Gusner Leipziger Premiere im Centraltheater am 18. Januar 2012 „Ein Kassierer, durch die Erscheinung einer schönen Bankkundin aus der Bahn des Alltäglichen geworfen, läuft mit einem Betrag von 60.000 RM auf und davon. Ein Versuch, die Unbekannte zu seiner Komplizin zu machen, scheitert. Nun gibt er sich dem Bedürfnis hin, sein Geld auszugeben. Innerhalb eines Tages erliegt er Entzückung, Zweifeln, Gier, Genugtuung und einer Einsicht, die zu spät kommt. Er wird verraten und verhaftet.“ „Von morgens bis mitternachts“ erzählt vom Grundmotiv kapitalistischer Lebensweise: dem Schneller, Größer, Mehr! und damit scheinbar unantastbaren Konsens unsrer modernen Gesellschaft. Ausgehend vom milieuhaften, noch wilhelminischverschämt stattfindenden Sündenfall finden wir in Kaisers expressionistischem Stationendrama ein Gegenbild zu der Welt, wie wir sie uns vorstellen: Etwas (Das Geld? Die Liebe?) hat die herkömmlichen Gesetzmäßigkeiten außer Kraft gesetzt. Wahnsinn. Im dritten Teil implodiert Kaisers „Reigen“ in szenischen Momentaufnahmen, Drohbildern, im fliegenden Wechsel der Szenen. Dann, spätestens, sind alle zwischenmenschlichen Netzwerke zerrissen, alle Bindungen lose oder verbraucht. Das Ende bei Kaiser ist: die Einsamkeit. Regie Christiane Pohle Premiere im Centraltheater am 9. Februar 2012 Gespenster Der Trinker von Henrik Ibsen nach dem Roman von Hans Fallada Das nicht gelebte Leben, verdrängte Geschichten, alte Lebensgefährten und Ansichten – Gespenster, sagt Gutsherrin Helene Alving dazu, und meint Wieder­ gänger. Denn diese Dinge sind nicht tot, nur weil wir sie zu Grabe getragen haben. In Ibsens Drama GESPENSTER vergehen keine 24 Stunden, doch werden die Anwesenden von drei Jahrzehnten tot­ geschwiegener Familien­geschichte heim­ gesucht. Begierden und Depressionen der Vergangenheit sickern durch die Risse einer bürgerlichen Fassade, zeichnen ein Bild heillos verstrickter Lebensläufe, von Resten von Familie, gespickt mit Spekulationen auf ein neues Leben. Ein Landgut, ein Tag, eine lange durch­ wachte Nacht, über deren Katastrophe die Sonne schließlich unerbittlich aufgeht. Subtil und subversiv spiegelt Hans Fallada die schleichende Tragödie seines Anti­ helden S. mit der immer betriebsamer sich inszenierenden Nachkriegsgesellschaft Deutschlands. Die Gesellschaft und der Staat als kalte, lückenlos organisierte, immer destruktive Maschine, in der das moderne Leben Schuld verteilt und Sühne fordert, vom Einzelnen, dessen Schicksal nicht mehr in eigener Hand liegt. Mit seiner Schilderung der psychologischen Abgründe von Sucht rückt Fallada in die Nähe zu Dostojewskijs „Spieler“. Regie Robert Borgmann Premiere im Centraltheater/Hinterbühne am 3. März 2012 Der Geschäftsmann Erwin Sommer hat in letzter Zeit nicht viel Glück gehabt. Geschäftlich läuft es nicht gut, und als auch noch durch eigene Unachtsamkeit sein junger Konkurrent einen großen Erfolg landen kann, kompensiert er seine auch das Privatleben attackierenden Probleme mit Alkohol. Auf Wunsch seiner Frau soll er eine Entziehungskur antreten, kann auf der Fahrt dorthin aber fliehen. Zunehmend verstrickt er sich in kriminelle Handlungen, landet in Untersuchungshaft. Sein bürger­ liches Leben bricht vollends auseinander, als seine Frau ihn mit dem einstigen Konkurrenten betrügt. Hans Fallada schreibt „Der Trinker“ 1944 in Haft. Er muss drei Monate in der Landes­ anstalt Strelitz einsitzen, nachdem sich in einem Streit mit seiner Exfrau Anna ein Schuss löst. Der Vorfall wird als versuchter Totschlag gewertet. Fallada wird als un­ zurechnungsfähig eingestuft. „Der Trinker“ ist eines seiner persönlichsten Bücher und enthält viele autobiographische Züge. Es wird erst nach seinem Tod 1950 veröffentlicht. Koproduktion mit dem Maxim Gorki Theater Berlin Regie Sebastian Hartmann Premiere im Centraltheater am 17. März 2012 Hamlet Vers. 6 Grimms Märchen nach William Shakespeare Uraufführung Modell Hamlet. Sechs Spieler arbeiten sich an einem Theaterstoff ab, überschreiben ein „Stück über eine Staatskrise, über den Riß zwischen zwei Epochen und über einen jungen Mann, der in diesem Riß steckt“ (Heiner Müller). Der Zweifel Hamlets stellt alle Systeme in Frage, aber eben auch den Menschen selbst. Vater, Mutter, Liebhaber und dazwischen der Sohn. Der Geist von Hamlets Vater findet keine Ruhe, denn die Geschichte spuckt ihre Kinder wieder und wieder auf die Bühne, die Welt bedeuten muss: Zu Beginn die Geburt – oder sind diese sechs nackten Kreaturen nur gefan­ gen im Kostümfundus aller je gespielten Hamletdramen? Wer und was ist Hamlet heute? Der Hofstaat hat seinen Platz verloren, das Drama braucht die Episoden nicht mehr. Volkloses Drama, Volk wollten wir und wurden ein trauriges Ich. Wo der Diskurs aufhört, fängt der Totschlag der Jugendfreunde an, kalt lächeln die neuen Väter ihre neuen Söhne an. Die Erbengene­ ration generiert kein Kapital mehr, nur noch Unglück in himmelloser Welt. von und mit Rainald Grebe Regie Sascha Hawemann Premiere im Centraltheater/Hinterbühne am 30. März 2012 Seit der ersten Centraltheater-Spielzeit hat Rainald Grebe mit uns an der Idee und der Form der großen Theater-Revue gearbeitet, und auch in der vierten Spielzeit planen wir miteinander. Was mit der „Klimarevue“ begann, soll weiter – möglicherweise zu einer neuen Konzentration geführt werden. Back to the roots steht über allem, was wir als „Schönes neues Projekt“ planen. Back to Rainald Grebe am Klavier oder an dem Instrument, auf das er gerade Lust hat – und zurück zu den Mysterien, Mythen, Märchen, Sagen, in denen wir uns alle zu Hause fühlen dürfen. Was kommt nach dem Konzert in der Berliner Waldbühne? Vielleicht das Tingeln als Straßenmusikant oder eben, die Theaterversion davon, das Wühlen im Urschlamm des Erzählens. Regie Rainald Grebe Premiere im Centraltheater am 17. Mai 2012 Krieg und Frieden nach Lew Tolstoi „Ohne falsche Bescheidenheit – es ist wie die Ilias.“ So Lew Tolstoi über sein größtes Werk, das Weltgeschichte und privates Leben in monumentaler Absicht zusammenführt. Sein zwischen 1863 und 1869 entstandenes episches Gemälde vereint einen Familien-, Historien- und Bildungs­ roman über Europa, den Menschen und die Welt. Über allem die Metaphysik des Titels, die stets mit ALLEM spielt. Mit der Geburt der europäischen Idee aus dem Geist der Unterwerfung, mit der Tragödie des Menschen und dessen Beziehungsunfähigkeit und – mit der Welt. Eine Überforderung. Unsere Überforderung, die uns übrig bleibt, zwischen tragischem Heldenepos, Märtyrerpose und der prosaischen Wirklichkeit. Zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, bis heute. Zerschossene Träume (AT) Uraufführung von Wolfram Lotz und Martin Laberenz Von der Presse wird Wolfram Lotz als eines der größten und originellsten Talente unter den Nachwuchsdramatikern gefeiert. In seinen Texten will der 1981 in Hamburg geborene Autor „das Unmögliche wieder denken, den Tisch von Zuschreibungen abräumen, um Platz zu schaffen für das Neue. Nicht den Arm entfesseln, sondern das Auge!“. Wolfram Lotz studiert seit 2007 Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und ist u. a. Träger des Kleist-Förderpreises. Premiere in Recklinghausen am 10. Mai 2012 Mit diesem „Abend“ soll kein Theatertext im klassischen Sinn zur Aufführung kommen, sondern ein gemeinsamer Konzept­ abend, dessen Themen heute noch nicht feststehen. Die Zusammenarbeit Autor/ Regisseur sucht im Schreiben wie im Überschreiben eine Radikalisierung der jeweils eigenen Haltung, und sie bedient sich dabei ausdrücklich unterschiedlicher Literaturformen. Leipziger Premiere in der Spielzeit 2012/2013 Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen Regie Sebastian Hartmann Konzeption Wolfram Lotz, Martin Laberenz Premiere in Recklinghausen am 1. Juni 2012 Leipziger Premiere in der Spielzeit 2012/2013 Skala Zorn und ­Zärtlichkeit (Reicht es nicht zu sagen ich will leben) Uraufführung von Claudia Grehn und Darja Stocker Was sind die Möglichkeiten des Aufbe­ gehrens in unserer heutigen Gesellschaft? Wie kann Widerstand formuliert oder wann muss man zum Handelnden werden? Aus zahlreichen Gesprächen mit Menschen aus Weimar und Leipzig auf der Suche nach Antworten haben die beiden Autorinnen Figuren und Geschehnisse herauskristalli­ siert. Ein Kaleidoskop unterschiedlichster Biographien und Lebensentwürfe. Der Text ist eine Arbeitsgrundlage. Das WeiterSchreiben auf der Bühne ist Prozess. Während der Probenarbeit mit dem En­ semble aus Weimar und Leipzig wird das Stück vollendet. Am Ende wird man auf Figuren treffen, die von ihren persönlichen Geschichten zwischen Sehnsüchten und Rebellion erzählen. Koproduktion mit dem Deutschen Nationaltheater Weimar Regie Nora Schlocker Premiere in der Skala am 28. September 2011 Das Ende der Selbst­ verwirklichung Ein Selbstüberbietungsparcours als begehbare Konzertinstallation Uraufführung von und mit Schorsch Kamerun Was einmal notwendige Befreiung aus autoritärer Daseinsbegrenzung war, ist zu strapaziösem Dauermanagement in IchFabrik und Individualextremismus verkom­ men. In immer originelleren Auftrittswett­ läufen drehen wir uns wie Multi-Attrappen im permanenten Bewerbungsmodus – pri­ vat und in aller Öffentlichkeit. Als (selbst ge­ schaffene) Kreativunikate beschleunigen wir atemlos zu gleichzeitigen Massenkopien. In einem Musiktheaterexperiment will Regisseur und Sänger Schorsch Kamerun gemeinsam mit Kunststudenten, Musikern, Gamern, Schauspielern, Enttäuschten und Begeisterten gemeinsam entworfene Selbstoptimierungszustände durch­ spielen. Nach Beteiligung strebende Leipziger/-innen werden sich hierbei blen­ dend veröffentlichen, um herauszufinden, ob und was sie davon haben: so richtig gut präsentiert oder wieder nur schlicht online sein. Schorsch Kamerun ist dem musikinteres­ sierten Centraltheater-Gänger vor allem als Frontmann der legendären Hambur­ ger Punkband „Die Goldenen Zitronen“ bekannt. Seit einigen Jahren hat sich Kamerun aber auch einen Namen als Theater­regisseur gemacht. Er hat in Zürich, Hamburg und Berlin inszeniert und kommt jetzt nach Leipzig. Regie Schorsch Kamerun Premiere in der Skala am 7. Oktober 2011 ­Die dritte ­Generation nach dem Film von Rainer Werner ­Fassbinder In aller Munde sind die Wutbürger, die Aufständigen, die Empörten, Europa spricht über neue „revolutionäre Zellen“ und andere außerparlamentarische Formen der Opposition. Vier Jahre nach dem sogenannten „Deutschen Herbst“ stellte Rainer Werner Fassbinder 1979 mit „Die dritte Generation“ seine analytisch brillante Sicht auf das Thema vor. Eine Komödie in 6 Teilen um Gesellschaftsspiele voll Spannung, Erregung und Logik, Grausamkeit und Wahnsinn, ähnlich den Märchen, die man Kindern erzählt, ihr Leben zum Tod ertragen zu helfen. Terrorismus ist hier zum Selbstzweck verkommen, das Erleben des Rauschs, der Gefahr. Eine Gruppe gelangweilter junger Menschen inszeniert sich unter dem Codewort Welt als Wille und Vorstellung als Terrorgruppe. Eine Entfüh­ rung wird geplant. Es wird getötet. Es wird verraten. Am Ende ist nicht mehr klar, wer hier eigentlich wen in der Hand hat und wie Terror, Staat und Kapital miteinander verwoben sind. „Die dritte Generation“ ist Ausgangspunkt für eine Auseinadersetzung mit dem Phänomen „Terrorismus“ heute. Regie Sascha Hawemann Premiere in der Skala am 25. November 2011 Willkommen im ewigen Leben Ein Abend von und mit Günther Harder nach Motiven von Michel Houellebecq „Von den Sturmhöhen haben wir uns weit entfernt, das ist das Mindeste, was man sagen kann.“ – Michel Houellebecq betrachtet die westliche Welt aus seiner Perspektive: scharf, gnadenlos, zynisch, sehnsüchtig, mit bitterem Humor. Gegen die Welt, gegen das Leben. In seinen Romanen zeichnet er mit quälend sezie­ render Schärfe das provokante Bild unserer narzisstischen Konsumgesell­ schaft. Seine Protagonisten leiden unter ihrer Egozentrik, ihrem emotionalen Nicht-Erfülltsein und ihren Schwierigkeiten, in einer kontakt- und gefühlsgehemmten Gesellschaft Nähe zu erleben. Nur scheinbar ein Paradoxon: Gerade in der auf­geklärten, freien, gerade in der freizü­ gigen Gesellschaft finden Houellebecqs Protago­nisten dauerhaft weder sexuelle Erfüllung – noch Liebe. Aber sie suchen immer weiter, denn Houellebecqs AntiHelden ist die Lücke in ihrer Existenz schmerzlich bewusst. Der französische Star-Autor ist in seinem Heimatland der meistgelesene – aber auch der umstrittenste Autor der Gegenwart. Auch in Deutschland sorgte jeder seiner Romane für Diskussionen, zuletzt „Karte und Gebiet“, in dem sich der Autor selbst auf bestialische Weise umbringen lässt. Günther Harder zeigt ein Konzentrat aus drei Romanen von Houellebecq. Die Skala wird zur Bar. WILLKOMMEN IM EWIGEN LEBEN, ein Kneipen-Treffen mit einem der genialsten Quälgeister unserer Epoche. Regie Felix Mannheim Premiere in der Skala am 2. Dezember 2011 ­ on nun an ging’s V bergab! Wir sind nicht das Ende Ein Liederabend mit dem „Studio Leipzig“ Drei Jahre lang waren sie verheiratet, lebten zusammen. Er war ihre große Liebe. Bis er am 11. September 2001 in den USA ein Passagierflugzeug in Pennsylvania auf einen Acker abstürzen lässt. Auf ihrer Mailbox dreimal das Gleiche, dreimal „Ich liebe dich“. Am 13. November 2001 übergibt ihr ein Beamter des BKA ein Paket von dem mittlerweile als Terrorpilot identifizierten Ziad. Unterschrieben hatte er mit „Dein Mann für immer“. Sie hatte nichts gewusst. Nichts? „Mit fünfzehn hatte ich eine Idee, / ich wollt’ zum Theater, Mama sagte Nee, / man hätt’ mich enterbt, doch wir hatten kein Geld, / und ich folgte dem Ruf auf die Bretter der Welt / von nun an ging’s bergab.“ Stellen Sie sich vor, Hildegard Knefs wunderbar bissiger und ironischer musikalischer Rückblick auf die eigene Weltkarriere, gesungen von einer der berühmtesten Frauengestalten in der Geschichte der Malerei: Leonardo da Vincis Mona Lisa! Ein Liederabend als Parforceritt quer durch die Kunst­ geschichte. Michelangelos David oder Rodins Denker singen einträchtig Songs von George Gershwin, Tamara Danz oder Rainald Grebe. Dabei ergeben sich die aberwitzigsten Situationen, in denen die ansonsten stummen „Stars“ der bildenden Kunst endlich über ihre Träume, Wünsche und Sehnsüchte fabulieren dürfen. Guido Lambrecht und Frank Raschke haben zusammen mit den Studenten des „Studio Leipzig“ einen Liederabend voller Absurdität und schrägem Humor ent­wickelt, der uns die Werke der alten Meister einmal aus einer ganz anderen Perspektive näherbringt. Regie Guido Lambrecht Musikalische Leitung und Einstudierung Frank Raschke Premiere in der Skala am 8. Dezember 2011 von Carsten Brandau Eine Nacht im Leben der Frau, die mit Ziad Jarrah verheiratet war. Das Stück basiert auf einer wahren Begebenheit. Der Autor Carsten Brandau wurde mehr­ fach aus­gezeichnet und zu allen großen Schreibwerkstätten Deutschlands und Österreichs, u. a. vom Wiener Burgtheater, Deutschen Theater Berlin und Düsseldor­ fer Schauspielhaus, eingeladen. Für seine Hörspielbearbeitung von WIR SIND NICHT DAS ENDE wurde er unter anderem mit dem 1. Preis beim Kurzhörspielwettbewerb „heimspiel“ von 1LIVE (WDR) und dem 1. Preis beim „Leipziger Hörspielsommer“ (MDR) in der Kategorie „Bester Autor“ prämiert. WIR SIND NICHT DAS ENDE wurde von Manuel Harder 2008 in Dortmund uraufge­ führt, für das Wiener Theater Nestroyhof/ Hamakom hat er es jetzt mit Birgit Unter­ weger und Günther Harder neu inszeniert. Regie Manuel Harder Premiere in der Skala am 15. Dezember 2011 Hilbig lesen 1/Alte Abdeckerei Aufzeichnungen aus dem ­Kellerloch Lecture Performance von und mit Andrej Kaminsky von Fjodor M. Dostojewski Jemand geht durch die Landschaft seiner Kindheit, entlang eines kleinen Flüsschens, und lauscht dem „Geraun aus der Dunkelheit“, erzählt von seinem Eintauchen ins düstere Revier „jenseits der Kohlen­bahnlinie“ mit der alten Abdeckerei, „derweil das bestialische Land, von dem ich umgeben war, die scheußlichen Wahr­ heiten einer Unterwelt heraufbeschwor, die nur wenige Zentimeter unter dem Gras begann … Gras, darüber immer ein Wandern war, der unablässige Schritt eines Unsichtbaren, der gepreßte Lauf eines Atemlosen, das fliegende Hasten eines Kindes …“ Es ist eine surreale Landschaft des Verfalls, die Wolfgang Hilbig in „Alte Abdeckerei“ beschreibt. Eine Landschaft, durchtränkt von Geschichte, die in Bildern und Erinnerungsmomenten dem Wan­ derer begegnet. „Alte Abdeckerei“, 1990 entstanden, gibt dem Gefühl der frühen Nachwendejahre kongenial eine Gestalt und gießt es in eine sprachlich über­ wältigende Form. Vielen gilt deswegen die Erzählung als ein Schlüsseltext des Meuselwitzer Dichters und Autors Wolfgang Hilbig, der 2007 mit sechsund­ sechzig Jahren verstarb. ALTE ABDECKEREI ist der erste Teil einer Reihe, in der sich der Schauspieler Andrej Kaminsky auf die Spur von Hilbigs Texten begibt. Eine Wanderung durch ein „Gebiet, welches der Osten war“. Premiere in der Skala am 11. Februar 2012 Ein Angestellter verweigert sich dem Diktat der Masse und zieht die Konse­ quenz: Angewidert von Zeit, Fortschritt und Gesellschaft will er nicht länger in der ‚Komödie des Lebens‘ mitspielen. Sein Entschluss ist so einfach wie radikal: Fern von der Welt das eigene Dasein in einem Kellerloch fristen. Das ist die Grundsitua­ tion von ­Dostojewskis brillanter Erzählung „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch“, die Friedrich Nietzsche als „wahren Geniestreich der Psychologie“ feierte. Dostojewski stellt darin Fragen zum Leben in einer auf Effizienz getrimmten Gesellschaft. Fragen, die in unserem vom Kapitalismus geprägten Zusammenleben nichts von ihrer Radikalität verloren haben, denn Dostojewski propagiert angesichts der Lebensumstände nichts anderes als die Verneinung des Willens zum Leben. Regie Martin Laberenz Premiere in der Skala am 17. Februar 2012 2011 www.schauspiel-leipzig.de Centraltheater 2012 aus Leipzig, 3 Jahre