2. Jahrgang, ¤ 4,95 (D), ¤ 5,70 (A), € 5,80 (Benelux), sfr 8,90, E 12302 1/2014 1/2014 NEU € 5 9 , 4 Liebenswert: Landeinsiedlerkrebse Messebericht TER2014-01_U1_Titelseite.indd 1 Kronengeckos Terrarienpflanzen Gottesanbeterin 14.01.2014 12:03:04 Der Karibische Landeinsiedlerkrebs Coenobita clypeatus. 12 Foto: Oliver Mengedoht n Titelthema n terraristik 1|2014 TER2014-01_Inhalt.indb 12 13.01.2014 09:54:35 Keine Kuschel tiere Text und Fotos: Melanie Schmitz Landeinsiedlerkrebse sind optimale Tiere für Kinder? Ein Spielzeug in lustigen, bunten Häusern? Haaren nicht, geben keinen Laut und riechen nicht, zudem „einfach und problemlos“ in der Haltung. Das klingt doch verlockend, nach dem perfekten Haustier – ein weit verbreiteter Irrglaube! Und das kann ich aus eigener Erfahrung und vielen Berichten im Landeinsiedlerkrebs-Forum, in dem ich als Moderatorin tätig bin, nur bestätigen. Diese kleinen Krabbler sind alles andere als anspruchslose Kuscheltiere. Diese Crustaceen sind stressanfällig und haben recht hohe Ansprüche an ihren Lebensraum. Landeinsiedlerkrebse zählen zu den Krebstieren, die sich an die Lebensweise an Land angepasst haben. Die Familie der Landeinsiedler unterteilt sich in zwei Gattungen: Birgus latro, der Palmendieb, ist die einzige Art in dieser Gattung. Im Gegensatz zu den Landeinsiedlern trägt er ab einer bestimmten Größe kein Haus mehr. Die Gattung Coenobita hingegen weist 16 Arten auf, von denen in Deutschland meist nur wenige im Handel angeboten werden. Folgende Landeinsiedlerkrebs-Arten sind in Deutschland zu bekommen: Coenobita brevimanus, C. clypeatus, C. rugosus, seltener C. violascens, C. purpureus, C. compressus und C. perlatus. Äußerst selten bis gar nicht sind C. cavipes, C. scaevola, C. spinosus und C. variabilis in Deutschland erhältlich, über die Spezies C. carnescens, C. longitarsis, C. olivieri, C. pseudorugosus und C. rubescens gibt es kaum Informationen. des Strandes, aber auch in den sandigen Bereichen von Mangroven. Manche Spezies kommen bis weit ins Landesinnere vor. Eine Gemeinsamkeit haben alle Arten: Sie müssen zur Arterhaltung ans Meer. Die Weibchen Landeinsiedler­krebse sind gesellige Tiere und hocken gern zusammen. Herkunft Die Zehnfüßer leben im feucht-warmen, subtropischen und tropischen Gürtel rund um den Globus. Die meisten Arten leben direkt am Strand zwischen Treibgut oder in der näheren Vegetation n terraristik 1|2014 TER2014-01_Inhalt.indb 13 13 13.01.2014 09:54:38 Solche bunt angemalten Schneckenhäuschen sind nicht zu empfehlen. Foto: Oli ver Men ge d o h t Mit der großen, linken Schere verschließen die Krebse ihr Schneckenhaus. Foto: Oliver Mengedoht Klettern können die kleinen Zehnfüßer besonders gut, wenn auch manchmal etwas tollpatschig. entlassen ihre befruchteten Eier in der Brandung. Die aus den Eiern geschlüpften Larven leben in der ersten Zeit als Plankton im Meer und durchlaufen einige Entwicklungsphasen, bis sie sich Schneckenhäuser suchen und an Land gehen. Alle Landeinsiedlerkrebse, die es im Handel gibt, sind Wildfänge. Auf ihrem Weg über Zulieferer, Großhändler und Verkäufer erleben sie unterschiedlichste, oft ungünstige Bedingungen mit starken Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsschwankungen. Zusammengepfercht in einer Umgebung ohne Rückzugsmöglichkeit führt das schon zu ersten Verlusten. Diejenigen, die die Reise überlebt haben, verenden oft auch nach Wochen noch an den Spätfolgen dieses Stresses. Um die Sterberate zu minimieren, hilft es schon, sich nach Abgabetieren umzuschauen. Leben die Tiere schon länger in einer guten Umgebung, haben sie sich akklimatisiert und angepasst. So vertragen sie eine kurze Reise oftmals sehr gut. Wichtige Schneckenhäuser Landeinsiedlerkrebse sind hauptsächlich dämmerungs- und nachtaktiv. Tagsüber sitzen sie gerne in Höhlen, verstecken sich im Blattwerk oder vergraben sich im Boden unter Treibholz und Wurzeln. In der Natur leben Coenobitidae in sehr großen Gruppen. Es sind Gruppentiere, die allerdings kein gruppentypisches Sozialverhalten zeigen wie Wirbeltiere. Überlebenswichtig sind Schneckenhäuser. Der vordere Part des Krebskörpers und die Beine sind mit einem Chitinpanzer bedeckt. Zum Schutz ihres ungepanzerten Hinterleibs jedoch tragen sie Schneckenhäuser. Bei Gefahr ziehen sie sich ins Innere zurück und verschließen die Öffnung mit ihrer großen linken Schere. In den Häusern halten sie ihre kiemenartigen Atemorgane feucht und regeln ihren Mineralienhaushalt. Individuelle Geschmäcker Schneckenhaus ist dabei nicht gleich Schneckenhaus. Da sind sie wählerisch. Die Art C. rugosus mag die Häuser der Turbanschnecke, denn die haben eine runde Hausöffnung. C. vi- Lesetipps TER2014-01_Inhalt.indb 14 13.01.2014 09:54:41 Foto: Oliver Mengedoht olascens hingegen bevorzugen eher Schneckenhäuser mit länglicher Öffnung, wie etwa von der Trapez-Bandschnecke. Das hängt vor allem mit den unterschiedlich geformten Hinterleibern zusammen. Individuell können sich die Geschmäcker der Crustaceen allerdings unterscheiden. Daher ist es wichtig, dass für jeden Krebs genügend unterschiedliche Schneckenhäuser frei sind, die der aktuellen Größe in etwa entsprechen oder etwas größer sind. Seit einiger Zeit hat sich eine Unsitte verbreitet: Landeinsiedlerkrebse in bunt bemalten Häusern. Das mag für Kinder reizvoll sein, für den kleinen Krabbler nicht. Die Krebse wählen diese bunten Häuser nicht freiwillig, da sie oft überhaupt nicht der benötigten Passform entsprechen. Teils sind es Gehäuse von Landschnecken, die selbst unbemalt kaum brauchbar sind. Zudem ist nicht sicher, ob die Farbe gesundheitlich bedenklich ist. Für das Tier ist das alles andere als schön. Natürliche Schneckenhäuser, die zur Art passen, sind ein Muss. Landeinsiedlerkrebse wachsen ihr ganzes Leben lang. Ihr Panzer wächst allerdings nicht mit. Sie müssen ihn ablegen, um wachsen zu können. Dies geschieht durch die Häutung. In dieser Phase vergräbt sich der Krebs mitsamt seinem Haus, um sich vor potenziellen Fressfeinden zu schützen. Unterirdisch befreit er sich von seinem alten Panzer und bildet einen neuen. Das abgelegte Exoskelett frisst er auf, da es wichtige Mineralien enthält. Sobald der neue Schutz ausgehärtet ist, kommt der Krebs wieder an die Oberfläche. Eine Häutungsphase kann je nach Größe des Tiers zwischen zwei Wochen und zwei bis drei Monate dauern. In dieser heiklen Zeit sollten die Tiere keinesfalls gestört werden. Coenobita perlatus, wunderschön, aber in der Haltung bisher sehr heikel und daher eher nicht zu empfehlen. Gruppenhaltung Anders als oft zu lesen können Landeinsiedlerkrebse sehr alt werden. Es gibt Berichte von Tieren, die in Gefangenschaft über 30 Jahre alt wur- Foto: Oliver Mengedoht Ein kleiner Einsiedler der Art Coenobita violascens. n terraristik 1|2014 TER2014-01_Inhalt.indb 15 15 13.01.2014 09:54:47 Fotos: Oliver Mengedoht den. Aufgrund ihrer Lebensweise ist eine Gruppenhaltung von mindestens drei Artgenossen empfehlenswert. Bleibt die Frage, wie viele Landeinsiedler kann man in einem bestimmten Terrarium halten? Das kann nicht konkret beantwortet werden – es gibt keine Faustregel oder Formel, sondern kommt auf viele Faktoren an. Manche Arten werden größer als andere. Oft ist nicht bekannt, um welche Spezies es sich überhaupt handelt, denn die Bestimmung ist eine Wissenschaft für sich und für Laien wirklich schwer, auch Händler deklarieren erfahrungsgemäß schon mal falsch. In einem gut geplanten Terrarium mit den Maßen 80 x 60 x 60 Zentimeter können vier bis sechs Landeinsiedlerkrebse einziehen. Auch wenn das Volumen recht groß ist, muss bedacht werden, dass sich die Krebse zur Häutung in den Bodengrund einbuddeln, bevorzugt unter Verstecken und an Plätzen, die sie für sicher erachten. Diese Stellen liegen oft im hinteren Terrariumbereich. Das führt dazu, dass sich alle Bewohner vornehmlich dort einbuddeln und damit gegenseitig stören, was unter Umständen bei der Häutung tödlich enden kann. Die Autorin zog schon zweimal Nachwuchs von Coenobita violascens auf. TER2014-01_Inhalt.indb 16 Der Speiseplan Landeinsiedlerkrebse sind Allesfresser. Das ist jedoch nicht zu wörtlich zu nehmen, gerade menschliche Genussmittel sind ein No-Go. Sie jagen nicht, sondern leben von den Dingen, welche die Natur „fallen lässt“: Auf ihrem Speiseplan stehen Blätter, Pflanzen, Früchte, Nüsse, Fisch, Fleisch und Aas. Die Liste ist lang. Daher sollte stets eine breite Auswahl an Futter angeboten werden, damit sie sich das holen können, was nötig ist. Auch Alles- und Aasfresser sind wählerisch. Die Zehnfüßer nehmen längst nicht alles, was ihnen vorgesetzt wird. Gemüse und Salat wird meist links liegen gelassen, wohingegen frische Papaya oder Himbeerblätter sehr beliebt sind. Hier heißt es ausprobieren. Frische Kokosnuss-Stücke stehen bei allen Arten hoch im Kurs. Gewürzte, gesalzene oder gezuckerte Produkte sind zu vermeiden. Frisch sollte es sein, abwechslungsreich und artgerecht. Je naturnäher, desto besser. Viele Obst- und Gemüsesorten sind heutzutage mit Chemie behandelt, den Tieren zuliebe sollten (gut gewaschene und geschälte) Bio-Produkte bevorzugt werden. Die Krebse fressen recht kleine Portionen. Oft sieht man kaum, dass etwas gefressen wurde. Als optimale Futterschale haben sich Muschelhälften erwiesen. Gängige Terrarien-Futterschalen können auch genutzt werden, ebenso wie glasierte Tonschalen oder Blumentopfuntersetzer aus Plastik. Kein Futter in dem Sinn, doch ein wichtiger Bestandteil ist Sepiaschale: Sie enthält viel Kalk, den die Krebse für ihren Panzer benötigen. 13.01.2014 09:54:49 Das richtige Wasser Landeinsiedlerkrebse nutzen Wasser nicht nur, um ihren Durst zu stillen. In den Schneckenhäusern halten sie damit ihre kiemenartigen Atemorgane feucht und regeln außerdem den Mineralienhaushalt. Daher müssen alle Krustentiere immer Zugang zu Süß- und Salzwasser haben. Als Frischwasserquelle kann Leitungswasser genommen werden. Um auf Nummer sicher zu gehen, sollte es auf Kupfer geprüft werden. Denn oft werden Kupferleitungen verwendet, doch dieses Metall ist schon in kleinsten Mengen tödlich für Wirbellose. Ein Wasserfilter kann Abhilfe schaffen. Um Salzwasser anzubieten, lohnt sich der Kauf von Meersalz aus der Aquaristik. Im Reformhaus kann man Speise-Meersalz kaufen. Es sollte naturbelassen und unraffiniert sein, denn nur so enthält es noch die wesentlichen Bestandteile. Vorsicht ist geboten bei Speisesalzen, die meist ungewünschte Zusatzstoffe wie Rieselhilfen enthalten. Süßwasser wird von den Krabblern nur selten aufgesucht. Wenn sich der größte Landeinsiedlerkrebs mitsamt seinem Haus in die Wasserschale hineinsetzen und untertauchen kann, ist es gut. Die Salzwasserschale darf gerne etwas größer sein. Ertrinken sie denn dann nicht? Die Frage ist So läuft ein Häuschenwechsel bei den Krustentieren ab. Coenobita clypeatus auf einem Korkast. n terraristik 1|2014 TER2014-01_Inhalt.indb 17 17 13.01.2014 09:54:51 Foto: Oliver Mengedoht n Titelthema Das ist der Panzer, der bei einer Häutung zurückbleibt (links), unten der frisch gehäutete Krebs. In dieser Phase sollten die Tiere nicht gestört werden. nicht ganz unberechtigt. Die Kruster können schon eine ganze Weile unter Wasser bleiben, trotzdem sollten alle Wasserschalen oder Becken eine Ausstiegshilfe haben. Steine oder Kork sind dafür gut geeignet, denn sie geben keine schädlichen Stoffe ins Wasser ab. Die Landeinsiedlerkrebse neigen dazu, ihr Futter an sichere Plätze zu schleppen, die versteckt und schlecht einsehbar sind. Im feucht-warmen Klima fängt das Futter ganz schnell an zu gammeln. Als Gesundheitspolizei für solche Reste können tropische Weiße oder Braune Asseln eingesetzt werden. Kot, Pflanzen- und Futterreste lassen sich gut mit einem Pinsel und einer Kinderschaufel einsammeln und entfernen. Beim Reinigen und beim Austausch des Bodengrunds bitte ganz vorsichtig vorgehen: Es kann immer einer der Krebse zur Häutung verbuddelt sein. Vergesellschaftung Es ist nicht einfach, andere Tiere zu finden, die ins Klima passen. Optimal sind Arten aus den gleichen Einzugsgebieten. Beachtet werden muss auf jeden Fall, ob sich die Tiere gegenseitig verletzen oder stören könnten. Grabende Tiere können den sich unterirdisch häutenden Krebsen in die Quere kommen. Oder aber die doch manchmal rabiaten Landeinsiedler können die nachts schla- Foto: Oliver Mengedoht Birgus latro, der Palmendieb, der zu groß für ein Schneckenhaus ist – und im Allgemeinen auch für die Privathaltung. 18 n terraristik 1|2014 TER2014-01_Inhalt.indb 18 13.01.2014 09:54:56 fenden Terrariengenossen stören oder deren Eier und Larven fressen. Das Zusammenleben mit Halloweenkrabben (Gecarcinus spp.) scheint ganz gut zu funktionieren, wenn das Terrarium entsprechend groß ist. Diese Krabbenart baut sich ihre Höhlen, die wiederum gerne von den Landeinsiedlern genutzt werden. Die scheuen Krabben scheinen sich nicht an den Schneckenhausträgern zu stören, die wiederum auch nicht wirklich beeindruckt sind von den bunten Mitbewohnern. Erfolgreich ist auch die Vergesellschaftung mit asiatischen Hausgeckos, die sogar recht nützlich sind, da sie die Fruchtfliegen vertilgen. Tipp: Unbedingt darauf achten, dass das Terrarium ausbruchssicher ist. Die wendigen Tiere sind geschickte Ausbruchskünstler. n Von oben: Landeinsiedlerkrebse sind gesellige Tiere und hocken gern zusammen, hier ein adulter C. violascens. Das ist Coenobita rugosus, die am weitesten verbreitete Landeinsiedler-Art. Noch einmal Coenobita clypeatus aus der Karibik. Nachzuchten n terraristik 1|2014 TER2014-01_Inhalt.indb 19 19 13.01.2014 09:55:09