CME Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung Psychotherapeut 2010 · 55:247–263 DOI 10.1007/s00278-010-0722-2 Online publiziert: 25. April 2010 © Springer-Verlag 2010 Redaktion T. Fydrich, Berlin A. Martin, Erlangen W. Schneider, Rostock Christian Klesse1 · Mathias Berger1 · Isaac Bermejo1 · Tom Bschor2 · Jochen Gensichen3 · Timo Harfst4 · Martin Hautzinger5 · Carsten Kolada6 · Christine Kühner7 · Jürgen Matzat8 · Christoph Mundt9 · Wilhelm Niebling10 · Rainer Richter4, 11 · Henning Schauenburg12 · Holger Schulz13 · Frank Schneider14 · Martin Härter1, 13 1 Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Freiburg; 2 Schlosspark-Klinik Berlin; 3 Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Jena; 4 Bundespsychotherapeutenkammer, Berlin; 5 Psychologisches Institut, Universität Tübingen; 6 Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker, Bonn; 7 Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim; 8 Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e. V. Gießen; 9 Klinik für Allgemeine Psychiatrie, Universitätsklinikum Heidelberg; 10 Lehrbereich Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Freiburg; 11 Institut und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, 12 Klinik für Psychosomatische und Allgemeine Klinische Medizin, Universitätsklinikum Heidelberg; 13 Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf; 14 Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, RWTH Aachen Evidenzbasierte Psycho-­ therapie der Depression Therapiepraxis nach der aktuellen S3-/Nationalen VersorgungsLeitlinie „Unipolare Depression“ Zusammenfassung - kostenfrei im Rahmen des jeweiligen Zeitschriftenabonnements - individuelle Teilnahme durch den Erwerb von CME.Tickets auf CME.springer.de Depressive Störungen gehören zu den häufigsten Beratungsanlässen und Erkrankungen in der Versorgung. Trotz ihrer guten Behandelbarkeit und Fortschritten in den vergangenen Jahren besteht weiterhin Optimierungsbedarf in Diagnostik und Therapie. Eine geeignete Maßnahme, die Versorgung depressiver Patienten zu verbessern, stellt die Implementierung evidenz- und konsensbasierter Leitlinien dar. Für Deutschland wurde Ende 2009 eine evidenz- und konsensbasierte S3- bzw. Nationale VersorgungsLeitlinie „Unipolare Depression“ erarbeitet und im Konsens der in diesem Versorgungsbereich relevanten Akteure verabschiedet; dies soll ihre Akzeptanz und weite Verbreitung sicherstellen. Bezüglich der Wirksamkeit von Psychotherapie in der Behandlung der Depression liegen zahlreiche empirische Belege vor, und es lassen sich differenzierte evidenzbasierte Behandlungsempfehlungen für psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen, auch hinsichtlich der Kombination mit Antidepressiva oder als Alternative zu einer Pharmakotherapie formulieren. So wird in der Akuttherapie bei leichter depressiver Episode über 14 Tage eine aktiv-beobachtende Begleitung, bei Fortbestehen der Symptome Psychotherapie empfohlen. Bei mittelgradiger Depression werden Psycho- und Pharmakotherapie gleichwertig, bei schwerer Depression eine Kombinationsbehandlung aus beiden empfohlen. Zertifizierung Schlüsselwörter Punkten Sie online auf CME.springer.de Teilnahmemöglichkeiten Diese Fortbildungseinheit ist für ärztliche Psychotherapeuten mit 3 CME-Punkten zertifiziert von der Landesärztekammer Hessen und der Nordrheinischen Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung und damit auch für andere Ärztekammern anerkennungsfähig. Für psychologische Psychotherapeuten ist diese Fortbildungseinheit von der Landes­ psychotherapeutenkammer Baden-Württemberg akkreditiert. Hinweis für Leser aus Österreich Gemäß dem Diplom-Fortbildungs-Programm (DFP) der Österreichischen Ärztekammer werden die auf CME.springer.de erworbenen CME-Punkte hierfür 1:1 als fachspezifische ­Fortbildung anerkannt. Kontakt und weitere Informationen Springer-Verlag GmbH Fachzeitschriften Medizin / Psychologie CME-Helpdesk, Tiergartenstraße 17 69121 Heidelberg E-Mail: [email protected] CME.springer.de Evidenzbasierte Psychotherapie · Leitlinien · Depression · Versorgung Evidence-based psychotherapy of depression. Therapy practice according to the current S3 national clinical practise guidelines for unipolar depression Abstract Depressive disorders are among the most frequent reasons for utilizing the health care system. Despite the availability of efficacious treatments and further advances throughout the last years, there is still a need for improving diagnostic and therapeutic procedures. A promising approach is the implementation of evidence- and consensus-based guidelines. The German “Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression” are evidence- and consensus-based clinical practise guidelines for patients with unipolar depression. All relevant stakeholders have been involved in its development and have passed the final version at the end of 2009 to foster compliance throughout. The available evidence allows the derivation of differentiated treatment recommendations, also with regard to concomitant antidepressant medication or as alternative treatment options. In acute therapy watchful waiting over 14 days is recommended for mild depression and psychotherapy after persistence of symptoms. In cases of moderate depression, psychotherapy and pharmacotherapy are equally recommended, in cases of severe depression a combination of both is recommended. Keywords Evidence-based psychotherapy · Guidelines · Depression · Health care Psychotherapeut 3 · 2010 | 247 Lernziele. Dieser Beitrag soll grundlegendes Wissen über die Bedeutung von Leitlinien für die Versorgung depressiver Störungen vermitteln. Der Leser soll erfahren, mit welchem methodischen und organisatorischen Vorgehen für Deutschland die evidenz- und konsens-­ basierte Leitlinie „Unipolare Depression“ entwickelt wurde und welche Inhalte diese hat. Insbesondere werden die Hintergründe und Empfehlungen für eine evidenzbasierte Psy-­ chotherapie der Depression vermittelt. Nach der Lektüre soll der Leser wissen, welche Be-­ sonderheiten in der Versorgung depressiver Patienten und welche Kooperationserforder-­ nisse auf den verschiedenen Versorgungsstufen bestehen. Depressive Störungen zählen zu den häufigsten psychischen Störungen und Beratungsanlässen 7 Optimierungsbedarf bezüglich Erkennen und Orientierung der Behandlung an Leitlinien Es beteiligten sich 28 Fachgesellschaften und Berufsverbände an der Entwicklung der Leitlinie Depressive Störungen zählen mit einer Lebenszeitprävalenz von 18% in Deutschland zu den häufigsten psychischen Störungen und Beratungsanlässen in der Versorgung (Jacobi et al. 2004). Für die Betroffenen sind sie mit erheblichen Beeinträchtigungen des psychischen und körperlichen Befindens sowie der sozialen Bindungen und Funktionsfähigkeit verbunden (Keller 2003). In der psychotherapeutischen Praxis sind depressive Störungen häufig. Eine repräsentative Studie zur psychotherapeutischen Versorgungslage in Deutschland fand, dass 32% der Patienten, die sich in einer ambulanten Psychotherapie befinden, als Erstdiagnose eine depressive Störung aufweisen (Zepf et al. 2001). Zudem treten depressive Episoden häufig komorbid zu anderen psychischen und somatischen Erkrankungen auf. Randomisiert-kontrollierte Studien belegen sehr gute Effekte von psychotherapeutischen Verfahren in der Depressionsbehandlung; besonders gut nachgewiesen ist dabei die Wirksamkeit von kognitiver Verhaltenstherapie (KVT) und interpersoneller Psychotherapie (IPT); aber auch für andere Therapieverfahren liegen Wirksamkeitsnachweise vor (psychoanalytisch begründete Verfahren, Gesprächspsychotherapie). Versorgungsepidemiologische Studien zeigen allerdings auch, dass auf verschiedenen Ebenen der Versorgung 7 Optimierungsbedarf in der Depressionstherapie besteht, obwohl prinzipiell wirksame Behandlungsverfahren – Psychotherapie, Pharmakotherapie oder die Kombination beider – zur Verfügung stehen. Relevante Probleme in der Versorgung sind das richtige und rechtzeitige Erkennen depressiver Störungen und die Ausrichtung der Behandlung an evidenzbasierten Psychotherapieverfahren bzw. aktuellen Leitlinien. Vor diesem Hintergrund beteiligten sich 28 Fachgesellschaften und Berufsverbände (darunter für den Bereich der Psychotherapie die DGPs, die DGPM, die DGPT, die DGVT, die DÄVT, die DVT, der BPM, die DFT, die DPG, die DPV, die GwG, der bvvp, die DPtV sowie die Bundespsychotherapeutenkammer) unter Federführung der DGPPN in einem über vierjährigen Prozess an der Entwicklung einer S3- bzw. Nationalen VersorgungsLeitlinie (NVL) „Unipolare Depression“ (Härter et al. 2008), die Ende 2009 publiziert wurde. Diese berücksichtigt neben der Pharmakotherapie und nichtmedikamentösen somatischen Therapieverfahren [u. a. Lichttherapie und Elektrokrampftherapie (EKT)] prioritär auch die Psychotherapie (DGPPN, BÄK, KBV et al. 2009; Internet: http://www. dgppn.de, http://www.versorgungsleitlinien.de, http://www.awmf-leitlinien.de). In diesem Beitrag, der insbesondere auf die thematischen Abschnitte in der Leitlinie zur Psychotherapie der Depression fokussiert, wird zunächst eine Definition von Leitlinien gegeben, die Entwicklung und Methodik der Leitlinie skizziert und ein Überblick über die zentralen Inhalte gegeben. Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs), Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM), Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT), Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT), Deutsche Ärztliche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DÄVT), Deutscher Fachverband für Verhaltenstherapie (DVT), Berufsverband der Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Deutschlands (BPM), Deutsche Fachgesellschaft für tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (DFT), Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft (DPG), Deutsche Psychoanalytische Vereinigung (DPV), Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie (GwG), Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (bvvp), Deutsche Psychotherapeutenvereinigung (DPtV), Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). Außerdem waren beteiligt: Bundesärztekammer (BÄK) – Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Ärztekammern, Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen (DAGSHG), Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker (BApK), Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW), Bundesdirektorenkonferenz psychiatrischer Krankenhäuser [und Arbeitskreis Depressionsstationen (BDK)], Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP), Berufsverband der Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Deutschlands (BPM), Berufsverband Deutscher Nervenärzte (BVDN), Berufsverband Deutscher Psychiater (BVDP), Chefarztkonferenz psychosomatisch-psychotherapeutischer Krankenhäuser und Abteilungen, Deutsche Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie (DGGPP), Deutscher Hausärzteverband, Kompetenznetz Depression, Suizidalität (KND). 248 | Psychotherapeut 3 · 2010 CME Jeweils aufbauend auf den spezifischen Empfehlungen werden im Anschluss die in der Leitlinie abgebildeten Vorschläge zu allgemeinen Behandlungszielen und zu einer leitliniengerechten evidenzbasierten Psychotherapie für verschiedene Schweregrade und Behandlungsphasen der Depression (Akut- und Erhaltungstherapie, Rezidivprophylaxe) beschrieben. Abschließend werden Hinweise zur Versorgungskoordination und Kooperation mit der medizinischen bzw. stationären Versorgung und zum Behandlungsmonitoring sowie ein Ausblick gegeben. Definition von Leitlinien Leitlinien werden definiert als systematisch entwickelte Darstellungen und Empfehlungen mit dem Zweck, die Entscheidungen von Ärzten und Therapeuten sowie Patienten über eine adäquate Gesundheitsversorgung für spezifische klinische Situationen zu unterstützen (Lorenz et al. 2001). Anders als Richtlinien, die im berufsrechtlichen Sinn verbindliche Regeln ärztlichen bzw. therapeutischen Handelns darstellen, orientieren sich Leitlinien am Referenzbereich diagnostischer und therapeutischer Standards sowie Empfehlungen und beinhalten im engeren Sinn Handlungsvorschläge für das diagnostische und therapeutische Vorgehen. Die schriftlichen Empfehlungen und die systematisch entwickelten Entscheidungshilfen in Leitlinien sollen bei Diagnostik und Therapie sowie beim Umgang mit schwierigen Behandlungssituationen dazu beitragen, eine optimale Qualität der Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Die zusammenfassende Bewertung zur Effektivität von internationalen Implementierungsstudien zu Depressionsleitlinien lässt den Schluss zu, dass Behandlungsmaßnahmen bei Depressionen, die an evidenzbasierten Leitlinien ausgerichtet sind, zu einer verbesserten Versorgung depressiver Patienten führen (z. B. gezielte Beratungsansätze, angemessene Psychopharmakotherapie, depressionsspezifische psychotherapeutische Strategien; ÄZQ 2001; Härter u. Bermejo 2006; Härter et al. 2003). Für die systematische Entwicklung von Leitlinien ist eine möglichst 7 objektive und unbeein-­ flussbare Methodik unter Zusammenführung sowohl der Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung (Prinzipien der evidenzbasierten Medizin) und von Expertenwissen (klinische Erfahrung) zentral (Kopp et al. 2002). Dabei unterliegen Leitlinien einer dynamischen Entwicklung, d. h. es ist nötig, sie auf den neuesten Stand des wissenschaftlichen Wissens und der klinischen Expertise zu bringen. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) unterscheidet die Methodik der Leitlinienerstellung nach den im Folgenden beschriebenen drei Stufen. Leitlinien beinhalten Handlungsvorschläge für das diagnostische und therapeutische Vorgehen An evidenzbasierten Leitlinien ausgerichtete Behandlungsmaßnahmen führen zu einer verbesserten Versorgung depressiver Patienten 7 Objektive und unbeeinflussbare Methodik Leitlinien unterliegen einer dynamischen Entwicklung Leitlinie der ersten Stufe (S1). Eine Leitlinie der ersten Stufe (S1) basiert auf einem 7 informellen Konsens einer repräsentativ zusammengesetzten Expertengruppe (z. B. einer wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaft), die vom Vorstand dieser Fachgesellschaft verabschiedet wird. 7 Informeller Konsens einer Exper-­ tengruppe Leitlinie der zweiten Stufe (S2). Grundlage für die Entstehung einer Leitlinie auf der zweiten Stufe (S2) ist entweder eine formale Konsensfindung (nominaler Gruppenprozess, Delphimethode, Konsensuskonferenz; „S-2 k“) oder aufgrund formal bewerteter Aussagen (Evidenzgrad) der wissenschaftlichen Literatur („S-2 e“). Grundlage ist entweder eine formale Konsensfindung oder der Evidenzgrad der wissenschaftlichen Literatur Leitlinie der dritten Stufe (S3). Die höchste Entwicklungsstufe einer Leitlinie (S3) beinhaltet alle Elemente der systematischen Erstellung, d. h. eine systematische Aufbereitung der Literatur, die Evidenzbasierung aller Empfehlungen, die logische Analyse mithilfe klinischer Algorithmen und die Entscheidungs- bzw. Outcome-Analyse unter Berücksichtigung gesundheitlicher und gesundheitsökonomischer Ziele sowie eine formale Konsensfindung (s. unter http://www.awmf-online.de). Die höchste Entwicklungsstufe (S3) beinhaltet alle Elemente der systematischen Erstellung Entwicklung der Leitlinie Für Deutschland existierten für den ambulanten haus- und fachärztlichen bzw. psychotherapeutischen Bereich bereits Leitlinien. Aus unterschiedlichen Gründen weisen diese allerdings Schwächen auf. Entweder bestanden kein systematischer Konsensprozess bei der Entwicklung unter Einbezug aller relevanten Berufsgruppen und keine explizite Evidenzbasierung der Empfehlungen, oder es fehlte an konkreten Umsetzungsvorschlägen für die Praxis. Bereits 2001 wurde von der „Clearing“-Stelle des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin (ÄZQ) ein 7 nationales Clearing-Verfahren 7 Nationales Clearing-Verfahren zur Depression Psychotherapeut 3 · 2010 | 249 Bei allen bewerteten Leitlinien zeigten sich Schwachstellen zur Depression initiiert. Hauptziel waren dabei die Identifikation und der Vergleich von evidenzbasierten, qualitativ hochwertigen deutschen und englischsprachigen Leitlinien zur Depression. Nach einer systematischen Literaturrecherche wurden 21 Leitlinien, davon 3 deutsche, mithilfe der Checkliste „Methodische Qualität von Leitlinien“ (ÄZQ 2001; Härter u. Bermejo 2006; Härter et al. 2001) in einem Peer-Review-Verfahren von einer Fokusgruppe von Leitlinienanwendern aus ambulanter und stationärer Versorgung sowie Experten bezüglich Methodik, Inhalt und Format sowie der praktischen Anwendbarkeit beurteilt (ÄZQ 2003). In dieser Bewertung zeigten sich wiederum deutliche Qualitätsunterschiede; hierbei erreichten deutsche Leitlinien nur mittlere Rangplätze. Bei allen der bewerteten Leitlinien zeigten sich Schwachstellen, v. a. hinsichtlich des Fehlens konkreter Vorschläge und Empfehlungen zur Implementierung in verschiedenen Versorgung-Settings. Aus dieser Analyse schloss die „Expertengruppe Depression“ des ÄZQ, dass eine NVL für depressive Störungen auf Grundlage der bestehenden nationalen und internationalen Leitlinien entwickelt werden sollte, die diese Mängel ausgleicht. Ziele der Leitlinie Ein Konsens verschiedener Akteure im Gesundheitswesen für Leitlinien zur Diagnostik und Therapie depressiver Störungen war herzustellen 7 Abgestufte und vernetzte Ver-­ sorgung 7 Programm für Nationale VersorgungsLeitlinien Nationale VersorgungsLeitlinien bilden die inhaltliche Grundlage von Programmen zur strukturierten medizinischen Versorgung Novum ist, dass eine S3- und eine Nationale VersorgungsLeitlinie für Deutschland gleichzeitig erstellt werden Einen Konsens verschiedener Akteure im Gesundheitswesen für Leitlinien zur Diagnostik und Therapie depressiver Störungen herzustellen, war nach Abschluss des Leitlinien-Clearing-Verfahrens und der Arbeit mehrerer Fachgesellschaften an Depressionsleitlinien mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung ein zentrales Ziel. Seit Anfang 2005 koordinierte die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) zusammen mit dem ÄZQ ein Projekt zur Erarbeitung einer S3-Leitlinie zur „Unipolaren Depression“. Hieran waren 28 ärztliche und psychologische Fachgesellschaften und Berufsverbände sowie Angehörigen- und Patientenverbände beteiligt. Im Rahmen der Leitlinienentwicklung sollten auch Empfehlungen hinsichtlich einer 7 abgestuf-­ ten und vernetzten Versorgung zwischen dem haus- und fachärztlichen sowie dem psychotherapeutischen Sektor und der Indikationsstellung für ambulante, teilstationäre bzw. stationäre Behandlungsmaßnahmen (einschließlich der Rehabilitation) sowie für Implementierungs- und Evaluationsstrategien erarbeitet werden. Mit diesen Zielen war diese S3-Leitlinie eng mit dem 7 Programm für Nationale Versorgungs-­ Leitlinien (NVL-Programm) verknüpft, das 2003 zwischen Bundesärztekammer, der AWMF und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vertraglich vereinbart wurde. In den NVL werden auf der Basis hochwertiger, evidenz- und konsensbasierter Leitlinien Empfehlungen formuliert, die für die Versorgungskoordination und eine schnittstellenübergreifende Evaluierung der Versorgungsqualität bedeutsam sind. Die NVL verstehen sich zugleich auch als inhaltliche Grundlage von Programmen zur strukturierten medizinischen Versorgung [“disease management“ bei chronischen Erkrankungen nach § 137f des Sozialgesetzbuches (SGB) V]. Nach der Entwicklung von NVL zur Versorgung des Diabetes Typ 2, der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung („chronic obstructive pulmonary disease“, COPD), von Asthma bronchiale und der chronischen koronaren Herzerkrankung (KHK) haben die Gremien im Juli 2005 entschieden, auch das Thema Depression zu bearbeiten; hierbei wurde diese NVL aus der S3-Leitlinie Depression unter besonderer Berücksichtigung versorgungsspezifischer Aspekte entwickelt. Novum ist, dass eine S3-Leitlinie und eine NVL für Deutschland gleichzeitig erstellt werden. Diese enge Kooperation sollte Synergien nutzen und eine optimale Verbindung zwischen evidenzbasierten Grundlagen und Praxisanforderungen erzielen. Ein „Disease-management“-Programm für Depression ist in Deutschland derzeit jedoch nicht geplant. Struktur der Arbeitsgruppen und Referenzleitlinien 7 Koordination des Leitlinienprozesses 7 Konsensgruppe 250 | Psychotherapeut 3 · 2010 Der Entstehungsprozess der Leitlinie und die Schritte bis zur Veröffentlichung im November 2009 sind sequenziell in . Abb. 1 und die Zusammensetzung der Arbeitsgruppen in . Abb. 2 dargestellt. Die DGPPN als Initiator der Leitlinie beauftragte die Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg (M. Berger, M. Härter, I. Bermejo, C. Klesse) als Leitliniengruppe mit der 7 Koordination des Leitlinienprozesses. Die Leitliniengruppe lud 28 Fachgesellschaften und Berufsverbände sowie Patienten- und Angehörigenvertreter ein, die gemeinsam die 7 Konsensgruppe bildeten. Aus den in der Konsensgruppe vertretenen Fachgesellschaften, der Leitliniengruppe, ÄZQ und AWMF wurde die NVL-Steuergruppe gebildet. Die von der Leitliniengruppe (Koordinationsteam) aus dem Leitlinien-Clearing-Bericht abgeleiteten Schlüsselfragen, die die Leitli- CME Zusammenstellung des Koordinationsteams, der Konsensgruppe und der Steuergruppe Konsentierung der Schlüsselfragen durch nominalen Gruppenprozess Extraktion der Informationen (Leitliniensynopse: Empfehlungen, Begründung, Literatur aus der Quellleitlinie und mindestens einer Referenzleitlinie) Erste Prüfung hinsichtlich Anwendbarkeit im deutschen Gesundheitssystem / Abgleich mit Empfehlungen deutscher Leitlinien Erstellung eines Hintergrundtextes und von Vorschlägen für resultierende Empfehlungen inkl. Empfehlungsgrad (übernommen aus Quellleitlinie) Diskussion der Hintergrundtexte / Empfehlungen und formalisierte Abstimmung der Empfehlungen und Vergabe eines Empfehlungsgrads Erstellung der endgültigen Textfassung, redaktionelle Bearbeitung Kommentierung der Leitlinie im Peer-Review-Verfahren Sammlung, Sichtung und Aufbereitung sowie Konsentierung der Kommentare Erstellung und Veröffentlichung der finalen Fassung der Leitlinie Abb. 1 8 Ablauf des Entwicklungsprozesses der Leitlinie nie beantworten soll, wurden von der Konsensgruppe zu Beginn im Rahmen eines nominalen Gruppenprozesses priorisiert. Die Steuergruppe war einerseits für die Konsentierung der NVL zuständig, prüfte und diskutierte andererseits alle vom Koordinationsteam erarbeiteten Hintergrundtexte und Empfehlungen vorab, ehe sie der Konsensusgruppe vorgelegt wurden (. Abb. 2). Der 7 Geltungsbereich dieser Leitlinie bezieht sich nach der International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems- (ICD-)10 auf: Fdie unipolare depressive Störung, d. h. depressive Episoden (F32), Frezidivierende depressive Störungen (F33), Fanhaltende affektive Störungen (hier nur: Dysthymie, F34.1) und Fsonstige affektive Störungen (hier nur: rezidivierende kurze depressive Störung, F38.1). Entsprechend den Empfehlungen des Leitlinien-Clearing-Berichts wurden die zur Beantwortung der Schlüsselfragen nötigen Informationen und Evidenzen nicht primär durch eigene Literaturrecherchen ermittelt, sondern aus bestehenden Leitlinien abgeleitet, die von der Konsensusgruppe ausgewählt und formal konsentiert wurden. Hierzu wurden Synopsen, also systematische Gegenüberstel- Die Steuergruppe war für die Konsentierung zuständig und prüfte alle vom Koordinationsteam erarbeiteten Hintergrundtexte und Empfehlungen 7 Geltungsbereich Die nötigen Informationen und Evidenzen wurden aus bestehenden Leitlinien abgeleitet Psychotherapeut 3 · 2010 | 251 NVL-Steuergruppe Koordinationsteam (ÄZQ, AWMF, AkdÄ, Leitliniengruppe + DEGAM, DGPPN, DGRW, DGPM, DGPs, Patienten- und Angehörigenvertreter, Bundespsychotherapeutenkammer) (Leitliniengruppe, ÄZQ, AWMF) Konsensgruppe (28 Fachgesellschaften, Berufsverbände + Patientenund Angehörigenvertreter) Abb. 2 8 Organigramm des Konsensusprozesses. AkdÄ Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, AWMF Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, ÄZQ Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin, DEGAM Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, DGPs Deutsche Gesellschaft für Psychologie, DGPM Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie, DGPPN Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde, DGRW Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften, NVL Nationale VersorgungsLeitlinie 7 Quellleitlinie 7 Referenzleitlinien lungen der Aussagen in den einzelnen Leitlinien erstellt. Als primär zu berücksichtigende 7 Quell-­ leitlinie diente die „National Clinical Practice Guideline Depression“ des britischen National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE 2004). Zusätzliche 7 Referenzleitlinien, die zur Beantwortung der Schlüsselfragen herangezogen wurden, waren die „Versorgungsleitlinien für depressive Störungen in der ambulanten Praxis“ des Kompetenznetzes Depression, Suizidalität (Härter et al. 2005), die „Leitlinie Psychotherapie affektiver Störungen“ der DGPs (de Jong-Meyer et al. 2007), die „Gemeinsamen Leitlinien zur Psychotherapie der Depression“ von DGPM, DGPT, DKPM und AÄGP (DGPM, DGPT, DKPM u. AÄGP 2002), die „Praxisleitlinie affektive Störungen“ der DGPPN (Gaebel u. Falkai 2000), die „Empfehlungen zur Therapie der Depression“ der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ 2006), außerdem die „Clinical Guidelines for the Treatment of Depressive Disorders“ des Canadian Network for Mood and Anxiety Treatments und der Canadian Psychiatric Association (CPA 2001) sowie die „Practice Guideline for the Treatment of Patients With Major Depressiver Disorder“ der American Psychiatric Association (APA 2000). Methodische Grundlagen Doppelblinde, randomisiert-kontrollierte Studien, Metaanalysen und systematische Übersichtsarbeiten stellen die höchste Evidenzstufe dar 7 Grad der Evidenz Empfehlungsgrade orientieren sich an der wissenschaftlichen Evidenz 252 | Psychotherapeut 3 · 2010 Bei dieser S3-/Nationalen VersorgungsLeitlinie stellten doppelblinde, randomisiert-kontrollierte Studien („randomized controlled trials“, RCT), Metaanalysen und systematische Übersichtsarbeiten im Rahmen einer Evidenzhierarchie die höchste Evidenzstufe dar, weil diese das geringste Risiko für einen Bias des Studienergebnisses aufweisen. Dabei wurden diese Studien zumeist aus der Quellleitlinie und den Referenzleitlinien bzw. den daraus erstellten Synopsen extrahiert. Wenn zu einer der Schlüsselfragen keine RCT oder Metaanalysen vorlagen, wurde zunächst nach kontrollierten, nichtrandomisierten Studien gesucht, in der nächsten Ebene nach Korrelations- oder Vergleichsstudien und nach Fallserien. Diese 7 Grade der Evidenz bildeten auch den Maßstab für die Ableitung von Empfehlungsgraden: Empfehlungen fielen umso stärker aus, je höher der Evidenzgrad und je sicherer damit die Evidenzgrundlage ist. Die Vergabe der Empfehlungsgrade berücksichtigte aber auch ethische Verpflichtungen, die klinische Relevanz der Effektivitätsmaße der Studien, die Umsetzbarkeit der Studienergebnisse bei der jeweiligen Gruppe von Patienten, Patientenpräferenzen sowie die Anwendbarkeit in der Versorgung. Aufgrund dieser Konsensusaspekte konnte eine Auf- oder eine Abwertung des Empfehlungsgrads gegenüber dem Evidenzgrad durch Beschluss der Konsensusgruppe erfolgen (. Tab. 1, 2). CME Tab. 1 Evidenzebenen Ia Ib IIa IIb III IV Evidenz aus einer Metaanalyse von mindestens 3 randomisierten kontrollierten Studien („randomized controlled trials“, RCT) Evidenz aus mindestens einer randomisiert-kontrollierten Studie oder einer Metaanalyse von weniger als 3 RCT Evidenz aus zumindest einer methodisch gut kontrollierten Studie ohne Randomisierung Evidenz aus zumindest einer methodisch guten, quasiexperimentellen deskriptiven Studie Evidenz aus methodisch guten, nichtexperimentellen Beobachtungsstudien, wie z. B. Vergleichsstudien, Korrelationsstudien und Fallstudien Evidenz aus Berichten von Expertenkomitees oder Expertenmeinung und/oder klinische Erfahrung anerkannter Autoritäten Tab. 2 Grade der Empfehlung A B C KKP „Soll“-Empfehlung: zumindest eine randomisierte, kontrollierte Studie von insgesamt guter Qualität und Konsistenz, die sich direkt auf die jeweilige Empfehlung bezieht und nicht extrapoliert wurde (Evidenzebenen Ia und Ib) „Sollte“-Empfehlung: gut durchgeführte klinische Studien, aber keine randomisierten klinischen Studien, mit direktem Bezug zur Empfehlung (Evidenzebenen II oder III) oder Extrapolation von Evidenzebene I, falls der Bezug zur spezifischen Fragestellung fehlt „Kann“-Empfehlung: Berichte von Expertenkreisen oder Expertenmeinung und/oder klinische Erfahrung anerkannter Autoritäten (Evidenzkategorie IV) oder Extrapolation von Evidenzebene IIa, IIb oder III. Diese Einstufung zeigt an, dass direkt anwendbare klinische Studien von guter Qualität nicht vorhanden oder nicht verfügbar waren „Standard in der Behandlung“: empfohlen als gute klinische Praxis („klinischer Konsenspunkt“) im Konsens und aufgrund der klinischen Erfahrung der Mitglieder der Leitliniengruppe als ein Standard in der Behandlung, bei dem keine experimentelle wissenschaftliche Erforschung möglich oder angestrebt ist In den 7 Konsensussitzungen wurden unter Moderation einer Vertreterin der AWMF (I. Kopp, Marburg) die aus den Synopsen und systematischen Literaturrecherchen abgeleiteten Hintergrundtexte und Empfehlungen, einschließlich der Graduierung der Empfehlungen, in einem nominalen Gruppenprozess diskutiert und konsentiert. Hierbei hatte jeder Teilnehmer der Konsensusrunde die Möglichkeit, Änderungsvorschläge einzubringen. Über die Vorschläge zu jeder Empfehlung wurde paritätisch abgestimmt; ab einer Zustimmung von 50% und mehr in der Konsensusgruppe wurde der Vorschlag umgesetzt. Jedoch bestand das Ziel im Sinne einer breiten Akzeptanz der Leitlinie, für die meisten der Empfehlungen einen starken Konsens (>95%ige Zustimmung) oder zumindest einen Konsens (>75- bis 95%ige Zustimmung) herzustellen. Im Rahmen eines externen und internen 7 Peer-Review-Verfahrens wurde die von der Konsensusgruppe abgestimmte Gesamtversion des Leitlinientextes von den Vorständen der Fachgesellschaften und Berufsverbänden, die Vertreter in die Konsensusrunde entsandt hatten, sowie weiteren Fachgesellschaften und Berufsgruppen, die aufgrund der Gruppengröße nicht mehr in den Konsensusprozess integriert werden konnten, kommentiert. Diese Kommentare wurden wiederum von der Konsensusgruppe abgestimmt und ggf. in den Leitlinientext eingearbeitet. Die hieraus entstandene 7 finale Leitlinienversion wurde im November 2009 über das Internet veröffentlicht (z. B. die Homepage der DGPPN, des ÄZQ und der AWMF; DGPPN, BÄK, KBV et al. 2009). Eine Publikation als Buch ist in Vorbereitung. 7 Konsensussitzungen Eine breite Akzeptanz der Leitlinie sollte erreicht werden 7 Peer-Review-Verfahren 7 Finale Leitlinienversion Inhalte der Leitlinie Die rechtzeitige und lege artis durchgeführte Behandlung depressiver Störungen weist eine hohe Erfolgsrate auf, während nicht oder inadäquat behandelt zumeist ein mehrmonatiger, evtl. auch chronischer Verlauf zu erwarten ist (Bermejo et al. 2003; Härter et al. 2005; Wittchen et al. 2000). Optimierungspotenzial in der Depressionsbehandlung besteht v. a. hinsichtlich der richtigen und recht- Optimierungspotenzial besteht in Diagnostik, Auswahl von Behandlungsstrategien und Wirksamkeitsprüfung sowie Vernetzung Am Peer-Review-Verfahren waren neben den Vorständen der in der Konsensgruppe vertretenen Fachgesellschaften und Berufsverbände etc. beteiligt: Deutscher Fachverband für Kunst- und Gestaltungstherapie (DFKGT), Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie (DGSF), Deutsche Gesellschaft für Verhaltensmedizin (DGVM), Deutscher Verband der Ergotherapeuten (DVE), Task Force on Health Promoting Services (WHO). Psychotherapeut 3 · 2010 | 253 zeitigen diagnostischen und differenzialdiagnostischen Einschätzung, der Abschätzung des Behandlungsbedarfs, der Kombination und sequenziellen Abfolge verschiedener Behandlungsstrategien, einschließlich der gezielten Überprüfung der Wirksamkeit, sowie der Indikation zu einer stationären bzw. teilstationären Therapie bzw. des Übergangs zu einer ambulanten Weiterbehandlung. Entsprechend umfasst die Leitlinie u. a. Hintergrundtexte und Empfehlungen zur Depressionsdiagnostik einschließlich der Differenzialdiagnostik und der somatischen Zusatzdiagnostik, zu allgemeinen Behandlungsprinzipien (Behandlungsziele; Akut- und Erhaltungstherapie, Rezidivprophylaxe; Einbezug von Patienten sowie Angehörigen und partizipative Entscheidungsfindung; Psychoedukation) und zur Versorgungskoordination, zur Pharmako-, zur Psychotherapie bzw. einer Kombinationsbehandlung, zu nichtmedikamentösen somatischen Therapieverfahren (z. B. EKT, Sportund Lichttherapie), zur Therapie häufiger komorbider psychischer Störungen und somatischer Erkrankungen sowie zum Umgang mit Suizidalität. Abschließend werden Empfehlungen zur Leitlinienanwendung, Qualitätssicherung und Leitlinienimplementierung vorgeschlagen. Im Folgenden fokussiert die Darstellung auf die Behandlungsphasen und Behandlungsziele sowie insbesondere auf die Inhalte und Empfehlungen der Leitlinie zur Psychotherapie der Depression und zur Versorgung depressiver Patienten sowie der Kooperation verschiedener Versorgungsstufen. Die für diese Inhalte relevantesten Empfehlungen werden im Folgenden optisch hervorgehoben. Behandlungsphasen und Behandlungsziele Die Behandlung einer Depression, insbesondere wenn es sich um eine rezidivierende Störung handelt, lässt sich in 3 Phasen gliedern (. Abb. 3): FAkuttherapie, FErhaltungstherapie und FLangzeittherapie (Rezidivprophylaxe). 7 Aufklärungsgespräch Die Psychotherapie einer depressiven Störung ist auf die Linderung der depressiven Symptome ausgerichtet 7 Remission als primäres Ziel Partizipative Entscheidungsfindung hat positive Effekte auf die Behandlung 254 | Psychotherapeut 3 · 2010 Für die Psychotherapie wird diese Unterscheidung aus konzeptionellen Gründen nicht so klar wie bei der Pharmakotherapie getroffen, hat jedoch besondere inhaltliche Relevanz, z. B. bezüglich der Zieldefinitionen im Verlauf. Im Anschluss an die Diagnostik steht am Beginn der Behandlung depressiver Störungen ein 7 Aufklärungsgespräch. Dessen Ziel ist es, Hoffnung zu vermitteln und den Patienten zu entlasten. Verständliche Informationen dienen zur Erklärung, dass es für die Therapie der bestehenden Erkrankungsepisode bewährte und wirksame Behandlungsmöglichkeiten gibt. Hierzu gehört einerseits die Aufklärung über die Wirklatenz z. B. von Psycho- und Pharmakotherapie, andererseits aber auch über deren Nachhaltigkeit. Die Psychotherapie einer depressiven Störung ist im Allgemeinen auf die Linderung der depressiven Symptome ausgerichtet, in der Regel einschließlich der Bearbeitung von die Störung aufrechterhaltenden psychischen Mechanismen und Verarbeitungen. Das primäre Behandlungsziel (Keller 2003) besteht darin, die Symptome der depressiven Störung zu vermindern und eine vollständige 7 Remission zu erreichen. Auf diesem Weg gilt es, die Suizidgefahr zu verringern, die berufliche und psychosoziale Leistungsfähigkeit wiederherzustellen, das seelische Gleichgewicht wieder zu erreichen und die Wahrscheinlichkeit für einen direkten Rückfall oder eine spätere Wiedererkrankung zu reduzieren. Über die Abwesenheit depressiver Symptome hinaus sind insbesondere eine allgemeine bejahende Lebenseinstellung (z. B. Optimismus, Vitalität, Selbstbewusstsein, Lebenswillen), die Rückkehr zum herkömmlichen psychosozialen Funktionsniveau, verbesserte Bewältigung von Alltagsverpflichtungen und -stress oder auch eine verbesserte Beziehungsqualität zu engen Bezugspersonen als Therapieziele bedeutsam. Patienten mit depressiven Störungen haben das Recht und den Anspruch, über ihre Erkrankung und die Behandlungsmöglichkeiten möglichst gut informiert zu werden und sich an der Entscheidung über die Form der Behandlung zu beteiligen (Loh et al. 2004). Eine gemeinsame Entscheidungsfindung trägt zu höherem Wissen und realistischeren Erwartungen über den Erkrankungsverlauf und zu höherer Patientenzufriedenheit bei. Bei der partizipative Entscheidungsfindung („shared decision making“) wird ein gleichberechtigtes Zusammenarbeiten von Arzt bzw. Psychotherapeut und Patient bei der Wahl der Behandlungsalternativen und Behandlungsziele angestrebt. Dieses hat sich in der Depressionstherapie empirisch hinsichtlich des Effekts auf das Behandlungsergebnis bewährt. Eine der Innovationen dieser Leitlinie ist die konsequente Empfehlung einer partizipativen CME Remission Vollständige Genesung Zunehmender Schweregrad .. Rückfall Symptome Ansprechen auf Therapie Rückfall Rezidiv Syndrome Behandlungsphasen Akuttherapie Erhaltungstherapie 4 bis 9 Monate Rezidivprophylaxe > 1 Jahr Abb. 3 8 Erkrankungsphasen und Behandlungsabschnitte Entscheidungsfindung und damit einer Beteiligung des Patienten an Entscheidungen über das Vorgehen in der Therapie. In diesen Prozess sollten bei Einverständnis des Patienten auch die Angehörigen einbezogen werden. Zusätzlich kann zu den vereinbarten Therapien für den Patienten auch der Besuch einer Selbsthilfegruppe hilfreich sein. Die Einbeziehung von Angehörigen und die Zusammenarbeit mit Angehörigengruppen haben ebenfalls positive Effekte. Empfehlung 1. Depressive Patienten sollen über Symptomatik, Verlauf und Behandlung der Depression 7 aufgeklärt werden. Wenn es angebracht ist und die Patienten einverstanden sind, gilt dies auch für deren Angehörige. Empfehlung 2. 7 Psychoedukative Angebote für Betroffene und Angehörige sollten zur Verbesserung des Informationsstands, der Akzeptanz und der Patientenmitarbeit im Rahmen einer Gesamtbehandlungsstrategie als sinnvolle Ergänzung angeboten werden. Bei Einverständnis des Patienten sollen auch die Angehörigen einbezogen werden 7 Aufklärung 7 Psychoedukative Angebote Empfehlung 3. Über die gesetzlich vorgeschriebene Aufklärungspflicht hinaus sollte mit dem Patienten im Rahmen einer 7 partizipativen Entscheidungsfindung über mögliche Behandlungsstrategien und die damit verbundenen erwünschten Wirkungen und möglichen Risiken gesprochen und entschieden werden. 7 Partizipative Entscheidungsfindung Empfehlung 4. Patienten und Angehörige sollen über 7 Selbsthilfe- und Angehörigengruppen informiert und, wenn angebracht, zur Teilnahme ermuntert werden. 7 Selbsthilfe- und Angehörigen-­ gruppen Psychotherapie in der Depressionsbehandlung Psychotherapeutische Verfahren sind nach einer sehr großen Zahl überwiegend randomisiert-kontrollierter Studien in unterschiedlichen Settings (Einzel-, Paar- oder Gruppentherapie) effektiv in der 7 Akutbehandlung depressiver Störungen unterschiedlicher Schweregrade und Verlaufsformen. Als psychotherapeutische Verfahren, die durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) finanziert sind („Richtlinienverfahren“), stehen in Deutschland für die ambulante Behandlung von Patienten mit depressiven Erkrankungen die (kognitive) Verhaltenstherapie sowie tiefenpsychologisch fundierte und analytische Psychotherapie zur Verfügung. Andere Verfahren wie die IPT, die Gesprächspsychotherapie oder Formen der systemischen Therapie kommen insbesondere im stationären Einsatz zusätzlich zum Einsatz. Hierarchisiert man die Psychotherapieverfahren nach der Zahl der ihre Wirksamkeit belegenden (vorwiegend randomisiert-kontrollierten) Studien, so können die KVT und die IPT als die am besten belegten Therapieverfahren angesehen werden (de Feijo et al. 2004; Gloaguen et al. 1998). Für die Effektivität von tiefenpsychologisch fundierter (Kurzzeit-)Therapie liegen weniger, für die Gesprächspsychotherapie und systemische Therapie liegt eine kleine Zahl an RCT vor, die den Goldstandard für Leitlinien auf S3-Niveau darstellen. Für die Langzeitpsychoanalyse wurden bislang kei- 7 Akutbehandlung Kognitive Verhaltenstherapie und interpersonelle Psychotherapie sind die am besten belegten Therapieverfahren Psychotherapeut 3 · 2010 | 255 7 Methodische Probleme Auf eine entsprechend dem Evidenzgrad gestufte Empfehlung bei Psychotherapieverfahren wurde verzichtet Die Auswahl des Therapieverfahrens hängt auch von den persönlichen Präferenzen der Patienten ab ne angemessen kontrollierten Studiendesigns mit Randomisierung, Vergleichsbedingung, unabhängiger Diagnostik oder klaren Ein- und Ausschlusskriterien realisiert. Dies wird überwiegend damit begründet, dass zum einen über die üblicherweise langen, teils mehrjährigen Behandlungszeiträume Kontrollgruppendesigns nur schwer möglich seien. Zum anderen ist die Homogenisierung der Diagnosegruppen bei den psychoanalytisch begründeten Verfahren lange Zeit zugunsten des prinzipiellen Nachweises von Wirksamkeit der analytisch begründeten Verfahren über Studien mit diagnosegemischten Patientengruppen, bei denen die depressiven Patienten allerdings eine große Subgruppe darstellten, vernachlässigt worden. Für die Langzeitpsychoanalyse wurde nach Abschluss der Leitlinienkonsentierung ein erster RCT mit Wirksamkeitsnachweis nach 36 Monaten in einer Stichprobe mit überwiegend depressiven Patienten veröffentlicht (Knekt et al. 2008). 7 Methodische Probleme bei der Bewertung von Psychotherapiestudien werfen insgesamt mitunter auch kurze Studiendauern, recht kurze Katamnesen sowie die gemessen an der Versorgungspraxis bestehende Homogenität bzw. Inhomogenität der untersuchten Patientenpopulationen, z. B. hinsichtlich der Diagnostik (Komorbidität), auf. Diese methodenkritischen Fragen sind in einem speziellen Kapitel der Leitlinie dargestellt. Insgesamt aber ist der Korpus der Evidenz für die Psychotherapie bei der unipolaren Depression so umfassend und befriedigend wie bei kaum einer anderen psychischen Störung. Wegen der unterschiedlichen Bewertung der beteiligten Fachgesellschaften und Berufsverbände bezüglich der geeigneten und letztlich auch vorliegenden Forschungsdesigns – randomisiert-kontrollierte Studien vs. naturalistische Studien ohne Randomisierung und Kontrollgruppe – wurde in der Konsensgruppe der Leitlinie beschlossen, auf eine entsprechend dem Evidenzgrad gestufte Empfehlung bei Psychotherapieverfahren zu verzichten. Dieses bedeutet praktisch, dass allgemein „Psychotherapie“ empfohlen wird, wenn in Evidenztabellen hinterlegte Wirksamkeitsnachweise unterschiedlicher Qualität und Quantität für eines der Verfahren vorliegen. Entsprechende ausführliche Evidenztabellen sind angefügt. Die Auswahl des Therapieverfahrens hängt – neben der faktischen Verfügbarkeit in der realen Versorgungslandschaft vor Ort – auch von den persönlichen Präferenzen der Patienten ab, ggf. ihren bisherigen Therapieerfahrungen, Einstellungen, eigenen Krankheitsvorstellungen, Erkenntnisund Veränderungsmotivation etc. Psychotherapie akuter depressiver Episoden Bei leichter depressiver Episode wird eine aktiv-abwartende Begleitung über 14 Tage ohne Einleitung einer spezifischen Therapie empfohlen 7 Aktiv-abwartende Begleitung 7 Mittelgradige depressive Epi-­ soden 7 „Sudden gains“ 256 | Psychotherapeut 3 · 2010 Während die S3-/Nationale VersorgungsLeitlinie bei leichten depressiven Episoden eine Pharmakotherapie aufgrund ihres ungünstigen Kosten-Nutzen-Profils nicht empfiehlt, sprechen zahlreiche Studien für die Wirksamkeit und die Kosteneffizienz psychotherapeutischer Verfahren. Aufgrund der unsicheren Verlaufsprognose empfiehlt die Leitlinie bei leichter depressiver Episode zunächst eine aktiv-abwartende Begleitung („watchful waiting“) über 14 Tage ohne Einleitung einer spezifischen Therapie. Dies ist eine innovative Empfehlung, die von der Leitlinie ausgehen soll. Dieses Vorgehen bietet sich weniger für Patienten an, die eine komplexere primäre Behandlungsstrategie wünschen und bei denen eine entsprechende Indikation besteht. Die „aktiv-abwartende Begleitung“ kann mit allgemeinen psychoedukativen Ansätzen über den Verlauf depressiver Störungen, aber auch z. B. Prinzipien des Symptom-Managements verbunden werden. Empfehlung 5. Bei einer leichten depressiven Episode kann, wenn anzunehmen ist, dass die Symptomatik auch ohne aktive Behandlung abklingt, im Sinne einer 7 aktiv-abwartenden Begleitung zunächst von einer depressionsspezifischen Behandlung abgesehen werden. Hält die Symptomatik nach einer Kontrolle nach spätestens 14 Tagen noch an oder hat sie sich verschlechtert, soll mit dem Patienten über die Einleitung einer spezifischen Therapie entschieden werden. Bei 7 mittelgradigen depressiven Episoden weisen zahlreiche randomisiert-kontrollierte Studien bzw. Metaanalysen und systematische Übersichtsarbeiten die Überlegenheit einer Psychotherapie gegenüber einer Placebo- bzw. Wartebedingung sowie die gleiche Wirksamkeit wie bei einer evidenzbasierten Pharmakotherapie nach. Differenzielle Indikationskriterien zwischen diesen beiden Verfahren sind durch Forschungsergebnisse praktisch nicht gestützt. Über lange Zeit wurde jedoch gerade die geringere Wirklatenz einer Pharmako- gegenüber einer Psychotherapie als ein Indikationskriterium bei insbesondere schwerer depressiver Episode diskutiert. Umgekehrt sind neueren Untersuchungen zufolge auch in der Psychotherapie nach 4 bis 5 Wochen 7 „sudden gains“ nachweisbar, CME die prädiktiv für das Therapie-Outcome sind (Longmore u. Worrell 2007). Bezüglich schwerer depressiver Episoden weisen Studien sowohl für die KVT als auch die IPT eine der Antidepressivatherapie äquivalente Effektivität nach, die allerdings bei der KVT von der Erfahrung der behandelnden Therapeuten abhängig ist: Je größer die Expertise des Therapeuten, desto besser ist bei schwer erkrankten Patienten das Behandlungsergebnis (DeRubeis et al. 2005). Metaanalysen stützen darüber hinaus insgesamt den Befund, dass die Kombinationsbehandlung aus Pharmako- und Psychotherapie bei schweren depressiven Episoden einen signifikanten additiven Effekt gegenüber der jeweiligen Monotherapie hat. Empfehlung 6. Zur Behandlung akuter leichter bis mittelschwerer depressiver Episoden soll eine 7 Psychotherapie angeboten werden. Je größer die Expertise des Therapeuten, desto besser ist bei schwer erkrankten Patienten das Behandlungsergebnis 7 Psychotherapie bei unterschied-­ lichen Schweregraden Empfehlung 7. Bei akuten schweren Depressionen soll eine Kombinationsbehandlung mit medikamentöser Therapie und Psychotherapie angeboten werden. Empfehlung 8. Wenn ein alleiniges Behandlungsverfahren in Betracht gezogen wird, soll bei ambulant behandelbaren Patienten mit akuten mittelschweren bis schweren depressiven Episoden eine alleinige Psychotherapie gleichwertig zu einer alleinigen medikamentösen Therapie angeboten werden. Empfehlung 9. Depressive Patienten mit psychotischen Merkmalen sollten in jedem Fall eine medikamentöse Therapie erhalten. Chronische Depressionsformen Die Wirksamkeit von Psychotherapie bei chronischen Verläufen depressiver Störungen (Dysthymie, „double depression“ und chronische, länger als 2 Jahre persistierende majore Depression) ist gegenüber der Effektivität bei akuten Episoden weniger gut untersucht. Es liegen zwar einige randomisiert-kontrollierte Studien zu Dysthymie und Double depression vor; diese zeichnen sich jedoch häufig durch kleine Stichproben, kurz dauernde Interventionen und kurze Katamnesezeiträume aus. Insgesamt zeigen diese Studien, dass psychotherapeutische Interventionen einer Pharmakotherapie unterlegen sind, jedoch in Kombination mit einem Antidepressivum signifikante additive Effekte bewirken. Das 7 Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) ist das bislang einzige Psychotherapieverfahren, das spezifisch zur Behandlung chronischer depressiver Episoden entwickelt wurde und kognitiv-verhaltenstherapeutische, interpersonelle und psychodynamische Elemente enthält. In der Studie von Keller et al. (2000) zu CBASP profitierten die Patienten wiederum am stärksten und schnellsten von der Kombinationsbehandlung; allerdings war die Psychotherapie bei Patienten mit früher Traumatisierung einer Pharmakotherapie oder auch der Kombinationsbehandlung überlegen. Eine neuere Studie, die erst nach Verabschiedung der Leitlinie publiziert wurde, bestätigt die verbesserte Wirksamkeit des CBASP (12 Sitzungen) gegenüber einer Pharmakotherapie oder einer Psychotherapieplacebobedingung bei Pharmakotherapie-Nonrespondern mit stützenden Gesprächen jedoch nicht (Kocsis et al. 2009). Empfehlung 10. Bei Dysthymie, Double depression und 7 chronischer Depression soll der Patient darüber informiert werden, dass eine Kombinationstherapie mit Psychotherapie und Antidepressiva gegenüber einer Monotherapie wirksamer ist. Empfehlung 11. Bei schweren und rezidivierenden sowie chronischen Depressionen, Dysthymie und Double depression sollte die Indikation zur 7 Kombinationsbehandlung aus Pharmakotherapie und geeigneter Psychotherapie vorrangig vor einer alleinigen Psychotherapie oder Pharmakotherapie geprüft werden. Psychotherapeutische Interventionen können in Kombination mit einem Antidepressivum signifikante additive Effekte bewirken 7 Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy 7 Chronische Depression 7 Kombinationsbehandlung Psychotherapeut 3 · 2010 | 257 Kombinationsbehandlung mit Pharmakotherapie Für spezifische Subgruppen liegen hinreichende Studienbelege zur Kombinationsbehandlung in der Akutphase vor Zur Kombinationstherapie von Psychotherapie und Antidepressiva in der Akutphase liegen für spezifische Subgruppen hinreichende Studienbelege vor (Friedman et al. 2004; Kool et al. 2003; Pampallona et al. 2004; Sutej et al. 2006): Für schwere depressive Episoden, chronisch depressive Patienten, rezidivierende Depressionen sowie ältere (59–70 Jahre alte) depressive Patienten sind statistisch signifikante additive Effekte einer Kombinationstherapie gegenüber einer alleinigen Pharmakotherapie (bei chronisch depressiven Patienten) und einer alleinigen Psychotherapie (bei schweren Episoden) nachgewiesen. Bei Patienten mit einer leicht- bis mittelgradigen depressiven Episode zeigen die Studien keine klaren Überlegenheitseffekte einer Kombinationsbehandlung. Psychotherapie als Erhaltungstherapie oder Rezidivprophylaxe 7 „Carry-over“-Effekte 7 Niederfrequente kognitive Ver-­ haltenstherapie 7 Angemessene psychotherapeu-­ tische Nachbehandlung und Re-­ zidivprophylaxe Aufgrund des Rückfallrisikos und des häufig rezidivierenden Verlaufs depressiver Störungen besitzt die Verhinderung von Rückfällen bzw. Rezidiven in der Behandlung besondere Relevanz. Da schon die ausschließlich in der Akutphase angewendeten Psychotherapien, insbesondere die KVT, zu günstigeren längerfristigen Effekten führen als die Pharmakotherapie, wurde in den vergangenen Jahren verstärkt deren Potenzial als Erhaltungstherapien sowie zur Rückfallprophylaxe und langfristigen Erfolgssicherung untersucht und bestätigt. Psychotherapeutische Maßnahmen (untersucht sind KVT oder IPT) realisieren dabei die bereits im Rahmen der Akuttherapie angewandten Elemente, z. T. ergänzt um weitere spezielle Interventionen. Die Studien in diesem Feld zeigen einerseits, dass Psychotherapie im Vergleich zu einer Pharmakotherapie stärkere anhaltende Wirkung in den Phasen hat, in denen keine Behandlung mehr stattfindet 7 („Carry-over“-Effekte). Andererseits finden sich trotz dieser Nachhaltigkeit in den Katamnesen auch bei den psychotherapeutisch vorbehandelten Patienten im weiteren Verlauf Rückfälle bzw. Rezidive. Dies wirft die Frage auf, ob eine Fortführung der Behandlung über die Remission hinaus dieses verhüten kann. Hierzu liegen mehrere gut kontrollierte Studien mit langen Katamnesezeiträumen vor. Eine vergleichende Metaanalyse (Vittengl et al. 2007) legt nahe, dass mit 7 niederfrequenter KVT im Erhaltungsintervall bzw. zur Rezidivprophylaxe behandelte Patienten ein signifikant geringeres Rückfall- bzw. Rezidivrisiko hatten als Patienten, die eine nichtaktive Kontrollbehandlung oder auch eine Pharmakotherapie erhalten hatten; dies galt sowohl für remittierte als auch teilremittierte oder ursprünglich mit alleiniger Pharmakotherapie behandelte Patienten. Bei Patienten mit rezidivierenden depressiven Episoden sprechen die vorliegenden Studien gleichwertig bzw. alternativ für die Effektivität einer pharmakologischen Rezidivprophylaxe. Empfehlung 12. Zur Stabilisierung des Therapieerfolgs sowie zur Senkung des Rückfallrisikos soll im Anschluss an eine Akutbehandlung eine 7 angemessene psychotherapeutische Nachbehand-­ lung (Erhaltungstherapie) angeboten werden. Empfehlung 13. Längerfristige stabilisierende Psychotherapie (Rezidivprophylaxe) soll Patienten mit einem erhöhten Risiko für ein Rezidiv angeboten werden. Versorgung und Kooperation Bei fehlender Besserung trotz psychotherapeutischer Behandlung wird nach spätestens 3 Monaten die Konsultation eines Facharztes empfohlen 258 | Psychotherapeut 3 · 2010 Für die ambulante Psychotherapie bei depressiven Störungen stellen sich Versorgungs- und Kooperationsfragen insbesondere hinsichtlich einer hausärztlichen oder psychiatrischen bzw. nervenärztlichen Mitbehandlung oder bezüglich einer stationären Weiter- oder interkurrenten Mitbehandlung. Bei leichten bis mittelschweren depressiven Störungen kann eine alleinige ambulante Behandlung nach lege artis durchgeführter somatischer, psychopathologischer und psychologischer Diagnostik von allen relevanten Behandlungsgruppen, d. h. Hausärzten oder Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie sowie für psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder Nervenärzten, Ärzten mit Zusatztitel Psychotherapie und Psychoanalyse oder psychologischen Psychotherapeuten erfolgen (Härter et al. 2005; Härter et al. 2003). Bei fehlender Besserung trotz psychotherapeutischer Behandlung ist aber nach spätestens 3 Monaten die Konsultation eines Facharztes zu empfehlen. Dies ist eine weitere bedeutende, in der Leitlinie vorgesehene innovative Empfehlung, von der erwar- CME tet wird, dass sie die Behandlungsergebnisse durch frühzeitige intersektorielle Zusammenarbeit verbessern kann. Die Überweisung zu oder Zusammenarbeit mit 7 Fachärzten für Psychiatrie und Psychothera-­ pie und Nervenärzten ist insbesondere bei folgenden Kriterien angezeigt: Funklarer psychiatrischer Differenzialdiagnose, Fschweren Symptomen, FTherapieresistenz, FProblemen bei der Pharmakotherapie und/oder in einer Psychotherapie, FInteraktionsproblemen im Rahmen der Kombinationstherapie von Antidepressiva mit anderen Medikamenten, Fakuter Selbst- und Fremdgefährdung, Fpsychotischen Symptomen oder depressivem Stupor und FKomorbidität einer depressiven Störung mit einer anderen schweren psychischen Störung sowie mit anderen schweren körperlichen Erkrankungen. Eine Notfallindikation zur 7 stationären psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung besteht insbesondere bei Vorliegen einer akuten suizidalen Gefährdung oder Fremdgefährdung mit fehlender oder eingeschränkter Absprachefähigkeit sowie ausgeprägten psychotischen Symptomen. Die Indikation zur psychiatrisch-psychotherapeutischen stationären Behandlung besteht meist auch bei der Gefahr der depressionsbedingten Isolation und anderen schwerwiegenden psychosozialen Faktoren, bei den Therapieerfolg massiv behindernden äußeren Lebensumständen (z. B. Indikation aufgrund gewünschter Milieuänderung), bei Therapieresistenz gegenüber ambulanten Therapien und bei der starken Gefahr einer (weiteren) Chronifizierung sowie bei so schweren Krankheitsbildern, dass die ambulanten Therapiemöglichkeiten nicht ausreichen. Soll in derartigen Fällen vorrangig eine Psychotherapie angeboten werden, kann auch die Indikation zur psychosomatisch-psychotherapeutischen stationären Behandlung bestehen. Eine Überweisung zu psychologischen Psychotherapeuten und Fachärzten für psychosomatische Medizin und Psychotherapie, die im Allgemeinen 7 Richtlinienpsychotherapie anbieten, wird umgekehrt insbesondere empfohlen: Fzur psychotherapeutischen Mitbehandlung bei schweren Symptomen im Rahmen einer Kombinationstherapie, Fbei psychotherapeutisch zugänglicher Therapieresistenz, Fbei Komorbidität einer depressiven Störung mit einer anderen schweren psychischen Störung zur psychotherapeutischen (Mit-)Behandlung, Fbei Problemen in einer Psychotherapie sowie Fbei einer psychotherapeutischen Behandlung bei Komorbidität von Depression und chronischen körperlichen Erkrankungen. Fachärzte für psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie ärztliche Psychotherapeuten können, wenn sie nicht ausschließlich Psychotherapie anbieten, auch 7 pharmakotherapeutisch konsultiert werden, insbesondere dann, wenn ohnedies eine Kombinationstherapie aus Pharmakound Psychotherapie Anwendung findet. Bei schweren und/oder chronifizierten Depressionen ist in der Regel neben einer fachärztlichen Pharmakotherapie eine zusätzliche Psychotherapie indiziert (durch einen Facharzt oder psychologischen oder ärztlichen Psychotherapeuten; Härter et al. 2005). Berücksichtigt man bei der Beurteilung der Notwendigkeit zur Kooperation von Psychotherapeut und ärztlichem Mitbehandler ausschließlich den 7 Schweregrad der Störung, so ist diese insbesondere bei schweren depressiven Episoden indiziert (. Abb. 4). 7 Überweisung zu Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie und Nervenärzten 7 Stationäre psychiatrisch-psycho-­ therapeutische Behandlung 7 Richtlinienpsychotherapie 7 Pharmakotherapie 7 Schweregrad der Störung Behandlungsmonitoring Je nach Ausgangslage (akuter, teilremittierter oder remittierter Zustand) besteht das Ziel der Depressionsbehandlung entweder in der (weiteren) Symptomreduktion oder in der Verhinderung von Rückfällen. Weitere Ziele stellen die Wiedererlangung, die Erhaltung oder die Verbesserung des psychosozialen Funktionsniveaus (Leistungsfähigkeit, soziale Interaktionen und Kontakte, Erwerbstätigkeit) dar, bezogen auf die Situation vor der Erkrankung. An dieser allgemeinen Zielvorgabe sind Psychotherapeut 3 · 2010 | 259 Differenzaldiagnostik der Depression Leichte Depression? Schwere Depression? Mittelgradige Depression? Ja Ja Ja Aufklärung/Psychoedukation Aufklärung/Psychoedukation Aufklärung/Psychoedukation Partizipative Entscheidung Partizipative Entscheidung Partizipative Entscheidung Ja Aktiv abwartende Begleitung (14 Tage) Ja Ja Anhaltende/ verschlechterte Symptomatik? Ja Psychotherapie ODER Pharmakotherapie Psychotherapie UND Pharmakotherapie Psychotherapie ODER Pharmakotherapie Beobachten/Monitoring (einmal pro Woche) Klinische Wirkungsprüfung nach 3 bis 4 Wochen Besserung > 50% Besserung < 50% Ja Ja Fortsetzen der Therapie Therapieanpassung/Ergänzung (Augmentation) Monitoring alle 2 bis 4 Wochen ab dem 3. Monat > 4 Wochen Monitoring alle 1 bis 2 Wochen Abb. 4 8 Therapie depressiver Störungen Besonders während der Akutbehandlung ist eine regelmäßige Begleitung notwendig 260 | Psychotherapeut 3 · 2010 der Therapiefortschritt und der Behandlungserfolg zu messen, d. h. es bedarf einer behandlungsbegleitenden Verlaufsdiagnostik und Prozessevaluation. Besonders während der Akutbehandlung ist ein regelmäßiges, in den ersten 3 bis 4 Behandlungswochen wöchentliches Monitoring der Behandlung notwendig. Dies kann mit standardisierten Instrumenten erfolgen. Es gibt viele bewährte Skalen, um das Ansprechen auf die Therapie und die Besserung der depressiven Symptomatik zu ermitteln (Hautzinger u. Meyer 2002). Dass ein nach 3 bis 4 Wochen hinsichtlich der Depressivität und der CME anderen Zielvorgaben erfolgloses Vorgehen nicht unverändert fortgesetzt werden soll, ist eine weitere zentrale innovative Empfehlung der Leitlinie. Empfehlung 14. Stellt sich in der Akutbehandlung 3 bis 4 Wochen nach Behandlungsbeginn keine positive Entwicklung im Sinne der Zielvorgaben ein, sollte ein bislang nichtwirksames Vorgehen nicht unverändert fortgesetzt werden. Ausblick Leitlinien unterliegen einer dynamischen Entwicklung und bedürfen der 7 fortlaufenden Aktuali-­ sierung aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Nach ihrer Veröffentlichung hat diese Leitlinie eine Gültigkeit von 4 Jahren. Schon jetzt wurden von der Steuergruppe der Leitlinie verschiedene Themenbereiche genannt, die nach Möglichkeit schon vor Ablauf der Gültigkeitsdauer prioritär bearbeitet werden sollen. Hierzu gehören die Themen „Gender und geschlechtsspezifische Aspekte“, „Schwangerschaft und Stillzeit“, „Migrationshintergrund“ sowie „Unipolare Depressionen bei Kindern und Jugendlichen“. Darüber hinaus ist bezüglich der psychotherapeutischen Verfahren die Prüfung der Evidenzlage bei der systemischen Therapie geplant, nachdem der Wissenschaftliche Beirat für Psychotherapie empfohlen hat, ihre Ausbildung und Anwendung nach dem Psychotherapeutengesetz anzuerkennen. Aus den Empfehlungen dieser Leitlinie wurden erste mögliche versorgungs- und praxisrelevante Qualitätsindikatoren zur Qualitätssicherung formuliert. Diese sowie der Nutzen einer Implementierung der Leitlinie sollten in Modellprojekten unter ambulanten und stationären Praxisbedingungen wissenschaftlich evaluiert werden. 7 Fortlaufende Aktualisierung Die Prüfung der Evidenzlage der systemischen Therapie ist geplant Fazit für die Praxis Leitlinien sind als leitende Handlungsempfehlungen anwendbar, von denen auch in der Psychotherapie in begründeten Fällen abgewichen werden kann und mitunter sogar muss. Letztlich sollen im konkreten Einzelfall im Sinn einer partizipativen Entscheidungsfindung sowohl ärztliche und therapeutische als auch patientenrelevante Faktoren wie Wissen, Präferenzen sowie soziokulturelle Aspekte bei Diagnose- und Therapieentscheidungen berücksichtigt werden. Leitlinien dürfen aufgrund der häufig diskutierten Probleme und Kritikpunkte – z. B. fehlende Akzeptanz bei den Akteuren in der Versorgung oder Einschränkung in der „Therapiefreiheit“ (z. B. Linden 2005) – nicht als Richtlinien für therapeutisches Handeln mit gesundheitspolitischen und juristischen Konsequenzen (miss-)verstanden werden. Die Leitlinie „Unipolare Depression“ stellt das Ergebnis eines von den relevanten Akteuren in der Behandlung getragenen, ausgewogenen Entscheidungsprozesses hinsichtlich der Inhalte und Bewertung der aktuellen Evidenzlage bei depressiven Störungen dar. Es ist jetzt Aufgabe der individuellen Akteure und der beteiligten Organisationen, die Leitlinie mit ihren Empfehlungen rasch in der Versorgung zu verankern. Es ist zu hoffen, dass sich durch eine breite Implementierung die Versorgung depressiver Patienten in Richtung einer früheren Erkennung, Übermittlung in eine fachgerechte Behandlung und einer höheren Wirksamkeit therapeutischer Maßnahmen weiter verbessern wird. Korrespondenzadresse Prof. Dr. med. Dr. phil. Martin Härter Dipl.-Psych. Klinik für Psychosomatische und Allgemeine Klinische Medizin, Universitätsklinikum Heidelberg [email protected] Danksagung. Die Autorinnen und Autoren dieses Beitrags bedanken sich bei folgenden Personen für ihren außerordentlichen Einsatz, die Geduld, die Mitorganisation der Expertentreffen, die Moderation und die Diskussionsbeiträge, die allesamt zum Gelingen und Abschluss dieser Leitlinie insgesamt entscheidend beigetragen haben: Prof. Dr. Ina Kopp (AWMF), Moderation der Konsenstreffen zur S3-Leitlinie „Unipolare Depression“, Dr. Susanne Weinbrenner, Dr. Berit Meyerrose (beide ÄZQ, Berlin) und Dr. Monika Lelgemann (ÄZQ Berlin und HTA-Zentrum der Universität Bremen), methodische Unterstützung des Koordinations- und Redaktionsteams der S3-/NVL „Unipolare Depression“, Prof. Dr. Dr. Günter Ollenschläger (ÄZQ), verantwortlich für das Leitlinienprogramm der Bundesärztekammer, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, Moderation der NVL-Steuergruppe „Unipolare Depression“. Psychotherapeut 3 · 2010 | 261 Interessenkonflikt. Alle Autoren haben zu der sie entsendenden Fachgesellschaft oder sonstigen Organisation, deren Interessen vom Beitragsinhalt positiv oder negativ betroffen sein könnten, finanzielle und/oder ideelle Beziehungen. Es ist gerade das Anliegen des Verfahrens zur Erstellung einer Nationalen VersorgungsLeitlinie, mögliche Interessenkonflikte nicht nur transparent zu machen, sondern durch die heterogene Zusammensetzung der Steuergruppe zu neutralisieren. Aus diesem Grund haben die Autoren nur solche möglichen Interessenkonflikte angegeben, die über die Beziehungen zu der sie entsendenden Organisation hinausgehen könnten. T. B. hat Vortragshonorare der Firmen Lilly, Esparma, Sanofi Aventis, Boehringer-Ingelheim und GSK und eine Kongressreiseunterstützung der Firma Lilly erhalten. M. H. hat bis 2008 Vortragshonorare der Firmen Lilly und Boehringer-lngelheim erhalten, seitdem erhielt er keine Honorare von Pharmafirmen. F. S. erhielt bis 2008 Honorare für Beratungstätigkeit und Vorträge von den Firmen Janssen-Cilag, AstraZeneca, Otsouka und Wyeth, seitdem erhielt er keine Honorare von Pharmafirmen. H. S. hat ein Vortragshonorar der Firma Wyeth erhalten. Alle übrigen Autoren machen keinen Interessenkonflikt geltend. Literatur Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) (2001) Checkliste Methodische Qualität von Leitlinien. http://www.aezq.de/publikationen/ 0index/download/pdf/llcheck99.pdf Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) (2003) LeitlinienClearingbericht „Depression“. http:// www.leitlinien.de/clearingverfahren/english/07depression American Psychiatric Association (APA) (2000) Practice guideline for the treatment of patients with major depressive disorder. In: American Psychiatric Association (APA) (ed) Practice guidelines for the treatment of people with psychiatric disorders. 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Leitlinien sind … unsystematisch entwickelte Entscheidungshilfen. berufsrechtlich verbindliche Richtlinien. leitende Handlungsempfehlungen mit der Möglichkeit einer Abweichung im begründeten Einzelfall. von klinischer Erfahrung unabhängig. rein konsensbasiert. Wann sollte das therapeutische Vorgehen nach genauer Ver-­ laufsdiagnostik und eindeutig fehlender Wirksamkeit nicht mehr fortgesetzt werden? Nach 3 bis 4 Wochen Nach 12 Monaten Nach 1 bis 2 Wochen Nach 6 Monaten Nach 10 bis 12 Wochen Welchen Effekt erwartet man von einer partizipativen Ent-­ scheidungsfindung bei der Wahl der Behandlungsalter-­ nativen und dem therapeu-­ tischen Vorgehen in der De-­ pressionsbehandlung? Überforderung des Patienten Störungen der Therapiebeziehung Verlängerung der Therapie Bitte beachten Sie: F Antwortmöglichkeit nur online unter: CME.springer.de F Die Frage-Antwort-Kombinationen werden online individuell zusammengestellt. F Es ist immer nur eine Antwort möglich. iderstand des Patienten W Verbesserung des Therapieergebnisses Welche Aussage trifft auf die aktiv-beobachtende Beglei-­ tung („watchful waiting“) bei leichter depressiver Episo-­ de zu? Es soll bei aktiver Begleitung über mindestens 3 Monate bis zur Einleitung einer spezifischen Therapie zugewartet werden. Es soll bei ausbleibender Besserung über höchstens 2 Wochen über die Einleitung primär einer Psychotherapie entschieden werden. Es soll bei ausbleibender Besserung über höchstens 2 Wochen in der Regel eine Indikation zur Pharmakotherapie gestellt werden. Es soll auf spezifische therapeutische Interventionen wie Psychoedukation zugunsten supportiver Strategien gänzlich verzichtet werden. Es soll zur weiteren Abklärung in jedem Fall ein Facharzt konsultiert werden. Weshalb stellen randomisiertkontrollierte Studien bzw. Me-­ taanalysen bei Leitlinien die höchste Evidenzstufe dar? Sie weisen das geringste Risiko für einen „bias“ des Studienergebnisses auf. Sie weisen die größten Probandenzahlen auf. Sie weisen keine das Ergebnis verzerrende Vergleichsbedingung auf. S ie weisen keine Streuung des Studienergebnisses auf. Sie weisen grundsätzlich keinen verfälschenden Bezug zur Versorgungsrealität auf. Welches therapeutische Vorge-­ hen wird für eine schwere de-­ pressive Episode empfohlen? Alleinige Langzeitpsychotherapie Alleinige Kurzzeitpsychotherapie Zuerst Pharmakotherapie, bei fehlendem Erfolg Psychotherapie Eine Kombination aus Psychound Pharmakotherapie Grundsätzlich eine stationäre Behandlung Welche Aussage zur Wirksam-­ keit von Psycho- und Phar-­ makotherapie bei den chro-­ nischen Depressionsformen trifft zu? Eine Pharmakotherapie ist einer Psychotherapie in den meisten Studien unterlegen. Eine Pharmakotherapie hat eine längere Wirklatenz als eine Psychotherapie. Eine zusätzliche Psychotherapie kann die Effekte einer Pharmakotherapie steigern. Eine Psychotherapie ist einer Kombinationstherapie in den meisten Studien überlegen. Eine Kombinationsbehandlung ist einer alleinigen Therapie in den meisten Studien unterlegen. Welches ist per se kein Indika-­ tionskriterium für eine Über-­ weisung in stationäre psychia-­ trische-psychotherapeutische Behandlung bei depressiven Patienten? Behandlungsgefährdende äußere Lebensumstände Komorbidität mit anderen psychischen Störungen Ambulante Therapieresistenz Akute Suizidgefährdung Depressionsbedingte Isolation Welche Aussage bezüglich der Wirksamkeit von Erhaltungs-­ therapie bzw. Rezidivprophy-­ laxe durch Psychotherapie bei depressiven Patienten trifft zu? Diese wirkt nur, wenn sie hochfrequent stattfindet. Diese verhindert Rückfälle und Rezidive bei allen Patienten. Diese wirkt nur, wenn sie über mehrere Jahre stattfindet. Diese wirkt nur bei Patienten, die bislang keine Rezidive hatten. Diese kann das Rückfall- und Rezidivrisiko deutlich reduzieren. Diese Fortbildungseinheit ist 12 Monate auf CME.springer.de verfügbar. Den genauen Einsendeschluss erfahren Sie unter CME.springer.de D Mitmachen, weiterbilden und CME-Punkte sichern durch die Beantwortung der Fragen im Internet unter CME.springer.de Psychotherapeut 3 · 2010 | 263