PHONIATRIE Teil 2: Dysphonien Prof. Dr. Michael Fuchs Sektion Phoniatrie und Audiologie Vorlesungsreihe HNO-Heilkunde für Humanmediziner Stimmstörungen • organische Dysphonien • funktionelle Dysphonien und sekundär organische Befunde • Larynxparesen • Stimmrehabilitation nach Larynxteilresektionen und Laryngektomie Typische Symptome • Störungen des Stimmklangs • Einschränkungen der Leistungsfähigkeit • Missempfindungen (Globusgefühl) 1 Aufbau der Stimmlippen - Epithel - Lamina propria - oberflächliche Schicht - mittlere Schicht - tiefe Schicht - Ligamentum vocale - M. vocalis (thyroarytenoideus) - umhüllende Schleimhaut verschieblich (Body-cover) Reinke„scher Raum Organische Dysphonien: Sulcus vocalis • angeboren • erworben: Folge von Entzündungen, Verletzungen oder Operationen fc528f56.avi Organische Dysphonien: Varix chordis • Position: am freien Rand oder lateral • falls erforderlich: Laserchirurgie 2 Organische Dysphonien: Reinkeoedem • Wassereinlagerung in der oberflächlichen Schicht der Lamina propria • Sonderform der chronischen Laryngitis (Nikotin) • mechanische Überlastung (falsche Stimmtechnik bei hoher stimmlicher Beanspruchung) • Frauen häufiger betroffen als Männer (hormonelle Komponente, höhere Frequenzen höhere Spannungs- und Strömungskräfte) • kleine Befunde: Stimmruhe, ggf. Abschwellung • Sandwich-Therapie (Logopädie–OP–Logopädie). Reinkeoedem Organische Dysphonien: Stimmlippenpolyp • oft unilateral, • gestielt oder breitbasig, nicht durchscheinend • oft Folge von Entzündung + Belastung fc528f57.avi 3 Organische Dysphonien: Stimmlippenzysten • subepithelial • kugelig, gelblich durchscheinend • oft unilateral Organische Dysphonien: Stimmlippenzysten Organische Dysphonien: Kontaktgranulom / -ulcus • hinteres Drittel, uni- oder bilateral • oft auf dem Boden einer chronisch-entzündlichen Reizung des Gewebes (gastroösophagealer Reflux, chronische Sinusitus) • Folge einer Stimmüberlastung • Männer > Frauen • nach Intubation 4 Organische Dysphonien: Kontaktgranulom / -ulcus Organische Dysphonien: Chronische Laryngitis Zuweisung Eigenvorstellung Kontrolle Zufallsbefund Dysphonie / Globus Dysphagie Dyspnoe chronische Laryngitis Raumforderung Leukoplakie eingeschränkte stroboskopische Beweglichkeit Differentialdiagnose – + Probeexzision MLS indirekte PE Malignom ? engmaschige Kontrollle Inhalationen (Antibiotikum) 5 Chronische Laryngitis durch Medikamente topische Wirkung auf die laryngeale Schleimhaut Beispiel: Asthma-Sprays Wirkung über pharmakokinetische Mechanismen Beispiel: ACE-Hemmer Chronische Laryngitis durch ACE-Hemmer Cibacen® 10 chron. Laryngitis Histologie 8 Tage nach MLS bei Therapieabschluss Malignitätskriterien • • • • Risikofaktoren unregelmäßige Begrenzungen Progredienz respiratorische und stroboskopische Beweglichkeit • Metastasierung 6 Funktionelle Dysphonien / sek. Befunde: Phonationsverdickungen • Folge einer falschen Stimmtechnik (mechanische Überlastung des Stimmlippenepithels) • entstehen sekundär • im Kindes- und Erwachsenenalter • nur während der Phonation sichtbar (wenn auch in Respirationsstellung sichtbar: Stimmlippenknötchen) • Regredienz unter Stimmruhe • Prednisolon (i.v., Inhalationen), ggf. operativ fc528f59.avi Funktionelle Dysphonien / sek. Befunde: Stimmlippenknötchen • typische Position: Übergang vom vorderen zum mittleren Drittel • meistens symmetrisch • „Fleisch-gewordene“ Funktionsstörung • vor Pubertät: insbesondere Knaben betroffen • nach Pubertät: insbesondere Frauen betroffen • Stimmruhe, Übungsbehandlung • nur im Erwachsenenalter Phonochirurgie Funktionelle Dyshonien / sek. Befunde: Stimmlippenknötchen 7 Innervation des Larynx N.vagus N. laryngeus superior Ganglion nodosum Rami pharyngei R. internus Schleimhaut des Kehlkopfes R. externus Anastomosen M. cricothyroideus R. anterior R. posterior M. cricoarytaenoideus lateralis M. thyroarytaenoideus M. cricoarytaenoideus posterior Mm. arytaenoidei R. tracheales N. laryngeus recurrens Stimmlippenparesen Paramedianstellung Intermediärstellung Kompensation Lateralstellung einseitig beidseitig Isolierte Paresen des N. laryngeus superior • Anastomosen mit dem N. laryngeus inferior • einseitige Anästhesie des Kehlkopfes • komplette Lähmung des M. cricothyroideus, Glottisschiefstand durch Überwiegen der Gegenseite und Annäherung Ring- an Schildknorpel • Längsdifferenzen Einschränkung des Tonhöhenumfanges nach oben • Schluckstörungen selten 8 Isolierte Paresen des N. laryngeus inferior • Verlauf zwischen Ösophagus und Trachea • Versorgung der gesamten restlichen LarynxMuskulatur • Sensible Versorgung der subglottischen Schleimhaut • typisch: Paramedianparese, straffe Lähmung, da M. cricothyroideus intakt • später Atrophie und Exkavation • Häufigkeit: Schädigung des N. laryngeus recurrens an erster Stelle Vagusparesen • Intermediärstellung • Exkavation der Stimmlippe (schlaffe Lähmung) • mittel- bis hochgradige Heiserkeit • Aryknorpel rotatorisch nach vorn gekippt • erhöhter Luftverbrauch • erschwerte Atempresse Operative Optionen bei Larynxparesen Notfall: Tracheotomie Glottiserweiterung? endolaryngeale Chirurgie Stimmverbesserung? KehlkopfgerüstChirurgie 9 Kehlkopfgerüst-Chirurgie Laryngeal framework surgery 1. Stimmlippen-Position Adduktion Abduktion Glottisschluß 2. Stimmlippen-Spannung Tonhöhe (MUSSL) Approximations-Thyroplastik Approximations-Thyroplastik 10 Stimmrehabilitation nach Larynxteilresektion und Laryngektomie Stimmrehabilitation beginnt präoperativ! Individuelles Rehabilitationskonzept Therapieplanung • gemeinsame Analyse der konkreten onkologischen Situation und der Rehabilitations-Voraussetzungen • Identifizierung von für die Rehabilitation entscheidenden Organstrukturen • Berücksichtigung patientenspezifischer Kontraindikationen ”funktionelle Prognose” Individuelles Rehabilitationskonzept Präoperatives Gespräch • Einbeziehung der Angehörigen / Bezugspersonen • Konsequenzen der “funktionellen Prognose” und Rehabilitationsoptionen • Kontakt mit betroffenen Patienten 11 Psychosoziale Begleitung Hilfmittel, Physikalische M. Übungsbehandlung Operative Methoden Säulen der Rehabilitation stationär, teilstationär, ambulant, AHB, Kuren Teilresektion • Nutzung des spontanen Kompensationsmechanismus Stimmübungsbehandlung • In Einzelfällen operative / apparative Rehabilitation Laryngektomie: Ausgangssituation Voraussetzungen • abgeschlossene Wundheilung • Wiederaufnahme des Schluckvorganges • stabiler Allgemeinzustand des Patienten 12 Möglichkeiten der Ersatzstimmbildung Ösophagusstimme andere chirurgische Verfahren VentilprothesenÖsophagusstimme Methode der 1. Wahl Ventilprothesenstimme.wav RuktusÖsophagusstimme Methode der 2. Wahl Ruktusstimme.wav elektromechnischer Vibrator (Servox) Methode der 3. Wahl Sprechhilfe.wav PROVOX II Pflege der Stimmprothese 13 Prothesen-Wechsel fingerfreies Sprechen fingerfreies Sprechen 14 tiefe Tracheostomata • eventuell Epithesen Kontraindikationen für PROVOX • Tumorausbreitung nach subglottisch • mangelnde Compliance des Patienten • schwere kardiopulmonale Erkrankungen > erhöhter Phonationsdruck problematisch bei chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen • schwere neurologische Erkrankungen • Wundheilungsstörungen (insbesondere nach Provox) • Sehstörungen • Kunststoffallergie Ruktusanbahnung • Erläuterung der anatomischen Situation • Atemführung unter besonderer Berücksichtigung der Trennung von Atmung und Sprechen • Training des Lufteinbringens in den Ösophagus auf der Basis des Schluckvorganges • Vermeidung von Luftansammlung im Magen erste Ansätze für den Silbenaufbau Realisation von einsilbigen Wortbeispielen mehrsilbige Wortbeispiele Satzbeispiele und Textübung Silben.wav silbenweise.wav Ruktusstimme.wav 15 Ruktusstimme: Vor- und Nachteile in der Sprechsituation körpereigene Stimme mit individuellem Klang modulationsfähig Anbahnung oft langwierig schlechtere Stimmleistung schlechtere Stimmqualität keine Abhängigkeit von Hilfsmitteln/Arzt schlechtere Verständlichkeit keine Folgekosten schlechtere Akzeptanz fingerfreies Sprechen körperliche Nebenwirkungen (Reflux, Ansammlung von Restluft im Magen) keine chirurgischen Komplikaitonen mögliche störende Nebengeräusche ergänzende Rehabilitationshilfen Prognose • jüngere Patienten lernen die Ruktusstimme leichter • nach dem 70. Lebensjahr dominieren die schlechter sprechenden Laryngektomierten • Interesse an sprachlicher Kommunikation bereits vor der Laryngektomie • mindestens 50-65 % der Satzverständlichkeit beim Hörer → Verständlichkeit und Akzeptanz • 1/3 sehr gute und gute Sprecher, 1/3 ausreichende Kommunikation möglich, 1/3 nur mangelhafte oder keine Kommunikationsfähigkeit erreichbar 16