Universität Zürich, Soziologisches Institut Seminar: Soziologie der politischen Parteien, HS 2011 Prof Dr. Hans Geser Stefan Abt 22.12.2011 „Der Einfluss von Parteien und Institutionen auf die Staatstätigkeit als politische Variablen“ Reimut Zohlnhöfer untersucht in dem uns vorliegenden Text aus dem Jahr 2004, mit welchen politischen Variablen Unterschiede in der Staatstätigkeit, vor allem in Bereich Wirtschaftsund Sozialpolitik, erklärt werden können. Die Variablen, die er dabei betrachtet, sind Parteidifferenzen und deren Vorhandensein, Globalisierung bzw. Denationalisierung, Institutionen und schlussendlich institutionelle Regelungen. 1. Parteidifferenzhypothese In ersten Abschnitt wird nun der Frage nachgegangen, ob Parteien verschiedener politischer Lager unterschiedliche policy outcomes haben. Dazu führt Zohlnhöfer die Parteidifferenzhypothese im Sinne von Douglas Hibbs (1977) an und geht auf dessen Studie detaillierter ein. Parteien untereinander und deren Wähler unterscheiden sich in ihren Interessen und Anliegen. Linke Parteien vertreten die Interessen von Arbeitern und rechte Parteien die Interessen von Unternehmern sowie von besser Verdienenden. Da nun Parteien auf die Stimmen ihrer Wähler angewiesen sind, um an die Regierung zu gelangen, bzw. um in der Regierung zu bleiben, werden sie versuchen die Interessen ihrer Wähler, die im Normalfall auch die Interessen der Partei sind, durch ihre Politik zu befriedigen. Hibbs geht in seiner Arbeit davon aus, dass die modifizierte Phillips-Kurve Gültigkeit besitzt. Diese beschreibt den Zusammenhang zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit als „Trade-off“ Beziehung und zwar wie folgt: aus steigender Inflation resultiert eine sinkende Arbeitslosenquote. Des Weiteren wurde davon ausgegangen, dass Regierungen in der Lage sind, jeden beliebigen Punkt auf der Phillips-Kurve zu erreichen, indem sie Einfluss auf die Ökonomie nehmen. Diese Annahme kann sehr gut durch ein Zitat von SPD Altbundeskanzler Helmut Schmidt von 1972 karikiert werden, als diese Annahme noch Gültigkeit besaß: „ Fünf Prozent Inflation sind leichter zu ertragen, als fünf Prozent Arbeitslosigkeit.“ Quelle: Wikipedia Artikel zu Phillips-Kurve. Die verschiedenen Klassen, welche die verschieden Wähler der Parteien stellen, haben selbst unterschiedliche Interessen an Punkten auf der Phillips-Kurve. Für Arbeiter ist ein hoher Beschäftigungsstand auch dann interessant, wenn dieser mit einer hohen Inflation einhergeht. Gut verdienende und Unternehmer haben im Kontrast dazu ein größeres Interesse an einer niedrigen Inflation, auch auf Kosten einer steigenden Arbeitslosenquote. Es wird nun davon ausgegangen, dass Staaten mit einer linken Regierung eine höhere Inflation und niedrigere Arbeitslosenquote aufweisen. Für Regierungen durch rechte Parteien lässt sich dazu analog erwarten, dass die Inflation geringer und die Arbeitslosenquote höher ausfallen wird. Diese Annahme kann Hibbs auch in 12 OECD Ländern bestätigt finden, bleibt dabei aber nicht ohne Kritik. Zohlnhöfer, Reimut (2004): Der Einfluss von Parteien und Institutionen auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik. Universität Zürich, Soziologisches Institut Seminar: Soziologie der politischen Parteien, HS 2011 Prof Dr. Hans Geser Stefan Abt 22.12.2011 Zum einen ist sein Sample der Länder umstritten, da er abweichende Fälle aus der Untersuchung ausgeschlossen hat und zum anderen ist der Zusammenhang zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit, welcher die modifizierte Phillips-Kurve postuliert, stark umstritten. So konnte zum Beispiel ab den 70iger Jahren hohe Inflation bei zugleich hoher Arbeitslosigkeit beobachtet werden. Zu erwähnen ist hier, dass Helmut Schmidt dieses kurze Zeit nach seinem Ausspruch selbst als Bundeskanzler von 1974 bis 1982 erleben durfte. Ebenso ist Hibbs Vorstellung von Parteien als Massenintegrationspartei mit einer Wählerschaft auf Klassenbasis nicht mehr aktuell. Auch sind neben dem Konflikt Arbeit und Kapital weitere Konfliktlinien in der Gesellschaft und den verschiedenen Ländern zu beachten, z.B. der Konflikt Staat und Kirche. So gibt es unter anderem katholische Arbeiter, die linke aber dennoch katholische Parteien wählen, welche sich gegen eine Zuordnung zum rechten Politikspektrum sperren. Auch der Wandel von Massenintegrationsparteien hin zu Volksparteien mit einer heterogeneren Wählerschaft bleibt als Kritikpunkt gegen die Parteidifferenzhypothese bestehen, da zu erwarten ist, dass Parteidifferenzen im Laufe dieser Entwicklung immer mehr verschwinden. Dieses reicht jedoch nicht, um die Parteidifferenzhypothese abzulehnen 2. Parteidifferenz trotz Parteiwettbewerb Da nun die Wählerschaft der Volksparteien heterogener wird und dadurch auch die Interessen, welche die Parteien bedienen muss, wird erwartet, dass Parteidifferenzen gänzlich verschwinden oder zumindest verschwimmen. Zohlnhöfer führt in seinem Text mit Hilfe einer Definition von Schultze (2001) eine alternative Erklärung an, wie Parteidifferenzen dennoch weiterhin bestehen können. Parteien seien demnach nicht primär darauf aus Interessen ihrer Wähler zu vertreten, was die Parteien durchaus überfordern würde bei steigender Heterogenität der Interessen. Parteien garantieren den Wählern eher, mit welchen Mitteln, Werten und Vorstellungen diese Interessen durch die Parteien vertreten werden. Als Beispiel dient uns hier die Senkung der Arbeitslosigkeit: Wähler beider Lager, rechts wie links, haben ein Interesse daran, dass die Arbeitslosigkeit bekämpft wird. Bürgerliche Parteien präferieren eine Senkung der Unternehmenssteuer, um Investitionen und Schaffung von Arbeitsplätzen seitens der Unternehmen zu stimulieren. Sozialistische Parteien hingegen bevorzugen eine antizyklische Fiskalpolitik um Arbeitslosigkeit zu begegnen. D.h. Steuererhöhungen in Hochkonjunkturphasen und Kompensation von Abschwüngen durch Neuverschuldung bzw. Rücklagen aus den Hochkonjunkturphasen. Parteien und Wähler müssen auch nicht deckungsgleiche Vorstellungen in allen Politikfeldern besitzen. Für die Wähler einer Partei ist es primär wichtig, dass sie durch ihre Partei in den Bereichen, welche ihnen persönlich wichtig sind, so vertreten werden wie es ihren Vorstellungen entspricht. Anders formuliert, der Wähler einer Partei muss nicht in allen Punkten mit ihr übereinstimmen, vor allem wenn das Politikfeld, zu dem er tendenziell eine andere Meinung hat, nicht von Interesse für ihn ist. 3. Können Parteien einen Unterschied machen, Steuerbarkeit der Ökonomie in globalisierten Märkten Auch wenn Parteien einen Unterschied machen wollen, ist noch lange nicht klar, ob sie das auch können. Im folgenden Teil soll nur erläutert werden, welche Auswirkungen die Zohlnhöfer, Reimut (2004): Der Einfluss von Parteien und Institutionen auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik. Universität Zürich, Soziologisches Institut Seminar: Soziologie der politischen Parteien, HS 2011 Prof Dr. Hans Geser Stefan Abt 22.12.2011 Globalisierung auf die nationalen Regierungen hat und welche Handlungsspielräume ihnen noch bleiben, um einen Unterschied zu machen. Globalisierte Märkte schaffen einen enormen Standortwettbewerb zwischen den Nationen. Dadurch sind Regierungen gezwungen ihre Politik am Markt zu orientieren, unabhängig davon welche politische Ausrichtung sie haben, um als Standort attraktiv zu bleiben. Dies erreichen sie unter Anderem mit Deregulierung von Märkten, Steuersenkungen und Abgabenentlastungen für Unternehmen. Dies führt dazu, dass linke und rechte Parteien sich in ihrer Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik annähern. Oder besser gesagt, linke Parteien nähern sich ihrer rechten Opposition an. Dadurch verschwinden in gewissem Maß auch die Parteidifferenzen der politischen Outputs in Bereichen der Wirtschaft. Aber auch in den Bereichen der Sozialpolitik werden die Handlungsspielräume eingeschränkt, da eine Finanzierung zulasten der Unternehmen den Standort ebenfalls unattraktiver machen würde, aber auch durch fehlende Steuereinnahmen, wegen denen Geld in den Haushaltskassen fehlt. Klassische Methoden der Wirtschaftsregulierung verlieren zudem ihre Wirksamkeit. So führt eine keynesianische Nachfragepolitik nicht mehr zu erhöhter Produktion im Inland, sondern zu steigenden Importen. Treffen nun diese Annahmen voll und ganz zu, dürften keine Parteidifferenzen zwischen linken und rechten Parteien, wenigstens in den Bereichen Wirtschaft und Sozialpolitik, zu beobachten sein. Vor allem die sozialdemokratischen Parteien müssten sich Richtung rechts zur Mitte hin an ihre politischen Gegner annähern, um weiterhin politisch aktiv bleiben zu können. In der Tat gab es vor allem in sozialdemokratischen Parteien regen Diskurs, wie man sich an die neuen Märkte anpassen müsse. Eine der bekanntesten Schriften hierzu stellt von Giddens (1999) „Dritter Weg“ dar. Aber selbst innerhalb und zwischen den sozialdemokratischen Parteien bestehen immer noch Parteidifferenzen, da von nicht allen die Problemlage der Globalisierung gleich wahrgenommen wird. Weiterhin können noch folgende Punkte angeführt werden, die einen Rückgang der Parteidifferenz im Zuge der Globalisierung infrage stellen oder zumindest relativieren: a) Nicht alle Wirtschaftsbereiche sind im gleichen Maß von der Globalisierung betroffen und es herrschen demnach noch größere Handlungsspielräume in ihnen. b) Zwischen den Ländern der OECD existieren Unterschiede, in welchem Maß sie in die globalisierten Märkte eingebunden sind. c) Die OECD Länder unterscheiden sich teilweise stark in ihren wirtschaftlichen und institutionellen Strukturen. Daher sind sie nicht alle gleichermaßen verletzlich und stehen auch vor sehr unterschiedlichen Problemlagen. d) Parteien sind weiterhin auf Nationale Wahlen angewiesen. Da nun die Reformen die durch eine Globalisierung vorhergesagt werden nicht gut ankommen dürften bei den Wählern, versuchen die Parteien die Probleme zu entschärfen und alternative Lösungen zu finden. Erst wenn der Problemdruck zu groß wird und dieser auch auf die Globalisierung zurück zu führen ist, ist zu erwarten, dass seitens der Parteien eine Anpassung stattfinden wird. e) Globalisierung und deren Auswirkungen sind in der Theorie immer noch stark umstritten und können sich nur mangelhaft auf empirische Befunde stützen. Zohlnhöfer, Reimut (2004): Der Einfluss von Parteien und Institutionen auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik. Universität Zürich, Soziologisches Institut Seminar: Soziologie der politischen Parteien, HS 2011 Prof Dr. Hans Geser Stefan Abt 22.12.2011 Carles Boix (1998) vertritt die Position, dass auch unter globalisierten Bedingungen Parteidifferenzen zu erwarten sind. Sozialdemokratische und bürgerliche Parteien streben gleichermaßen Wirtschaftswachstum an, tun dies jedoch mit anderen Mitteln. Konservative Parteien erwarten Wirtschaftswachstum durch das reibungslose Wirken von Marktmechanismen ohne staatliche Interventionen, dieses jedoch auf Kosten sozialer Gleichheit. Sozialdemokratische Parteien hingegen versuchen mit einer stärker interventionistischen Politik das gleiche Ziel zu erreichen, bei geringerer Ungleichheit. Dieses geht nun natürlich nicht mehr durch klassische Mittel wie eine keynesianische Nachfragepolitik. Stattdessen wird versucht durch Investitionen in die Bildung und Infrastrukturen die Produktivität der Arbeitnehmer zu erhöhen. Beide Ansätze und deren Instrumente werden nicht durch die Globalisierung entwertet, weswegen dadurch weiterhin Parteidifferenzen zu erwarten sind. 4. Parteien, Präsidenten und andere Vetospieler In diesem Abschnitt wird betrachtet, welche institutionellen Strukturen die Parteitätigkeit beschränken können. Auf nationaler Ebene sind diese: a) Parlamentssysteme mit zwei Kammern, vor allem dann, wenn das Mehrheitsverhältnis in den beiden Kammern differiert. b) Präsidialsysteme, wegen der Trennung zwischen Exekutive und Legislative. c) Referenden. d) Wahlrecht indirekt, mit Verhältniswahlsystem jedoch Entstehung von Koalitionszwängen, um eine mehrheitsfähige Regierung stellen zu können. Dieses sind nun in groben Zügen Vetospieler auf nationaler Ebene. Ein Vetospieler ist ein individueller oder kollektiver Akteur, dessen Zustimmung benötigt wird um den Status quo zu ändern. In der empirischen Politikwissenschaft werden diese mit Hilfe von Additivindexen in die Analysen eingebracht. Dadurch entstehen drei große Probleme: a) Es gibt keine Einigkeit unter den Forschern über die Stärke und Wichtigkeit einiger Vetospieler, aber auch ob es sich zum Beispiel beim Wahlsystem um einen Vetospieler handelt und dieses dann überhaupt mit in den Index fließen darf. b) Es wird keine Unterscheidung getroffen zwischen Vetospielern, die direkt am Entscheidungsprozess beteiligt sind und Vetospielern, welche die Rahmenbedingungen (Kompetenzen und Ressourcenverteilung) beeinflussen können. c) Indizes sind anfällig dafür, dass sie Veränderungen nicht adäquat berücksichtigen. So ist die bloße Existenz eines Zweikammersystems noch kein Vetospieler, sondern nur dann, wenn die Mehrheitsverhältnisse der Kammern differieren. Ändern sich nur diese Mehrheitsverhältnisse in einer oder beiden Kammern, ändert sich unter Umständen auch der Status des Zweikammersystems als Vetospieler. Das gleiche gilt für Koalitionskonstellationen. George Tsebelis` (1995, 2000, 2001) Vetospieler Theorem betrachtet nun nur den Entscheidungsprozess und die Anzahl der Vetospieler, die an eben diesem beteiligt sind und Einfluss auf ihn haben. Zohlnhöfer, Reimut (2004): Der Einfluss von Parteien und Institutionen auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik. Universität Zürich, Soziologisches Institut Seminar: Soziologie der politischen Parteien, HS 2011 Prof Dr. Hans Geser Stefan Abt 22.12.2011 Zunächst unterscheidet er zwischen institutionellen und parteilichen Vetospielern: a) Institutionelle Vetospieler sind Akteure, deren Vetorecht in der Verfassung definiert ist. Dies sind zum Beispiel Parlamentskammern, deren Zustimmung zu Gesetzen notwendig ist. Diese müssen auch unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen genau betrachtet werden, da die Möglichkeit oder Befugnis über Gesetze abzustimmen sehr different ist. So hat zum Beispiel der deutsche Bundesrat zwar das Vetorecht bei Zustimmungsgesetzen, nicht jedoch bei Einspruchsgesetzen. b) Parteiliche Vetospieler sind nun Akteure innerhalb institutioneller Vetospieler. Sind zum Beispiel innerhalb einer Kammer Koalitionen notwendig, so ist jeder dieser Koalitionspartner ein parteilicher Vetospieler. Präsidenten werden dann als Vetospieler gewertet, wenn sie in der Lage sind Gesetze zu verhindern oder allgemeiner, durch ihr Vetorecht Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen können. Besteht die Möglichkeit, ein Gesetz via Referendum zu verwerfen, wird das Volk selbst zu einem Vetospieler. Umstritten ist, ob Gerichte als Vetospieler gewertet werden können, da sie nicht von sich auch aus aktiv werden, sondern von Zweiten dazu aufgefordert werden. Akteure wie Interessensgruppen werden nicht als Vetospieler betrachtet, da sie kein formales Vetorecht besitzen. In welchen Beziehungen stehen nun die Vetospieler und die Staatstätigkeit, bzw. verändert sich ihre Wirkkraft auf diese? Zunächst ist die Anzahl der Vetospieler relevant. Im Lauf der Zeit kann sich diese stark verändern, zum Beispiel durch Veränderungen der Größe von Koalitionen und Veränderung der Mehrheitsverhältnisse in Parlamentskammern. Es kann allgemein gesagt werden, dass je mehr Vetospieler existieren, es schwerer wird vom Status quo abzuweichen. Als zweites ist die Kongruenz der Vetospieler von Bedeutung. Sie beschreibt die Nähe zweier Vetospieler in policy Fragen, so zum Beispiel innerhalb einer Koalition. Je höher die Distanz, bzw. desto geringer die Kongruenz zwischen zwei Koalitionspartnern ist, desto unwahrscheinlicher wird eine Einigung und damit ein Abweichen vom Status quo. Bei institutionellen Vetospielern wird bei Deckungsgleichheit der Standpunkte zweier Akteure, also bei vollständiger Kongruenz, nur noch ein einzelner Vetospieler gerechnet. Zuletzt ist noch die Kohäsion der Vetospieler von Bedeutung. Sie beschreibt die Nähe bzw. den Zusammenhalt innerhalb von kollektiven Akteuren. Werden Entscheidungen innerhalb eines kollektiven Akteurs dem Mehrheitsprinzip nach getroffen, ist zu erwarten, dass mit zunehmender Kohäsion es schwieriger wird, vom Status quo abzurücken. Werden Entscheidungen jedoch nur einstimmig angenommen, ist bei abnehmender Kohäsion mit Schwierigkeiten zu rechnen, da es stärker auf die einzelnen Akteure ankommt. Später erweiterte Tsebelis noch folgende Punkte, die Einfluss auf die Staatstätigkeit haben: erstens den Faktor Regierungswechsel, mit dem eine Veränderung der Vetospielerkonstellation einhergeht und das Abweichen vom Status quo erleichtert. Zweitens die Relevanz der Amtszeit, da für Regierungen eine gewisse Anlaufzeit nötig ist. Zohlnhöfer, Reimut (2004): Der Einfluss von Parteien und Institutionen auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik. Universität Zürich, Soziologisches Institut Seminar: Soziologie der politischen Parteien, HS 2011 Prof Dr. Hans Geser Stefan Abt 22.12.2011 Ein wichtiger Kritikpunkt an Tsebelis Vetospieler Theorem kommt von Wagschal (1999). Vetospieler handeln nicht nur policyorientiert sondern auch strategisch. Wagschal unterscheidet nun zwischen kooperativen und kompetitiven Vetospielern. Kooperative Vetospieler, zum Beispiel Koalitionspartner sind prinzipiell an einer Einigung interessiert. Kompetitive Vetospieler in Form einer Opposition, z.B. in einer mehrheitsfähigen zweiten Parlamentskammer, können zwar policyinhaltlich zustimmen, jedoch aus strategischen Gründen ablehnen, um ihren eigenen Standpunkt im Parteienwettbewerb zu stärken. 5. Jenseits des Entscheidungsprozess, einschränkende Wirkung von Institutionen auf die Staatstätigkeit außerhalb der politischen Tätigkeit. Föderalismus Das Föderalismus Einfluss auf die Staatstätigkeit von Regierungen hat, ist unumstritten, jedoch hängt dieser Einfluss stark vom Föderalismustyp und anderen länderspezifischen Kontextvariablen ab. Ein gemeinsames Merkmal föderaler Staaten ist nun aber die Verteilung von exekutiven und legislativen Kompetenzen zwischen dem Zentralstaat und den Gliedstaaten. Unterschieden werden kann zwischen: a) Kooperativer Föderalismus: Aufgabenbereiche sind funktional nach Kompetenzarten verteilt. D.h. auf zentralstaatlicher Ebene liegt im Wesentlichen die Gesetzgebungskompetenz und die Gliedstaaten führen diese Gesetze aus. Hier sind häufige Verhandlungen zwischen den Akteuren und Blockadeeffekte von unten nach oben zu erwarten. b) Kompetitiver oder auch dualer Föderalismus: Kompetenzverteilung nach Politikfeldern, deren Verwaltung und Gesetzgebung jeweils einer Ebene übertragen wird. Den Zentralstaaten ist es hier nicht möglich eine einheitliche Gesetzgebung zu schaffen, da die Gesetzgebungskompetenz bei den Gliedstaaten liegt. Es ist jedoch möglich, dass der Zentralstaat diese Kompetenz erlangt, steht dann aber unter Umständen vor dem Problem, dass bereits getroffene Regelungen durch die Gliedstaaten nicht mehr umkehrbar sind und diese weiterhin beachtet werden müssen. Der Einfluss auf die Staatstätigkeit des Zentralstaats ist auch abhängig von der Ressourcenverteilung zwischen ihm und seinen Gliedstaaten. So stehen dem Zentralstaat nicht alle staatlichen Einnahmen zu Verfügung um seine Politik zu betreiben. Das hängt damit zusammen, dass vor allem im dualen Föderalismus eine einheitliche Wirtschaftspolitik nicht oder kaum möglich ist. Pierson (1995) führt noch zwei weitere indirekte Einflussfaktoren von Föderalismus auf die Staatstätigkeit an. Erstens ist die Zahl der Akteure mit eigenen Interessen und Kompetenzen in föderalen Staaten automatisch höher, als in Einheitsstaaten. Zweitens werden die Kräfteverhältnisse zwischen unterschiedlichen Gruppen modifiziert. Es entsteht ein Standortwettbewerb, ähnlich dem der Globalisierung, zwischen den Gliedstaaten, welcher bestimmte Politiken abstraft. Zohlnhöfer, Reimut (2004): Der Einfluss von Parteien und Institutionen auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik. Universität Zürich, Soziologisches Institut Seminar: Soziologie der politischen Parteien, HS 2011 Prof Dr. Hans Geser Stefan Abt 22.12.2011 Unabhängige Institutionen, als Beispiel hier unabhängige Zentralbanken, wirken durch ihre Kompetenzen ebenfalls auf die Staatstätigkeit. Im Regelfall in dem Politikfeld, welches ihr Aufgabenbereich ist. Staaten mit einer unabhängigen Zentralbank steht nicht mehr das Mittel der Geldpolitik zu Verfügung und sie können dieses nicht mehr für ihre Wirtschaftspolitik verwenden. Dadurch können auch die verbliebenen Mittel des Staates tangiert werden, da unter Umständen zum Beispiel eine antizyklische Fiskalpolitik, wie sie gern von sozialdemokratischen Regierungen verwendet wird, nicht mehr angewandt werden kann. Es ist anzunehmen, dass in Anwesenheit einer unabhängigen Zentralbank, Parteidifferenzen im Feld der Wirtschaftspolitik verschwinden oder sich zumindest verringern. Europäische Integration: Globalisierung in klein, aber stärker Um nun zu schauen, in wie weit supranationale Institutionen Einfluss auf die Staatstätigkeit nationaler Regierungen haben, wird die Integration in die Europäische Union (im weiteren EU) betrachtet. Die Mitgliedschaft in der EU ist mit einigen Vorgaben und Verpflichtungen der Nationalstaaten verbunden, welche ihre Staatstätigkeit in unterschiedlichem Maß beeinträchtigen: a) Durch die Vorgaben für freien Waren-, Dienstleistungs-, Arbeits- und Kapitalverkehr entsteht innerhalb der EU und ihren Staaten ein Standortwettbewerb, bzw. wird dieser verschärft. b) Liberalisierung geschützter Sektoren wie Kommunikation und Energie. c) Verunmöglichen der Währungsabwertung als wirtschaftspolitisches Mittel und Verpflichtung zu Preisstabilität (Europäische Zentralbank). d) Einschränkung der Fiskalpolitik. e) Aktuell wird rege darüber diskutiert, ob die EU weitere Kompetenzen zugesprochen bekommen soll, um die Haushalte der Mitgliedstaaten stärker zu überwachen. Dieses würde eine weitere Einschränkung auf die Staatstätigkeit von Parteien darstellen. Bei den zuletzt genannten Punkten handelt es sich wieder um Einschränkungen der Staatstätigkeit in Bereichen der Wirtschaft und indirekt auch in Bereichen der Sozialpolitik, siehe Griechenland. Demnach ist hier wieder zu erwarten, dass Parteidifferenzen in diesen Politikfeldern verschwinden oder zumindest verschwimmen. Die europäische Integration beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Sektoren der Wirtschaft und die Schaffung von Märkten. Sie kann als Chance betrachtet werden, dass sich Parteidifferenzen auch auf supranationaler Ebene manifestieren, in Bereichen, die einen größeren Handlungsspielraum für die Regierungen zulassen. Auch kann angeführt werden, dass trotz ähnlicher Auswirkungen wie durch die Globalisierung, die EU einen Schutz durch abgegrenzte Binnenmärkte vor eben dieser bietet. Zohlnhöfer, Reimut (2004): Der Einfluss von Parteien und Institutionen auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik. Universität Zürich, Soziologisches Institut Seminar: Soziologie der politischen Parteien, HS 2011 Prof Dr. Hans Geser Stefan Abt 22.12.2011 6. Fazit Die hier besprochenen politischen Variablen sind durchaus in der Lage Unterschiede und Veränderungen in der Staatstätigkeit zu beschreiben. Jedoch bleibt bei allen Variablen die Erklärungskraft relativ gering, wenn die Kontexte der einzelnen Länder und ihre Veränderung über die Zeit nicht beachtet werden. So stehen die Parteien in den verschiedenen Ländern vor sehr unterschiedlichen Problemlagen mit unterschiedlich großen Handlungsspielräumen, welche teilweise zu Veränderungen der Strukturen führen und Vetospieler über die Zeit nicht konstant bleiben. Auch können institutionelle Strukturen an Bedeutung verlieren, zum Beispiel im Zuge der europäischen Integration die nationalen Zentralbanken. Parteien wollen und können partiell einen Unterschied machen in der Staatstätigkeit, sie sind jedoch oft eingeschränkt in ihren Mitteln durch den Parteienwettbewerb, materielle Ressourcen und Institutionen. Zohlnhöfer, Reimut (2004): Der Einfluss von Parteien und Institutionen auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik.