„Eine andere Welt ist möglich“ Globalisierung als Jahresthema der Evangelischen Jugend im Dekanat Bad Tölz Die neoliberale wirtschaftliche Globalisierung ist „Götzendienst“ – so lautet die Kritik des Lutherischen Weltbundes (LWB) anlässlich seiner zehnten Vollversammlung in Winnipeg im Juli 2003. Auch der Reformierte Weltbund (RWB) hat jüngst den status confessionis ausgerufen: Kirche kann nicht Kirche sein, wenn sie dieses System weiter unterstützt. Schärfer kann eine Kritik dieser Kirchen nicht ausfallen. Aber worauf bezieht sie sich? Diese Kritik betrifft die gegenwärtige wirtschaftliche Situation in unserer Welt. Sie ist geprägt von grenzenloser Profitmaximierung, ungezügeltem Wettbewerb und der Vorstellung, der Markt allein sei das absolute Gesetz, das das menschliche Leben, die Gesellschaft und die Umwelt zu beherrschen habe. Dies alles gehört zur Ideologie der neoliberalen wirtschaftlichen Globalisierung, deren negative Auswirkungen selbst wir in Deutschland in zunehmendem Maße erleben müssen. Dazu zählen etwa - die immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich, die besonders Frauen, Jugendliche und Kinder, aber auch Senioren trifft und weltweit Millionen Menschen Leid, Elend und Tod bringt, - der Souveränitätsverlust von Regierungen gegenüber der Macht großer Konzerne, die der Bevölkerung gegenüber nicht mehr rechenschaftspflichtig sind, - die Auflösung unserer Gesellschaft mit dem Zerfall des sozialen Zusammenhalts (M. Thatcher: „Es gibt keine Gesellschaft mehr.“), - die Verknüpfung von Bildung und Kapital und damit die fatale Abhängigkeit von Einkommen und Zukunftschancen, - die zunehmende Privatisierung, die selbst grundlegende Bereiche wie die Wasseroder die Gesundheitsversorgung vom Profit abhängig macht, - die Vereinheitlichung der Kulturenvielfalt etwa durch die Verbreitung westlichen Konsumdenkens und der Verdrängung lokaler Produkte, - sowie der Zwang zur Mobilität und damit zur völligen Entwurzelung vieler Menschen. Dabei ist eine Globalisierung im Sinne des Zusammenwachsens von Menschen und Organisationen in aller Welt ja durchaus zu begrüßen. Die Kirchen selbst befürworten dies seit langem. Ebenso erscheinen mehr Freiheit und weniger (staatliche) Einschränkungen gerade auch in einem Land wie Deutschland mit seiner Vergangenheit als besonders wünschenswert. Es geht den Kirchen weltweit und Globalisierungskritikern wie ATTAC daher auch nicht darum, die Globalisierung an sich rückgängig zu machen. Es geht darum, sie zu verwandeln: Aus der neoliberalen Globalisierung mit ihrer falsch verstandenen völligen Freiheit des Privatkapitals und der Unternehmen, den Finanzspekulationen und dem Zinswucher, der selbst ganze Länder wie Argentinien in den Ruin getrieben hat, muss eine „Globalisierung der Solidarität“ werden, in der die Menschenrechte und die soziale Gerechtigkeit das Gesetz sind und nicht der absolute Markt. Es geht um eine „Wirtschaft im Dienst des Lebens“, so etwa die 80 Vertreterinnen und Vertreter aus verschiedenen Kirchen weltweit (u.a. LWB, RWB und Vatikan) in einem Brief an die Kirchen in Westeuropa. Die Kirchen fordern daher nun auch ganz konkrete Initiativen, etwa im Blick auf die Schuldenfrage, die Veränderung des Finanzsystems, der internationalen Rechenschaftspflicht von Regierungen und Unternehmen, aber auch in Bezug auf die Zivilgesellschaft, indem sie etwa zur Unterstützung von Bewegungen wie ATTAC aufrufen. Der Aufschrei, der angesichts dieser ungerechten und dramatischen Zustände durch die Welt geht und die kirchliche Gremien auf der Weltebene in den letzten Jahren zu Stellungnahmen und zum Handeln herausfordert, hat jedoch viele Christen in Deutschland noch nicht erreicht. So wundert sich der CDU-Ex-Generalsekretär Heiner Geißler – ebenfalls ein scharfer Kritiker des Neoliberalismus - über das Schweigen der Kirchen hierzulande. Sie müssten seiner Meinung nach ihre Soziallehren mit ihrer Option für die Schwachen viel stärker vertreten. Die Evangelische Jugend in Bayern hat sich darum seit dem letzten Jahr besonders mit diesem Thema auseinandergesetzt und mit einem eigenen Papier „Globalisierung ja – aber anders“ einen Diskussionsprozess in Gang gesetzt. Die Gremien der Evangelischen Jugend im Dekanat Bad Tölz haben sich dem angeschlossen und Globalisierung zu ihrem Jahresthema gemacht. Auf Konventen, bei Jugendgottesdiensten, mit öffentlichen Diskussionen und anderen Aktionen geht es darum, - die soziale Ungerechtigkeit des gegenwärtigen Globalisierungssystems wahrzunehmen, - nach den christlichen Grundlagen zu fragen, die für unser Leben, Handeln und Hoffen in dieser Situation bedeutend sind, - aufgrund unseres Glaubens uns gegenseitig zum Handeln zu bestärken und gegenüber dem Gefühl der Hoffnungs- und Hilflosigkeit konkrete Ideen zu entwickeln, was wir vor Ort unternehmen können (Wenn viele kleine Menschen an vielen kleinen Orten viele kleine Schritte tun…). Als Dekanatsjugendpfarrer möchte ich Sie alle darum bitten, uns in diesem Prozess des Fragens und der Sehnsucht nach sozialer Gerechtigkeit zu unterstützen. Kommen Sie zu unseren Gottesdiensten und Veranstaltungen! Stärken wir uns gegenseitig und machen wir uns fähig zum Handeln für eine gerechtere Welt! Dekanatsjugendpfarrer Karsten Schaller