Zürichsee-Zeitung vom 29.10.2005

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Zürichsee-Zeitung rechtes Ufer Samstag,29. Oktober 2oo5
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Meilen Das Atelier-Theater Meilen spielt Dürrenmatt
(Die Physiker) auf der Heubühne
43 fahre nach der Uraufführung von Dürrenmatts <Die
Physiker, hat sich ietzt auch
das Atelier-Theater Meilen an
dessen Aufführung gewagt.
Claudia Baldassarre
Einige Theaterrezensenten haben die
These aufgestellt, dass Erfolg oder Miss-
erfolg einer Inszenierung der Dürrenmatt-Groteske <Die Physiker> allein von
der Rolle des Möbius abhängig
Grund dafür sei, dass die
sei.
anderen
Hauptrollen, die von Einstein und Newton, <gespielte> Rollen seien und Möbi
us mit einer einzigen Ausnahme nur
sich selbst zu sein habe. Gespielt ist nur
Möbius' Neurose: Ihm erscheint König
Salomon. Diese kleine <Macke> sichert
ihm einen Platz in der Irrenanstalt, in
welche er vor 15 Jahren geflohen ist, damit seine Entdeckung von der Menschheit unentdeckt bleibe und keinen Schaden anzurichten vermöge. Einstein und
Newton sind in Wirklichkeit Agenten Pfleger hoben die überwachung
Überwachung der Physiker übernommen. Am Tisch die drei Physiker (jeweits von links): finstein (Paut
und nehmen die Identität der grossen Luternauer), Möbius (Peter Müllef und Newton (lean-Rudolf Stoll), im Hintergrund die Plteger Muritlo (Cloude Mitondo),
Physiker an, um Möbius nahe zu sein Oberpfleger lJwe Sievers (Peter Gerber) und McArthur (Andreos Trochsel). 1zvs1
und ihn ausspionieren zu können. Geht
S
man davon aus, dass die eingangs erwähnte These richtig ist, so steht fest,
dass es dem Atelier-Theater Meilen und im Speziellen Peter Müller, der die
Rolle des Physikers Möbius innehat gelungen ist, dass das Stück auch diesmal zum Erfolg wurde.
Viele am Rande des Wahnsinns
Das ganze Stück über erhält das Publikum den Eindruck, dass fast alle Prota-
gonisten dem Wahnsinn nahe sind. Der
Polizeiinspektor, überzeugend gespielt
von Marcel Zarzkse, ist bemüht, stets
seine Fassung zu bewahren, obwohl er
bereits zum zweiten Md in die Anstalt
von Fräulein Doktor von Zahnd gerufen
wird. Diesmal muss er hingehen, weil
dort ein weiterer Mord an einer Krankenschwester verübt worden ist. Doch
wird dieser Mord nach der Vorstellung
des Polizisten von Gerechtigkeit keine
Gerechtigkeit erfahren. Denn wenn jemand in einer Fleilanstalt Patient ist,
ciann mordet er angeblich nicht" gondern sein Handeln wird als Unglück ab-
getan. Dies entspricht zumindest der
Haltung und Definition von Fräulein
Doktor Mathilde von Zahnd, der leitenden Irrenärztin und Inhaberin der Klinik. Diese wird zum Schluss selber
wahnsinnig und sorgt dafür, dass die
drei Physiker in der Anstalt bleiben.
Diese wiederum sind sich zwar in der
Sache einig, dass sie freiwillig in der Irrenanstalt bleiben müssen, um die Welt
zu retten. Sie sind aber nie davon ausgegangen, dass sie von der längst irren Ir-
renärztin hereingelegt worden sind und
dass sie sich längst selbst ihr eigenes
Gefängnis geschaffen haben, aus dem
es jetzt kein Entrinnen mehr gibt. Lilo
Rieder, die das buckelige Fräulein Dok-
tor Mathilde von Zahnd spielt, brilliert
das ganze Stück hindurch als geniale,
spröde Jungfrau. Sie dürfte allerdings
ihren Irrsinn, der gegen Schluss des
Schauspiels sein volles Ausmass erreicht hat, etwas stärker und signifikanter zum Ausdruck bringen.
Ein Schauspieler, drei Rollen
Andreas Trachsel, der <nur> drei klei-
ne Nebenrollen spielt, glänzt in allen
Rollen gleichermassen. Zum einen als
leicht übermotivierter Polizist Blocher,
der in seinem Ehrgeiz immer leicht trot-
telig daherkommt, dann als machohaf-
ter Pfleger, ausgestattet mit
Gelfrisur,
zu morden und dass sich hinter all dieser Lieblichkeit und Maskerade eigent'
lich ein knallharter Geheimagent ver-
Fliegerstiefeln und bewaffnet bis auf die
Zähne, sowie als strenger und potenter
Missionar Oskar Rose, der sechs eigene
Kinder in die Ehe mit Möbius' geschiedener Frau bringt. Letztere wird wunderbar gespielt von Annette Frommherz. Jean-Rudolf Stoll, der den Isaak
Newton so trocken und bizarr rezitiert,
Das Ensemble des Atelier-Theaters
Meilen inszenierte Dürrenmatts Stück
ein. Sein Schauspiel wird unterstrichen
durch eine überzeugende Mimik und eine gekonnt eingesetzte Sprachnuancie-
auch gewünscht hätte. Alle Rollen werden gleichermassen gut und'präzise gespielt. Vielleicht hätte man sich an der
einen oder anderen Stelle etwas mehr
Markanz wünschen können, so dass es
nicht einfach nur ein sauber interpretiertes Stück gewesen wäre. Das Publi-
scheint stark mit seiner Rolle verschmolzen zu sein. Er nimmt auf der
Bühne eine beeindruckende Präsenz
rung.
Knallhart hinter der Maskerade
Der grosse Physiker Einstein wird
verkörpert von Paul Luternauer. Die Erscheinung des kleinen Kerls mit dem
wilden, weissen Haar und dem char{nanten Schnauzbart im Gesicht eines
kindlich wirkenden Mannes, macht es
dem Zuschauer schwer, zu glauben,
dass auch dieser Einstein in der Lage ist
steckt hält.
Lacher gekonnt eingesetzt
sauber und hält sich fast peinlich genau
an dessen Vorlage. An vielen Stellen
wurde gelacht, wohl an genau den Stellen, an denen es sich Dürrenmatt selber
kum schien mit der Leistung des Ensembles und der Regiearbeit von Udo
van Ooyen zufrieden zu sein, was es mit
einem lang anhaltenden Applaus zum
Ausdruck gab. Zufriedene Schauspieler
und sonstige Mitwirkende
verliessen
das voll besetzte Theater, um ihren Erfolg bei der anschliessenden Premierenparty zu feiern und geniessen.
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