Konzeptuelle Bedeutungsverschiebungen im Kontext. Eine Gegenüberstellung der Theorien von Bierwisch, Pustejovsky und Nunberg Magisterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magistra Artium (M.A.) im Fach Linguistik Universität Stuttgart Philosophisch-Historische Fakultät Institut für Linguistik / Germanistik eingereicht von: Regine Brandtner geboren am 3. Oktober 1982 in Ulm Wissenschaftlicher Betreuer: Prof. Dr. Klaus von Heusinger Stuttgart, den 20.März 2007 Vorwort Diese Arbeit ist im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 732 „Incremental Specification in Context“ an der Universität Stuttgart entstanden. Für diese Möglichkeit möchte ich mich bei meinen Projektleitern Prof. Dr. Klaus von Heusinger und Prof. Dr. Artemis Alexiadou bedanken. Prof. von Heusinger gilt außerdem mein Dank für die hervorragende Betreuung meiner Arbeit. Für die vielen Denkanstösse und hilfreichen Diskussionen möchte ich außerdem besonders Udo Klein und Melanie Uth danken, aber auch Dr. Ljudmila Geist und den anderen Mitarbeitern des Instituts für Linguistik/ Germanistik für das gute Arbeitsklima, darüber hinaus meinen Kommilitoninnen Anja Wasserbäch, Valérie Hasenmayer und Nina Jürgens für formale Korrekturen und ihren besonderen Beistand. Das Studium und eine solche Arbeit kommen schließlich nicht nur mit Hilfe von wissenschaftlichem und kollegialem Rat zu einem guten Ende, sondern bauen auch auf materieller und moralischer Unterstützung und so gilt ein ganz herzlicher Dank meinen Eltern und Großeltern, die mir in den letzten Jahren den Rücken frei gehalten haben. Zu guter Letzt möchte ich noch besonders meinem Freund Jakob Süß danken, welcher während der gesamten Prüfungszeit und Magisterarbeit immer die richtigen Worte zur richtigen Zeit gefunden hat, um mich zu motivieren, mir das nötige Selbstvertrauen zu geben und mich zum Lachen zu bringen. 2 Abstract In dieser Arbeit diskutiere ich das Phänomen der konzeptuellen Bedeutungsverschiebungen anhand der drei unterschiedlichen Ansätze von Bierwisch (1983), Pustejovsky (1995) und Nunberg (2004). Während Bierwisch im Rahmen einer Zwei-Ebenen-Semantik ein Zusammenspiel von semantischer und konzeptueller Struktur annimmt, reichert Pustejovsky das Lexikon mit zusätzlichem Wissen bzw. Weltwissen an und entwickelt die Theorie eines generativen Lexikons, um Fälle von Bedeutungsvariation zu erklären. Nunberg behandelt Bedeutungsverschiebungen als phrasalen Prozess im Sinne eines Prädikatstransfers und führt pragmatische Bedingungen ein, um kontextabhängige, aber zum Teil auch systematische Transfers zu motivieren. Ich gebe einen ausführlichen Überblick über die verschiedenen Phänomene und vergleiche bzw. beurteile schließlich ihre Darstellung in den genannten Theorien. Abschließend folgt ein kurzer Ausblick auf die Bedeutungsalternation von deverbalen Nominalisierungen. 3 Inhaltsverzeichnis: Vorwort...................................................................................................................2 0. Einleitung............................................................................................................5 1. Bedeutungsebenen .............................................................................................7 1.1 Die Ausdrucksbedeutung...............................................................................7 1.2 Die Äußerungsbedeutung ..............................................................................9 1.3 Der kommunikative Sinn .............................................................................10 2. Formen der Ambiguität sprachlicher Ausdrücke.........................................12 2.1 Lexikalische Ambiguität..............................................................................12 2.1.1 Homonymie ..........................................................................................13 2.1.2 Polysemie..............................................................................................13 2.1.3 Vagheit..................................................................................................16 2.2 Kompositionale Ambiguität.........................................................................17 2.3 Konzeptuelle Bedeutungsverschiebungen im Kontext ................................18 2.3.1 Metonymie ............................................................................................21 2.3.2 Metapher ...............................................................................................23 2.3.3 Differenzierung.....................................................................................24 3. Semantische und konzeptuelle Repräsentation bei Bierwisch.....................26 3.1 Die konzeptuelle Ebene ...............................................................................27 3.2 Die semantische Repräsentation lexikalischer Einheiten ............................30 3.3 Zusammenfassung .......................................................................................33 4. Pustejovskys Theorie eines generativen Lexikons ........................................34 4.1 Der Phänomenbereich..................................................................................34 4.2 Defizite eines Sense Enumerative Lexicon .....................................................36 4.3 Repräsentationsebenen des generativen Lexikons.......................................37 4.3.1 Argumentstruktur..................................................................................37 4.3.2 Ereignisstruktur.....................................................................................38 4.3.3 Qualiastruktur .......................................................................................38 4.4 Generative Mechanismen ............................................................................40 4.4.1 Type Coercion .........................................................................................40 4.4.2 Selective Binding .....................................................................................41 4.4.3 Co-Composition ......................................................................................42 4.5 Logische Polysemie: Qualiastruktur und dot objects ....................................43 4.6 Zusammenfassung .......................................................................................45 5. Nunbergs pragmatischer Ansatz des Prädikatstransfers.............................47 5.1 Deferred Interpretation ....................................................................................48 5.2 Prädikatstransfer: die Bildung von komplexen Prädikaten..........................50 5.2.1 Bedingungen für Bedeutungsverschiebungen ......................................52 5.2.2 Das pragmatische Kriterium der Noteworthiness ...................................55 5.3 Zur Bestimmung von Transferpositionen ....................................................58 5.4 Systematische Polysemie.............................................................................62 5.5 Lexikalische und extralexikalische Aspekte................................................64 5.6 Zusammenfassung .......................................................................................68 6. Gegenüberstellung der Theorien....................................................................70 7. Bedeutungsalternation bei deverbalen Nominalisierungen .........................74 8. Schlussbemerkung ...........................................................................................79 4 0. Einleitung Mehrdeutigkeit, insbesondere Polysemie, und Formen von Bedeutungsflexibilität sprachlicher Ausdrücke werfen immer wieder Fragen auf, welche die Vorstellung des mentalen Lexikons, die Repräsentationen darin und das Zusammenspiel mit Kontext und Weltwissen bei der Interpretation von Ausdrücken betreffen: i. Die Supermarktschlange war lang / Die Schlange ist giftig. ii. Die Schule brennt / Die Schule ist aus. iii. Fisch ist gesund / Der Goldfisch ist wieder gesund. iv. Christoph ist ein guter Freund von mir / Paul ist ein guter Vater/ das ist eine gute Schule. Eine Theorie der Bedeutung sollte Phänomene wie diese erklären können, z.B. auf welche Weise die Varianten jeweils zusammenhängen, wie systematisch diese Zusammenhänge sind und wie dies im Lexikon repräsentiert wird. Dabei stellt sich unter anderem die Frage, ob es überhaupt eine festgelegte, spezifische Bedeutung für lexikalische Einheiten im mentalen Lexikon gibt, welche unabhängig vom Kontext eindeutig zu bestimmen ist oder ob Bedeutungen so unterspezifiziert sind, dass sie je nach Kontext angereichert werden können. Allgemein ist zu klären, welche Rolle das Lexikon, konzeptuelle Strukturen und enzyklopädisches Wissen bei der Interpretation und Desambiguierung von sprachlichen Ausdrücken spielen. Hinzu kommt ein weiteres Phänomen: die Möglichkeit, mit Ausdrücken etwas zu beschreiben, das nicht zu ihrer wörtlichen Bedeutung gehört und somit nicht auf Grund des lexikalischen Wissens interpretiert und verstanden werden kann: v. Fahrradfahrer: „Ich habe einen Platten.“ vi. Redakteur: „Wir kommen in zwei Wochen raus.“ vii. Kellner: „Sind Sie das Jägerschnitzel?“ Die Bedeutung eines Teils dieser Sätze scheint also eine Modifizierung erfahren zu haben. Wieder stellt sich die Frage, welche Rolle Weltwissen und Äußerungs5 situation für das Verständnis und die Anwendbarkeit solcher spontanen Bildungen spielen und welche Bedingungen für Verschiebungen wie in v.–vii. und auch ii. und iii. gelten. Da es bei ersteren nicht um lexikalisierte Alternationen geht, können auch pragmatische Aspekte von Interesse sein. Wenn wir von Verschiebungen sprechen, gibt es zwei Möglichkeiten für die wörtliche bzw. lexikalische Bedeutung von Ausdrücken: Wenn sie unterspezifiziert ist, so dass es eine gemeinsame Basis für die Varianten gibt, wird sie ergänzt bzw. in spezifizierte Varianten überführt, wenn sie spezifiziert ist und es im Kontext zu keiner sinnvollen Bedeutung kommt, kann sie unter bestimmten Bedingungen zu einer passenden Bedeutung verschoben werden. Die Flexibilität von Wortbedeutungen wird also auf verschiedene Faktoren hin untersucht: auf das Zusammenspiel von lexikalischem und extralexikalischem Wissen, auf Einfluss des Kontexts und der konzeptuellen Struktur und demnach auch auf die Frage hin, auf welchen Ebenen Ambiguität und Bedeutungsverschiebungen zu behandeln sind - handelt es sich um ambige lexikalische Bedeutungen oder kommt es erst bei der Äußerung im Kontext zu neuen Bedeutungsvarianten? Bierwisch verfolgt dabei unter Annahme von unterspezifizierten Repräsentationen die Interaktion von semantischer und konzeptueller Struktur bei Ausdrücken wie Schule etc. und geht somit von zwei Ebenen aus, so dass es zur Anreicherung unterspezifizierter Repräsentationen kommt. Pustejovsky integriert dagegen enzyklopädisches Wissen in das (generative) Lexikon, geht dabei aber nicht auf spontane Bildungen wie in v.–vii. ein, welche selbst unter Annahme eines angereicherten Lexikons nicht zu erklären sind. Letztere sind dann in Nunbergs Theorie Gegenstand eines pragmatischen Ansatzes zu Bedeutungsverschiebungen innerhalb dessen die von Verschiebungen betroffenen Teile eines Satzes hinterfragt und spezifizierte Prädikate erweitert werden. Ich werde in Kapitel 1 zunächst einführend einen Überblick über die verschiedenen Bedeutungsebenen geben und anschließend in Kapitel 2 die dort jeweils auftretenden Formen von lexikalischer Ambiguität und Bedeutungsverschiebungen allgemein beschreiben. Kapitel 3, 4 und 5 sind dann den drei genannten Theorien gewidmet, welche dort zusammengefasst und schließlich gegenübergestellt werden. Abschließend gebe ich noch einen Ausblick auf die Bedeutungsalternation von Nominalisierungen. 6 1. Bedeutungsebenen Die Semantik als linguistische Teildisziplin beschäftigt sich vereinfacht gesagt mit den Bedeutungen von sprachlichen Ausdrücken1. Jedoch gibt es nicht für jeden Ausdruck notwendig eine einzige Bedeutung, die sich genau festlegen lässt. Vielmehr wird der Bedeutungsbegriff zunächst auf unterschiedlichen Ebenen gesehen, die jeweils bestimmte Beiträge zur Annäherung bzw. Bestimmung leisten können. Löbner (2002) beschreibt drei Ebenen der Bedeutung, über welche ich im Folgenden einen Überblick geben werde. 1.1 Die Ausdrucksbedeutung Als Grundlage für die Formation und Interpretation von Ausdrücken geht Löbner von der Ebene der Ausdrucksbedeutung aus. Diese Ebene kann man sich als eine Art „Sprachbaukasten“ vorstellen‚ der das Kommunikationsmaterial und die möglichen generellen Bedeutungen bzw. die lexikalische Bedeutung von Funktions- und Inhaltswörtern enthält2. Auf dieser Ebene geht es also um die Bedeutung von Wörtern und auch von Sätzen, welche durch das Lexikon und die grammatischen Regeln bestimmt sind. Die Elemente können zu komplexeren Ausdrücken verbunden werden, allerdings wird auf dieser Ebene noch von einer festgelegten Äußerungssituation abstrahiert - die Ausdrücke werden also kontextfrei betrachtet. Durch die Untersuchung und Beschreibung ihrer Bedeutungsmöglichkeiten können sie aber bereits eine Menge von potentiellen Referenten determinieren, z.B. bezeichnet man mit dem Ausdruck ich in einem Satz immer den Sprecher einer Äußerung, die Bedeutung bzw. die Intension ist somit im Grunde festgelegt. Wer dieser Sprecher jedoch ist bzw. worauf ich referiert (die Extension), kann dagegen erst durch eine tatsächliche Äußerung in einem bestimmten Kontext festgelegt werden. Ähnlich verhält es sich mit anderen deiktischen Ausdrücken wie du, heute etc. aber auch mit Phrasen wie der Mann oder einem Satz wie „Es regnet“, bei welchem Ort und Zeit offen sind. 1 Ich verwende den Begriff „Ausdruck“ hier wie Sebastian Löbner für Wörter, Phrasen und Sätze. Welche Informationen das (mentale) Lexikon aber genau enthält und wie diese repräsentiert werden, ist umstritten, wie wir sehen werden. 2 7 Gegenstand der Ausdrucksbedeutung sind also Sätze als abstrakte Einheiten (allgemeiner: types) ohne einen bestimmten Kontext (Lyons 1995: 35f). Ein Satz ist nach Lyons (1995: 134) per Definition immer grammatisch wohl-geformt, seine semantische Akzeptabilität kann dagegen erst im Kontext, d.h. bei seiner Realisierung als Äußerung (allgemeiner: token), entschieden werden. Ein einziger Satz kann somit so viele Äußerungen haben, wie es unterschiedliche Kontexte gibt, in denen er verwendet werden kann. Löbner (2002: 74) weist ebenfalls darauf hin, dass die Komposition auf dieser Ebene generell blind für (semantische) Widersprüche ist und diese erst im Kontext eliminiert oder behoben werden können3. Auf diesen Übergang zur Interpretation im Kontext werde ich in 2.2.3 genauer eingehen. Auch der Wahrheitswert eines Satzes kann nicht ohne Kenntnis des Kontexts entschieden werden, so müssen bei dem oben genannten Satz „Es regnet“ zunächst Ort und Zeitpunkt der Äußerung spezifiziert werden. Derselbe Satz kann folglich unterschiedliche Propositionen ausdrücken bzw. unterschiedlich interpretiert werden - je nachdem, wie die Referenz der Ausdrücke im jeweiligen Kontext festgelegt wird, z.B.: (1) Meine Freundin findet deinen Pulli schön. Der Kontext spielt jedoch, wie bereits erwähnt, nicht nur für die Referenz von indexikalischen Ausdrücken oder deskriptiven NPs eine Rolle. Adjektive wie gut oder groß, Verben wie haben oder Nomen wie Schule weisen ein weites Bedeutungsspektrum auf und ihre Interpretation kann sich von Kontext zu Kontext unterscheiden: Ein guter Lehrer ist beispielsweise etwas anderes als ein gutes Messer (vgl. Pustejovsky 1995 :127ff.). Dabei stellt sich die Frage, wie diesen Varietäten im Lexikon Rechnung getragen wird, bzw. wie der Kontext in solchen Fällen zur Determinierung der Bedeutung beiträgt. 3 Für die Anforderungen der Interpretation im Kontext formuliert Löbner das Prinzip der konsistenten Interpretation, vgl. 2.2.3 8 1.2 Die Äußerungsbedeutung Im Unterschied zur Ausdrucksbedeutung stellt eine Äußerung folglich eine situierte Satz- oder Textrealisierung dar (vgl. Bußmann 2002: 52). Die durch die Bestimmung der Ausdrucksbedeutung gewonnenen Informationen können nun auf eine konkrete Situation angewendet und interpretiert werden und dabei kann der Satz je nach Kontext zu unterschiedlichen Äußerungen (oder allgemeiner tokens) kommen. Löbner (2002: 10f.) fasst unter dem Begriff Äußerungskontext die Gesamtheit aller Gegebenheiten mit Auswirkung auf Referenz und Wahrheitswert zusammen. Die Variablen der Äußerungsbedeutung wie Zeit, Ort, Sprecher, Adressat usw. werden besetzt und somit wird eine Wahrheitswertbestimmung möglich. Die Satzbedeutung (die Ausdrucksbedeutung des Satzes) ergibt so in Verbindung mit dem Kontext seine Äußerungsbedeutung. Bierwisch (1979: 122ff.) beschreibt die Ausdrucksbedeutung B(A) als „sprachlich determinierte Bedeutung des Ausdrucks A“ bzw. als logische Form von A aus G, dem System von grammatischen Regeln und Elementen der Sprache. Diese Bedeutung hat nun ein Äußerungsexemplar t und die Äußerungsbedeutung M(t), welche determiniert wird von B(A) und dem Kontext C(t). Diese Äußerungsbedeutung M(t) kann nun jedoch entweder mit der wörtlichen Bedeutung LM(t) kompatibel sein oder nicht (NM(t)). Die gleiche Bedeutung B(A) in Abhängigkeit vom Aktualisierungskontext C(t) kann aber mehrere unterschiedliche wörtliche Bedeutungen LM(t) (je nach Anzahl der neutralen Kontexte) haben, welche jeweils von B(A) und Alltagskenntnissen determiniert werden. Ein neutraler Kontext ist für Bierwisch ein Kontext, „der mit der Bedeutung von A verträglich ist“ (ebd.:140). Diese unterschiedlichen wörtlichen Bedeutungsvarianten im neutralen Kontext sollten aber nicht dazu führen, dem Ausdruck Ambiguität zuzusprechen: „Ein Ausdruck A kann je nach Aktualisierungskontext verschiedene wörtliche Bedeutungen haben, ohne dass es sinnvoll wäre, ihm sprachliche Ambiguität zuzuschreiben.“ (ebd.: 138) 9 Als Beispiel führt Bierwisch folgende Vorkommen von Schrift an, welche bei gleicher B(A) unterschiedliche wörtliche Bedeutungen haben: (2) (3) (4) (5) Die Entstehung der Schrift ist eine der wichtigsten kulturellen Entwicklungen. Die chinesische Schrift ist schwer zu erlernen. Die Schrift des neuen Stationsarztes ist noch schwerer zu entziffern als die seines Vorgängers. Die Schrift auf dem Plakat ist fünf Zentimeter hoch. Bierwisch nimmt für diese Varianten nicht vier verschiedene Bedeutungen bzw. semantische Repräsentationen an, was unökonomisch wäre, sondern eine unterspezifizierte Bedeutung4, die allen Lesarten gemein ist, etwa wie in (6): (6) >Mittel zur optischen Repräsentation von Sprache< Eine nicht-wörtliche Bedeutung kann die Ausdrucksbedeutung erst auf der Ebene der Äußerungsbedeutung, d.h. in einem bestimmten Kontext, annehmen. Hier können Bedeutungsverschiebungen angewendet werden und so die Ausdrucksbedeutung von bestimmten Elementen an den Kontext angepasst werden. (vgl. Löbner 2002: 64) Ein Satz, der in seiner wörtlichen Bedeutung semantisch widersprüchlich ist, kann so durch Verschiebungen bestimmter Teile dennoch eine sinnvolle Lesart ergeben. Auf diese Verschiebungen im Kontext werde ich später genauer eingehen. Die Frage, ob bestimmte Lesarten noch zur „wörtlichen“ Bedeutung eines Ausdrucks gehören, bzw. bereits in seinem Lexikoneintrag gespeichert sind, oder nur durch Modifikationen bzw. außersprachliche Prozesse erreicht werden können, wird sich dabei noch mehrfach stellen. 1.3 Der kommunikative Sinn Der Vollständigkeit halber sei hier noch die Ebene des kommunikativen Sinns erwähnt, welche eher in den Bereich der Pragmatik fällt. Hier spielen Sprecherintention und sozialer Austausch, sowie Sprechakte (vgl. Austin und 4 Darauf gehe ich im Teil zu Bierwisch nochmals genauer ein. 10 Searle) bzw. kommunikative Handlungen eine Rolle, z.B. ob eine Aussage eine Mitteilung oder eine Aufforderung, ein Versprechen, ein Verbot etc. darstellt. Betrachten wir den folgenden Satz: (7) Die Sonne scheint. Der Satz kann in einem bestimmten Äußerungskontext neben seiner wörtlichen Bedeutung den kommunikativen Sinn einer Aufforderung haben, im Sinne von „Geh doch mal wieder raus“. Bei Ausdrücken wie danke, Begrüßungen etc. ergibt sich der Sprechakt bereits aus der Bedeutung und fällt somit in die Semantik (vgl. Löbner :13). Beim kommunikativen Sinn geht es demnach nicht um die Wahrheitsbedingungen eines Satzes, sondern um das „Gemeinte“ bzw. die Angemessenheit. Auch ironische Äußerungen wie z.B. „Du Genie!“ für eine Person, die sich gerade nicht wie ein solches verhält, gehören zum kommunikativen Sinn. Bierwisch 1979 nennt außerdem den Satz: (8) Das habe ich nur mit der linken Hand gemacht. Wörtlich bedeutet dieser Satz, dass etwas nur mit der linken Hand gemacht wurde. Die Äußerungsexemplare dieses Satzes können aber unterschiedlichen kommunikativen Sinn haben: Es kann gemeint sein, dass man etwas nur nebenbei gemacht hat, aber auch, dass man es gut hinbekommen hat, sogar mit links, oder aber der Satz dient als Rechtfertigung dafür, dass etwas fehlerhaft wurde, weil es mit links schwierig war. Natürlich bauen diese drei Bedeutungsebenen aufeinander auf. 11 2. Formen der Ambiguität sprachlicher Ausdrücke Nachdem ich die unterschiedlichen Ebenen, auf welcher Bedeutung betrachtet bzw. interpretiert werden kann, betrachtet habe, werde ich im Folgenden auf die Arten der Ambiguität eingehen, die auf diesen Ebenen auftreten. Dabei stellt sich wieder die Frage, welche Ausdrücke bereits im Lexikon mehrere Bedeutungen bzw. Bedeutungsvarianten5 haben, ob Zusammenhänge zwischen diesen bestehen und wie diese repräsentiert werden können. Andererseits gibt es auch Ambiguitäten, welche erst im Kontext entstehen bzw. aufgelöst werden können, wie wir in 2.3 sehen werden. 2.1 Lexikalische Ambiguität Mehrdeutigkeiten, die bereits auf der Ebene der Ausdrucksbedeutung zu finden sind, nennt Löbner lexikalische Ambiguität. Hierunter fallen also Ausdrücke, welche mehrere alternative Bedeutungen haben, die auch im Lexikon gespeichert sind und somit zu unserem lexikalischen Wissen gehören. Solche ambigen Elemente entsprechen dem Prinzip der Sprachökonomie, da mehrere Bedeutungen dieselbe Laut- und/ oder Schriftform besitzen und somit nicht für jede Bedeutung ein eigenes Wort gelernt bzw. gespeichert werden muss. Dieses Phänomen ist aus diesem Grunde sehr verbreitet, denn auch wenn manche Sprachen eine einzige Form für ein Wort haben, gibt es wohl keine Sprache, die für jedes Wort nur eine Bedeutung hat, so Lyons (1995: 26). Vergleiche z. B. Position: >Ort, an welchem sich etwas befindet / Stellung einer Person innerhalb einer (beruflichen) Hierarchie / Standpunkt bzw. Meinung / Teil einer Rechnung<. Man unterscheidet Fälle von lexikalischer Ambiguität nach dem Zusammenhang der verschiedenen Bedeutungen bzw. Bedeutungsvarianten wie folgt: 5 Ich verwende hier Bedeutungen für Homonymie und Bedeutungsvarianten für Polysemie und systematische Polysemie, bzw. Bedeutungsverschiebungen, s.u. 12 2.1.1 Homonymie Homonym sind Bedeutungen einer Form, wenn sie keine klare Verbindung aufweisen, also sozusagen „zufällig“ die gleiche Form haben (Löbner 2002: 58)6. Dazu kann es z.B. durch Lautwandel kommen, es können andere Ableitungsbasen (z.B. bei einem Nomen von unterschiedlichen Verben) bzw. etymologische Unterschiede vorliegen, oder es kann zwar einen etymologischen Zusammenhang geben, der jedoch für die Sprachbenutzer nicht mehr transparent ist. Standardbeispiele sind z.B. Schloss, Kiefer, Schuppen oder Bank. Es gibt auch spezielle Formen, die entweder nur homophon (mehr- Meer) oder nur homograph (Montage) sind. Außerdem wird oft zwischen partieller und absoluter Homonymie unterschieden (z.B. bei Lyons 95: 55.): Letzteres heißt, dass die Homonyme in all ihren Formen identisch (also z.B. im Plural, bei Bank – Banken/ Bänke ist das also nicht der Fall) und grammatikalisch äquivalent sind. Natürlich führen diese Formen öfter zu Ambiguität als die partiellen, welche z.T. an ihren ungleichen Formen erkannt werden können (z.B. ist der Plural Bänke nicht mehr ambig). Vergleicht man Bank in der Bedeutung >Kreditinstitut< mit dem englischen Wort bank, welches außerdem noch >Ufer<, aber nicht >Sitzbank< bedeuten kann, wird deutlich, dass lexikalische Ambiguität meist sprachspezifisch ist7. Durch die Unverbundenheit der verschiedenen Bedeutungsvarianten liegt es nahe, für die jeweilige Wortform zwei Lexeme bzw. zwei Lexikoneinträge (Löbner 2002: 62) anzunehmen, welche separat aufgelistet werden können. 2.1.2 Polysemie Häufiger als Homonyme treten polyseme Ausdrücke auf, welche sich dadurch auszeichnen, dass es einen klaren Zusammenhang zwischen den verschiedenen Bedeutungsvarianten gibt, z.B. über die äußere Form bei Birne als Obstsorte und als Glühbirne oder Schlange als Tier oder Menschenreihe. Weitere Beispiele sind Brücke (>Bauwerk<, >Teppich<, >Denkhilfe (=Eselsbrücke)<, >Zahnersatz< etc.), Läufer (>Bote<, >Teppich<, >Schachfigur< etc.), Strom (>elektrischer 6 Pustejovsky spricht hier nach Weinreich 1963 von kontrastiver Ambiguität, s.u. Dies macht sich auch oft bei der Übersetzung von Wortspielen bzw. Witzen in Büchern oder Filmen bemerkbar, wenn die Bedeutungsvarianten nicht in beiden Sprachen übereinstimmen, vgl. z.B. den Filmtitel „Where the truth lies“, wobei im deutschen Titel „Wahre Lügen“ die polysemen Varianten von to lie= 1. liegen. 2. lügen. nicht wiedergegeben werden können. 7 13 Strom<, >Fluss<), Lehre (>Berufsausbildung<, >Teil der Wissenschaft, Dogma<). Auch das Verb leihen (>ausleihen< oder >verleihen<) und das Adjektiv schnell (aktual: Es fährt gerade schnell, dispositionell: es kann schnell fahren) sind polysem8. Es zeigt sich also wieder die Ökonomie der Sprache, da sich mehrere Bedeutungsvarianten für vorhandene Formen transparent ergeben, so dass nicht jeweils eigene Formen gelernt bzw. gebildet werden müssen. Hier werden mehrere Bedeutungsvarianten für ein einziges Lexem angenommen, da diese nicht zufällig durch die gleiche Form ausgedrückt werden, sondern der Zusammenfall dieser in einer Laut- und Schriftform motiviert ist. Bei den genannten lexikalischen Ambiguitäten handelt es sich eher um eine Skala zwischen Homonymie und Polysemie, d.h. es ist nicht in allen Fällen vollkommen klar, was vorliegt. Ob ein Zusammenhang gesehen wird, kann z.B. auch von Sprecher zu Sprecher variieren oder intuitiv, aber nicht etymologisch bestehen (vgl. Lyons 95: 59). Außerdem können auch die einzelnen Bedeutungen eines Homonyms selbst wieder polysem sein, z.B. Schuppen: Homonym sind die Bedeutungen >Geräteschuppen< und in etwa >Teile der Haut<, hier besteht kein Bedeutungszusammenhang. Polysem sind aber wohl die Varianten >Teile der Haut< von Fischen oder Menschen. Der Zusammenhang zwischen polysemen Bedeutungsvarianten kann auf unterschiedlichen Prinzipien beruhen (vgl.2.2.3), z.B. auf dem der Metapher bei Fuß in der Bedeutung >Fuß/ unterster Teil eines Berges<. So können synchron Bedeutungen ausgeweitet werden, um neue Varianten zu liefern (vgl. Lyons 95: 59). Wie in diesem Beispiel können diese lexikalisiert bzw. soweit konventionalisiert sein, dass sie kaum noch als Metaphern auffallen. Löbner (2002: 77) weist darauf hin, dass die Art der Zusammenhänge zwischen Bedeutungsvarianten vorhersagbar ist, da diese allgemeinen Prinzipien folgen. Welche Varianten in der jeweiligen Sprache jedoch lexikalisiert werden, ist sprachspezifisch und nicht vorhersagbar9, muss also im lexikalischen Wissen verankert sein. 8 Aus Bußmann 2002 : 524. Im Englischen führt der Zusammenhang zwischen äußerer Form einer Birne (pear) und einer Glühbirne (bulb) z.B. nicht zur gleichen Wortform. Stattdessen kann bulb auch eine Blumenzwiebel bezeichnen, d.h. das allgemeine Prinzip der Form besteht hier zwischen zwei anderen Varianten, die im gleichen Wort lexikalisiert sind. 9 14 Andere Muster dagegen scheinen systematisch vorhersagbar zu sein und treten in vielen Sprachen auf. Diese werden im nächsten Kapitel (2.3) genauer behandelt: Nach Löbner werden „produktive Prozesse der Bedeutungsvariation, z.B. konzeptuelle Verschiebung (s.u.), Metapher, Metonymie [..] der Ebene der Äußerungsbedeutung zugeordnet“10, da die diesen Prozessen unterliegenden Ausdrücke (z.B. Schule, Goethe) seiner Meinung nach eine eindeutige Ausdrucksbedeutung haben und erst durch die verschiedenen Äußerungskontexte verschiedene Varianten erhalten. Von anderen werden diese jedoch ebenfalls der Polysemie zugeordnet11. Wegen ihrer Systematizität bei großen Gruppen von Ausdrücken und der unklaren Abtrennbarkeit der Varianten, welche sie von der „traditionellen“ Polysemie (s.o.) unterscheidet, werden diese Fälle jedoch meist als Untergruppe behandelt, z.B. bei Pustejovsky (logische Polysemie, s.u.) oder Nunberg (systematische Polysemie, s.u.). Cruse 2000 bezeichnet diese wiederum als Facetten und ordnet sie zwischen Monosemie und Polysemie ein. Unabhängig von der Zuordnung solcher Phänomene stellt sich die Frage, wie die Zusammenhänge zwischen Bedeutungsvarianten dargestellt werden sollten, z.B. durch Bestimmung einer Basisbedeutung und Ableitungen davon oder durch Unterspezifizierung und Anreicherung12. Auch hierauf werde ich später genauer eingehen. Zur Unterscheidung von lexikalischer Ambiguität und den vom Kontext erzwungenen Bedeutungsvarianten auf der Ebene der Äußerungsbedeutung sollte hier noch einmal darauf hingewiesen werden, dass die Etablierung der Lesarten im Lexikon ausschlaggebend ist. Cruse (2000: 109) führt das folgende Beispiel ein, bei welchem kein lexikalisches Wissen für die Interpretation herangezogen werden kann: (8) „This is my lunch“, said John, waving a five- pound note.13 Spontane Lesarten wie die Bedeutung >Mittagessen< für einen Geldschein permanent im mentalen Lexikon zu speichern, wäre unökonomisch. Wie es dazu 10 http://www.phil-fak.uni-duesseldorf.de/asw/gfs/deutsch/onlinewb/frames.html (13.März 2007) Die Zuordnung hängt auch von der jeweiligen Theorie des Lexikons ab, wie sich bei der Besprechung der einzelnen Theorien zeigen wird. 12 Vgl. z.B. den Überblick in Bußmann 2002: 524. 13 Unter der Annahme, dass John nicht vorhat, den Geldschein zu essen. 11 15 kommt, dass Beispiele wie dieses aber dennoch sinnvoll und verständlich sein können, wird sich besonders bei der Besprechung von Nunbergs Theorie (Kapitel 3) zeigen. 2.1.3 Vagheit Ein dritter Aspekt von Mehrdeutigkeit bei der Ausdrucksbedeutung ist Vagheit, welche sich jedoch entscheidend von der lexikalischen Ambiguität bei Polysemie und Homonymie unterscheidet. Ein vager Ausdruck ist bewusst nicht festgelegt, er hat ein allgemeines, „unbestimmtes Denotat“, welches verschiedene Präzisierungen zulässt, und nicht mehrere alternative, unvereinbare Varianten hat, aus denen ausgewählt und dadurch desambiguiert wird (vgl. Pinkal 1991: 264). Beispiele sind besonders steigerbare Adjektive wie klein, schwer etc., die jeweils erst einer kontextabhängigen Skala bedürfen, um festgelegt zu werden. Sie sind also nicht vollkommen beliebig. Auch Kind und Person sind vage Begriffe, bei welchen z.B. die Merkmale [WEIBLICH] und [MÄNNLICH] nicht festgelegt sind, was Bußmann (2002: 727) als „pragmatische Unbestimmtheit“ beschreibt. Cruses Identitätsbeschränkung, welche für polyseme Varianten gilt, muss hier nicht zutreffen, so kann man sagen: (9) Mary adopted a child, so has Jane14. Jedoch müssen die beiden nicht notwendig ein Kind vom gleichen Geschlecht adoptiert haben, die Lesarten sind also nicht vollkommen abgrenzbar (Cruse führt weitere Tests zur Abgrenzung von Lesarten an, welche ich in Kapitel 2.3.1 zur Metonymie einführen werde). 14 Cruse 2000: 106. 16 2.2 Kompositionale Ambiguität Ebenfalls auf der Ebene der Ausdrucksbedeutung findet, wie gesagt, die Komposition von Elementen zu komplexeren Ausdrücken (Phrasen, Sätzen) statt. Nach dem Kompositionalitätsprinzip ergibt sich demnach die Satzbedeutung eindeutig aus der lexikalischen und grammatischen Bedeutung der Elemente und ihrem syntaktischen Aufbau. Werden dabei aber ambige Elemente mit eingefügt, kommt es zunächst auch zu ambigen Ergebnissen, d.h. je mehr ambige Elemente in die Komposition eingehen, desto mehr Satzbedeutungen ergeben sich (vgl. Löbner 2002: 63)15: (10) Sie ging zu der nächstbesten Bank. Löbner nimmt bekanntermaßen an, dass die Komposition alle Lesarten zulässt, d.h. die Eliminierung von in sich widersprüchlichen Sätzen bzw. die Entscheidung für eine Lesart findet demnach erst beim Übergang zur Äußerungsbedeutung, bei der Annahme eines bestimmten Kontexts also, statt. Dagegen mögen zunächst Phrasen wie hölzerne Bank und Sätze wie „Die Bank hat geschlossen“ sprechen, welche bereits durch ihre Selektionsrestriktionen eine Lesart auszuwählen scheinen. Löbners Annahme erscheint jedoch dann plausibel, wenn man annimmt, dass bestimmte Sätze erst durch ihre Interpretation im Kontext überhaupt eine sinnvolle, wenn eventuell auch nicht wörtliche Lesart erhalten können und somit nicht bereits bei der Komposition auf der Ebene der Ausdrucksbedeutung ausgefiltert werden sollten. Mit diesen Fällen werde ich mich im nächsten Kapitel unter der Annahme von Löbners Prinzip der konsistenten Interpretation beschäftigen. 15 Natürlich kann auch die syntaktische Struktur und die grammatische Form zu kompositionaler Ambiguität führen, vgl. dazu Löbner 2002 :63 f. 17 2.3 Konzeptuelle Bedeutungsverschiebungen im Kontext Die Ebene der Ausdrucksbedeutung hat die lexikalischen bzw. wörtlichen Bedeutungen der Ausdrücke und ihre Komposition in Sätze geliefert. Beim Übergang auf die Ebene der Äußerungsbedeutung wird dieser Input nun jedoch noch durch das folgende Prinzip beeinflusst (gefiltert bzw. umgewandelt), es werden also nicht notwendig alle Ausdrucksbedeutungen für die Interpretation im Kontext übernommen. (11) Das Prinzip der konsistenten Interpretation „Ein zusammengesetzter Ausdruck wird auf der Ebene der Äußerungsbedeutung immer so interpretiert, dass seine Teile zueinander [passen] und er selbst in den Kontext passt.“ Löbner 2002: 72 Kriterien für die Interpretation im Kontext sind also Widerspruchsfreiheit und Relevanz –diese beruhen auf Grices Konversationsmaximen: Der Hörer nimmt ja an, dass der Sprecher ihm eine Aussage übermitteln möchte, die er verstehen kann und die informativ ist. Durch dieses Prinzip ergeben sich nun für die Interpretation auf der Ebene der Äußerungsbedeutung bzw. im Kontext folgende Alternativen (vgl. Löbner 2002: 65): i. Es kommt zu einer unveränderten Übernahme, da der Ausdruck bereits in den Kontext passt und relevant ist. Die Bedeutung wird eventuell angereichert16 bzw. die Referenz wird festgelegt. ii. Die möglichen Lesarten werden reduziert, bzw. es wird aus diesen ausgewählt, d.h. in sich widersprüchliche oder nicht in den Kontext passende Lesarten werden eliminiert bzw. ausgefiltert: “This selection operates largely through the suppression of readings which give rise to some sort of semantic clash with the context.” (Cruse 2000: 120) 16 Cruse 2000(:121) unterscheidet die Anreicherung durch den Kontext (z.B. bei vagen Ausdrücken) von selection und auch coercion und nennt dies (contextual) modulation: “Our maths teacher is on maternity leave.” Hier fügt der Kontext das in der Wortbedeutung unspezifizierte Merkmal [+weiblich] hinzu. 18 Bei dem Begriff Kontext ist zu beachten, dass auch dieser verschiedene Ebenen umfasst, z.B. die syntaktische Phrase, den satzinternen Kontext und den Äußerungskontext. Auf jeder dieser Ebenen kann eine Bedeutungsvariante widersprüchlich oder irrelevant sein und so kann der jeweilige Kontext z.B. aus polysemen Varianten widerspruchslose auswählen. Ein Adjektiv wie hölzern, welches das Nomen Bank modifiziert, kann, wie gesagt, die Lesart >Kreditinstitut< ausfiltern, da uns unser Weltwissen sagt, dass ein solches normalerweise nicht aus Holz ist. Hier wird also bereits im Kontext der syntaktischen Phrase eine Lesart ausgewählt. Im Satzkontext könnten die Selektionsrestriktionen der Bedeutung des Verbs (sich) setzen diese Lesart auswählen („Ich sitze auf der Bank“). Oft ergibt sich eine eindeutige Lesart aber auch erst im Äußerungskontext oder der Ausdruck bleibt in seltenen Fällen sogar dann noch ambig, z.B. kann der folgende Satz erst im Äußerungskontext desambiguiert werden: (12) Die Bank ist sehr schön geworden. Es könnte sich dabei um die Neueröffnung eines Kreditinstituts handeln oder auch um die Herstellung einer neuen Gartenbank o.ä. Was passiert aber, wenn alle etablierten bzw. wörtlichen Bedeutungen ausgefiltert werden und sich somit überhaupt keine sinnvolle Lesart ergibt (auch mismatch genannt)? Betrachten wir folgende Beispiele: (13) Die Lungenentzündung auf Zimmer 11 hat Durst. (14) Der Dax schlägt den DowJones. (15) Die Zeitung hat angerufen17. Da wir, wie gesagt, annehmen, dass der Sprecher eine verständliche Nachricht übermitteln möchte, muss eine Modifizierung vorgenommen werden, um doch noch eine akzeptable Lesart zu erhalten. Ein solcher Ausdruck fordert also in einem bestimmten Kontext eine Bedeutungserweiterung (meaning extension, z.B. Cruse 2000: 120) bzw. Bedeu17 Wie gesagt kommt es darauf an, ob die jeweilige Theorie die möglichen Bedeutungsvarianten von Zeitung oder Schule etc. als im Lexikon vorhanden oder als kontextuelle Verschiebung ansieht. 19 tungsverschiebung (meaning shift), in der englischen Literatur auch als coercion bzw. coerced polysemy (z.B. ebd.: 109) bezeichnet. Mit letzterem Begriff ist gemeint, dass weitere polyseme Lesarten erst im Kontext sozusagen erzwungen bzw. verursacht werden. Diese gehören im Fall von (13) und (14) aber nicht zum lexikalischen Wissen über den jeweiligen Ausdruck, da es unökonomisch wäre, diese permanent zu speichern (vgl. Beispiel (8)). Es handelt sich also nicht um etablierte Lesarten, was sie von der lexikalischen Ambiguität (Polysemie) unterscheidet. Kommt eine bestimmte Verschiebung aber sehr oft vor, kann das dazu führen, dass die beiden Lesarten als Polyseme lexikalisiert werden, wie z.B. bei Fuß (vgl. 2.1.2 bzw. Löbner 2002: 77). Zwischen lexikalischer Ambiguität und spontanen, kontextbedingten Bedeutungsverschiebungen wie in (13) gibt es aber noch andere Verschiebungsmuster, welche zwar den gleichen Prinzipien unterliegen, jedoch generell funktionieren und Bedeutungsvarianten haben, welche nicht so distinkt sind wie traditionell polyseme Varianten, z.B. (15). Die bei Bierwisch, Löbner und anderen so genannten Verschiebungen folgen allgemeinen, meist sprachübergreifend zu beobachtenden Prinzipien, wie z.B. Metonymie, Metapher und Differenzierung, welche im Folgenden kurz erläutert und später in den jeweiligen Theorien genauer betrachtet werden. Als Bedeutungsverhältnisse bestehen diese auch zwischen polysemen Bedeutungsvarianten, die im Lexikon etabliert sind, vgl. z.B. die metaphorische Verbindung zwischen den Varianten von unreif für Früchte und Menschen (ebd.: 76).18 18 Welche Varianten nun aber zum lexikalischen Wissen gehören und welche durch kontextuelle Verschiebungen erreicht werden, ist nicht immer ganz klar, so zählt Löbner die durch Metonymie entstandenen Varianten von Date für eine Person und Papier für den aufgedruckten Text z.B. noch zur Polysemie, d.h. nach seiner Definition sind diese im Lexikon gespeichert. 20 2.3.1 Metonymie Löbner (2002: 72) definiert das Prinzip der Metonymie19 als „Verlagerung des Konzepts auf eine seiner Komponenten“. Man benennt etwas demnach mit einem Begriff, dessen Bedeutung zum Gemeinten in einer bestimmten Verbindung steht z.B. räumlich, kausal, zeitlich oder semantisch (vgl. Bußmann 2002: 434). Dieses Prinzip kann für Gruppen von Ausdrücken sehr systematisch sein, wie die folgenden ins Deutsche übertragenen Beispiele aus Cruse (2000: 113) zeigen: (16) Baumspezies → Art des Holzes : Tier → Fleisch : Huhn, Hase, Hirsch essen Komponist → Musik : Essen → bestellende Person: Walnuss, Eiche „Magst du Beethoven?“ „Das Omelette hat sich beschwert.“ Weitere bekannte Beispiele sind: Krankheit → Kranker (vgl. (13)) Autor → Werk Institution – Gebäude – Menschen (vgl. (15)) Land → Parlament oder Bevölkerung Es gibt jedoch den erwähnten Unterschied zwischen verschobenen Lesarten20, deren Relation tatsächlich stark kontextbedingt ist und welche spontan gebildet sind (auch ad hoc- Bildungen genannt), wie z.B. (13), und anderen, welche eine konstante Relation ausnützen und eher enzyklopädisch bedingt sind, d.h. in beliebigen Kontexten funktionieren, wie z.B. die Verschiebung von einer Institution auf das Gebäude und die Menschen dort, wie in (15). Auf diesen Aspekt werde ich bei der Gegenüberstellung der verschiedenen Theorien noch einmal zurückkommen. Wenn die Verschiebung wie hier transparent ist und allgemein für eine bestimmte Gruppe von Ausdrücken gilt, wäre es nicht plausibel, anzunehmen, dass die verschiedenen Lesarten jeweils im Lexikon stehen, wie bei Polysemie. Ökonomischer wäre es, nur das Verschiebungsmuster, welches dann auf eine bestimmte Gruppe von Ausdrücken 19 von griech. met-ōnymía >Umbenennung< Wie gesagt werden diese in anderen Theorien als logische oder systematische Polysemie bezeichnet. 20 21 angewendet werden kann, dort zu situieren.21 Welche Probleme dadurch ergeben können, wird sich bei Bierwisch in Kapitel 3 zeigen. Auch Cruse (2000: 114ff) unterscheidet die bei ihm so genannten Facetten (facets z.B. bei Schule, Großbritannien, Buch) von wirklichen Bedeutungsvarianten (Polysemie im Lexikon), da sie eine konzeptuelle Einheit bilden und sich nicht entgegenstehen (Buch kann z.B. den Text darin oder das physikalische Objekt bezeichnen). Er nimmt an, dass es sich für die meisten Sprecher um eine kombinierte Lesart als Basis handelt, da ihnen die Unterschiede nicht bewusst sind. Daraus ergibt sich für Cruse, dass eine Koordination22 der verschiedenen Lesarten ohne Zeugma Effekt möglich ist: (17) Britain, despite the fact that it is lying under one metre of snow and is mourning the death of the Queen Mother’s corgi, has declared war on San Marino.23 Cruse (2000: 106ff.) führt einige Tests bzw. Kriterien für die Getrenntheit (distinctness) von Lesarten ein. Im Gegensatz zu Bedeutungsvarianten von polysemen Ausdrücken wie z.B. Schlange, sind die bei Cruse so genannten Facetten nicht klar voneinander abgrenzbar, da sie zu einer konzeptuellen Einheit gehören. Die Getrenntheit von Lesarten lässt sich durch folgende Kriterien beschreiben, welche bei Facetten bzw. Bedeutungsvarianten von systematischer Polysemie nicht zutreffen: (A) Eigenständigkeit: i) Identitätsbeschränkung: „Marie hasst Schlangen. Peter auch.“ → In beiden Fällen muss die gleiche Lesart gemeint sein. ii) Unabhängigkeit der Wahrheitsbedingungen: → Auf die Frage „Hasst du Schlangen?“ könnte mit Ja und Nein geantwortet werden, ohne dass ein Widerspruch entsteht. 21 Allerdings gibt es auch spezifische Lesarten und Beschränkungen, z.B. Schule als Tradition, was z.B. bei Universität nicht funktioniert, oder Schule/ Universität als Fußballmannschaft, wie in „Peters Schule hat gewonnen“. Diese Lesart gibt es wiederum nicht für Theater etc. 22 23 Zu Ambiguitätstests vgl. auch Zwicky und Saddock 1975. Für eine alternative Erklärung diese Kombination vgl. 5. 1 zu Nunberg. 22 iii) Unabhängige Sinnrelationen: → Bei einer Lesart von Schlange handelt es sich z.B. um ein Hyponym von Tier, bei der anderen Lesart jedoch nicht. (vgl. auch alt- neu / jung) (B) Antagonismus / Gegensatz: Die beiden Bedeutungsvarianten sind nicht gleichzeitig aufrufbar, sonst kommt es zum Zeugma Effekt, der bei Facetten wie gesagt nicht unbedingt entsteht (s.u.): ??“John and his driving licence expired last Thursday.“ (ebd.: 108) Mit der Koordinationsfähigkeit solcher Facetten werde ich mich bei Bierwisch noch einmal genauer auseinandersetzen. Im Hinblick auf Pustejovskys Theorie eines generativen Lexikons sei hier darauf hingewiesen, dass Cruse auch dessen qualia Rollen, welche Cruse perspectives nennt, zu der sich von Polysemie unterscheidenden Bedeutungsvariation zählt (ebd.: 117). 2.3.2 Metapher Nach Löbners Definition handelt es sich bei Metaphern24 im Gegensatz zur Metonymie um eine Verschiebung des Konzepts in einen anderen Bereich, der nicht zum Inputkonzept gehört. Dort übernimmt der Ausdruck eine analoge Rolle (Löbner 2002: 70). Die Verbindung beruht also nicht auf Zugehörigkeit, sondern auf Ähnlichkeit zwischen den beiden Konzepten und bei einer Interpretation im wörtlichen Sinne ergibt sich ein Widerspruch. Einige Beispiele sollen hier genügen: 24 (18) Das Telefon ist tot. (19) Peters Sprache ist sehr blumig. (20) Am Fuß des Berges verließ die Wanderer der Mut. von griech. metaphorá >Übertragung< 23 Fuß in Beispiel (20) benutzt Cruse (2000: 113), um zu zeigen, dass Metaphern nicht so systematisch sind wie Metonymie, so kann man z.B. nicht analog sagen der Kopf des Berges. 2.3.3 Differenzierung Beim Prinzip der Differenzierung wird einem unterspezifizierten Konzept ein bestimmter Aspekt durch den Kontext hinzugefügt. So werden auch hier nicht alle möglichen Spezifikationen der Grundbedeutung im Lexikon gespeichert, sondern der Kontext legt die jeweilige Lesart durch einen bestimmten Zusatz fest und ergibt somit einen Spezialfall dieser Unterspezifizierung25 (ebd.: 71). Ein Beispiel ist verlieren, dessen unterspezifizierte Bedeutung Löbner in etwa mit >aufhören zu haben< beschreibt. In welcher Hinsicht dieses aufhören zu haben spezifiziert wird, ergibt dann jeweils die möglichen Lesarten, z.B. kann man einen Freund verlieren, wenn er stirbt, man ihn aus den Augen verliert oder wegen schlechtem Verhalten die Freundschaft beendet wird. Weitere Beispiele sind Küken (von Enten/ Hühnern), Bilder (Fotos/ Gemälde), verstehen (Aussprache/ Inhalt, dazu genauer bei Bierwisch), außerdem light verbs wie z.B. haben („Ich habe Geburtstag/ Ich habe ein Auto/ Ich habe Geschwister“ etc.) oder geben („Er gab mir einen Rat/ Er gab mir das Buch/ Er gab mir Recht etc.“). 25 Cruse 2000 (:119) dagegen bezeichnet die unterschiedlichen Spezifizierungen z.B. von Messer (Taschenmesser, Gartenmesser, Besteck..) als subsenses und nimmt an, dass alle im Lexikon gespeichert sind: “the specific readings of knife are selected from an established set, and are not the result of contextual enrichment of the inclusive reading.” Ein Grund dafür sind für ihn die unabhängigen Sinnrelationen der spezifischen Lesarten. 24 Im Folgenden werde ich die verschiedenen Theorien zu Bedeutungsverschiebungen bzw. logischer oder systematischer Polysemie von Manfred Bierwisch, James Pustejovsky und Geoffrey Nunberg beschreiben und vergleichen. Dabei stellen sich die Fragen, wie diese Phänomene repräsentiert werden können und welcher Teil eines Satzes bei einem mismatch verändert bzw. verschoben wird. Darüber hinaus ist noch einmal zu überlegen, welche unterschiedlichen Gruppen solcher Verschiebungsprodukte es gibt, ob diese Phänomene der Semantik oder eher der Pragmatik zuzuordnen sind und welche Rolle kontextuelle Bedingungen und Parameter, Weltwissen und Situationswissen dabei spielen. Abschließend werde ich noch auf Nominalisierungen eingehen und betrachten, ob die vorangegangene Überlegung für simple nouns auf Nominalisierungen bzw. abgeleitete Nomen übertragen werden kann bzw. über welche Bedeutungsalternation und welches Verschiebungspotential Nominalisierungen verfügen. 25 3. Semantische und konzeptuelle Repräsentation bei Bierwisch Manfred Bierwisch beschäftigt sich in seinem Aufsatz „Semantische und konzeptuelle Repräsentation lexikalischer Einheiten“ (1983) unter anderem mit der Frage, ob lexikalische Einheiten eine festgelegte wörtliche Bedeutung haben, deren semantische Repräsentation vollständig spezifiziert ist oder ob wir es mit unterspezifizierten Bedeutungen zu tun haben, welche erst (durch ein Zusammenspiel mit der konzeptuellen Ebene) im jeweiligen Kontext bestimmt bzw. festgelegt werden können. Diese Frage ergibt sich aus der Beobachtung, dass auch lexikalische Einheiten, die nicht klar ambig bzw. polysem sind und auch nicht metaphorisch verwendet werden, in verschiedenen Kontexten ganz unterschiedlich interpretiert werden können und müssen (vgl. auch 1.2), wie z.B. die oben genannten Beispiele zur Metonymie gezeigt haben. Bierwisch nimmt für jede lexikalische Einheit (LE26) eine Determination SEM27 an, welche angibt, was LE zur semantischen Repräsentation (sem) von unterschiedlichen Äußerungen von LE beiträgt. Dabei bestimmt sem die Äußerungsbedeutung m abhängig vom jeweiligen Kontext (ct). Diese Vorgänge sind hier zu erläutern. Eine weitere Frage betrifft das Zusammenspiel von konzeptuellen Einheiten und Strukturen und enzyklopädischem Wissen mit diesen semantischen Repräsentationen. Im Zusammenhang mit diesen Fragen erörtert Bierwisch Beispiele, in denen zunächst mehrere verschiedene Äußerungsbedeutungen m angenommen werden, obwohl es sich, wie gesagt, was die Ausdrucksbedeutung betrifft nicht um ambige lexikalische Einheiten, aber auch nicht um metaphorischen Gebrauch dieser Einheiten handelt, wie in (21): (21) Faulkner ist schwer zu verstehen. 26 Ich übernehme hier, entgegen meiner eigenen Notationsweise, die Kursivformatierung von Bierwisch für diese Abkürzungen. 27 SEM determiniert dabei die Verbindung zwischen lexikalischer Semantik und konzeptueller Repräsentation (ebd.: 75). 26 Bei den möglichen Interpretationen des Eigennamens kann es sich um Faulkners Aussprache, seine Handlungsweise oder aber um seine Bücher handeln. Dieses Phänomen nennt Bierwisch konzeptuelle Verschiebung, d.h. es gehört seiner Meinung nach nicht zur semantischen Repräsentation. Stattdessen muss der Unterschied im Bereich der konzeptuellen Repräsentation liegen. Bierwisch lehnt Ansätze ab, die verschiedene zugrunde liegende syntaktische Strukturen annehmen oder den Vorgang mit der Behauptung erklären, Eigennamen seien mehrdeutig oder unscharf bzw. vage28. Außerdem spielen diese Interpretationen noch in unbestimmter Weise mit den verschiedenen Varianten von verstehen (akustisch, inhaltlich, moralisch) zusammen, was er als konzeptuelle Differenzierung bezeichnet. Verstehen ist also ebenfalls nicht ambig, aber auch nicht vage (vgl. 2.1.3), da die Varianten wiederum klar festgelegt und abgegrenzt werden können. 3.1 Die konzeptuelle Ebene Keiner der Prozesse (Differenzierung und Verschiebung) gehören zur semantischen Repräsentation der LEs, deshalb können sie nur auf der konzeptuellen Ebene erklärt werden, ebenso wie das Selektionsproblem, d.h. das Zusammenspiel der Varianten von verstehen und Faulkner. Daraus motiviert sich die Annahme, dass „die semantische Eintragung SEM einer lexikalischen Einheit LE (…) eine Familie von konzeptuellen Einheiten, die mögliche Interpretationen für SEM sind, [determiniert]“ (ebd.: 81). Aus diesen ergibt sich dann im Kontext die jeweilige Interpretation bzw. eine Eintragung wird ausgewählt. Bierwisch gibt weitere Beispiele29 an, um zu zeigen, dass es sich um ein verbreitetes Phänomen handelt: 28 Dagegen spricht für ihn ein Vergleich mit tatsächlich vagen Ausdrücken wie rot, klein…, welche nicht so genau festlegbar sind wie die Varianten von Eigennamen. 29 Es sind jeweils weitere mögliche Varianten denkbar, in den Beispielen finden sich die gängigsten. 27 (22) Die Schule spendete einen größeren Betrag. Schule1 ⊂ Institution30 (23) Die Schule hat ein Flachdach. Schule2 ⊂ Gebäude / Lokalität (24) Die Schule macht ihm großen Spaß. Schule3 ⊂ Ensemble von Prozessen (25) Die Schule ist eine der Grundlagen der Zivilisation. Schule4 ⊂ Institution als Prinzip All diese Varianten sind bei Bierwisch konzeptuelle Interpretationen und bilden eine Konzeptfamilie, hier mit dem „Angelpunkt“ der Institution Schule. Sie bilden jeweils Teilmengen allgemeinerer Konzepte wie Institution, Prinzip etc. und stehen folgendermaßen in Beziehung zueinander: (26) Prinzip (Schule4, Schule1) d.h. das Prinzip, auf dem Schule1 beruht. (27) Lokalität (Schule2, Schule1) d.h. die Lokalität für Schule1. (28) Prozess (Schule3, Schule1) d.h. die durch Schule1 determinierten Prozesse. Bestimmte konzeptuelle Verschiebungen dieser Art funktionieren wie gesagt für eine Reihe von Ausdrücken, so z.B. Lokalität – Prinzip für Theater, Oper, Universität, Museum etc. Davon haben außerdem die Prozessvariante z.B. Universität, Theater und Oper, andere dagegen nicht, z.B. Museum. Es scheint sich dabei um arbiträre bzw. idiosynkratische Beschränkungen zu handeln, da die Konzepte im Grunde ähnlich sind, so Bierwisch. Die möglichen Varianten sind zwar konzeptuell begründet, aber sprachlich festgelegt, d.h. es wird nicht nur auf der konzeptuellen Ebene entschieden, wie die Konzeptfamilie, welche durch eine lexikalische Einheit ausgedrückt wird, genau zusammengesetzt ist. Weitere Beschränkungen zeigen die folgenden, auf die Relation InstitutionLokalität bezogenen Beispiele von Bierwisch: 30 Bei Bierwisch bedeutet die fette Notation, dass es sich um konzeptuelle Interpretationen bzw. Einheiten des objektsprachlichen Ausdrucks handelt. 28 (29) (a) Die Regierung hat die Frage bereits entschieden. (b) ?Die Regierung liegt am Stadtrand. Die Institution Parlament dagegen kann auch die Variante Lokalität ausdrücken. Allerdings hat das Gebäude Palast keine Institutionsvariante, so dass nicht klar ist, wie diese Konzepte zusammenhängen, bzw. warum sie es in bestimmten analogen Fällen nicht tun31: (30) ?Der Palast hat die Frage bereits entschieden. Ein weiteres Beispiel, das für eine andere Gruppe von Ausdrücken steht, ist Buch32: (31) Das Buch wurde mit Erfolg verfilmt. Buch1 ⊂ Informations- Struktur (32) Das Buch liegt auf dem Schreibtisch. Buch2 ⊂ physikalisches Objekt (33) Das Buch ist noch immer die wichtigste Publikationsform. Buch3 ⊂ Prinzip oder Gattung Am Beispiel von Buch lässt sich auch mit einigen Kriterien von Cruse (2000: 115) zeigen, dass die Varianten sich von Polysemen unterscheiden, vergleiche: Unabhängige Wahrheitsbedingungen: „Magst du das Buch? - „Ja, es ist interessant“ (Inhalt) und - „Nein, es ist hässlich.“ (Umschlag o.ä.) Unabhängige Sinnrelationen: Buch1: Roman, Novelle, Biographie… Buch2: Taschenbuch, gebundene Ausgabe … Bierwisch geht für Gruppen von Beispielen wie Schule und Buch von einer generalisierten, dreistufigen Konzeptverschiebung aus: 31 Folgende Verschiebung auf ein Kollektiv ist möglich: „Projekt C2 bespricht Theories of Case von M.Butt“ (aus einer E-Mail von Udo Klein). Da Projekte normalerweise aber kein eigenes Gebäude haben, ist diese Verschiebung nicht möglich. 32 Analog dazu: Zeitung, Roman, Novelle, Brief, Stadtplan etc. 29 - Prinzip oder Gattung - Struktur oder Institution - raumzeitlichem Objekt oder Ereignis 3.2 Die semantische Repräsentation lexikalischer Einheiten Vor diesem Hintergrund versucht Bierwisch nun die Frage zu beantworten, wie ein semantischer Lexikoneintrag für eine solche lexikalische Einheit aussehen könnte. Die Annahme, dass SEM die „voll spezifizierte konzeptuelle Repräsentation seiner primären Interpretationsvariante“ ist33, von welcher bestimmte Funktionen (F’) die anderen Konzepte ableiten, lehnt er aus folgenden Gründen ab: i. Es ist nicht klar, welche Variante jeweils diese primäre bzw. wörtliche Bedeutung darstellen sollte und warum. Außerdem würde das bedeuten, dass die abgeleiteten Varianten schwerer zu verstehen bzw. zu verarbeiten wären, da sie sozusagen nicht im gleichen Maße wörtlich bzw. unmittelbar wären wie die primäre Variante. ii. Außerdem sind arbiträre Restriktionen, wie die Nichtzugänglichkeit von Regierung für eine Lokalität, schwer zu erklären, da jeweils die Anwendbarkeit bestimmter Funktionen zusätzlich definiert werden müsste (also fLok wird nicht angewendet bei Regierung usw.). Bierwisch schlägt nun eine Alternative vor, um diese Probleme zu lösen: Diese sieht vor, dass der Lexikoneintrag nicht die voll spezifizierte primäre Interpretationsvariante, sondern alle konzeptuellen Einheiten umfasst. Diese werden dann erst durch bestimmte konzeptuelle Schemata in spezifizierte Konzepte umgewandelt. Die Repräsentation von SEM für Schule sieht dann folgendermaßen aus: 33 Beim Beispiel Schule also Schule1 (Institution). 30 (34) X̂ [ZWECK X W] mit W = Lehr- und Lernprozesse34 Im Gegensatz zur ersten Möglichkeit wird hier also aus dem genannten Grund auf eine festgelegte Basisvariante verzichtet und stattdessen diese unspezifizierte Struktur angenommen, welche es erlaubt, die jeweiligen Varianten durch unterschiedliche Operationen zu spezifizieren und zwar erst auf der Ebene von m, der Äußerungsbedeutung, so z.B.: (35) X̂ [INSTITUTION X UND SEM X]35 (36) X̂ [GEBÄUDE X UND SEM X] usw. Es gibt also keine prominente Interpretation und somit auch keine abgeleiteten Varianten, da alle aus derselben unterspezifizierten Struktur spezifiziert werden.36 Idiosynkratische Restriktionen, wie z.B. bei Regierung, können dabei so erklärt werden, dass solche Lexikoneinheiten weniger variabel sind: Regierung wäre demnach durch seine konzeptuellen Gegebenheiten bereits spezifiziert für die Institutionsvariante, im Gegensatz zu Parlament: (37) X̂ [INSTITUTION X UND ZWECK X W’’]37 Warum diese konzeptuellen Gegebenheiten dergestalt sein sollten, dass sie die Gebäudelesart nicht zulassen und wie die genauen, komplexen Konzepte (bzw. „Alltagstheorien“) für Institution usw. aussehen, wird jedoch nicht genauer erörtert und muss zunächst offen bleiben. Von tatsächlich ambigen Lexemen unterscheiden sich die Varianten von konzeptuellen Verschiebungen zudem durch ihre Koordinationsmöglichkeiten: Ambige Lesarten von Lexemen können, wie gesagt, im selben Satzzusammenhang nicht miteinander kombiniert werden: (38) 34 35 *Die Bank hat noch nicht geöffnet und ist unbequem. Bierwisch verwendet hier als Notation den Abstraktor X̂ anstatt des Lambda Abstraktors (λx). SEM entspricht der Struktur in (34) und somit ergibt sich: X̂ [INSTITUTION X UND ZWECK X W] 36 Bierwisch verweist hier auf die Frage der „Merkmalhaftigkeit“ (:88), d.h. auf die Frage, ob es in Kontexten, in denen prinzipiell mehrere Varianten möglich sind, eine präferierte Variante gibt. 37 W’’ bezeichnet hier die „komplexen Spezifika […], die […] „Regierung“ charakterisieren.“ (ebd.: 88) 31 Die durch konzeptuelle Verschiebung38 erreichten Varianten dagegen weisen hierbei einen gewissen Spielraum auf, was darauf hindeutet, dass diese eher zu einer konzeptuellen Einheit gehören (vgl. Cruses Ansicht in 2.3.1): (39) Das Buch, das auf dem Tisch liegt, ist sehr gut geschrieben. (40) (?)Die Schule hat angerufen. Sie muss renoviert werden. (41) ??Die Schule hat angerufen und muss renoviert werden. Zuletzt möchte ich noch kurz auf die Konsequenzen für die Annahme der strikten Kompositionalität eingehen. Im folgenden Beispiel von Bierwisch (ebd.: 94) ergeben sich für den ersten Teilsatz die genannten Lesarten für Schule (im Zusammenspiel mit den Lesarten von verlassen): (42) ⎧ans ⎫ Hans hat die Schule verlassen und ist ⎨ ⎬ Theater gegangen. ⎩ins ⎭ Die Wahl einer bestimmten Präposition legt jedoch im zweiten Teilsatz die Interpretation von Theater fest und wirkt dabei auch auf den ersten Teilsatz zurück, so dass Schule entsprechend interpretiert werden muss: Wählt man z.B. ans Theater muss Hans zuvor aus der Institution Schule „ausgetreten“ sein. Somit wird ein top down Einfluss ausgeübt und was bei der inkrementellen (bottom up) Komposition zunächst unterspezifiziert war, kann demnach spezifiziert werden39. 38 Jedoch ist eine Kontamination bei konzeptueller Differenzierung nicht möglich, was Bierwisch durch folgendes Beispiel zeigt: ?“Er versteht weder Englisch noch seinen Vater.“ 39 Dies spricht eventuell für eine schwächere Version der Kompositionalitätsannahme, da Kontext und außersprachliches Wissen somit Einfluss nehmen können, Bierwisch legt sich dahingehend jedoch nicht fest. 32 3.3 Zusammenfassung Bierwischs Ansatz zielt also im Sinne der von ihm begründeten Zwei- EbenenSemantik auf eine Beschreibung des Zusammenspiels von semantischer und konzeptueller Repräsentation bzw. sprachlichem und konzeptuellem System für die Bedeutung ab. Für die genannten Fälle der konzeptuellen Verschiebung nimmt er an, dass ihre semantische Repräsentation eine Variable, ein unterspezifiziertes Element also, enthält, welche im Zuge der Interpretation im Kontext bestimmt wird, so dass sich der jeweilige Begriffstyp ergibt (ebd.: 95). Ausdrücke wie Schule werden also in Abhängigkeit vom Kontext begrifflich bzw. konzeptuell angereichert und spezifiziert. Auch bei konzeptueller Differenzierung nimmt Bierwisch eine Variable Z in der semantischen Repräsentation an, welche z.B. bei dem Satz „Hans hat Eva geweckt“ für die Aktion des Subjekts steht, durch welche Eva im jeweiligen Kontext geweckt wurde40. Die genannten Ausdrücke haben nach Bierwischs Theorie keine ambige Ausdrucksbedeutung wie z.B. bei Polysemie, d.h. die Verschiebungsprodukte sind nicht Teil der semantischen Repräsentation. Sie sind auch nicht vage, da die einzelnen Varianten unterscheidbar sind. Stattdessen gibt die konzeptuelle Struktur ein (unterspezifiziertes) Inventar vor, welches dann im Kontext in die jeweilige Interpretation überführt wird, so dass Verschiebungen also auf der Ebene der Äußerungsbedeutung anzusiedeln sind. Wie gesagt gibt es aber idiosynkratische Beschränkungen für die durch einen Ausdruck erfasste Konzeptfamilie, welche sprachlich bestimmt zu sein scheinen. 40 TU- CAUS X W → ∃Z[TUN Y UND CAUS Z W] 33 4. Pustejovskys Theorie eines generativen Lexikons Ein Ansatz zum Umgang mit Mehrdeutigkeit und insbesondere Polysemie von sprachlichen Ausdrücken im Lexikon ist James Pustejovskys The Generative Lexicon (1995). Innerhalb dieser Theorie kritisiert er die Sichtweise, das Lexikon sei eine statische Ansammlung von separat aufgelisteten Wortbedeutungen bzw. Bedeutungsvarianten. Stattdessen sieht er das Lexikon als komplexes, flexibel generierendes System an, welches dem kreativen Gebrauch von Wörtern in neuen Kontexten41 gerecht werden und die Zusammenhänge zwischen Bedeutungsvarianten eines polysemen Ausdrucks darstellen sollte. Auf dieser Grundlage wird dann auch das Zusammenspiel von flexiblen Wortbedeutungen in der Komposition bzw. die Rolle des Kontexts überdacht: Pustejovsky versteht die Phänomene der logischen Polysemie42 (s.u.) als eine in das Lexikon bzw. die Semantik integrierte Komponente, anstatt von (nicht kompositionellen) Sinnerweiterungsprozessen o.ä. auszugehen (vgl. Pustejovsky 1998: 6), d.h. im Gegensatz zu Bierwischs Ansatz beschäftigt sich Pustejovsky mit dem Inventar des Lexikons bzw. mit der Ebene der Ausdrucksbedeutung. 4.1 Der Phänomenbereich Pustejovsky 1995 unterscheidet zunächst nach Weinreich 1964 die verschiedenen Arten von Ambiguität wie folgt: Kontrastive Ambiguität liegt z.B. vor, wenn wir es mit Homonymen zu tun haben, deren Bedeutungen, wie gesagt, keine transparente Relation aufweisen43. Komplementäre Polysemie dagegen umfasst die Fälle, welche systematische 41 „the creative use of words in novel contexts“ (Pustejovsky 1995:1) Diese entsprechen wie gesagt Bierwischs konzeptuellen Verschiebungen. 43 Pustejovsky weist hier auf die Irrelevanz historischer bzw. etymologischer Zusammenhänge für die synchrone Untersuchung hin (1995 :27f.).Es ist jedoch nicht ganz klar, ob er auch Varianten zur kontrastiven Ambiguität zählt, deren Relation zwar synchron transparent ist, welche aber nicht zum zweiten Typ gerechnet werden können, da sie nicht so systematisch sind (z.B. Birne, blau, Schlange). 42 34 Alternationen der Bedeutung haben, d.h. verschiedene Bedeutungsvarianten44 aufweisen. Pustejovsky bezeichnet die Untergruppe der Kategorie erhaltenden Polyseme, deren Varianten überlappen, voneinander abhängen oder als kombinierte Lesart angesehen werden können, als logische Polysemie (logical polysemy, ebd.: 28), im Gegensatz zu Kategorie verändernden Einheiten wie das englische open als Adjektiv und Verb. Da Pustejovsky die Phänomene der konzeptuellen Verschiebung im Rahmen des Lexikons bzw. auf der Ebene der Ausdrucksbedeutung behandelt, wird klar, warum er diese als Untergruppe der Polysemie ansieht. Zur hier als komplementär bzw. logisch bezeichneten Art der Polysemie wurde im Rahmen dieser Arbeit bereits einiges gesagt, dennoch unterschieden sich die verschiedenen Arbeiten zu diesen Fällen zum Teil in der Zuordnung bzw. Bezeichnung der Phänomene (wie gesagt sprechen z.B. Bierwisch und Löbner von Bedeutungsverschiebungen). Deshalb sollte Pustejovskys Untersuchungsgegenstand hier noch einmal erläutert werden, um klarzumachen, was er unter logischer Polysemie versteht. Wie gesagt geht es ihm um systematische Alternationen, welche für große Gruppen von lexikalischen Einheiten zutreffen45, wie z.B.: Count / Mass: Lamm als Tier und als dessen Fleisch Behälter/ Inhalt: ein Glas trinken / ein Glas zerbrechen Figure / Ground: das verrottete / geputzte Fenster Produkt/ Hersteller: die Zeitung rief an / ist zerrissen Pflanze/ Lebensmittel: den Spinat gießen/ essen Prozess/ Resultat: die Prüfung dauerte lange/ war schwer Ort/ Menschen dort: in Stuttgart wohnen/ Stuttgart geht aus46 Diese Varianten sind jeweils beide für die Interpretation eines Nomens im Kontext relevant, sie spielen also zusammen, d.h. sie schließen sich nicht gegenseitig aus und existieren nicht getrennt voneinander wie bei kontrastiver 44 Pustejovsky spricht hier von senses. Ich werde dies wie bei Löbner 2002 (: 60) mit „Bedeutungsvarianten“ übersetzen, um die Unterscheidung zu den verschiedenen „Bedeutungen“ von Homonymen zu machen. 45 Pustejovsky geht hier im Gegensatz zu Bierwisch nicht auf idiosynkratische Beschränkungen dieser Muster ein, vgl. dazu Kapitel 3. 46 Name eines Stuttgarter Restaurantführers 35 Polysemie, wie wir bereits gesehen haben. Jedoch wird nach Pustejovsky im jeweiligen Kontext eine der Varianten fokussiert (ebd.: 32). Als weitere Beispiele für komplementäre bzw. logische Polysemie nennt er Adjektive wie gut, deren Interpretation jeweils vom Kopfnomen abhängt, die kausativ / inchoativ- Alternation von Verben (Peter zerbrach das Glas/ das Glas zerbrach) und außerdem Komplementvarianten von Verben wie vergessen oder beginnen in: (43) Marie begann, das Buch zu lesen. (44) Marie begann das Buch/ mit dem Buch. (45) Der Autor begann das Buch. Er stellt nun die Frage, wie eine lexikalische Repräsentation aussehen könnte, welche die systematischen Relationen zwischen den verschiedenen Bedeutungsvarianten von polysemen Ausdrücken mit einbezieht und kritisiert in diesem Zusammenhang die Vorgehensweise, die Varianten jeweils einzeln aufzulisten, wie es in einem so genannten Sense Enumerative Lexicon (= SEL, ebd.: 39ff.) der Fall ist. 4.2 Defizite eines Sense Enumerative Lexicon Einem SEL liegt die Vorstellung der Sprache als monomorph (monomorphic language, ebd.:56) zu Grunde, d.h. Ausdrücke haben jeweils nur einen type und eine Denotation bzw. eine wörtliche Bedeutung, so dass Bedeutungsvarianten wie gesagt jeweils einen eigenen Eintrag bekommen. Dadurch können jedoch weder die logischen Zusammenhänge zwischen Bedeutungsvarianten (komplementäre Polysemie) dargestellt werden, noch die Systematizität der oben genannten Muster. Außerdem geht die Überlappung von Bedeutungsvarianten (permeability of word senses, ebd.: 47) bzw. ihre fehlende Getrenntheit daraus nicht hervor. Die Grenzen zwischen diesen Varianten können, wie gesagt, nicht klar gezogen werden, da sie zusammen gehören. Auch der kreative Gebrauch von Wörtern in unterschiedlichen Kontexten wird daraus nicht deutlich, es kann schließlich keine erschöpfende Liste der 36 Varianten gegeben werden. Pustejovsky nennt als Beispiel Adjektive wie gut oder groß47, deren Skala je nach Kontext festgelegt wird. Er lehnt jedoch eine Theorie der Unterspezifizierung bei diesen ab, da die Interpretation seiner Meinung nach eher vom modifizierten Nomen und somit von der Komposition, als von Weltwissen oder pragmatischen Effekten abhängt (vgl. dazu 5.5 zu Nunberg). Mit creative use meint Pustejovsky aber auch nicht, dass die Sprache unbegrenzt polymorph ist, so dass Ausdrücke im Grunde keine inhärente semantische Fixierung haben. Dies würde zur Übergenerierung führen, wie es z.B. bei Searle 1979 der Fall sei. Vielmehr liegt seine Vorstellung der Sprache zwischen diesen beiden Annahmen, was bedeutet, dass er die Sprache als weakly 48 polymorphic (ebd.: 57) charakterisiert , d.h. die Sprache ist zwar nicht mono- morph, aber es gibt klar definierte semantische Restriktionen für die Generierung von Varianten, z.B. bei type coercions (s.u.) etc. 4.3 Repräsentationsebenen des generativen Lexikons Pustejovsky schlägt nun eine Sicht der Dekomposition vor, welche generative und kompositionelle Aspekte der lexikalischen Semantik in den Vordergrund stellt und in die Lexikoneinträge miteinbezieht (ebd.: 58): ein generatives Lexikon also, für dessen Organisation er die folgenden Repräsentationsebenen annimmt49. 4.3.1 Argumentstruktur Auf dieser Ebene wird die Anzahl der Argumente50 spezifiziert, welche das Nomen zu sich nimmt. Lexikalische Einheiten werden außerdem typisiert (typed): Pustejovsky unterscheidet zwischen simple, unified und complex types. Auf diese Typen und den Zusammenhang mit logischer Polysemie werde ich in 4.5 genauer eingehen. 47 Vgl. z.B. ein großer Elefant/ eine große Ameise / ein große Hilfe Er nennt u.a. Nunberg 1979 als weiteren Vertreter dieser Ansicht. 49 Ich beschränke mich hier größtenteils auf die für Nomen relevanten Aspekte, für Verben vgl. Pustejovsky 1995 :61ff. 50 Diese unterteilt er in true, default, shadow arguments und true adjuncts, worauf ich hier nicht näher eingehe, vgl. dazu ebd. 62ff. 48 37 4.3.2. Ereignisstruktur Die Ereignisstruktur gibt sowohl den Basisereignistypen, als auch die interne subevent Struktur an. Dabei werden die subevents in ihrer temporären Relation (sequentiell, simultan etc.) aufgelistet, außerdem nach ihrer Prominenz, d.h. danach, welches subevent fokussiert, also HEAD ist.Für Verben ergibt sich dabei folgendes Bild: Bei accomplishment Verben ist das Initialereignis der Kopf, weil die Herstellung eines Zustands fokussiert ist, bei achievements dagegen ist der Endzustand fokussiert und somit das zweite Ereignis als Kopf zu betrachten. Ist kein Ereignis fokussiert, bezeichnet Pustejovsky das als Unterspezifikation, d.h. es handelt sich um eine der Ereignisstruktur inhärente Polysemie, wie z.B. bei der kausativ-inchoativ Alternation, bei welcher sich die Fokussierung erst kompositionell ergibt. Für Nomen gibt die Eventstruktur an, auf Ereignisse welcher Art sie referieren, für Krieg wäre dies z.B. der Ereignistyp Prozess. Bei der Komposition spielen dann die Ereignistypen von Verb und Nomen zusammen, wie sich zeigen wird. 4.3.3 Qualiastruktur Pustejovsky versteht unter der qualia structure51 die ‚relationale Kraft’ einer lexikalischen Einheit, d.h. die verschiedenen Aspekte (Eigenschaften oder Ereignisse) bzw. qualia, die die Wortbedeutung bzw. das Verständnis eines Wortes (hier bezogen auf Nomen, allgemein aber auf alle Kategorien) oder einer Phrase ausmachen: „Qualia structure enables nouns, and consequently the NPs containing them, to encode information about particular properties and activities associated with them.“ (Pustejovsky 1995: 79) 51 In Anlehnung an: Moravcsik, J. M. 1975.“Aitia as Generative Factor in Aristotle's Philosophy”. Dialogue, 14:622-36. 38 Dazu gehören die folgenden Aspekte bzw. Rollen qualia Beschreibung Beispiele CONSTITUTIVE Die Relation zwischen einem Objekt und seinen Bestandteilen i. Material ii. Gewicht iii. Teile und Bestandteile FORMAL Beschaffenheit, welche das Objekt in einer bestimmten Domäne von anderen abgrenzt bzw. unterscheidet Zweck und Funktion des Objekts. Es handelt sich um Beschreibungen von assoziierten Ereignissen. TELIC i. Orientierung ii. Größe iii. Form iv. Dimensionalität v. Farbe vi. Position i. Zweck, den ein Handelnder bei der Durchführung einer Aktion normalerweise erfüllt. ii. Aktivitäten spezifizierende eingebaute Funktion oder Ziel. AGENTIVE Faktoren, welche zur Entstehung eines Objektes beitragen. Es handelt sich um individuelle, assoziierte Ereignisse. i. Erschaffer ii. Artefakt iii. Natürliche Art iv. Kausale Kette Diese Komponenten tragen zur Determinierung der Bedeutung bei und werden nun nicht einfach (sozusagen als Denotate des Nomens) aufgelistet, sondern in einem Lexikoneintrag wird auch ihre relationale Struktur berücksichtigt. Im Ansatz sieht das Schema für die qualia also folgendermaßen aus: (46) ⎡novel ⎤ ⎢ ⎥ ⎡ FORMAL = book ( x) ⎤ ⎥ ⎢ ⎢QUALIA = ⎢TELIC = read ( y, x) ⎥ ⎥ ⎢ ⎥⎥ ⎢ ⎢⎣ AGENT = write( z , x)⎥⎦ ⎥⎦ ⎢⎣ 39 Die Annahme einer Qualiastruktur erlaubt es nach Pustejovsky schließlich, Relationen und Transformationen nur auf bestimmte Aspekte dieser lexikalischen Struktur von Ausdrücken zu beziehen52. Die qualia stellen damit ein strukturelles Template bzw. eine Vorlage dar, so dass semantische Transformationen in Form von generativen Mechanismen darauf die Denotation einer lexikalischen Einheit verändern können: Sie können den Ausdruck nach Pustejovsky auf eine „neue“ Bedeutung abbilden (ebd.: 86). Er meint damit die Fokussierung bzw. Auswahl von bestimmten Aspekten, die bereits zum Lexikoneintrag des Ausdrucks gehören, wie sich zeigen wird. Auf diese Transformationen werde ich im nächsten Kapitel kurz eingehen. 4.4 Generative Mechanismen Durch die Organisation des Lexikons auf den verschiedenen Ebenen ist also ein reiches Inventar für lexikalische Einträge bereitgestellt. Um die Auswirkungen der kompositionellen Interpretation von Ausdrücken auf die Bedeutung zu erklären, nimmt Pustejovsky nun einige generative Mechanismen an, durch welche die Ebenen zusammengeführt werden. Nach der Theorie des generativen Lexikons werden diese Mechanismen jeweils vom syntaktischen und semantischen Umfeld bedingt, z.B. wenn die qualia Strukturen eines Verbs und eines Nomens in der Komposition zusammenspielen. Pustejovsky definiert die Mechanismen und ihre Funktion wie folgt: 4.4.1 Type Coercion Wie gesagt, werden für die Bedeutung von Ausdrücken jeweils bestimmte Typen angenommen. Wird nun aber bei der Komposition z.B. ein Verb mit einem Argument verbunden, welches von einem Typen ist, den die Verbbedeutung nicht fordert, kann dieser Typ unter bestimmten Umständen verändert werden (type coercion = ein anderer Typ wird „erzwungen“). 52 Durch die Annahme einer typed inheritance (:144) soll dabei erklärt werden, warum z.B. Roman und Lexikon zwar beides Bücher sind (FORMAL), aber ersterer ‚gelesen’ (telische Rolle von Roman: Buch), in letzterem aber ‚nachgeschlagen’ wird: Buch hat als telische Rolle INFORMATION, Lexikon dagegen REFERENZ. 40 Ein Ausdruck α hat nach Pustejovsky (1995: 115ff) also eine Menge von Verschiebungsoperatoren (shifting operators) Σα, welche den Typen und die Denotation eines Ausdrucks abhängig vom Kontext verändern können, damit die Wohlgeformtheit von Typenkombinationen gewährleistet ist: TYPE COERCION: a semantic operation that converts an argument to the type which is expected by a function, where it would otherwise result in a type error. (Pustejovsky 1995: 59) Der syntaktische Typ bleibt dabei erhalten, nur die semantische Interpretation verändert sich (ebd.: 61).Ein Beispiel wäre der folgende Satz: (47) Mary begann ein Buch. Pustejovsky nimmt an, dass das Verb beginnen ein Komplement vom Typ EREIGNIS erfordert, wie in Mary begann, ein Buch zu lesen. Deshalb wird das Nomen Buch zu einem EREIGNIS verschoben, das aus der Qualiastruktur rekonstruiert wird (TELIC = lesen (e,w,x.y); ähnlich wie oben für novel). Durch type coercion kann somit die semantische Verbindung von syntaktisch unterschiedlichen Ausdrücken gezeigt bzw. erhalten bleiben, da Buch dadurch den semantischen Typen EREIGNIS erhält bzw. auswählt, welcher bereits in seiner Qualiastruktur angelegt ist. Es ist jedoch wichtig, dass es sich nur um eine veränderte Auswahl aus der Qualiastruktur handelt, die bereits im Lexikon angelegt ist. Es wird also nicht durch den Kontext etwas hinzugefügt. 4.4.2 Selective Binding Das Selective Binding erlaubt es z.B., die unterschiedlichen Arten der Modifizierung durch Adjektive zu erklären. Für diese wird angenommen, dass sie abhängig vom Kopfnomen jeweils einen bestimmten Aspekt dieses Nomens fokussieren bzw. modifizieren. So modifiziert gut in ein gutes Messer also den Schneidevorgang (ein Messer, das gut schneidet), welcher in der telischen Rolle des Nomens gespeichert ist: TELIC = schneiden (e, x, y). So wird erklärt, wie das Adjektiv seine unterschiedlichen Varianten im Kontext erhält, d.h. im Falle des Ereignisprädikats 41 gut wird die Ereignisbeschreibung schneiden aus der qualia Struktur des Nomens zur Modifizierung ausgewählt. Wieder bezieht sich der Vorgang auf eine bereits vorhandene Repräsentation im Lexikon. 4.4.3 Co-Composition Zur Illustration dieses generativen Mechanismus benutzt Pustejovsky Verben wie bake und wipe, wobei ersteres einen ZUSTANDSWECHSEL und die HERSTELLUNG (creation) bezeichnen kann, während letzteres zwischen PROZESS und WECHSEL ambig ist. Analog zu bake funktioniert im Deutschen kochen: (48) Pia kocht eine Suppe. HERSTELLUNG (49) Pia kocht die Kartoffeln. ZUSTANDSWECHSEL Anstatt die polysemen Varianten der Verben aufzulisten (wie z.B. bei Levin und Rappaport 1995) nimmt Pustejovsky nun an, dass die Bedeutung des jeweiligen Komplements auf die Interpretation des Verbs zurückwirkt, dieses sozusagen als Argument nimmt und dessen Ereignistypen verschiebt (ebd.: 123). Daraus ergibt sich, dass das Verb nur eine Bedeutung hat, welche durch bestimmte Komplemente (wie z.B. Suppe) in andere Lesarten abgeleitet werden kann. Da die ZUSTANDSWECHSEL Lesart in der HERSTELLUNG Lesart enthalten ist, nimmt er erstere als Basisbedeutung an, so dass diese nur in bestimmten Fällen verschoben wird (z.B. nicht bei Kartoffeln o.ä.). Diese Interpretation bzw. Kokomposition entsteht durch die Operation qualia unification, d.h. auf Grundlage der Übereinstimmung zwischen der AGENTIVE Rolle von Verb und Komplement (bake_act(e,w,y)) werden die Qua-liastrukturen komponiert und die FORMALE Rolle des Komplements wird auf die gesamte VP übertragen, so dass das Komplement das Verb ko-spezifiziert. 42 4.5 Logische Polysemie: Qualiastruktur und dot objects Logische Polysemie zählt Pustejovsky 199853 zur Strong Lexical Underspeci-fication, d.h. die betreffenden lexikalischen Einheiten sind bereits in ihrer semantischen Repräsentation unterspezifiziert und werden erst durch die Komposition aufgelöst bzw. festgelegt. Den Ursprung dieser Unterspezifikation sieht er in der Komplexität der zu Grunde liegenden Typen (ebd.: 5), auf welche ich in diesem Abschnitt eingehen möchte. Um die Semantik bzw. die logische Polysemie von Nomen wie Fenster und Buch zu beschreiben, führt Pustejovsky zunächst nach Pustejovsky und Anick 1988 einen Metaeintrag (meta entry) ein: das Lexical Conceptual Paradigm (=lcp), welches Nomen nach ähnlichem Verhalten gruppiert. Dieser Metaeintrag drückt die Möglichkeit von bestimmten lexikalischen Einheiten aus, mehrere logisch zusammenhängende Bedeutungsvarianten, sozusagen als Cluster, zu umfassen. Das Nomen Tür hat z.B. eine Bedeutungsvariante vom Typen ‚physikalisches Objekt’ und eine vom Typen ‚Öffnung’, das Nomen Buch eine vom Typen ‚physikalisches Objekt’ und eine vom Typen ‚Information’. Je nach Kontext, kann also ein Buch als etwas interpretiert werden, das man durchblättern oder interessant finden kann oder beides (vgl. Pustejovsky 1998: 5), wie der folgende Satz zeigt: (50) Paul blätterte das interessante Buch durch. Aufgrund der logischen Relation zwischen den verschiedenen Varianten (σn) und ihren unterschiedlichen Selektionsrestriktionen nimmt Pustejovsky an, dass solche Ausdrücke (α) mit schwer zu trennenden Bedeutungsvarianten einen speziellen, komplexen Typen haben, einen so genannten dotted type54: 53 Neben Adjektivmodifizierung, syntaktischen Alternationen (s.o.), und light verbs etc. (vgl. Pustejovsky 1998 :2ff) 54 Bei einem Nomen mit simple type dagegen gibt es nicht zwei solche Varianten. Solche Typen können aber zusammengefasst werden (type unification, ebd.: 11f.), allerdings nur wenn es sich um unterschiedliche qualia handelt: ein simple type kann also nicht abstrakt und physikalisch zugleich sein. Pustejovsky gibt das Beispiel Artefakt, welches zunächst nicht spezifiziert, ob es sich um ein physikalisches Objekt, einen verbalen Akt etc. handelt, sondern nur, dass es vom Menschen geschaffen wurde. Es ist in dieser Hinsicht also unterspezifiziert, kann aber z.B. mit einem Subtypen, dessen formale Rolle physikalisches Objekt ist, vereint werden, so dass wir Artefakte erhalten, die physikalische Objekte sind (phys_Artefakt). Hierfür ist die Konjunktion von Typen also ausreichend. Für eine genaue Beschreibung vgl. Pustejovsky 1995: 147. 43 α : σ1 α : σ2 lcp (α) : σ1 . σ2 Ausdruck α hat also zwei Basisvarianten und der dotted type55 zeigt an, dass auch beide kombiniert aufrufbar sind bzw., dass sie logisch zusammenhängen. Das lcp (bzw. Typencluster) für Tür sähe demnach folgendermaßen aus: phys_Obj.Öffnung_lcp = {phys_Obj.Öffnung, phys_Obj , Öffnung} Ebenso inkorporiert Buch die simple types ‚physikalisches Objekt’ und ‚Information’. Zusätzlich zu ihren dotted types weisen solche lexikalischen Einheiten bereits in der qualia Struktur eine Relation zwischen beiden Typen auf, welche diese strukturiert (z.B. für Buch phys_Obj.Information_lcp: FORMAL = enthält (y,x)). Für lexikalische Einheiten wie Zeitung, welche neben den Typen ‚physikalisches Objekt’ und ‚Information’ auch noch eine ‚Organisation’ -Lesart haben („Die Zeitung hat ihren Chefredakteur gefeuert“), ergibt sich dann eine verschachtelte Struktur, da es sich praktisch um zwei Typen handelt (print- matter. Organisation), von denen einer selbst wieder ein dot object ist (print- matter_lcp: phys_Obj.Information, phys.Objekt , Info.): β : σ3 β : σ1.σ2 lcp2 (β) : σ3 .(σ1.σ2) Trotz der Komplexität dieser Typen handelt es sich bei Zeitung nicht um einen unified type da zwei Typen der selben qualia Rolle vorhanden sind und logische Polysemie nach Pustejovsky (1995: 152f.) nicht durch die Konjunktion von simple 55 Pustejovsky 1998 (:15) unterscheidet dabei exozentrische dot objects, welche auf nur eine Variante oder beide referieren können, von endozentrischen, welche auch bei Fokussierung einer Variante grundsätzlich auf beide referieren, wie Buch. 44 types oder Eigenschaften repräsentiert werden kann (vgl. Fußnote 45), was die Annahme von dotted types motiviert. 4.6 Zusammenfassung Die unterschiedlichen, aber in systematischer Weise zusammenhängenden Bedeutungsvarianten, die die logische Polysemie ausmachen, werden bei Pustejovsky also ebenfalls mit der Annahme einer unterspezifizierten semantischen Repräsentation erklärt, namentlich mit den komplexen dot objects, welche die jeweiligen Typen umfassen. Jedoch geht Pustejovsky im Gegensatz zu Bierwisch nicht auf eine Verbindung mit dem konzeptuellen System ein, welches nach Pustejovsky und Anick 1988 unabhängig und getrennt vom lexikalischen System ist und andere Informationen enthält, welche nicht so zugänglich für die syntaktische Selektion sind. Stattdessen reichert Pustejovsky das Lexikon bzw. die lexikalischen Repräsentationen selbst mit mehr Information an, welche durch generative bzw. kompositionelle Prozesse in die jeweiligen Interpretationen überführt bzw. spezifiziert werden. Das Phänomen der konzeptuellen Verschiebung wird bei Pustejovsky also ausschließlich auf der Ebene der Ausdrucksbedeutung verhandelt, was wie gesagt seine Bezeichnung als logische Polysemie erklärt, da Polysemie (nach Löbner) im Lexikon gespeicherte Ambiguität ist. Dabei wurde zum Teil kritisiert, das Lexikon sei nach dieser Theorie nicht mehr ökonomisch genug, weil zu viel Weltwissen darin eingeführt werde (vgl. z.B. Dölling 200556). Pustejovsky setzt dem jedoch entgegen, dass die Grenzen zwischen Weltwissen und sprachspezifischem Wissen seiner Meinung nach nicht klar zu ziehen seien (Pustejovsky 1995: 233). Im Hinblick auf die folgende Theorie sei hier darauf hingewiesen, dass Pustejovsky (1998: 14) die Interpretation bzw. Bedeutung des Nomens als Person im folgenden Beispiel ebenfalls im Lexikon behandelt: 56 Für eine Alternative im Sinne einer Modifikation und Weiterentwicklung von Bierwischs ZweiEbenen- Semantik vgl. z.B. Levinson 2000, Recanati 2004 und Dölling 2006, 2007. Dort wird von einer „gestuften Modularität von Semantik und Pragmatik“ bzw. einem Mehr- Ebenen- Modell ausgegangen. Die Spezifizierung bzw. Anreicherung der radikal unterspezifizierten semantischen Form fällt dabei grundsätzlich in den Bereich der Pragmatik. 45 (50) My next appointment is John. Dabei stellt sich die Frage, ob der Lexikoneintrag von Termin bzw. Verabredung wirklich umfassen muss, dass es sich hierbei auch um eine Person handeln kann, oder ob sich das Verständnis eines solchen Satzes nicht aus allgemeineren, unabhängigen Prinzipien ergibt. Nimmt man außerdem an, dass es sich um eine Verschiebung der NP, einer Phrase also, handelt, könnte das mit einer reinen Lexikontheorie nicht erklärt werden. Nunbergs Theorie57 beschäftigt sich laut Pustejovsky 1995 nun mit Ambiguitäten bzw. Prozessen, welche idiosynkratisch und semi- produktiv sind (d.h. sie unterliegen Gebrauchskonventionen) und sich dadurch von logischer Polysemie unterscheiden (ebd.: 233f.). Aufgrund der von Nunberg behandelten Fälle (s.u.), welche sehr kontextabhängig sind und nicht allein aus dem lexikalischen Wissen erklärt werden können, kommt Pustejovsky aber zu dem Schluss, dass die unterschiedlichen Phänomene der Polysemie ein Resultat aus kompositionellen Operationen innerhalb der Semantik (coercion, co-composition), aber auch kontextueller Effekte bzw. pragmatischer Bedingungen zu sein scheinen. 57 Außerdem z.B. Fauconnier 1985 und Jackendoff 1992. 46 5. Nunbergs pragmatischer Ansatz des Prädikatstransfers Auf der Grundlage der bekannten Theorien von Bierwisch und Pustejovsky, welche eher die semantische und konzeptuelle Seite des Phänomenbereichs darstellen, werde ich nun auf einen Ansatz von Geoffrey Nunberg eingehen, welcher die Schnittstelle zwischen lexikalischem Wissen und pragmatischen Bedingungen behandelt. In seinem Aufsatz „The Non-Uniqueness of Semantic Solutions: Polysemy” (1979) setzt er sich bereits kritisch mit den Problemen der Festlegung von Bedeutung und der Unterscheidung von so genannten konventionellen und nichtkonventionellen Bedeutungen bzw. Gebrauchsweisen auseinander. Nunberg plädiert für einen pragmatischen Ansatz zur Erklärung von Polysemie u.ä. und betrachtet dazu auch common knowledge und Hintergrundannahmen von Sprecher und Hörer58. Jedoch geht er in diesem, wie auch in seinem Aufsatz „Transfers of Meaning“ (1995), neben systematischer Polysemie auch verstärkt auf deferred ostension, d.h. verschobene indexikalische Referenz, ein. Ich werde mich hier auf die Besprechung seiner Theorie zur deferred interpretation beschränken, welche er in „Transfers of Meaning“ (1995) und „The Pragmatics of Deferred Reference“ (2004) entwickelt. Nunberg 2004 versucht, Bedeutungsverschiebungen zum Teil mit pragmatischen Prozessen zu erklären und wirft darin die Frage auf, was verschoben wird, wenn man einen solchen Transfer annimmt: die Referenz oder die Bedeutung, die NP oder die VP? Aus seinen Beobachtungen schließt er, dass es sich bei Bedeutungsverschiebungen um einen phrasalen Prozess handelt, der nicht allein durch lexikalisches Wissen erklärt werden und somit auch nicht auf der Ebene der Ausdrucksbedeutung angenommen werden kann. Anders als bei Bierwisch und Pustejovsky, die sich eher mit der Bedeutung einzelner Lexeme beschäftigen, betrachtet Nunberg also ganze Phrasen und Sätze und ihre Bedeutung im Diskurs. 58 Außerdem übernimmt er in Nunberg 1979 den Begriff cue validity ( „the relative usefulness of a given description for purposes of identification“ , ebd.: 160) aus der Psychologie, welcher die Grundlage für seine später postulierten Bedingungen für Bedeutungsverschiebungen bildet. 47 5.1 Deferred Interpretation Nunberg definiert das Phänomen der verschobenen Interpretation wie folgt: “By deferred interpretation (or “deference”) I mean the phenomenon whereby expressions can be used to refer to something that isn’t explicitly included in the conventional denotation of that expression.” (ebd.: 344) Nunberg versucht also, die linguistischen Mechanismen zu erklären, die es ermöglichen, Ausdrücke in bestimmten Fällen zur Beschreibung von etwas zu benutzen, das sich nicht aus unserem lexikalischen Wissen über den Ausdruck ergeben kann. Es handelt sich also nicht um ambige Ausdrucksbedeutungen, sondern um Verschiebungen im Äußerungskontext, welche durch das Prinzip der konsistenten Interpretation ausgelöst werden (vgl. 2.3). Hierunter fallen Beispiele wie (13): (13) Die Lungenentzündung auf Zimmer 11 hat Durst. Nunberg versucht jedoch, allgemeine Prozesse als Motivation zu definieren, die sowohl lexikalisierten, als auch nur pragmatisch herleitbaren Varianten der Bedeutung zu Grunde liegen. Für von Konventionalisierung bzw. Bedeutungserweiterung im Lexikon betroffene Bedeutungsvarianten werden also dieselben zu Grunde liegenden Prinzipien angenommen, auch wenn diese Varianten darüber hinaus durch die Sprache angereichert oder eingeschränkt sein können59. Hierunter fallen auch systematisch polyseme Ausdrücke, worauf ich in 5.4 bzw. 5.5 eingehen werde. Er macht hier im Gegensatz zu Pustejovsky also keinen so strikten Unterschied zwischen lexikalischen und extralexikalisch bedingten Phänomenen bzw. den Mechanismen, die diese lizensieren. Außerdem sind für Nunberg konzeptuelle Relationen bzw. Übereinstimmungen (correspondence) nicht unbedingt als linguistisches Unter- scheidungskriterium sinnvoll (also z.B. die Unterscheidung Metonymie, Metapher60), da sie seiner Meinung nach wiederum aus demselben zugrunde 59 Nunberg wehrt sich hier z.B. gegen die verbreitete Sicht von polysemen Varianten als „toten“ oder „eingefrorenen“ Metaphern, welche also einfach nicht mehr transparent sind. 60 Für einen integrierten Erklärungsansatz zu Metonymie und Metapher vgl. auch Dölling 1999, welcher u.a. aber auch von unterschiedlichen Ergebnissen bei lexikalischer Konventionalisierung ausgeht: bei Metonymie von systematischer, bei Metapher von auf Ähnlichkeit beruhender Polysemie. 48 liegenden Prinzip entstehen können (vgl. Nunberg 1995: 111f.). Das heißt, Transfers bzw. Verschiebungen unterliegen auch Beschränkungen, die von unabhängigen Bedingungen kommen, wie wir später sehen werden.61 Unter dem Begriff Meaning Transfer (Nunberg 2004: 346) fasst er also den metonymischen und metaphorischen Gebrauch von Namen und Beschrei-bungen zusammen. Es stellt sich die Frage, welche Umstände gegeben sein müssen bzw. welche Restriktionen es gibt, um einen Ausdruck für eine Eigenschaft A als Ausdruck für eine andere Eigenschaft62 B gebrauchen zu können, so dass auch der Hörer die Äußerung versteht: Nunberg definiert die Bedingung, dass die Eigenschaft von x und die Eigenschaft von y in einer salienten, funktionalen Relation zueinander stehen müssen, damit der Ausdruck für erstere gebraucht werden kann um auf letztere zu referieren (ebd.: 347). Eine genaue Beschreibung dieser Relation folgt (s.u.), motiviert sein kann sie durch: - direkte Übereinstimmung durch Ähnlichkeit (Metapher) oder durch - eine Relation zwischen den Trägern der Eigenschaft (Metonymie) Betrachten wir hierzu Nunbergs Beispiel: (51) Spielberg bought the novel for $1 million. Dieser Satz kann zwar auch wörtlich interpretiert werden, allerdings ist es unwahrscheinlich, dass man ein einziges Buch für eine Million kauft. Gemeint sind hier die Filmrechte für den Roman bzw. für seinen Inhalt (nach Pustejovsky und Bierwisch die Informationsvariante), die es jeweils nur einmal für jeden Roman gibt und die somit in Korrespondenz zum Roman stehen, weshalb die Verschiebung möglich ist. Verschiebungen sind wie hier bei lexikalischen, aber auch phrasalen Prädikaten, in attributivem oder prädikativem Gebrauch zu finden. 61 Er unterscheidet außerdem zwischen zwei Arten von verschobener Interpretation: bezogen auf deskriptive oder auf indexikalische und demonstrative Ausdrücke, wie in „This is parked out back“ (auf einen Schlüssel zeigend). Diese können wiederum derselben konzeptuellen Relation entsprechen, wie bei deskriptiven Ausdrücken. Vgl. hierzu genauer Nunberg 1995. 62 Dies lässt sich nach Nunberg leicht modifiziert auch auf Relationen und andere Typen übertragen. 49 5.2 Prädikatstransfer: die Bildung von komplexen Prädikaten Nunberg stellt nun die Frage, an welchem Teil eines Satzes bei einem mismatch (vgl. Prinzip der konsistenten Interpretation 2.3) eine Verschiebung stattfindet. Dazu führt er folgendes Beispiel ein: (52) I am parked out back. Dieser Satz kann nicht wörtlich interpretiert werden (auf Deutsch in etwa „Ich parke da hinten/ hinter dem Haus“), da der Sprecher sich dem Hörer gegenüber befindet, es muss also eine Modifikation stattfinden, um eine sinnvolle Lesart zu erhalten. Ich werde hier mit einem analogen deutschen Beispiel fortfahren, auf welches Nunbergs Beobachtungen gleichermaßen zutreffen: (53) Ich bin zugeparkt. Intuitiv könnte man annehmen, dass der Transfer am Subjekt stattfindet, das heißt der Ausdruck für den Fahrer bzw. Sprecher wird verwendet, um das Auto zu bezeichnen und dann seinen Standort bzw. seine Eigenschaft zu bestimmen, so dass es sich um eine metonymische Verschiebung vom Auto auf dessen Fahrer handeln würde. Nunberg argumentiert jedoch gegen diese Position der Verschiebung, da z.B. im Falle, dass ein einzelner Fahrer zwei zugeparkte Autos besitzt, keine Pluralbildung mit dieser Lesart möglich ist: (54) *Wir sind zugeparkt. Wäre das Pronomen verschoben, müsste dieser Satz jedoch akzeptabel sein, da wir es mit zwei Autos zu tun haben. Ein weiteres Argument, welches gegen diese Position spricht, ist eine Verbindung mit anderen Prädikaten. Diese ist nur möglich, wenn sich das Prädikat auf den Sprecher bezieht: (55) Ich bin zugeparkt und warte seit 15 Minuten. 50 Das sollte aber nicht möglich sein, wenn der Fahrer bzw. der Sprecher eigentlich eine verschobene Lesart des Nomens Auto ist. Folgendes Beispiel sollte bei dieser Sichtweise jedoch akzeptabel sein, da man ja annehmen würde, dass das Pronomen ‚ich’ nun das Auto bezeichnet: (56) *Ich bin zugeparkt und springe nicht an. Dies ist aber nicht der Fall, das Pronomen kann also nicht verwendet worden sein, um das Auto zu bezeichnen. Als Tests, um zu zeigen, welcher Teil eines Satzes verschoben wird, dienen hier also: - Pluralbildung in Bezug auf den ursprünglichen/ neuen Referenten und - Koordination in Bezug auf den ursprünglichen/ neuen Referenten Deshalb folgert Nunberg, dass nicht das Pronomen bzw. die Referenz des Pronomens verschoben wurde, sondern der Transfer auf die konventionelle Bedeutung des Prädikats bezogen ist (ebd.: 347), da das Nomen immer noch den Fahrer zu bezeichnen scheint. Der Ausdruck für die Eigenschaft von Autos, an einem bestimmten Ort geparkt bzw. in einer bestimmten Situation zu sein, wird also gebraucht als Ausdruck für eine Eigenschaft von Personen, deren Auto dort geparkt bzw. in diesem Zustand ist. Es wird also nicht die Referenz, sondern die Bedeutung verschoben63: Das ursprüngliche Prädikat bezeichnet wie gesagt eine Eigenschaft von Autos. Nun findet hier eine Verschiebung auf eine komplexere Bedeutung von parked out back statt: auf die Eigenschaft, ein Auto zu besitzen, welches zugeparkt ist. Für beide Prädikate wird der gleiche Ausdruck verwendet. Es ergibt sich also die komplexere Prädikatsbedeutung in (57): (53) Ich bin zugeparkt. → Der Sprecher hat die Eigenschaft, zugeparkt zu sein. (57) Ich habe die Eigenschaft, ein Auto zu besitzen, welches zugeparkt ist. 63 zum Unterschied zwischen Referenz- und Prädikatstransfer siehe unten. 51 Das ursprüngliche Prädikat ist also Teil des neuen Prädikats, welches nun auch den Fahrer des Autos mit einbezieht. Das ist möglich, da zwischen den Trägern bzw. zwischen dem Standort von Autos und den daraus resultierenden Eigenschaften ihrer Fahrer eine funktionale Korrespondenz besteht. Wenn das Auto also nicht losfahren kann, kann auch der Fahrer nicht (mit diesem) losfahren. Es lassen sich im alltäglichen Sprachgebrauch zahlreiche solche Beispiele finden, z.B. „Ich habe einen Platten“ („Ich habe ein Fahrrad, welches einen Platten hat“), „Wir steigen ab“ („Die Mannschaft, zu deren Fans ich gehöre, steigt ab“) etc. Diese entsprechen den Griceschen Konversationsmaximen, da sie nur so informativ wie nötig sind: Man muss das komplexere Prädikat nicht ausformulieren, um vom Gegenüber verstanden zu werden. Levinson 2000b beschreibt dieses Phänomen des Informationsaustauschs wie einen Flaschenhals (bottleneck): Das heißt, wir wollen bzw. müssen mehr Information übermitteln können, als uns „technisch“64 möglich ist. Damit dabei das Verständnis gewährleistet ist, müssen bestimmte Bedingungen eingehalten werden, sonst würde weniger Aufwand beim Sprecher zu mehr Aufwand oder Unverständnis beim Hörer führen. 5.2.1 Bedingungen für Bedeutungsverschiebungen Die erste Bedingung für Bedeutungsverschiebungen ist also aus den oben genannten Beispielen deutlich geworden. Diese definiert Nunberg zunächst folgendermaßen: (58) Condition on Meaning Transfer Let P and P’ be sets of properties that are related by a salient function gt: P → P’. Then if F is a predicate that denotes a property P ∈ P, there is also a predicate F’, spelled like F, that denotes the Property P’, where P’ = gt (P). Nach den genannten Beispielen wird klar, dass diese Bedingung für die metonymische Verschiebung nicht so übernommen werden kann, da es dabei offensichtlich keine saliente funktionale Relation zwischen den Eigenschaften selbst gibt, sondern, wie bereits gesagt, zwischen den Trägern. 64 Es würde viel zu lange dauern, alles explizit auszudrücken. Mit dieser Tatsache lassen sich pragmatische Schlüsse motivieren, vgl. z.B. Levinson (2000b). 52 Deshalb modifiziert Nunberg diese Bedingungen, die für Metaphern (Synästhesie) gelten, hinsichtlich der metonymischen Verschiebung, da es sich bei metaphorischem Gebrauch um eine „direkte funktionale Beziehung“ zwischen den Eigenschaften handelt: z.B. bei Temperaturangaben wie kalt und warm, die auch Wesenszüge von Menschen etc. beschreiben können65. Für die metonymische Verschiebung gilt aber, dass die Eigenschaft eines Trägers auf einen anderen Träger übertragen werden kann, wenn zwischen diesen eine solche Relation besteht. Nunberg definiert also die folgende, modifizierte Bedingung, die die Relation nicht auf die Eigenschaften selbst bezieht: (59) Metonymic Transfers Let h be a salient function from a set of things A to another (disjoint) set of things B. Then for any predicate F that denotes a property P that applies to something in A, we can represent the meaning of a derived predicate F’, spelled like F, as in either a or b: a. b. λP. λ y (∀x [dom h]. h(x) = y → P(x)) λP. λ y (∃x [dom h]. h(x) = y and P(x)) Bei dem abgeleiteten Prädikat F’, welches wie F geschrieben wird, handelt es sich wie gesagt um eine erweiterte bzw. komplexere Version des Prädikats F. Die Unterscheidung von a. und b. wird bei Nunberg plausibel durch Beispiele wie (60) und (61): (60) I’m published by Knopf. → Alle Bücher des Sprechers werden von Knopf herausgegeben. (61) I am in the Whitney. → Nur (mindestens) ein Werk des Künstlers ist im Museum Nunberg weist außerdem darauf hin, dass es sich bei Bedeutungsverschiebungen um einen einzigen linguistischen Prozess handelt, auch wenn die Bedingung für die Metonymie modifiziert werden muss. Um zu zeigen, was Nunberg bei seinem Prädikatstransfer unter Prädikaten versteht, gebe ich weitere Beispiele von Nunberg (2004: 347) wieder. Nunberg behauptet nicht, dass Bedeutungsverschiebungen immer die VP betreffen, denn 65 Auch das englische Wort cool ist z.B. im Deutschen gebräuchlich. 53 relevante Eigenschaften bzw. Prädikate können auch als Gattungsnamen ausgedrückt werden wie in: (62) Who is the ham sandwich? (63) The ham sandwich is at table seven. Würde man Sätze wie diese wörtlich interpretieren, müsste das in etwa so aussehen, wie in diesem Comic: Dies kann aber nicht der Fall sein und wir möchten auch nicht annehmen, dass der Besteller einer Mahlzeit zum Lexikoneintrag des jeweiligen Gerichts gehört. Dies erschließt sich eher aus der gegebenen Situation. Die charakteristischste Eigenschaft von Restaurantgästen ergibt sich für den Kellner spontan über die Relation zum bestellten Gericht, was natürlich nur in diesem sehr speziellen Kontext funktioniert. Auch hier ist also nach Nunberg tatsächlich die Bedeutung des Gattungsnamens ham sandwich verschoben auf eine Eigenschaft von Personen, die ein Schinkensandwich bestellt haben, so dass man wieder ein komplexeres Prädikat erhält. Er argumentiert bei diesem Beispiel gegen eine Referenzverschiebung der NP und für eine Bedeutungsverschiebung des Gattungsnamens, indem er z.B. die Präsupposition des definiten Artikels betrachtet: Wäre die Referenz der NP verschoben, würde die Existenz eines einzigen Schinkensandwich präsupponiert, von welchem die Referenz dann auf den Besteller verschoben wird. Nunberg plädiert dagegen für die Präsupposition eines einzigen Bestellers, da es nicht notwendig nur ein einziges solches Sandwich gibt (vgl. Nunberg 1995: 115f.) Das Prinzip der Prädikatsanreicherung lässt sich nun unter Umständen auch für systematische Verschiebungen annehmen: „Faulkner ist schwer zu verstehen“ kann z.B. als Erweiterung im Sinne von „Faulkners Werke sind schwer zu 54 verstehen“ angesehen werden und „Die Schule hat angerufen“ als „Jemand vom Personal der Schule hat angerufen“. Wie gesagt sind diese jedoch viel kontextunabhängiger und folgen allgemeingültigen Mustern. 5.2.2 Das pragmatische Kriterium der Noteworthiness Es stellt sich nun die Frage, was genau eine saliente funktionale Relation ist bzw. welche Eigenschaften sie als solche charakterisieren. Nach Nunberg (1995: 128f) liegt eine solche Relation vor, wenn sie für Sprecher und Hörer bekannt ist und die Domäne (z.B. die der ‚Parkplätze’) von anderen Domänen unterschieden werden kann. Die bereits genannten Bedingungen für Bedeutungsverschiebungen haben sich eher auf die Wahrheitsbedingungen bezogen, da sie lediglich das Beschreibungspotential von Ausdrücken erweitert haben, und zwar um die Möglichkeit der Verschiebung auf komplexere Prädikate. Dieses Prinzip können wir der Semantik zurechnen. Nunberg wendet sich darüber hinaus der Frage zu, wann bzw. warum solche Verschiebungen möglich sind und wann nicht, welche Restriktionen also angenommen werden müssen, um inakzeptable Interpretationen auszuschließen. Die Bedingung in (59) würde nach Nunberg 2004 viele Verschiebungen zulassen bzw. ermöglichen, welche nicht akzeptabel sind. Betrachten wir z.B. (64) als Äußerung eines Künstlers in Bezug auf ein Museum bzw. seine Werke dort, oder (65), bezogen auf das Auto des verstorbenen Ringo: (64) ?I’m in the second crate on the right.66 (65) ?Ringo was hit in the fender by a truck two days after he died.67 (aus Jackendoff 1992) Auch wäre es seltsam, (66) auf einer Party von einem weiblichen Gast zu hören: (66) ?Das Schinkenbrötchen (da drüben) ist mein Mann. 66 Im Gegensatz zu: „I’m in the Whitney.“ 67 Im Gegensatz zu: “Ringo was hit in the fender by a truck when he was momentarily distracted by a Motorcycle“. 55 Außerdem sollte man mit Schinkenbrötchen dann z.B. auch eine Person bezeichnen können, die allgemein gerne Schinkenbrötchen mag, an diesem Tag aber keines isst, und auch auf die Person, die das Gericht zubereitet oder serviert, anstatt auf den Besteller. Auch (67) wäre unangemessen unter der Annahme, dass der Sprecher sein Auto an seinen Bruder verliehen hat: (67) ?Ich bin zugeparkt. Mein Bruder kommt etwas später. Zuletzt sei noch die am Tage nach der Papstwahl erschienene Überschrift aus der Bildzeitung genannt: (68) 20.04.2005 Es stellt sich die Frage, warum diese Überschrift intuitiv nicht so akzeptabel ist wie die analoge Bildung „Wir sind Weltmeister“. Eine zusätzliche Bedingung ist also nötig, um die Ungewöhnlichkeit dieser Fälle zu erklären. Um diese zu formulieren gilt es herauszufinden, warum die oben genannten Beispiele nicht akzeptabel bzw. nicht gebräuchlich sind. In einigen Beispielen hat sich bereits gezeigt, dass der Kontext, in welchem diese Äußerungen gemacht werden, für die Interpretation ausschlaggebend ist, wie z.B. (62) in einer Konversation zwischen Kellnern im Restaurant im Gegensatz zu (66). Um diese Abhängigkeit von einer bestimmten Konversationssituation deutlich zu machen, ist nun eine pragmatische Bedingung notwendig. Nunberg definiert das Kriterium der Noteworthiness: Demnach ist ein Prädikatstransfer nur möglich, wenn dieses Prädikat hilfreich bzw. nennenswert ist bei der Klassifizierung oder Identifikation seines Trägers relativ zu den konversationellen Interessen (vgl. ebd.: 349). 56 Das Prädikat kann also nur eine neue bzw. erweiterte Eigenschaft ausdrücken, wenn diese auch nennenswert ist. Dies erklärt, warum die genannten Beispiele nicht akzeptabel sind: Wenn Ringo bereits tot ist, hat der Unfall keinen nennenswerten Einfluss mehr auf ihn selbst und ein Kunstwerk in einer Kiste im Museum zu haben ist ebenfalls keine Eigenschaft, die einen Künstler neu definiert. Zudem wirkt sich die Unfähigkeit, wegzufahren, in (67) ebenfalls nicht direkt auf den Sprecher selbst aus und somit lässt sich diese nicht vom Auto des Sprechers auf ihn selbst übertragen, da sie für ihn nicht nennenswert ist. Einen Koch o.ä. über eine bestimmte Mahlzeit zu beschreiben, die er hergestellt hat, ist ebenfalls nicht sehr hilfreich, da er höchstwahrscheinlich zahlreiche Gerichte zubereitet. Komplizierter wird ein Erklärungsversuch bei dem Papstbeispiel aus (68): Die angenommene Relation zwischen dem Papst und seinen Landsleuten, welche durch wir ausgedrückt wird, besteht darin, dass die Deutschen die gleiche Nationalität haben wie der neue Papst (Ratzinger). Diese Relation ist aber nicht gerechtfertigt, da seine Nationalität für sein Amt nicht relevant ist, im Gegensatz zur Nationalmannschaft eines Landes, welche dieses vertritt und für dieses gegen andere Nationen antritt. Der Papst hingegen ist das Oberhaupt der katholischen Kirche und vertritt somit nicht ein bestimmtes Land, sondern eine Glaubensrichtung.68 Das Kriterium der Noteworthiness nimmt Nunberg zum Teil auch für systematische Polysemie an, vgl. dazu 5.5. Ein letztes Beispiel zur Relevanz dieses Kriteriums stammt aus Cruse 2000 (hier in meiner deutschen Übersetzung): (69) Marie hat ein Bankkonto geheiratet. Cruse zählt dies zur Polysemie, wobei es plausibler scheint, eine kontextabhängige Verschiebung anzunehmen. Der Inhaber des Bankkontos muss in diesem Fall hinreichend über diese Eigenschaft charakterisierbar sein, es kann sich also nicht um eine beliebige Person mit einem Bankkonto handeln und die 68 Interessant ist hierbei auch die Mutmaßung des Kabarettisten Hagen Rether, die Bildzeitung würde einen Artikel über den Tod des Papstes demnach folgendermaßen überschreiben: „Wir sind tot.“ Auch der TV-Tipp einer Fernsehzeitschrift zur Sendung über den 80. Geburtstag des Papstes wurde später mit „Wir werden 80“ betitelt. Außerdem wirbt der Fernsehsender Das Vierte mit dem Slogan: „Wir sind Hollywood.“ 57 Verschiebung kann deshalb auch nicht auf jeden Inhaber eines solchen angewendet werden. 5.3 Zur Bestimmung von Transferpositionen Das Kriterium nennenswert zu sein, ist nach Nunberg außerdem hilfreich, um Verschiebungspositionen zu bestimmen (NP oder VP), d.h. seiner Meinung nach muss der ganze Satz betrachtet werden. Er adaptiert hierfür den folgenden Beispielsatz aus Copestake und Briscoe 199569, welcher Verschiebungen an geographischen bzw. Ortsbezeichnungen exemplifiziert: (70) The south side of Cambridge voted Conservative. Entweder die NP beschreibt hier also ein Gruppe von Menschen, oder die VP eine Eigenschaft von Gerichtsbezirken, die sie über was Wahlverhalten ihrer Einwohner erhalten. Nunberg plädiert für die Verschiebung der NP (Ortsbezeichnung auf Menschen), da diese nur möglich sei, wenn sie eine Eigenschaft beschreibe, welche nennenswert für die Personen ist70. Außerdem wird bei einem solchen Beispiel klar, dass es sich bei Verschiebungen um einen phrasalen Prozess handelt (vgl. Nunberg 1995: 119), da die ganze Phrase verschoben wird. Dies könnte ein lexikalischer Ansatz, der ja von Lexikoneinträgen einzelner Wörter ausgeht, nicht erklären. Noch klarer wird die genannte Restriktion für die NP bei folgendem Beispiel von Nunberg: (71) The huge (?domed) stadium rose as one to cheer the team. Nur die Größe, aber nicht die Bauweise (gewölbt) sagt uns etwas über die Menschen bzw. die Anzahl der Menschen dort und eine solche Restriktion an der NP spricht nach Nunbergs Argumentation, wie gesagt, für die Verschiebung dieser. 69 70 Deren Ansatz steht in der Tradition von Pustejovskys generativem Lexikon. “?two cities built of stone voted Conservative.” 58 Ein Test, um die von der Verschiebung betroffene Position heraus-zufinden, ist also die Modifikation. Wie in (72) modifiziert man den mutmaßlich verschobenen Teil (hier die NP) z.B. mit einem Adjektiv, welches nur die ursprüngliche Lesart zulässt: (72) Die ?renovierungsbedürftige Halle erhob sich zur Nationalhymne. Nur die Halle, aber nicht die Menschen dort, können renovierungsbedürftig sein. Da sich daraus eine inakzeptable Kombination ergibt, kann angenommen werden, dass die Verschiebung an der NP stattfindet, denn eine Modifikation, die nur den Selektionsrestriktionen der ursprünglichen Lesart entspricht, ist nicht möglich. Wie verhält es sich aber mit folgendem Beispiel von Nunberg (1995: 123): (73) Peter band seine Schuhe. Offensichtlich können nur die Schnürsenkel eines Schuhs und nicht er selbst gebunden werden. Es ergeben sich laut Nunberg zwei Möglichkeiten für Verschiebungspositionen A. Schuhe wird verschoben auf Schnürsenkel, im Sinne von „Peter band seine Schnürsenkel“. B. Die Eigenschaft, gebunden zu sein bzw. zu werden, wird verschoben auf die komplexere Eigenschaft von Schuhen, gebundene Schnürsenkel zu haben. Beide Hypothesen werde ich mit bestimmten Modifikatoren überprüfen: (73a) Peter band seine bequemen/ ?ausgefransten Schuhe. (73b) Peter band seine Schuhe, welche zu klein/ ?kurz waren. Da Adjektive, welche sich nur auf die Schnürsenkel beziehen können (ausgefranst, zu kurz), keine akzeptable Lesart ergeben, kann angenommen werden, dass hier keine Verschiebung stattgefunden hat. Es liegt also nahe, dass den Schuhen die komplexere Eigenschaft zugeschrieben wird, Schnürsenkel zu haben, welche gebunden sind. Auch durch Koordination kann dieser Effekt erzielt werden, z.B. erlaubt die Koordinate die Trainer in (74) nur eine verschobene Lesart von Stadion: 59 (74) Das Stadion und die Trainer erhoben sich zur Nationalhymne. Nunberg entscheidet sich jedoch nicht immer für eine der beiden möglichen Verschiebungspositionen (NP oder VP) bei einem mismatch der wörtlichen Bedeutungen, sondern räumt auch Fälle ein, in denen dies nicht entschieden werden kann (ebd.: 363), wie z.B. (75) Stevens is challenging. Wenn man annimmt, dass das Nomen verschoben ist, kann man es laut Nunberg mit einem unbelebten Pronomen wieder aufgreifen, andernfalls mit einem belebten, da dem Autor dann über Eigenschaften seines Buchs persönliche Eigenschaften zugeschrieben werden: (76) Many people find Stevens challenging…. ….but we sell a lot of it. …. but he regarded his poems as simple. Das zeigt sich auch bei den Beispielen von Montalbetti (2003:135ff.), wobei diese dort seine These unterstreichen sollen, dass Pronomen sowohl die verschobene, als auch die ursprüngliche Lesart wieder aufgreifen können71: (77) Plato is on the top shelf. It is bound in leather. (78) Plato is on the top shelf. He is a very interesting author. Nunberg würde hier also wie gesagt unterschiedliche Prädikatstransfers bzw. Positionen annehmen: in (77) an Plato und in (78) an der VP (die Eigenschaft von Büchern wird zur Eigenschaft ihrer Autoren). 71 Bei Reflexivpronomen ist nach Montalbetti dagegegen nur ein anaphorischer Bezug auf die verschobene Lesart möglich, die ursprüngliche Lesart steht nach der Verschiebung nicht mehr als Antezedens zur Verfügung (vgl. dagegen Nunbergs Erklärung zu (82)): Aber: *The ham sandwich ate himself with a fork and a knife. *The ham sandwich ate itself with a fork and a knife. The ham sandwich amuses himself. → Bezug auf verschobene Lesart 60 Montalbetti weist darüber hinaus auf Restriktionen durch grammatical coercion hin, die Selektionsrestriktionen müssen also dennoch eingehalten werden: (79) Plato is on the top shelf. *He is bound in leather. (80) Plato is on the top shelf. *It is a very interesting author. Es ist im Grunde auch möglich, in einem Satzzusammenhang auf beide Lesarten zuzugreifen, wenn die Selektionsrestriktionen eingehalten werden: vergleiche dazu Beispiel (81) aus Fauconnier 1985, welches aber einen Grenzfall für die Akzeptabilität darstellen dürfte: (81) The ham sandwich left without paying his bill because it was inedible. Ein weiteres Problem, dessen Lösung Nunberg in der Annahme von Prädikatstransfer und Noteworthiness sieht, sind Beispiele wie (82) und (83), in welchen die Koreferenz zwischen Antezedens und Reflexivpronomen nicht gewährleistet zu sein scheint, da sich letzteres auf die verschobene Lesart bezieht: (82) Ringo squeezed himself into a narrow space. (83) Yeats did not like to hear himself read in an English accent. Nunberg geht nun davon aus, dass die Koreferentialität dennoch gegeben bleibt, da squeeze into a narrow space angewandt bzw. übertragen wird auf die Person. Wir haben also wieder einen Prädikatstransfer. Ebenso nimmt er an, dass Menschen, die Yeats laut lesen, etwas an ihm als Person durchführen und das verschobene Prädikat somit über die Relation zu seinen Werken auf den Autor selbst zutrifft. Jedoch gibt es wieder die Bedingung, dass die Relation bemerkenswert oder hilfreich sein muss, so dass (84) nicht akzeptabel ist, weil der Autor damit nichts an sich selbst „durchführt“: (84) ?Yeats wrote a lot of himself in sprung rhythm. Mit den erläuterten Annahmen zum Prädikatstransfer und zur Noteworthiness lassen sich demnach auch Fragen aufklären, die anaphorische und reflexive Bezüge betreffen. 61 5.4 Systematische Polysemie Nunberg beschäftigt sich nun aber im Rahmen seiner Theorie nicht nur mit den genannten, sehr kontextabhängigen Verschiebungen, sondern nimmt Prädikatstransfer auch als Grundlage von systematischen Verschiebungen an (vgl. dazu auch 5.5). Die folgenden Beispiele aus Cruse (2000b) zeigen noch einmal analog zu (70), dass die Verschiebung von Orten auf Personen bei manchen Ausdrücken nur unter bestimmten Umständen funktioniert: (85) The factory is out on strike. (86) ?The factory rose as one to cheer the contract. In (86) fehlt demnach die nennenswerte Eigenschaft für die Gruppe, weshalb die Verschiebung (hier deshalb am Prädikat) nicht gebräuchlich ist. Andererseits ist es aber nicht immer so, dass solche Ortsbezeichnungen Beschränkungen unterliegen: Wie bereits gesagt scheint z.B. das Verschiebungsmuster von Schule kontextunabhängig zu sein und eher aus dem Weltwissen72 bzw. dem konzeptuellen Wissen (vgl. Bierwisch) zu entstehen. Nunberg bemerkt hier lediglich, dass Schule eine einzige wörtliche Bedeutung zu haben scheint, welche es ermöglicht, beide Lesarten auszudrücken. Er gibt die folgenden Beispiele in Anlehnung an Cruse 2000b: (87) The school is taking a day off. (88) The school rose as one to cheer the football team’s victory. Nunberg unterscheidet ebenfalls die Varianten von Schule73 von den viel kontextabhängigeren Bedeutungsverschiebungen von der Art ham sandwich, da für erstere das Kriterium der Noteworthiness in diesem Fall keine Rolle spielt74. Diese zählt er zur systematischen Polysemie (Pustejovskys logische Polysemie), d.h. sie sind wie gesagt weniger spezialisiert und es ist für ihn wahrscheinlicher, 72 Wir wissen, dass Schulen Personal und Schüler haben, in einem Gebäude untergebracht sind usw. 73 Pustejovsky würde hier ein dot object annehmen. 74 Vgl. aber 5.5 zur Relevanz der Nennenswertheit bei systematischer Polysemie. 62 dass sie zur lexikalischen Bedeutung gehören oder zumindest in einem Wörterbuch aufgelistet werden (Nunberg 2004: 351).75 Bei diesen Ausdrücken bzw. Verschiebungen ist die Relation zwischen den Varianten (unabhängig vom Kontext) konstant und eindeutig zu erkennen. Cruse bezeichnet Verschiebungsprodukte dieser Art, wie gesagt, als Facetten von monosemen Ausdrücken, die eine kombinierte Lesart als Basis haben, da Sprecher intuitiv oft gar nicht erkennen, dass es sich um Varianten handelt. Das dadurch bei Cruse erklärte Zusammenfallen der verschiedenen Facetten in einem Satzzusammenhang lässt sich nun jedoch mit Nunbergs Prädikatstransfer anders interpretieren. Betrachten wir dazu noch einmal Beispiel (15): (15) Britain, despite the fact that it is lying under one metre of snow and is mourning the death of the Queen Mother’s corgi, has declared war on San Marino. Unter Annahme von Nunbergs Prädikatstransfer könnte man nun folgern, dass es sich nicht um drei verschiedene Lesarten von Britain handelt, sondern dass die verschiedenen Prädikate verschoben werden zu Eigenschaften eines Landes, welche es über seine Bewohner und seine Regierung erhält: die Eigenschaften, um den Hund der Königinmutter zu trauern und Krieg zu erklären also. An einem Beispiel von Nunberg selbst (2004: 359) wendet er genau diese Lösung der Koordinationsfrage durch Prädikatstransfer an: (89) Roth is Jewish and widely read. Intuitiv beziehen wir uns mit Roth einmal auf die Person Philip Roth und einmal auf seine Werke. Nach Nunbergs Analyse können wir nun aber annehmen, dass beide Prädikate Eigenschaften von Personen liefern und wir es somit nur mit einer Lesart von Roth zu tun haben, welche ihre Bedeutung durch die Erweiterung des Prädikats erhält. Diese Annahme werde ich wieder mit Modifikation überprüfen: Das sich auf die ursprüngliche Lesart beziehende gutaussehend führt zu einem sinnvollen Satz, wohingegen anspruchsvoll (unter der Annahme, dass es sich auf den Inhalt der Bücher bezieht) inakzeptabel ist: 75 Nunberg weist jedoch darauf hin, dass Wörterbücher oft auch ableitbare Varianten auflisten, die nicht im strengen Sinne konventionalisiert sind. (ebd.: 362) 63 (89’) Der gutaussehende/ ?anspruchsvolle Roth ist Jude und wird viel gelesen. Wie wir in 5.3 gesehen haben, handelt es sich bei Nunberg in solchen Fällen aber nicht grundsätzlich um Verschiebungen der VP bzw. Prädikate, denn diese Hypothese würde schließlich die Überlegungen zu systematischer bzw. logischer Polysemie überflüssig machen, da die betroffenen Nomen dann grundsätzlich eindeutig wären. 5.5 Lexikalische und extralexikalische Aspekte Die Frage nach der semantischen oder pragmatischen (bzw. lexikalischen oder nicht-lexikalischen) Natur von Bedeutungsverschiebungen hat sich bereits mehrfach gestellt, z.B. bei der Unterscheidung zwischen Beispielen wie Schule und ham sandwich. Letzteres befindet sich klar auf der Seite der Pragmatik, da es durch pragmatische Prozesse entsteht und sehr kontextabhängig bzw. extralexikalisch bedingt ist. Bei Fällen wie Schule etc. spielen eher Lexikon und Weltwissen zusammen, dennoch ist das Verschiebungsmuster transparent76 und die Relation zwischen den Bedeutungsvarianten konstant. Es lassen sich nach Nunberg auch konventionalisierte Ausdrücke wie Zelle finden, deren Bedeutungsvarianten (enger Raum, Organisationseinheit, biologische Struktureinheit, politische Vereinigung) mittlerweile so spezialisiert sind, dass Verschiebungen nicht mehr wirklich transparent sind, bzw. nicht ausschließlich damit argumentiert werden kann.77 Außerdem sind z.B. Fälle der count/mass-Alternation sehr gebäuchlich und haben somit eine hohe Textfrequenz (vgl. Nunberg 1995: 118). Nunberg nimmt an, dass zwischen diesen Endpunkten eine Skala von Fällen liegt, welche nicht klar zuzuordnen sind und gibt die folgenden Beispiele, welche jeweils für eine semantische oder pragmatische Erklärung sprechen. Allgemein nimmt Nunberg jedoch an, dass lexikalische und nicht-lexikalische 76 Nunberg weist darauf hin, dass konventionalisierte Alternationen trotzdem eine pragmatische Basis haben können (ebd.:351). 77 Vgl. zum Zusammenhang zwischen Verschiebungen und Polysemie Löbner 2002 (:75ff.): „Kontextbedingte Bedeutungsvarianten können, wenn sie häufig in ähnlichen Kontexten verwendet werden, zur Entstehung lexikalisierter Bedeutungsvarianten führen und sind insofern eine mögliche Quelle für Polysemie.“ 64 Verschiebungen dieselben semantischen Prozesse ausnutzen und denselben pragmatischen Beschränkungen unterliegen (Nunberg 1995: 119). Diese Prozesse spielen bei den verschiedenen Gruppen dann unterschiedlich zusammen, wie sich zeigen wird. Für eine semantische Erklärung sprechen z.B. Alternationen, die sprachspezifische Restriktionen aufweisen, welche es im Englischen nicht erlauben, die grinding Regel anzuwenden, um Flüssigkeiten wie Öl oder Saft zu beschreiben78: (90) ?We fried the chicken in olive. (91) ?I enjoy a glass of orange with my breakfast. Dagegen ist nicht klar, warum die Verschiebung für ein Parfum möglich ist, d.h. sie ist semi-produktiv: (92) The lotion contains lavender (ylang-ylang, jasmine, bergamot). (aus Nunberg & Zaenen 1992: 389) Im Französischen wiederum lässt sich zum Beispiel ein Weinbrand mit der Frucht bezeichnen (une prune: Pflaumenweinbrand/ Pflaume etc.), so dass der grindingProzess hier auch Flüssigkeiten liefern kann.79 Krifka (2001: 12) nennt außerdem für das Deutsche die Möglichkeit, mit einer definiten NP im Singular wie der Türke auf die Nationalität zu verweisen, wie in Freges „Der Türke belagerte Wien“. Sprachen unterscheiden sich also in ihren Verschiebungsmöglichkeiten80. Nunberg fragt sich zudem, warum die Verschiebung vom Autor auf seine Werke und vom Filmemacher auf seine Filme im Englischen anscheinend nur mit Genrefilmen und Genreliteratur funktioniert, obwohl andere nicht schwerer herzuleiten sein dürften: 78 Auch im Deutschen kann man nicht sagen: „Ich hatte ein Glas Orange zum Frühstück.“ Krifka (2001: 12) vermutet, dass es sich um Blockierung handeln könnte, da es spezifische Begriffe wie Apfelsaft (apple juice) oder Olivenöl (olive oil) gibt. Diese gibt es aber auch im Französischen (jus und huile), so dass nicht klar ist, warum hier keine Blockierung stattfinden sollte. 79 Zur sprachspezifischen Lexikalisierung von Prädikatstransferfällen vgl. den Ansatz der „lexical licenses“ in Nunberg und Zaenen (1992). 80 Für das Russische vgl. Apresjan (1974) 65 (93) I love to curl up with a good Agatha Christie (?Dostojevsky). (94) One of my favorite Hitchcocks (?Renoirs) is playing at the Bijou.81 Nunberg spricht in diesem Zusammenhang von arbiträren lexikalischen Restriktionen, da z.B. auch nicht klar ist, warum „Ich habe gestern zwei Merlots getrunken“ nicht die gleiche Interpretation liefert wie „Ich habe gestern zwei Beck’s getrunken“: Einmal handelt es sich normalerweise um zwei verschiedene Sorten, einmal um zwei Flaschen oder Gläser. Warum das so ist, kann nicht durch pragmatische Bedingungen vorhergesagt werden und sollte deshalb zum lexikalischen Wissen gehören. Allerdings ist es in vielen Fällen sinnvoll bzw. notwendig, sie von der pragmatischen Seite her zu betrachten. So spielt nach Nunberg das Kriterium der Noteworthiness die entscheidende Rolle, um Verschiebungen wie Publikation - Verlag auf bestimmte gängige Fälle einzuschränken: Das Muster funktioniert z.B. nicht für Publikationen, die von einem bestimmten Verlag nicht ausschließlich herausgegeben werden, wie z.B. Kochbücher oder Lateingrammatiken82, was aber nicht mit Unterschieden in ihren Lexikoneinträgen zusammenhängen kann. Nunberg führt außerdem Dowtys Untersuchung zu Verbalternationen an, welche zeigt, dass die Möglichkeit der swarm-Alternation ebenfalls von der Noteworthiness des Prädikats abhängt: (95) Bees are swarming in the garden. (96) The garden is swarming with bees. Demnach können neue Prädikate wie in (96) nur gebildet werden, wenn sie die Eigenschaft beschreiben, die einen Ort über eine Aktivität, die dort stattfindet charakterisiert: 81 Nach meiner Intuition für das Deutsche hängt die Akzeptabilität bei solchen Beispielen jedoch eher mit dem Bekanntheitsgrad der jeweiligen Künstler zusammen. Außerdem könnte man annehmen, dass es nennenswerter bzw. bezeichnender für einen Roman ist, von welchem Autor er stammt, wenn es sich um ein bestimmtes Genre handelt, als wenn der Autor unterschiedliche Genres bedient. 82 „He works for a newspaper/ *cookbook / *Latin grammar.” 66 „that is, when the extent, intensity, frequency and / or perceptual salience of [the] activity [that] takes place there is sufficient to characterize the location in a way that is relevant in the current discourse.” Dowty 2000: 122 Die notwendige Relevanz im Diskurs stellt eine pragmatische Bedingung dar, welche die Anwendung der lexikalisierten Alternation einschränkt, es handelt sich also um ein Zusammenspiel von Semantik und Pragmatik. Bei Fällen von systematischer Polysemie lassen sich nach Nunberg ebenfalls Beschränkungen mit dem Kriterium der Noteworthiness erklären, so z.B., dass grinding nicht mit Tierrassen oder Tieren, die kulturabhängig nicht gegessen werden, funktioniert, da diese Klassifizierung dann im gastronomischen Sinne nicht nennenswert ist (Nunberg 1995: 117). Auch kompositionale Prozesse werden nach Nunberg von pragmatischen Bedingungen bestimmt. Das verdeutlicht er an einem Beispiel von Pustejovsky, welcher die Variabilität von Adjektivbedeutungen mit der qualia Struktur des Nomens erklärt (vgl. selective binding, 4.4.2). Demnach modifiziert das Adjektiv in a fast motorway wie gesagt das in der telischen Rolle des Nomens bestimmte Ereignis und behält nach dieser Theorie seine ursprüngliche Bedeutung. Jedoch gibt es auch hier Beschränkungen, so zum Beispiel für ?drunken motorway. Nunberg begründet dies damit, dass es zwar nennenswert für die Klassifizierung einer Autobahn ist, dass dort schnell gefahren werden darf, aber nicht, dass dort betrunken gefahren werden darf, da eine solche Straße nicht existiert. Somit ist die Bildung des komplexen Prädikats im Fall von fast möglich, im Fall von drunken jedoch nicht.83 Nunberg nimmt also für die unterschiedlichen Typen von Verschiebungen dieselben zu Grunde liegenden Prozesse an, so dass semantische und pragmatische Aspekte zusammenspielen. Es gibt unabhängige pragmatische Beschränkungen, die seiner Meinung nach nicht von der Nichtkonventionalisierung der Verschiebung abhängen und somit z.T. auch Beschränkungen bei systematischer Polysemie erklären können. Zusätzlich gibt es bei diesen syste- 83 Vgl. auch Schnellimbiss im Gegensatz zu ??Unhöflichimbiss (Übersetzung von Nunbergs Beispielen). Für Verben wie enjoy und ihre vielfältigen Komplemente zieht Nunberg jedoch Pustejovskys Analyse vor, da diese Komplemente keiner Beschränkung zu unterliegen scheinen.(ebd.: 356). 67 matischen, kontextunabhängigen Fällen aber idiosynkratische Beschränkungen, welche nicht pragmatisch erklärt werden können. 5.6 Zusammenfassung Nunberg geht es bei seinem Ansatz zur verschobenen Interpretation hauptsächlich um Verschiebungen, welche nicht allein mit unserem lexikalischen Wissen über Ausdrücke erklärt werden können, wie z.B. bei Pustejovskys Theorie des generativen Lexikons. Dabei betrachtet er, wie gesagt, Phrasen und den ganzen Satz in der Äußerungssituation zwischen Sprecher und Hörer und motiviert Verschiebungen mit semantischen und pragmatischen Bedingungen (funktionale Relationen/ Prädikatserweiterung und Nennenswertheit), welche allen Arten von Verschiebungen zu Grunde liegen. So gehen systematische Fälle von einer kontextunabhängig bestehenden Relation aus, während andere sich erst durch den Äußerungskontext ergeben. Neu ist dabei auch der Ansatz des Prädikatstransfers, der einen neuen Blickwinkel auf die Frage wirft, welche Teile einer Äußerung von Verschiebungsmechanismen betroffen sind, so dass es nicht mehr nur um einzelne Nomen und ihre Bedeutungsflexibilität geht und sich Koordinationsfragen und anaphorische Bezüge erklären lassen. Bei den vorangegangenen Theorien hat sich gezeigt, dass Pustejovsky Bedeutungsverschiebungen auf der Ebene der Ausdrucksbedeutung bzw. im Lexikon, und Bierwisch auf der Ebene der Äußerungsbedeutung ansiedelt. Wie verhält es sich nun aber mit Nunbergs pragmatischem Ansatz? Klar ist, dass es sich bei den von ihm behandelten Fällen nicht um bereits im Lexikon mehrdeutige Ausdrücke handelt, da wie gesagt z.B. der Lexikoneintrag von Schinkensandwich sicher nicht die Bedeutungsvariante >Besteller desselben< enthält und auch phrasale Verschiebungen betrachtet werden. Auf der Ebene der Äußerungsbedeutung kommt es nach dem Prinzip der konsistenten Interpretation zu einem mismatch, welches die Prädikatserweiterung auslöst. Nun muss zusätzlich noch die pragmatische Bedingung der noteworthiness erfüllt werden, welche zwischen Sprecher und Hörer ausgehandelt wird und dabei stellt sich die Frage, ob ein solcher Prozess nicht bereits zum kommunikativen Sinn gehört. Dieser sagt uns, 68 was ein Sprecher mit einer Äußerung tatsächlich meint bzw. beabsichtigt. Auf der Ebene der Äußerungsbedeutung wird wie in 1.2 dargestellt die Referenz von Ausdrücken auf der Basis ihrer Ausdrucksbedeutung festgelegt84. Bei den von Nunberg diskutierten, spontanen Verschiebungen geht es aber weniger darum, ein durch die Ausdrucksbedeutung vorgegebenes Potential festzulegen oder auszuweiten bzw. aus diesem auszuwählen, sondern zunächst um die neue Etablierung eines für Sprecher und Hörer in der Konversationssituation hilfreiches Prädikat. Es ist also unter Umständen plausibel, dass es sich um einen kommunikativen Akt handelt, welcher zum Bereich des kommunikativen Sinns gehört und auf der Äußerungsbedeutung aufbaut. 84 Bei Bierwisch kommt die Anreicherung durch die konzeptuelle Struktur hinzu. 69 6. Gegenüberstellung der Theorien Wir haben gesehen, dass es verschieden Typen von Bedeutungsverschiebungen gibt, wobei zum einen konstante Relationen ausgenützt werden, zum anderen eher spontane, nicht allgemeingültige, die vom Kontext „erzwungen“ werden. Erstere unterscheiden sich durch die Systematizität ihrer Zusammenhänge jedoch auch klar von herkömmlicher bzw. nicht-logischer Polysemie. Dabei stellte sich auch die Frage, auf welcher der in Kapitel 1 eingeführten Ebenen die behandelten Typen von Verschiebungen stattfinden. Bierwisch beschäftigt sich mit der konzeptuellen Struktur und ihrer Interaktion mit der unterspezifizierten semantischen Repräsentation, so dass sich die Zusammenhänge von Facetten wie bei Schule oder Buch jeweils durch konzeptuelle Anreicherung erklären lassen. Demnach muss auch keine Basisbedeutung bestimmt werden und die semantische Form gibt nur die kontextunabhängige sprachliche Vorbedingung an, welche auf alle Bedeutungsvarianten zutrifft. Die konzeptuelle Struktur hingegen bestimmt dann die Äußerungsbedeutung und auf dieser Ebene kommt es demnach auch zur Bedeutungsvariation durch konzeptuelle Verschiebung. Es handelt sich nach Bierwischs Ansatz also nicht um eine bereits im Lexikon vorhandene Mehrdeutigkeit der Ausdrücke. Auch wenn die Vorstellung des konzeptuellen Systems und seines Aufbaus sehr abstrakt und in dieser Theorie noch wenig greifbar bleibt und die Vorstellung zweier unabhängiger Strukturen (semantische und konzeptuelle) später abgeschwächt wurde, so scheint es doch plausibel, die Systematizität dieser Verschiebungen auf ihre Anlage in der konzeptuellen Struktur zurückzuführen und ihre damit angereicherten Äußerungsbedeutungen zu betrachten, anstatt sie jeweils im lexikalischen Eintrag zu verankern. Pustejovskys lexikalischer Ansatz spart wie gesagt die konzeptuelle Ebene aus und führt stattdessen Weltwissen in das Lexikon bzw. die Lexikoneinträge ein, aus welchen auf unterschiedliche Weise ausgewählt bzw. fokussiert wird. Dadurch müsste es aber für jeden von logischer Polysemie betroffenen Lexikoneintrag eine unabhängige dot object Struktur geben, d.h. die Anwendbarkeit dieser Verschiebungen auf große Gruppen von Ausdrücken wird nicht durch ein allgemeines Muster dargestellt. 70 Ein weiteres, bereits kurz angesprochenes Problem ist für diesen lexikalischen Ansatz der bei Nunberg hervor gehobene phrasale Charakter von Bedeutungsverschiebungen: Wenn einzelne lexikalische Einheiten in ihrer qualia Struktur von einem komplexen Typ sind, bleibt die Frage, wie dann erklärt wird, auf welche Weise eine ganze Phrase verschoben werden kann, wie in (70). Die Aspekte der Überladung des Lexikons mit im Grunde enzyklopädischem Wissen und die Abgrenzung von lexikalischem Wissen wurden bereits angesprochen: Es bleibt offen, ob z.B. der Zweck jeder einzelnen Entität wirklich im Lexikon abgespeichert ist und auch, ob dieser jedes Mal so klar zu bestimmen ist. Ein weiterer Punkt betrifft die völlige Abtrennung der Pragmatik bzw. der dorthin „ausgelagerten“ Verschiebungen, da diesen somit ein Zusammenhang mit den systematischen Mustern abgesprochen wird. Dies betrifft Fälle, welche so kontextabhängig sind, dass sie nicht einmal durch eine Anreicherung des Lexikons im Sinne Pustejovsky erklärt werden können. Nunberg dagegen integriert Semantik und Pragmatik bzw. systematische Polysemie und verschobene Interpretation, indem er zeigt, dass beide dieselben semantischen Mechanismen (z.B. metonymischen Transfer) ausnutzen und, dass sie den gleichen pragmatischen Bedingungen unterliegen, auch wenn es nicht vorhersagbare Beschränkungen für systematische Polysemie gibt. Der Unterschied besteht bei Nunbergs Theorie hauptsächlich darin, dass systematische Verschiebungsmuster, wie gesagt, von einer unterspezifizierten lexikalischen Bedeutung ausgehen, die dann unterschiedlich angereichert wird, und die situationsabhängigen Verschiebungen von spezifizierten Bedeutungen, welche dann aber zu neuen Prädikaten verschoben bzw. erweitert werden müssen, um eine sinnvolle Lesart im Kontext zu erhalten. Bei letzteren spielt natürlich die Äußerungssituation eine größere Rolle für die Akzeptabilität der angenommenen Relation zwischen zwei Prädikaten. Die Semantik liefert also ihren Beitrag in Form der Bedeutungserweiterung von Prädikaten in einem bestimmten Kontext, in welchem andernfalls keine sinnvolle Interpretation möglich wäre. Die Pragmatik grenzt diesen Prozess mit dem Kriterium der Noteworthiness wiederum ein, so dass es nicht zur Bildung von beliebig komplexen Prädikaten kommen kann. Dabei entspricht die Annahme eines Prädikatstransfers dem phrasalen Charakter von Verschiebungen und erklärt die Bildung von komplexeren Prädikaten, welche 71 den Griceschen Konversationsmaximen gerecht wird und im Prinzip auch bei systematischer Polysemie Anwendung findet: Das Muster, den Namen eines Autors für seine Werke zu benutzen könnte z.B. als komplexes Prädikat ‚die Werke von x’ statt ‚x selbst’ angesehen werden. Jedoch ist es offensichtlich, dass das Kriterium, nennenswert zu sein, nicht ganz eindeutig ist: Nunberg verwendet es hier für eine Vielzahl von Fällen und sicher könnte es noch ausgeweitet werden, so dass die Gefahr besteht, dass durch seine Unbestimmtheit zu viel damit erklärt wird. Was in einer bestimmten Situation nennenswert ist oder nicht, scheint zum Teil subjektiv zu sein, so wird z.B. das oben genannte Beispiel „Wir sind Weltmeister“ von manchen Sprechern genauso wenig akzeptiert wie „Wir sind Papst“ oder letzteres fällt überhaupt nicht als abweichend auf. Unter Umständen lässt sich für annähernd jede Verschiebung eine Situation finden, in welcher das Prädikat nennenswert ist und zudem stellt sich die Frage, ob die Nennenswertheit schließlich durch den Sprecher, den Hörer oder die Situation bestimmt wird. Andererseits haben die anderen Theorien für die Beschränkungen auf bestimmte Verschiebungen keine Erklärung, vgl. z.B. die (von mir übersetzten Beispiele) aus Cruse 2000: (97) Sie steht im Telefonbuch. (98) ?Sie steht auf meiner Hand. Hier handelt es sich also nicht um eine Verschiebung am Pronomen (auf die Telefonnummer), sondern um Prädikatstransfer, so dass der betroffenen Person in (97) eine nennenswerte Eigenschaft zukommt, in (98) aber nicht. Betrachten wir ein weiteres Beispiel, das bei Bierwisch und Pustejovsky nicht erklärt werden könnte: (99) Meine Altersvorsorge muss abgerissen werden/ steht am Stadtrand. Gemeint ist in diesem Satz ein Haus, dass man sich zur Sicherung der Altersvorsorge gekauft hat. Anders als bei Schule ist die konzeptuelle Relation zu einem Gebäude aber nicht in jedem Kontext vorhanden und auch zu speziell, um sie wie bei Pustejovsky im Lexikon anzunehmen. Würde man anstatt der ganzen Phrase nur das Nomen verschieben, sollte man es einfach mit Haus ersetzen können. Die 72 resultierende Phrase Mein Haus identifiziert aber das gemeinte Haus nicht hinreichend, da es sich nicht unbedingt um ein Haus handeln muss, in dem der Sprecher wohnt bzw. es nicht das einzige Haus des Sprechers sein muss. Desweiteren müssten Bierwisch und Pustejovsky bei dem Ausspruch eines Redakteurs „Wir kommen in zwei Wochen raus“ das Pronomen als verschoben betrachten, was aber weder konzeptuell noch aus dem Lexikon herzuleiten sein dürfte. Auch bei der Kartenbestellung „Zwei Erwachsene und ein Kind, bitte“ dürfte die Verbindung zwischen der Person (bzw. ihrem Alter) und dem jeweiligen Preis eher aus der Identifikation in einem bestimmten Kontext entstehen, als über die lexikalisch-konzeptuelle Ausstattung der Nomen, welche allgemein vorhanden ist. Jedoch hat Nunberg vergleichsweise wenig zum Wesen der systematischen bzw. logischen Polysemie zu sagen, wenn man von seinen allgemeinen Prinzipen absieht. Er verfolgt in diesem Zusammenhang eher die Bestimmung von Transferpositionen, als die Grundlagen im Lexikon. Pustejovsky beschäftigt sich dagegen auch mit Adjektivmodifikation und Verbalternation und legt seinen Fokus auf Fragen, die die Organisation des Lexikons betreffen, während Bierwisch verstärkt das Zustandekommen der Äußerungsbedeutung solcher Ausdrücke unter Einfluss der konzeptuellen Struktur betrachtet. Zusammengefasst weisen Bedeutungsverschiebungen also auf die Flexibilität von lexikalischer Bedeutung hin, welche in Abhängigkeit vom Kontext angereichert wird und so ihr Bedeutungsspektrum erhält bzw. zu neuen Prädikaten verschoben werden kann. Dabei unterliegt sie auch unabhängigen Prinzipen, die zu neuen, spontan gebildeten Bedeutungsmöglichkeiten führen. Die besprochenen Theorien leisten hier unterschiedliche Beiträge zur Klärung dieser Problematik und teilen in gewissem Maße auch die Phänomene auf, so dass z.B. sehr an die Situation gebundene Verschiebungen nur bei Nunberg relevant sind. Andererseits wurden auch Beispiele betrachtet, die in den drei Theorien unterschiedlich erklärt wurden, z.B. Fälle von systematischer Polysemie (im Lexikon, konzeptuell oder in Verbindung mit Prädikatstransfer) oder von Adjektivmodifikation am Beispiel von fast motorway. 73 Die vorliegende Betrachtung bezieht sich auf Gattungsnomen bzw. nicht deverbale Nomen und Phrasen mit selbigen. Deshalb betreffen offene Fragen unter anderem den Unterschied zu deverbalen Nominalisierungen wie z.B. Schulung und Prüfung, welche ein Ereignis, aber auch ein Objekt bezeichnen können. Für ein umfassendes Gesamtbild von nominaler Mehrdeutigkeit gilt es, auch solche Alternationen, ihre Kontextabhängigkeit und das Verschiebungspotential von Nominalisierungen zu erläutern und mit dem der simple nouns zu vergleichen. Hierauf werde ich im letzten Kapitel noch einen kurzen Ausblick geben. 7. Bedeutungsalternation bei Nominalisierungen Ähnlich systematisch, wie die Bedeutungsvariation bei Nomen wie Schule oder Buch ist die Alternation von deverbalen Nominalisierungen, welche eine Ereignisund eine aus diesem Ereignis hervorgehende Resultatslesart haben, wie in den folgenden Beispielen: (100) Die Übersetzung des Buchs dauerte ein halbes Jahr. (101) Statt des Originals kann man auch die Übersetzung lesen. Dabei beschreibt die Ereignislesart in diesem Beispiel im Grunde auch das Resultat, so wie die Informationslesart von Buch auch das Objekt miteinbezieht. Es scheint also ebenfalls einen logischen Zusammenhang zu geben und wie bei systematischer Polysemie hängt die Interpretation primär als Ereignis oder Resultat jeweils vom Prädikat oder Adverb ab, z.B. *Die schlechte Übersetzung dauerte ein Jahr. Gemeinsamkeiten wie diese haben in vielen Theorien dazu geführt, die Ambiguität von Nomen (ob deverbal abgeleitet oder nicht) einheitlich zu behandeln, so nimmt Pustejovsky z.B. für Nominalisierungen ebenfalls ein dot object an, welches aus zwei Ereignissen (Prozess und Resultat) in temporaler Ordnung zusammengesetzt ist85. Es stellt sich jedoch die Frage, ob deverbale 85 Pustejovsky 1995 (:171): „The polysemy exhibited by these nominalizations is formally the same as that seen with the nominals book, newspaper, and so on.” 74 Nominalisierungen tatsächlich denselben Mechanismen von Bedeutungsverschiebung unterliegen wie andere Nomen. Wir haben gesehen, dass Ausdrücke wie Schule etc. neben der Lesart als Institution z.B. auch das Gebäude und die Menschen dort, ein Kollektiv sozusagen, bezeichnen können. Wie verhält es sich aber mit Nominalisierungen wie z.B. Schulung und Ausstellung? Zur Veranschaulichung der Problematik bietet es sich zunächst an, die Bedeutungsmöglichkeiten von Schule auch mit Schulung zu testen: (102) Die Schule hat angerufen und gesagt, dass du heute nicht zum Unterricht gekommen bist.86 (103) (?)Die Schulung hat angerufen. Heute fällt sie aus. Beispiel (103) ist intuitiv nicht vollkommen inakzeptabel, scheint aber nicht wirklich gebräuchlich zu sein, was aber auch damit zusammenhängen könnte, dass Schulungen nicht unter diesem Begriff institutionalisiert sind (vgl. dagegen „Das Schulungszentrum hat angerufen“ o.ä.). Andere Nominalisierungen sind als Institutionen bzw. als deren Personal gebräuchlicher87, wobei auffällt, dass bei Ausstellung allgemein viele Prädikate verwendet werden, welche eigentlich den Kuratoren bzw. Künstler betreffen, vgl. hierzu (105): (104) Die Ausstellung hat angerufen. Ich muss heute doch arbeiten. (105) Die Ausstellung hat sich zum Ziel gesetzt…/ hat ihre Tore geschlossen/ hat in den Ruinen des Kolonialismus gewühlt/ hat …ausgewählt/ hat versucht, ….88 Als Kollektiv scheint Schulung aber nicht ganz ausgeschlossen zu sein: Beispiel (107) könnte in einem Kontext, in dem Sprecher und Hörer von der Schulung wissen, verstanden werden. Dennoch ist diese Bezeichnung eher ungewöhnlich: (106) Die Schule macht heute einen Ausflug. (107) (?)Die Schulung traf sich später noch auf ein Bier. 86 http://www.buffyfanfiction.info/modules.php?name=News&file=print&sid=15421 (15. März 2007) 87 Ähnlich: Sammlung, Verbindung (studentisch), Regierung 88 Belegt durch zahlreiche Funde bei google. 75 Zu einem Ensemble von Prozessen muss Schulung im Gegensatz zu Schule natürlich nicht erst verschoben werden, jedoch ist die prominente Lesart bei Schulung auf eine bestimmte Schulung und nicht allgemein darauf bezogen: (108) Die Schule/ Schulung macht ihm großen Spaß. Nominalisierungen sind anscheinend generell schwer als Gebäude- bzw. Ortslesart zu interpretieren: (109) ?Die Schulung/ Ausstellung steht neben dem Hauptgebäude. (110) ?Die Schulung befindet sich im 4.Stock. Es lässt sich zunächst feststellen, dass die Lesarten analog zu Schule sich zwar mit Einschränkungen konstruieren lassen, Beispiele dieser Art finden sich zunächst jedoch weder im Korpus89 noch bei google und sind sehr markiert90. Ein weiteres Problem ist, dass die Prozess/ Resultat-Alternation nicht bei allen deverbalen Nominalisierungen so eindeutig ist wie bei Übersetzung, Erfindung, Zerstörung u.ä.91 Was ist z.B. die Resultatslesart von Schulung? Eine mögliche Objektlesart ist folgende: (111) Gewusst wie – AGG-Online Schulung jetzt verfügbar92. Hierbei handelt es sich aber sozusagen um die Vorbedingung für den Prozess der Schulung, ähnlich wie bei Prüfung, wenn es um die gestellten Aufgaben geht. Auch bei „Die Schulung kostet 50 Euro“ kann es sich um ein Objekt handeln, jedoch ist auch hier kein klares Resultat zu erkennen, da es um die Teilnahme an der Schulung geht. Außerdem gibt es zahlreiche Bildungen, welche nicht-transparente bzw. spezialisierte Bedeutungen angenommen haben, wie z.B. Umgebung (lokal, kein Pro- 89 COSMAS II, siehe Internetquellen. Eventuell sind solche „untypischen“ Verschiebungen auch eher in der gesprochenen Sprache zu finden. 91 Eine differenziertere Einteilung geben z.B. Ehrich und Rapp (2000). 92 http://www.dihk.de/index.html?/inhalt/themen/ausundweiterbildung/news/meldung621.html , 16.03.2007 90 76 zess), Leitung (im Sinne von Stromleitung, als Instrument), Skibindung (Instrument) oder Abfindung (in Form eines Geldbetrags). Weitere Fragen betreffen die Möglichkeit für Nominalisierungen, durch pragmatische Prozesse bedingte, kontextabhängige Verschiebungen einzugehen: (112) Die Entbindung in OP2 verlangt Schmerztabletten. (113) Die Stornierung verlangt die gesamten Kosten zurück. In (112) ist die NP demnach verschoben auf die Frau, die gerade entbunden wird, in (113) auf die Person, die eine Stornierung beantragt hat. Um diese Bildungen so zu verstehen, ist aber wie gesagt ein starker Kontext nötig, damit sie zur intendierten Identifikation führen und es sollten weitere Beispiele getestet werden. Auch Nunbergs Modifikationstests zur Bestimmung von Transferpositionen könnten hier angewendet werden. Somit wäre in (114) Schulung verschoben, da ein sich auf die ursprüngliche Lesart beziehendes Adjektiv nicht möglich ist: (114) Die wissensdurstige/ gutgelaunte / *interessante Schulung traf sich am Abend noch auf ein Bier. Durch Nunbergs Annahme eines Prädikatstransfers könnte sich unter Umständen auch das häufige Vorkommen von koordinierten, intuitiv unterschiedlichen Lesarten erklären. Betrachten wir hierzu zwei Beispiele mit Messung93: (115) Die den Havelzander von unzulässigen Giftbelastungen freisprechenden Messungen fanden im Januar statt. (116) Weil Messungen vor ihren Schlafzimmern durchgeführt wurden, bekamen sie Schallschutzfenster. Es wäre demnach zu untersuchen, ob in (115) und (116) jeweils nur eine Lesart von Messung vorliegt, an welche sich die anderen Prädikate anpassen. Diese deskriptive Betrachtung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern gibt lediglich einen ersten Einblick in die Phänomene und die sich 93 Aus einer Korpusanalyse von Spranger (2006), welche der NP einen double use (Objekt bzw. Resultat und Ereignis) attestiert. 77 ergebenden Fragestellungen. Darüber hinaus ist zunächst genauer zu betrachten, welche unterschiedlichen Lesarten bei Nominalisierungen auftreten bzw. wie diese zusammenhängen und wie sie in der Literatur gruppiert werden. Dann stellt sich die Frage, wie es zu diesen Lesarten kommt: Handelt es sich wie bei anderen Nomen um das Ergebnis von konzeptuellen Verschiebungen oder gibt es eine andere Erklärung? Hier müssen weitere Gegenüberstellungen Klarheit bringen, z.B. auch von Dubletten mit annähernd gleicher Semantik wie z.B. Plünderung und Raub oder Entdeckung und Fund. Außerdem sollte das Verschiebungspotential weiter untersucht werden. Bierwisch und andere nehmen bekanntlich unterspezifizierte Repräsentationen als gemeinsame Basis für verschiedene Bedeutungsvarianten an. Da die hier betrachteten Nomen aber von Verben abgeleitete Nominalisierungen sind, stellt sich die Frage, wie es sich mit diesen verhält. Sind z.B. die Suffixe unterspezifiziert und was tragen diese generell zur Bedeutung bei94? Entgegen der Annahme von Bierwisch und Pustejovsky könnten für deverbale Nominalisierungen (bzw. für ihre Bedeutungsvarianten) auch andere Prinzipien angenommen werden, welche durch die Morphosyntax bedingt sind und nicht, wie die behandelten Nomen, durch die konzeptuelle Ebene. Demnach würden die Lesarten dieser Nominalisierungen auf Grund ihrer unterschiedlichen Struktur bzw. Zusammensetzung zu Stande kommen. Für ein umfassendes Verständnis des Wesens von Nominalisierungen sind auch sprachvergleichende Aspekte und unterschiedliche Nominalisierungstypen von Interesse (vgl. z.B. „Das Schulen der Mitarbeiter ist ihm wichtig“ etc.). Schließlich stellen sich wieder die Kernfragen, die schon bei anderen Nomen aufgetreten sind: Welche Art von Wissen wird bei der Interpretation aktiviert (Weltwissen, grammatisches Wissen usw.), wie systematisch bzw. vorhersehbar sind die Prozesse und welche Rolle spielt der Kontext für die Desambiguierung bzw. Festlegung der Lesarten? Darauf aufbauend ist dann zu überlegen, auf welcher Ebene diese Prozesse stattfinden, d.h. z.B. ob die Bedeutungen von Nominalisierungen im Lexikon oder in der Syntax verhandelt werden. Aus diesen Überlegungen sollte hervorgehen, ob es einen einheitlichen Erklärungsansatz für nominale Ambiguität geben kann oder ob die Lesarten von deverbalen Nominalisierungen durch andere Prozesse motiviert sind. 94 Vgl. dazu Lieber (2004). 78 8. Schlussbemerkung In dieser Arbeit wurde ein Überblick über verschiedene Arten von Ambiguität gegeben, um, darauf aufbauend, unterschiedliche Ansätze zur nominalen Bedeutungsvariation gegenüberzustellen und im Hinblick auf Zusammenhänge zwischen verschiedenen Lesarten, lexikalische und kontextuelle Aspekte bzw. Bedeutungsebenen und die Semantik-Pragmatik-Schnittstelle zu untersuchen. Dabei wurden verschiedene Gruppen von Verschiebungen und ihre Eigenschaften herausgearbeitet und gegeneinander abgegrenzt. Schließlich wurden Gemeinsamkeiten und Unterschiede bzw. Vor- und Nachteile der Theorien von Bierwisch, Pustejovsky und Nunberg diskutiert. Diese Betrachtung diente schließlich als Grundlage für einen kurzen Ausblick auf die Bedeutungsvariation bei deverbalen Nominalisierungen. Dabei wurde die weiterführende Frage aufgeworfen, ob ein einheitlicher Ansatz zur nominalen Ambiguität sinnvoll und plausibel ist. 79 Bibliographie Apresjan, Ju (1973), „Regular polysemy“. 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