Neue Meldepflichten: IfSG-MeldepflichtAnpassungsverordnung (IfSGMeldAnpV) Netzwerktag im mre-Netzwerk HSK am 26.10.2016 Allgemeines • Am 18.März 2016 wurde vom Bundesgesundheitsministerium eine neue „Verordnung zur Anpassung der Meldepflichten nach dem Infektionsschutzgesetz an die epidemische Lage “ (Infektionsschutzgesetz-MeldepflichtAnpassungsverordnung – IfSGMeldAnpV) erlassen. • Gültigkeit besteht seit dem 01.05.2016 • Sie führt neue Meldepflichten für Labore und Ärzte ein und führt bestehende Meldepflichten aus bereits bestehenden Verordnungen zusammen • Sie hat Gesetzeskraft und bundesweite Gültigkeit 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 2 Meldepflichten für Ärzte • der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an zoonotischer Influenza; • die Erkrankung sowie der Tod an einer Clostridiumdifficile-Infektion mit klinisch schwerem Verlauf: 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 3 Meldekriterien für Clostridium difficile (=„schwerer Verlauf“) • Entweder bei stat. Aufnahme wegen einer C. diff.Erkrankung oder • Aufnahme auf einer Intensivstation wegen dieser Infektion oder • Durchführung eines operativen Eingriffs wegen Komplikationen der Infektion oder • Versterben an den Folgen der Infektion innerhalb von 30 Tagen nach Diagnosestellung 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 4 Definition von „ambulant erworben“ Die ambulant erworbene Clostridium-difficileErkrankung wird dabei definiert als Vorliegen der beiden folgenden Kriterien: • Symptombeginn vor oder am Tag der stationären Aufnahme oder dem darauffolgenden Tag, • kein Aufenthalt in einer medizinischen Einrichtung innerhalb der 12 Wochen vor Symptombeginn. 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 5 Meldepflichten für Labore -1- • der direkte oder indirekte Nachweis von Chikungunyavirus, Denguevirus, West-Nil-Virus, Zikavirus und sonstigen Arboviren, soweit der Nachweis auf eine akute Infektion hinweist • die direkten Nachweise folgender Krankheitserreger: Staphylococcus aureus, Methicillin-resistente Stämme, für den Nachweis aus Blut oder Liquor; 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 6 Meldepflichten für Labore -2• Enterobacteriaceae mit CarbapenemNichtempfindlichkeit oder bei Nachweis einer Carbapenemase-Determinante mit Ausnahme der isolierten Nichtempfindlichkeit • gegenüber Imipenem bei Proteus spp., Morganella spp., Providencia spp. und Serratia marcescens; • Meldepflicht sowohl bei Infektion als auch bei Kolonisation 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 7 Meldepflichten für Labore -3• Acinetobacter spp. mit CarbapenemNichtempfindlichkeit • oder bei Nachweis einer CarbapenemaseDeterminante; • Meldepflicht sowohl bei Infektion als auch bei Kolonisation 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 8 Warum neue Meldepflichten? -1• zur Anpassung an die epidemiologische Situation • als Reaktion auf die zunehmende Verbreitung von Carbapenem-resistenten Erregern und von Clostridium-difficile-Infektionen • Durch die Meldung an das Gesundheitsamt können Ausbrüche frühzeitig entdeckt und Kontrollmaßnahmen eingeleitet werden • Die reiseassoziierte Krankheitslast in Deutschland soll bestimmt und mögliche autochthone Übertragungen und Ausbrüche sollen erkannt werden. 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 9 Warum neue Meldepflichten? -2• In den letzten Jahren wurden Populationen von Aedes albopictus auch in Deutschland entdeckt Quelle: Wikipedia • In den nächsten Jahren ist mit der Ansiedlung von größeren Populationen v. a. im Süden Deutschlands zu rechnen. Mit der Ansiedlung der Vektoren ist eine autochthone Übertragung von z. B. Denguevirus, Chikungunyavirus oder Zikavirus nicht mehr ausgeschlossen. 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 10 Warum neue Meldepflichten? -3• Durch Einführung der Meldepflicht für Labore können sowohl importierte als auch autochthone Infektionen entdeckt und entsprechende Kontrollmaßnahmen (einschließlich Maßnahmen der Mückenbekämpfung) rechtzeitig eingeleitet werden. 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 11 Konsequenzen im Gesundheitsamt Im Meldewesen mussten entsprechende Anpassungen vorgenommen werden. Dazu zählten u. a. • die Anpassung der Meldebögen, • die Entwicklung von Falldefinitionen für die Übermittlung der gemeldeten Fälle an die zuständigen Landesbehörden (LZG in Münster) und von dort weiter an das RKI, • die Aktualisierung der Übermittlungssoftware. 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 12 Erfahrungen des Gesundheitsamtes HSK im ersten Halbjahr der Gültigkeit • Zunehmende Meldeaktivität, v. a. bei C. difficileInfektionen • Erhöhter Arbeitsaufwand durch Einzelermittlungen und Beratungen 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 13 Versuch einer Bewertung + Herausforderung: zunehmenden Multiresistenzen von Erregern, bes. bei sogenannten „Darmkeimen“, wird damit Rechnung getragen + Gefahr der Epidemie durch einen neuen Stamm der zoonotischen Influenza mit evtl. pandemischem Potenzial - Kritik (BÄK 2/2016): unzureichende Finanzierung der Meldewege; mögliche Diskriminierung von C. diff.-Patienten durch Abweisung an der Krankenhauspforte (kostenintensive Behandlung!) 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 14 Aktuelle Probleme • Interpretation neuer Daten ist zunächst unklar (was bedeutet z. B. die zahlenmäßige Zunahme von Kolonisationen?) • Viele Rückfragen zum Thema „Neue Meldepflicht“ bei C. difficile und Acinetobacter laufen beim Landeszentrum für Gesundheit (LZG) auf • Laborbefunde sind oft nicht eindeutig gekennzeichnet • Ggf. hilfreich: Das RKI plant die Veröffentlichung von FAQ´s auf seiner Homepage 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 15 Clostridium difficile-elektronenmikroskopische Aufnahme (Quelle: www. rki.de) 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 16 Management C. diff.-Infektion • Prävention durch kontrollierten/ rationalen Antibiotikaeinsatz • Etablierung einer lokalen CDI-Surveillance im Krankenhaus, z. B. über das C.-difficile-Modul des Krankenhaus-Infektions-Surveillance-Systems (CDAD-KISS) • Prävention der Weiterverbreitung • Maßnahmen zur Unterbrechung von Infektketten, so ist z. B. als räumliche Unterbringung in der Klinik die Einzelunterbringung unter Anwendung von Barrieremaßnahmen (pers. Schutzausrüstung mit Handschuhen, Schutzkittel, sporoziden Maßnahmen, etc.) geeignet. 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 17 Händedesinfektion und -waschung • Bei sichtbarer Verschmutzung der nicht geschützten Haut erzielt das Waschen der Hände die wesentliche Reduktion der Erregersporen. • Aufgrund der Resistenz/Toleranz der Sporen gegen alkoholische Händedesinfektionsmittel wird insbesondere vor der Zubereitung von Speisen neben einer Händedesinfektion eine Händewaschung empfohlen. • Dabei werden die Hände desinfiziert und danach die (trockenen) Hände gründlich gewaschen und getrocknet. 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 18 Desinfektion und Reinigung von Flächen, Geschirr und Wäsche: • Tägliche Wischdesinfektion (bevorzugt unter Anwendung von Oxidantien (z.B. Peressigsäure, oder Natrium-Hypochlorit) der patientennahen (Flächen (z.B. Nachttisch, Bettgestell, Nassbereich bzw. Sanitärbereich, Toiletten). • Geschirr soll bei Temperaturen > 60°C gereinigt werden. • Wäsche und Textilien sollen einem desinfizierenden Waschverfahren zugeführt werden. • Für Betten und Matratzen werden wischdesinfizierbare Überzüge empfohlen. 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 19 Materialien: • Die Maßnahmen sind bereits im Jahre 2014 in einem Abspracheprotokoll (für stationäre Pflegeeinrichtungen) durch das MRE-Netzwerk HSK erarbeitet worden (auf Nachfrage verfügbar). • Ein vom mre-net HSK entwickelter Flyer zu diesem Thema liegt aus! 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 20 Warum gerade CarbapenemaseMeldepflicht? • Carbapenemasen führen zur enzymatischen Spaltung der Carbapeneme (=bestimmte Antibiotika) Dies geschieht durch durch spezielle β-Laktamasen (= Carbapenemasen) • Unterteilung in Klasse A-, B- und D-Carbapenemasen • Carbapeneme sind Reserveantibiotika, die klinisch häufig als letzte therapeutische Alternative eingesetzt werden. • Der Anteil von Carbapenemasebildnern unter den Bakterien, die dazu in der Lage sind (z. B. Klebsiellen, Enterobakterien) nimmt in den letzten Jahren kontinuierlich zu. 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 21 Zunahme Carbapenemase-bildender Enterobakterien in D seit 2010 (Quelle: RKI, Epid. Bulletin) 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 22 Erregerspektrum • Als Carbapenemasebildner sind v. a. • • • • • Klebsiellen, Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter und weitere Enterobakterien bekannt. Bei den gramnegativen Bakterien stellt die weltweite Ausbreitung von Carbapenemasen die derzeit bedrohlichste Resistenzentwicklung dar. 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 23 Weltweite Verbreitung von Carbapenemasen • Klebsiella pneumoniae Carbapenemase“ uberwiegend in K. pneumoniae; auch Import aus „Endemiegebieten“ (z.B. Griechenland, Israel, Italien) • • Metallo-Beta-Laktamasen (MBL): VIM „Verona Integron-borne Metallo-Beta-Laktamase“: in Enterobacteriaceae und P. aeruginosa Import aus Mittelmeerregion (Italien, Griechenland) NDM „Neu-Delhi Metallo-Beta-Laktamase“: in Enterobacteriaceae und A. baumannii aus Indien, Nordafrika, Balkan, Arab. Raum OXA-48 in Enterobacteriaceae; Import überwiegend aus Türkei, Nordafrika, Indien OXA-23/72/58: ausschließlich und weit verbreitet in Acinetobacter spp. IMP selten in E. cloacae, K. pneumoniae; haufiger in P. aeruginosa GIM „German Imipenemase“ vereinzelt in NRW vorkommend in E. cloacae, S. marcescens, Pseudomonas aeruginosa, A. pittii AIM „Adelaide Imipenemase“: Einzelnachweis in P. aeruginosa FIM „Florence Imipenemase“: Einzelnachweise in P. aeruginosa DIM „Dutch Imipenemase“: Einzelnachweise in Pseudomonas spp. SIM „Seoul Imipenemase“: Einzelnachweis in A. baumannii SPM „Sao Paulo metallo-β-lactamase“: Einzelnachweis in P. aeruginosa • • • • • • • • • • • 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 24 Gefahr der Übertragung ESBL-produzierender Stämme durch Auslandsaufenthalte aus: Tangden et al.; Antimicrob Agents Chemother 2010; 54: 3564-3568 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 25 Empfehlung des Robert-Koch-Instituts: • Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI): „Hygienemaßnahmen bei Infektionen oder Besiedlung mit multiresistenten gramnegativen Stäbchen“ (2012 veröffentlicht) • Stellt die wissenschaftlichen Erkenntnisse, den Evidenzgrad von Maßnahmen und die auf den einzelnen Erreger bezogenen Methoden zur Eindämmung dar 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 26 Wesentliche Eindämmungsmaßnahmen • Screening gem. der RKI-Kriterien (z. B. alle Patienten mit Auslandsaufenthalt und dortiger Hospitalisierung) • Bedeutung der Händedesinfektion! • Isolierung je nach Keim und Resistenztestung (3MRGN oder 4MRGN) und Behandlungsort (immer in Risikobereichen). • Kein etabliertes Sanierungsschema wie bei MRSAKolonisation verfügbar 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 27 Zusammenfassung • Alle wichtigen Carbapenemasen werden mittlerweile auch in Deutschland gefunden • Nur die Kombination aus Hygiene und rationaler Antibiotikatherapie kann die Entwicklung verzögern • Ziel des ÖGD: Bewusstsein schaffen und regionale Ausbrüche erkennen • Hierbei können die neue Meldepflichten eine Hilfe sein! 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 28 26.10.2016 SG 37/1, Gesundheitsamt 29