evolution am rhein

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UMBAU ROHMÜHLE IN BONN:
EVOLUTION AM RHEIN
Die Stadt Bonn hat dafür Sorge getragen, dass das exponierte Rheingrundstück schräg gegenüber des
Rheinauenparks, des Langen Eugen als UN-Standort und des Posttowers mit hochwertigen Büros bebaut
wurde, die in das Zukunftsprofil der Stadt als IT-Standort passen. Das Architekturbüro Schommer aus
Bonn gewann Mitte 2002 den städtebaulichen Wettbewerb für das Gesamtareal und den parallel ausgelobten Realisierungswettbewerb für die ersten beiden Bauabschnitte. Im Umbau der so genannten
Rohmühle gelang die Zusammenführung von Alt und Neu besonders eindrucksvoll und ausdrucksstark.
Historische Rhein-Ansicht der Zementfabrik
Fotos: Tomas Riehle
Foto: Rainer Viertlböck
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Blick von der Uferpromenade auf die Rohmühle
Lageplan Gesamtareal
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Restaurant „Rohmühle” im Erdgeschoss
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Ein offener Raumeindruck prägt die Büroetagen nach der Sanierung.
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Schnitt
5. Obergeschoss
4. Obergeschoss
3. Obergeschoss
Erdgeschoss
Die denkmalgeschützte Rohmühle gehört zu einer der ältesten
Zementfabriken Europas. Sie wurde 1956-58 von Hermann Bleibtreu
errichtet. Der Baustoff Portland-Zement wurde hier nach einem neuen
technischen Verfahren hergestellt, das Hermann Bleibtreu entwickelt
hat. Das „Bonner Portland Zementwerk“ wurde stufenweise ausgebaut. Nach 130 Jahren entschied sein letzter Besitzer, die Dyckerhoff
AG, die Produktion an diesem Standort 1987 einzustellen. Die meisten
Fabrikgebäude wurden abgerissen, lediglich die Fabrikantenvilla, der
Wasserturm mit zwei Nebengebäuden sowie die Rohmühle blieben
erhalten. Das Grundstück liegt inmitten der Rheinaue gegenüber dem
Rheinauenpark.
Die Stadt hatte das Gelände mit Konversionsmitteln erworben und
noch in ihre Hauptstadtplanung einbezogen sowie später als Sonderentwicklungsgebiet für innovative Industrie ausgewiesen. Man wollte,
dass das Areal seiner Güte entsprechend genutzt wird. So dauerte es
bis zum Jahr 2001, bevor man die richtigen Nutzer gefunden hatte,
unter ihnen die GWI, ein Unternehmen, das innovative Informationszentren für den klinischen Bereich entwickelt und heute zur Agfa-Gruppe gehört.
Das Büro Schommer erhielt in einem anonymen Wettbewerbsverfahren
für das Gesamtareal im Juni 2002 den 1. Preis. Der städtebaulichen
und architektonischen Leitidee zur Bebauung des Zementfabrikgeländes wurden im Wesentlichen vier städtebauliche Merkmale zugrunde
gelegt, die die herausragende Lage dieses Standortes charakterisieren.
Exponierte Lage des Standortes zum Rheinufer: Ziel des Entwurfes war
es, die Qualität der Sichtbeziehung zum Rhein für alle zukünftigen Nutzer des Standortes erlebbar werden zu lassen. Darüber hinaus ist aber
auch der großzügigen Sichtbeziehung zum Siebengebirge eine besondere Bedeutung zuzuordnen.
Vernetzung des vorhandenen Grünraumes: Ein weiteres Ziel der städtebaulichen Konzeption war es, die vorhandene Freiraumqualität des
Rheinauenparks, der in seinen beiden Teilen lediglich durch die Rheinuferpromenade verbunden ist, über das Planungsgebiet zu vernetzen.
Durch diese Vernetzung des Landschaftsraumes wird für die zukünftigen Nutzer das „Arbeiten in einer Parklandschaft“ verwirklicht.
Gebäudeensemble/Plätze und Höfe: Ein weiteres Merkmal zur städtebaulichen Leitidee lag in der Markanz und in der Lage der vorhandenen
alten Gebäude Rohmühle, Villa und Wasserturm.
Das Bebauungskonzept sah vor, zwischen Altbauten und Neubauten
ein Gebäudeensemble zu entwickeln, in dem Plätze und Höfe entstehen, die hohe Aufenthaltsqualität bieten und einen spannungsvollen
Dialog zwischen vorhandener Bausubstanz und neuer Architektur an
dieser Stelle erlebbar machen.
Um diesen Dialog zu verdeutlichen, wurden gezielt die vorhandenen
alten Gebäude durch neue zeitgenössische Architektur erweitert bzw.
ergänzt.
Ausrichtung der Gebäude nach Süd-West: Der überwiegende Teil der
Gebäude ist nach Süd-West orientiert, um einerseits eine optimale
natürliche Belichtung zu gewinnen und andererseits einen starken
Bezug zum Rhein herzustellen. Um die o. g. Punkte in städtebaulicher
und architektonischer Hinsicht zu realisieren, wurden kompakte Baukörper gewählt, die vielfältige Blickbeziehungen zum Rhein ermöglichen. Die Rohmühle sollte in Verbindung mit der Villa und dem Wasser-
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Architekturbüro Schommer
zum Umbau der ehemaligen Rohmühle
in Bonn
turm einen besonderen Stellenwert als „Symbol“ für dieses Areal erhalten.
Das Wegenetz des Areals wurde mit der bereits vor dem Wettbewerb
2001 angelegten Rheinuferpromenade verknüpft, die Stadt, Parkanlagen und Naherholungsanlagen miteinander verbindet und in ein überregionales Radwegenetz eingebunden ist.
Der Entwurf sah vor, die beiden unbedeutenden Gebäude neben dem
Wasserturm nicht zu erhalten. Die drei Bauten, die für die Geschichte
des Ortes repräsentativ sind, wurden als Wahrzeichen hervorgehoben:
Fabrikantenvilla und Rohmühle liegen dementsprechend den neuen
Gebäuden in der ersten Reihe an der Promenade vorgelagert.
Die neuen Gebäude der GWI-Zentrale wurden als 2-hüftige Gebäude
ausgebildet, in deren Mitte sich eine gläserne viergeschossige Eingangshalle befindet. Diese steht exakt in der Blickachse zwischen
Wasserturm und Fabrikantenvilla. Von der Halle und deren Verbindungsstegen auf den einzelnen Geschossen ist somit von den Nutzern
und Besuchern der Dialog der historischen Gebäude mit den neuen
mit Betonrahmungen eingefassten Gebäudestrukturen erlebbar.
DIE ROHMÜHLE
Die Rohmühle wurde durch einen L-förmigen gläsernen Bügel an der
Westseite und auf dem Dach erweitert: Ein Kompensat an Tageslicht
für das ehemalige Industriegebäude mit seinem geringen Fensteranteil,
in dem ursprünglich Kalk und Gestein mit großen Mühlwerken für die
Zementproduktion zerrieben wurden. Auch für die Fassade im Hauptbaukörper mussten für die neue Büronutzung zusätzliche Öffnungen
geschaffen werden. Analog zur Haltung, mit der sich auf dem ganzen
Gebäude Alt und Neu als jeweils seiner Zeit zugehörig zeigt, wurde
auch hier darauf verzichtet, das Alte nachzuahmen.
Stattdessen wurden in das Ziegelmauerwerk schmale Rechtecke eingeschnitten. Sie wurden mit nach außen parallel zur Fassade ausstellbaren Fenstern versehen, die im geschlossenen Zustand bündig mit
dem Außenrand sind. Sie sollten bewusst als zweite Schicht und als
neue Elemente wahrgenommen werden und nicht in der Ebene der
sonstigen Fenster stehen. Daher liegt auch diesen neuen schlanken
Hochrechteckformaten als zusätzlichen Fensterelementen eine andere,
spielerischere Ordnung zugrunde als die Vertikalordnung der ursprünglichen Fenster.
In Bezug auf den Dialog mit den vorhandenen rundbögigen Fensterproportionen wurden die Proportionen der neuen Fenster sorgfältig
ausgewählt, die Breite wurde auf 50 cm festgelegt. Diese wurden in
einem Stahlrahmen als Structural-Glasing-Elemente rahmenlos ausgebildet. Damit darüber hinaus möglichst viel Tageslicht ins Innere des
Gebäudes fällt, wurden die Mauerwerkslaibungen nach innen und
oben abgeschrägt.
In die vorhandenen Fensteröffnungen wurden Holzfenster in Anlehnung
an die Originalkonstruktionen eingebaut. Der ursprünglich vom Rhein
aus links gelegene, zwischenzeitlich zerstörte Aufbau wurde wieder
vervollständigt, ohne dass er rekonstruiert worden wäre; er wurde neu
interpretiert und mit größeren Fenstern versehen. Er bildet in diesem
Zusammenspiel aus massivem und gläsernem Volumenhalt ein Gleichgewicht für den gläsernen Bügel.
Die neuen Glasfassaden sind als Doppelfassade ausgebildet; innen
verschiebbare Holzflügel, außen Verbundglas mit offenen Fugen. Somit
ist gewährleistet, dass auch bei hohen Windstärken der Sonnenschutz
unten bleibt.
DIE NUTZUNG UND DAS INNERE
Die oberen Etagen der Rohmühle werden als Büros genutzt. Im Erdgeschoss wurde ein Restaurant eingerichtet, das im neuen Anbau über
zusätzlichen Raum für besondere Anlässe verfügt. Dort, wo sich im
Bestandsbau eine geschlossene Fassade mit nach innen und außen
angrenzenden Betonanlagen für damalige Verladerampen der Anlegerschiffe am Rhein befand, wurde in die Fassade eine große Fensterfront
eingeschnitten, um den Blick aus dem Restaurant auf die Terrasse und
den Rhein freizugeben.
Im Inneren gelang es durch entsprechende Nachweise und durch die
Anordnung einer Vollsprinklerung, die alte Holzkonstruktion sichtbar zu
gestalten. Teilweise hatte man im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss
statt des Holzes Gusseisen als Material für die Stützen verwendet.
Die vorhandenen Decken aus einer Holzkonstruktion auf Unterzügen
wurden mit zusätzlichen Estrichen auf Stahltrapezblechen versehen.
Darüber sind Hohlraumböden angeordnet. Die Büros sind lediglich
durch raumhohe Verglasungen voneinander getrennt, zum einen, um
der alten Tragstruktur die Dominanz zu bewahren, zum anderen, damit
möglichst viel Tageslicht bis in die innere Flurzone gelangt.
Eine Besonderheit sind die beiden oberen Geschosse. Aufgrund der
durch die hohe ausladende Ziegelattika niedrigen Fenster sind der gläserne Aufbau und die letzte Ebene des Bestands zu einer zweigeschossigen Bürolandschaft zusammengefasst. In der unteren Ebene
liegen die weniger Licht benötigenden Medienräume; durch die
großzügigen Treppenöffnungen an der Südseite erhalten die anderen
unteren Räume ausreichend Licht.
Im selben Sinne ist der gläserne Dachaufbau auf der dem Fluss abgewandten Nordseite über der alten Fassade zurückgesetzt, so dass
zusätzliches Tageslicht von oben einfallen kann. Diese Räume werden
von der BonnVisio Immobilienverwaltung belegt, die mit Partnern das
gesamte Areal entwickelt.
Der gesamte Innenausbau einschließlich der Schreibtische, der
Besprechungstische mit integrierter IT-Technik und unsichtbarer Verkabelung wurden nach Entwürfen des Büros gefertigt. Die Oberfläche
wurde in einem lasierten Kirschbaumfurnier ausgeführt, das im Zusammenspiel mit dem anthrazitfarbenen Teppichboden und einem eingefärbten Putz steht, in Anlehnung an die Farbe des äußeren Ziegels in
einem sanften Ockerton.
Im haushohen Teil des Gebäudes, in dem sich ursprünglich die
Maschinen und die dazugehörigen Krananlagen befanden, wurden das
Treppenhaus und der Aufzug integriert. Die hier vorgefundenen zahlreichen Fragmente von Malereien wurden vollständig erhalten und
teilweise im Bereich von Beschädigungen rekonstruiert.
WEITERE ENTWICKLUNG DES AREALS
Westlich angrenzend an die Rohmühle sind zwei weitere Bauabschnitte
im Bau. Die städtebauliche Anordnung der Gebäudeteile beruht auf
dem Wettbewerbsentwurf der Büros von 2002. Direkt neben der
Rohmühle, jedoch nach hinten versetzt, entsteht ein 5-Sterne-Hotel mit
großzügigen Konferenzräumen sowie ein weiterer Bürokomplex. Die
Fertigstellung ist für Mitte 2008 geplant.
Bauherr
BonnVisio Immobilien
Verwaltung GmbH &
Co. KG
Planung
Architekturbüro
Karl-Heinz Schommer
Bonn
Bauleitung
Architekturbüro
Gradias
Königswinter (Stieldorf)
Bestandsaufnahme
Pancini und Fitzek
Köln
Fassadenplanung
Emmer Pfenninger &
Partner AG
Münchenstein, CH
TGA-Planung
Bähr Ingenieure GmbH
Köln
Tragwerksplanung
AWD Ingenieurgemeinschaft
Köln
Bauphysik
Ingenieurbüro
Heinrichs
Kerpen
Brandschutz
Kempen Ingenieurgesellschaft GbR
Aachen
Landschaftsplanung
Heinz Dahs
Freier Landschaftsarchitekt BDLA
Königswinter
Fotos:
Tomas Riehle
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Detail-Grundriss Fenstereinschnitt in die historische Fassade
Detail-Schnitt Aufsatz Glas-Doppelfassade
Detail-Schnitt Deckenanschluss GlasDoppelfassade
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Die Fassade der Rohmühle mit zeitgemäßen Ergänzungen und Einschnitten
Detail-Grundriss Fassadenecke Glas-Doppelfassade
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