zkm Praxis 4 mal 4 4 Fachleute – 4 Behandlungsstrategien bei Arrhythmie: Der Fall: 39-jährige Rechtsanwältin mit Rhythmusstörungen in Ruhe, besonders nachts seit 4 Wochen, beginnend mit einem banalen Infekt; nach Aufregung verschlimmert. Kardiologische Abklärung: „Keine organische Erkrankung“. Metoprolol hilft nicht. Befund: ausgeprägte resp. Arrhythmie ca. 70/min; RR 120/80; diskrete Hyperventilation. Bei Frage nach Belastungen beginnt die Patientin zu weinen. 1 Was empfehlen Sie Dr. med. Miriam Ortiz Ärztin für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren, Akupunktur Charité – Hochschulambulanz für Naturheilkunde Luisenstr. 57 10117 Berlin [email protected] Naturheilkundliche Therapie Bestätigt sich nach Ausschluss anderer Erkrankungen die Hypothese einer somatoformen Störung, so empfiehlt sich die Exploration von Belastungsursachen einerseits sowie Ressourcen und Möglichkeiten z. B. zur Stressbewältigung oder -reduktion andererseits. In der Naturheilkunde gibt es im Bereich der Ordnungstherapie von einer Modifikation der Tagesstruktur bis hin zur ggf. notwendigen Psychotherapie viele Möglichkeiten. Um mehr Entspannung in den Alltag zu bringen, empfehle ich häufig kurze, pragmatische Entspannungsübungen in Pausenzeiten (z. B. Kurzformen der Progressive Muskelrelaxation, Atemmeditation), die ich zuvor mit den Patienten übe und zu denen sie entsprechende Audiodateien für den eigenen Gebrauch erhalten. Erholung und Entspannung lässt sich oft auch durch ein intensiviertes Bewegungsprogramm erreichen. Ausdauersportarten wie Walking, Joggen, Schwimmen sowie Bewegungsformen, die zusätzlich meditative Elemente enthalten wie Yoga oder Qigong bieten sich an. Zu36 2 Dr. med. Felix J. Saha Oberarzt der Abteilung Innere Medizin V Naturheilkunde und Integrative Medizin Kliniken Essen-Mitte GmbH Knappschafts-Krankenhaus Am Deimelsberg 34 a 45276 Essen [email protected] Neuraltherapie sätzlich sollten koffeinhaltige Getränke, Alkohol und einfache Zucker in der Ernährung gemieden werden. Phytotherapeutisch hat sich die Behandlung mit Teemischungen bewährt. Zur Beruhigung werden gerne Hopfen, Baldrian und Melisse eingesetzt, bei Patienten mit einer Angstproblematik kommen Passionsblume oder Lavendel, bei Stimmungslabilität oder Depressivität Johanniskraut infrage. Im Rahmen funktioneller Herzbeschwerden werden gerne Weißdornblüten und -blätter oder Herzgespannkraut in die Teemischung aufgenommen. Johanniskraut oder Lavendel stehen als Präparate zur Verfügung. Aromatherapeutisch können Lavendelölkompressen als Auflage oder die Einreibungen der Herzgegend mit lavendelund rosenölhaltigen Salben (z. B. Aurum/Lavandula Compositum) angewendet werden. Phytotherapie und Hydrotherapie lassen sich kombinieren im Lavendelölfußbad. Für alle empfohlenen Selbsthilfemaßnahmen ist es essenziell, dass sie für die Patientin plausibel und machbar sind und nicht zu mehr „Zeitstress“ führen. Bei funktionellen Herzrhythmusstörungen, die nach einem Atemwegsinfekt auftreten, empfiehlt sich die Infiltration der Tonsillenpole oder Tonsillennarben mit 1 %igem Procain. Da über den N. vagus eine Verbindung zwischen Pharynx, Larynx und Herz hergestellt wird, können Irritationen durch akute oder chronische Infekte eine entsprechende Symptomatik auslösen. Weil auch die Zähne, Nasennebenhöhlen und Ohren Störfeldcharakter aufweisen können und über eine sympathische Reizung ebenfalls Reizleitungsstörungen auszulösen vermögen, sollte eine entsprechende Diagnostik über die Adler-Langer-Punkte (Nacken-Ref lexpunkte) durchgeführt und die auffällig getasteten Störfelder infiltriert werden. Im Sinne der Segmenttherapie werden die dem Herzen zugehörigen Segmente (v. a. Th 2– Th 6) paravertebral links über dem Blasenmeridian gequaddelt und die Dornfortsätze von Th 4 und Th 5 als Hauptsegmente umflutet. Von ventral werden 2 Daumenbreiten links neben der sternalen Medianlinie (Nie- renmeridian) Quaddeln gesetzt, ebenso auf dem Punkt KG 17. Auf der 6. Rippe rechts findet sich in der Medioclavicularlinie ein „Arrhythmiepunkt“, der präperiostal infiltriert wird. Bei der erweiterten Segmenttherapie wird zusätzlich eine indirekte Grenzstrangblockade in Höhe von Th 4/5 gesetzt sowie eine Stellatumblockade. Diese ist bei Rhythmusstörungen rechts oftmals effektiver als auf der linken Seite. Ferner sollten Triggerpunkte in folgenden Muskeln getestet und ggf. infiltriert werden: Mm. pectorales major und minor, Mm. rhomboidei, M. sternocleidomastoideus, M. trapezius. Bei der psychischen Komponente ist die zusätzliche Infiltration der Schilddrüse mit jeweils 0,5 ml pro Lappen sinnvoll. Die genannten Injektionen sollten wöchentlich erfolgen. Begleitend sollte der Patientin das Erlernen von Entspannungstechniken „ans Herz gelegt werden“ oder die Teilnahme an einem MBSR-Kurs (Mindfulness Based Stress Reduction). 4 Fachleute – 4 Behandlungsstrategien bei Arrhythmie: Was empfehlen Sie akut und mittelfristig? zkm 2015; 1: 36–37 4 mal 4 Praxis zkm Online zu finden unter http://dx.doi.org/10.1055/s-0035-1545371 akut und mittelfristig? 3 Dr. Volker Schmiedel, M.A. Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin Naturheilverfahren, Homöopathie Habichtswaldklinik Wigandstr. 1 34131 Kassel [email protected] 4 Dr. Klaus Trinczek FA für Allgemeinmedizin Akupunktur, Chirotherapie, Naturheilverfahren Lachnerstr. 21 91058 Erlangen [email protected] Orthomolekulare Medizin Chinesische Medizin Orthomolekular sind die wichtigsten Substanzen Magnesium und Kalium. Diagnostisch sollte eine Vollblutmineralanalyse angestrebt werden, da die Serumuntersuchung meist nur einen schweren Mangel anzuzeigen vermag. Da Kalium und Magnesium zu über 90 % intrazellulär lokalisiert sind, spiegelt die Vollblutanalyse den Gesamtkörpergehalt viel präziser wider. Bei einem nachgewiesenen Mangel sollten dann Magnesium und/oder Kalium großzügig substituiert werden, z. B. Magnesium 300–900 mg, Kalium 1–2 g täglich. Ist keine Vollblutanalyse möglich oder gewünscht, kann auch probatorisch 1 g Kalium (falls keine Gegenanzeige besteht) und Magnesium in ansteigender Dosierung verabreicht werden. Dabei kann man mit 150 mg Magnesium (es zählen immer die reinen Magnesiumionen, nicht die Magnesiumverbindung!) beginnen und alle 3 Tage um eine Dosisstufe steigern, bis ein etwas weicherer Stuhl auftritt. Wird der Stuhl zu weich, sollte wieder eine Dosisstufe zurückgegangen werden. Mindestens ebenso wichtig wie diese beiden Elektrolyte Bevor ich das Instrumentarium der chinesischen Medizin anwende ist mir zu allererst wichtig, ein Bild von der Lebenssituation zu bekommen, in welcher sich die Patientin befindet. Dies erlaubt eine Interpretation der Beschwerden „nahe“ am Patienten und ermöglicht eine Therapie, die dem betroffenen Menschen gerecht wird. Die Rechtsanwältin erscheint körperlich beunruhigt (Herzrhythmusstörungen), gehetzt (Hyperventilation), seelisch geschwächt (bei Nachfrage beginnt sie zu weinen) und körperlich wenig resistent (Beschwerden verschlimmern sich bei Aufregung). Es ist die Situation seelischer Überforderung und sie reagiert mit körperlichen Beschwerden – eine ernst zu nehmende Situation! Wie können wir die Patientin in den therapeutischen Prozess einbinden? Im Weinen hat sie sich bereits geöffnet. Hier den therapeutischen Raum zu weiten und die konkrete individuelle Situation zu erspüren kann der Patientin Entlastung und Bewusstwerdung ermöglichen. Dies ist die Basis für Vertrauen. sind bei Herzrhythmusstörungen die Omega-3-Fettsäuren. Am günstigsten werden auch diese in einer subtilen Fettsäureanalyse gemessen. Bei Herzrhythmusstörungen ist der wichtigste Scorewert der Omega-3-Index. Dieser misst den Gehalt an den Omega-3-Fettsäuren EPA + DHA im Vergleich zum Gesamtfett. Bei Herzrhythmusstörungen wird ein Omega3-Index über 8 % angestrebt. Dafür sind meist 2 g EPA/DHA, manchmal auch mehr erforderlich. Diese Menge befindet sich in 12 handelsüblichen Fischölkapseln oder 1 EL eines hochwertigen Fischöls (z. B. SanOmega). Das Öl schmeckt praktisch nicht nach Fisch und kann problemlos in Soßen, Suppen und anderem Essen „versteckt“ werden. Omega-3-Fettsäuren wirken nicht nur rhythmusstablisierend, sondern senken auch die Herzfrequenz und verbessern die Herzratenvariabilität. Sie weisen damit ähnliche Wirkungen wie Betablocker auf, ohne mit deren Nebenwirkungen behaftet zu sein. Außerdem wirken sie antidepressiv, was bei der Patientin günstig sein könnte. 4 Fachleute – 4 Behandlungsstrategien bei Arrhythmie: Was empfehlen Sie akut und mittelfristig? zkm 2015; 1: 36–37 Neben der sprachlichen ist die körperliche Kommunikation, wie sie die Akupunktur bietet, eine sehr gute Möglichkeit, hilfreich therapeutisch zu begleiten. Diagnostisch handelt es sich um eine „Beunruhigung des Herzens“. Die Auswahl dieser Punkte bildet eine gute Basis: He 7, Bl 15, KG 14 und KG 17. Wichtig ist, nicht zu übersehen, dass der Krankheitsprozess bereits „an die Nieren“ geht, die körperliche Grundlage angreift. In der TCM sprechen wir von einer gestörten Nierenfunktion. Die wichtigsten Akupunkturpunkte: Ni 3, Ni 6, Bl 23 und Ren Mai 4. Mittel- und langfristig wird die Therapie nur hilfreich sein, wenn der substanzielle Yin-Aspekt der Nierenstörung Berücksichtigung findet – in der Akupunktur aber auch in einer die eigenen Ressourcen achtenden Lebensführung der Patientin. Psychotherapeutische Begleitung kann thematisiert werden. Seelisch-geistige Ausgeglichenheit und körperliches Wohlbefinden sind Ausdruck einer reibungslosen Kommunikation zwischen Herz- und Nierenfunktion. 37