Pressemitteilung der Fachgesellschaft „Deutsche Ophthalmochirurgen“ anlässlich des 29. Internationalen Kongresses der Deutschen Ophthalmochirurgen, 2016, in Nürnberg. Neu: Augentropfen verhindern Kurzsichtigkeit Die dramatische Zunahme von Kurzsichtigkeit bei Kindern und Jugendlichen beunruhigt Augenärzte und Eltern. Doch zusätzlich zu den aktuellen Empfehlungen für mehr Aufenthalt im Freien und Anpassung von Leseverhalten und Computernutzung diskutieren die Augenärzte auf dem 29. Internationalen Kongress der Deutschen Augenchirurgen (DOC) eine ganz neue Möglichkeit, das Entstehen oder Fortschreiten dieser Sehstörung durch Augentropfen medikamentös zu verhindern. „Aktuelle wissenschaftliche Studien haben bewiesen, dass Augentropfen mit dem Wirkstoff Atropin die Entwicklung einer Kurzsichtigkeit verringern können“, sagt Kongresspräsident und Augenarzt Dr. Armin Scharrer (Fürth) auf der Tagung, die vom 9. bis 11. Juni in Nürnberg stattfindet. Atropin ist ein Nervengift, das aus der Tollkirsche gewonnen wird. Schon lange verwenden Augenärzte es in einer 1,0- oder 0,5-prozentigen Verdünnung zur objektiven Bestimmung der kompletten Fehlsichtigkeit bei Kindern, zur Behandlung von Schwachsichtigkeit (Amblyopie) bei Kindern oder setzen es ein, um die Pupillen zu erweitern und den Augenhintergrund besser untersuchen zu können. Bei den Patienten sind die Tropfen manchmal unbeliebt, weil man danach vorübergehend verschwommen sieht und nicht mehr selbst Autofahren darf. „Atropin kann aber auch das Längenwachstum des Augapfels verzögern oder stoppen“, sagt Dr. Scharrer. Dass diese Therapie tatsächlich gut funktioniert, haben Wissenschaftler vom Singapore National Eye Center eindrucksvoll bewiesen. 400 kurzsichtige Kinder im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren bekamen im Rahmen klinischer Studien jeden Abend Atropintropfen in 0,5-, 0,1und 0,01-prozentiger Verdünnung. Nach fünf Jahren zeigte sich, dass bei der niedrigsten Verdünnung von 0,01 Prozent die beste Wirkung eintrat: Das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit konnte zu 77 Prozent verzögert werden. In dieser geringen Dosierung traten auch so gut wie keine Nebenwirkungen auf. Dr. Scharrer: „Selbst als die Behandlung abgesetzt wurde, hielt der Effekt noch über mehrere Jahre an.“ In Taiwan wird inzwischen bereits jedes zweite kurzsichtige Kind damit behandelt. Bis die Behandlung auch in Deutschland offiziell eingeführt wird, kann es noch etwas dauern. Denn die Therapie ist nicht zugelassen und Atropintropfen stehen bisher nur in 0,5-prozentiger Verdünnung zur Verfügung. Allerdings haben die ersten Augenärzte in Deutschland bereits damit begonnen, 0,01-prozentiges Atropin auf Privatrezept zu verordnen. In der Apotheke müssen die bisher verfügbaren Tropfen dann gemäß Rezept entsprechend verdünnt werden. Die Kosten dafür werden von den Kassen jedoch nicht übernommen.