Die Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft Freier Marktzugang für die gewerbsmässige Gläubigervertretung Bern, 13.09.2013 - Der Bundesrat will gewerbsmässigen Gläubigervertreterinnen und Gläubigervertretern den freien Zugang zum Markt in der ganzen Schweiz gewährleisten. Dazu hat er eine Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs in die Vernehmlassung geschickt. Diese dauert bis am 31. Dezember 2013. Nach geltendem Recht können die Kantone festlegen, unter welchen Bedingungen eine Person gewerbsmässig Dritte im Zwangsvollstreckungsverfahren, d.h. vor den Betreibungs- und Konkursämtern, vertreten darf. Diese kantonale Kompetenz zur Regelung der gewerbsmässigen Gläubigervertretung soll mit der vorgesehenen Gesetzesänderung aufgehoben werden. Nach neuem Recht sollen sämtliche handlungsfähigen Personen als Vertreter von Parteien im Zwangsvollstreckungsverfahren tätig sein können, insbesondere auch juristische Personen (Inkassobüros, Rechtsschutzversicherungen etc.). Der freie Marktzugang wird damit gewährleistet. Die neue Regelung entspricht einer bereits heute in den Kantonen weit verbreiteten Praxis. Einfachere Verfahren dank einheitlichem Vollstreckungsraum In der Schweiz werden jährlich mehr als 2,5 Millionen Betreibungen eingeleitet; das Betreibungsverfahren ist ein Massenverfahren. Indem ein schweizweit einheitlicher Vollstreckungsraum geschaffen wird, in welchem die gleichen Regeln gelten, wird dieses Verfahren erheblich vereinfacht, und es können für die Gläubiger Kosten eingespart werden. Adresse für Rückfragen: David Rüetschi, Bundesamt für Justiz, T +41 31 322 44 18 Herausgeber: Der Bundesrat Internet: http://www.bundesrat.admin.ch/ Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement Internet: http://www.ejpd.admin.ch Bundesamt für Justiz Internet: http://www.bj.admin.ch Die Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft [email protected] | Rechtliche Grundlagen http://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (gewerbsmässige Gläubigervertretung) Vorentwurf und erläuternder Bericht September 2013 Übersicht Die Motion Rutschmann (10.3780) verlangt die Gewährleistung des freien Zugangs zum Markt für gewerbsmässige Gläubigervertreterinnen und Gläubigervertreter in der ganzen Schweiz. Dieser Zugang wird zurzeit behindert durch kantonale Regelungen, mit denen die Vertretung vor den Betreibungs- und Konkursbehörden den Anwältinnen und Anwälten sowie den Rechtsagentinnen und Rechtsagenten vorbehalten wird. Die Forderung der Motion soll umgesetzt werden, indem die bestehende kantonale Kompetenz, die gewerbsmässige Gläubigervertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren zu regeln, aufgehoben wird. Auf diese Weise wird jede handlungsfähige Person berechtigt, Parteien im Zwangsvollstreckungsverfahren in der ganzen Schweiz zu vertreten. Der freie Marktzugang ist damit gewährleistet. Dies entspricht der Praxis, wie sie bereits heute in vielen Kantonen besteht. Die gleiche Regelung soll auch für die gerichtlichen SchKG-Summarsachen zur Anwendung kommen; dies ist gerechtfertigt, da diese Verfahren in einem engen Zusammenhang mit dem eigentlichen Zwangsvollstreckungsverfahren stehen und in der Regel von geringer Komplexität sind. 1 1 Motion Rutschmann (10.3780) Am 30. September 2010 reichte Nationalrat Rutschmann eine Motion mit folgendem Wortlaut ein: «Der Bundesrat wird beauftragt, dem Parlament eine Änderung von Artikel 27 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) zu unterbreiten, so dass der freie Zugang zum Markt gesamtschweizerisch für gewerbsmässige Gläubigervertretungen gewährleistet ist und dass gemäss neuem Artikel 33a SchKG (in Kraft ab 01.01.2011) elektronische Eingaben im SchKG-Verfahren gesamtschweizerisch möglich werden.» Der Motionär begründete den Vorstoss damit, dass die geltende Fassung von Artikel 27 des Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)1, wonach es den Kantonen überlassen bleibt, die gewerbsmässige Gläubigervertretung zu regeln, dem Binnenmarktgesetz (BGBM) 2 widerspreche. In bestimmten Kantonen würden nur im Kanton ansässige agents d'affaires als Vertreter zugelassen und die Gläubigerin oder der Gläubiger so gezwungen, Betreibungsverfahren gegen ihre Schuldner entweder selber oder über die Mandatierung eines agent d'affaires (oder einer zugelassenen Anwältin oder eines zugelassenen Anwalts) einzuleiten. Nachdem der Bundesrat am 17. November 2010 die Annahme der Motion empfohlen hatte, wurde diese vom Nationalrat am 17. Dezember 20103 und vom Ständerat am 30. Mai 2011 angenommen4 und damit an den Bundesrat überwiesen. 2 Ausgangslage Nach geltendem Recht können die Kantone die Bedingungen festlegen, unter welchen eine Person gewerbsmässig Dritte im Zwangsvollstreckungsverfahren, d.h. vor den Betreibungs- und Konkursämtern, vertreten darf5. Zu diesem Zweck können die Kantone insbesondere vorschreiben, dass Personen, die als gewerbsmässige Vertreterinnen und Vertreter im Zwangsvollstreckungsverfahren tätig sein wollen, ihre berufliche Fähigkeit und ihre Ehrenhaftigkeit nachweisen müssen; zudem können sie verlangen, dass eine Sicherheitsleistung hinterlegt wird (Art. 27 Abs. 1 SchKG). Die Kantone sind allerdings nicht verpflichtet, entsprechende Bestimmungen zu erlassen. Weil die grosse Zahl der Kantone von ihrer Kompetenz keinen Gebrauch gemacht hat, ist in diesen Kantonen jede Art von Vertretung unbeschränkt zulässig 6, beispielsweise durch Inkassobüros, Treuhandfirmen, Immobilienverwalter und Rechtsschutzversicherungen. Die gewerbsmässige Vertretung beschränkt haben dagegen insbesondere die Kantone Genf und Waadt: In beiden Kantonen wird die 1 2 3 4 5 6 2 SR 281.1 Bundesgesetz über den Binnenmarkt vom 6. Oktober 1995 (SR 943.02). AB 2010 N 2159 AB 2011 S 356 f. Dagegen ist die nicht gewerbsmässige bzw. nicht berufsmässige Vertretung bereits unter geltendem Recht sowohl im Zwangsvollstreckungsverfahren als auch im Zivilprozess ohne Einschränkungen zulässig. Roth/Walther, in: Staehelin/Bauer/Staehelin Daniel (Hrsg.), Basler Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl., Basel 2010, Art. 27 N 4; Muster, in: Hunkeler (Hrsg.), Kurzkommentar Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz, Basel 2009, Art. 7 N 3. Vertretung vor den Betreibungs- und Konkursämtern neben den Anwältinnen und Anwälten nach Anwaltsgesetz (BGFA)7 den sog. Rechtsagentinnen und Rechtsagenten (agents d'affaires brevetés) vorbehalten8. In Bezug auf die interkantonale Freizügigkeit sieht das Gesetz vor, dass ausserkantonale Vertreterinnen und Vertreter in einen Kanton nur dann zur gewerbsmässigen Vertretung zugelassen werden müssen, wenn deren berufliche Fähigkeit und Ehrenhaftigkeit in angemessener Weise im Ursprungskanton geprüft worden sind (Art. 27 Abs. 2 SchKG). Das Bundesgericht hat hierzu festgehalten, dass eine Vertreterin oder ein Vertreter aus einem Kanton, der keine Bewilligungspflicht kennt, sich nicht auf Artikel 27 Absatz 2 SchKG berufen kann, wenn sie oder er in einem anderen Kanton tätig werden will, der eine Bewilligungspflicht kennt. Vielmehr muss dort um eine Bewilligung ersucht werden9. Diese Regelung verunmöglicht es faktisch Vertreterinnen und Vertretern aus einem Kanton, in dem keine Zulassungsvoraussetzungen bestehen, in den Kantonen Genf oder Waadt tätig zu werden. So werden beispielsweise ausserkantonale Inkassobüros und Rechtsschutzversicherungen von der Vertretung in den Kantonen Genf und Waadt ausgeschlossen, obwohl sie in der Regel über die Kompetenz und Erfahrung verfügen würden, um Parteien vor den dortigen Betreibungs- und Konkursämtern zu vertreten. Will eine Gläubigerin oder ein Gläubiger eine Forderung gegen einen Schuldner im Kanton Genf oder Waadt in Betreibung setzen und will sie oder er nicht selber tätig werden, muss deshalb eine lokale Rechtsagentin oder eine lokaler Rechtsagent engagiert werden. Wird dagegen ein Inkassobüro aus dem eigenen Kanton engagiert, kommen die Kosten der Rechtsagentin oder des Rechtsagenten zusätzlich hinzu, was die Forderungsdurchsetzung erheblich verteuern kann. Obwohl durch diese Regelung eine Beschränkung der interkantonalen Freizügigkeit erfolgt, hat das Bundesgericht im Jahr 2008 festgehalten, dass die in Artikel 27 SchKG vorgesehene Kompetenz der Kantone, die Vertretung im Betreibungsverfahren zu beschränken, als lex specialis gegenüber dem Binnenmarktgesetz anzusehen ist und diesem deshalb vorgeht10. 3 Revisionsvorschlag 3.1 Vertretung vor den Betreibungs- und Konkursämtern Mit der vorliegenden Motion soll der freie Zugang zum Markt für gewerbsmässige Gläubigervertreter gesamtschweizerisch gewährleistet werden. Die Einführung einer Freizügigkeit unter Beibehaltung der in Artikel 27 SchKG vorgesehenen Kompetenz der Kantone, die gewerbsmässige Vertretung auf ihrem Gebiet zu beschränken, würde allerdings kaum zu einem befriedigenden Ergebnis führen: In denjenigen Kantonen, die an einer einschränkenden Regelung der Vertretungsbefugnis festhal7 8 9 10 Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte vom 23. Juni 2000 (SR 935.61). VD: Loi sur la profession d'agent d'affaires breveté (LPAg, RSV 179.11) du 20 mai 1957; Règlement concernant les représentants professionnels autorisés conformément à l'article 27, alinéa 2, LP (RRPLP) du 15 juillet 1997 (RSV 280.07.1); GE: Loi réglementant la profession d'agent d'affaires du 2 novembre 1927 (RSG E 6 20); Règlement sur l'exercice de la profession d'agent d'affaires du 4 septembre 1928 (RSG E 6 20.01). BGE 135 I 111 BGE 135 I 106 3 ten, dürften dann innerkantonale Vertreterinnen und Vertreter nur unter Einhaltung dieser Voraussetzungen tätig werden, ausserkantonale dagegen voraussetzungslos. Konsequenterweise muss deshalb die Möglichkeit der Beschränkung der gewerbsmässigen Vertretung durch die Kantone vollständig aufgehoben werden. Nur auf diese Weise können Ungleichbehandlungen verhindert und das Anliegen der Motion sinnvoll umgesetzt werden. Zu beachten ist ausserdem ein weiterer Aspekt: Mit dem Inkrafttreten der Zivilprozessordnung (ZPO)11 am 1. Januar 2011 wurde unter anderem auch das erklärte Ziel einer Einführung eines einheitlichen schweizweiten Vollstreckungsraums weitgehend umgesetzt12. Dies bedeutet, dass die Vollstreckungsmodalitäten in der ganzen Schweiz dieselben sind. Auch unter diesem Blickwinkel erscheint die den Kantonen in Artikel 27 Absatz 1 SchKG eingeräumte Kompetenz nicht mehr zeitgemäss; sie ist deshalb aufzuheben. Im Rahmen dieser Anpassung kann auch der bisherige Artikel 27 Absatz 3 Satz 1 SchKG, wonach niemand verpflichtet werden kann, einen gewerbsmässigen Vertreter zu bestellen, aufgehoben werden. Das gesamte schweizerische Verfahrensrecht beruht auf dem Grundsatz des fehlenden Vertretungszwangs13: Die Postulationsfähigkeit ist Teil der Prozessfähigkeit, die wiederum die prozessuale Seite der zivilrechtlichen Handlungsfähigkeit darstellt14 und die deshalb jeder volljährigen und urteilsfähigen Person von Gesetzes wegen zusteht. Eine Wiederholung dieses Grundsatzes im SchKG erscheint heute nicht mehr erforderlich. Die Möglichkeit, sich vertreten zu lassen, steht sowohl dem Gläubiger als auch dem Schuldner sowie allfälligen Drittparteien zu. Deshalb soll klargestellt werden, dass das bestehende Verbot, die Kosten der Vertretung der Gegenseite zu überbinden, für alle Streitparteien (und nicht nur für den Schuldner) gilt15. Nach neuem Recht sollen sämtliche handlungsfähigen Personen als Vertreter tätig sein können. Als Vertreter auftreten können deshalb insbesondere auch juristische Personen (Inkassobüros, Rechtsschutzversicherungen etc.). Dies entspricht bereits heute einer weitverbreiteten Praxis16. Nicht betroffen von der vorliegenden Revision sind bestehende kantonale Regelungen, in denen besondere Voraussetzungen an die Übernahme von Sachwaltermandaten gestellt werden. So verlangt namentlich der Kanton Luzern das luzernische Sachwalterpatent oder ein gleichwertiges Fähigkeitszeugnis eines andern Kantons 17. Hier geht es nicht um die Vertretung anderer Personen im Sinne von Artikel 27 SchKG. 11 12 13 14 15 16 17 4 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (SR 272). Vgl. Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) vom 28. Juni 2006, BBl 2006, 7383; Botschaft zum Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des revidierten Übereinkommens von Lugano über die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 18. Februar 2009, BBl 2009, 1809, 1811, 1820, 1832. Vgl. dazu bereits die Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001, 4293: «In der Schweiz gehört es zur festen Tradition, dass eine Partei einen Prozess bis vor Bundesgericht allein führen kann.» BGE 132 I 5 Vgl. zum geltenden Recht Gilliéron, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Articles 1–88, Art. 27 N 51. Vgl. dazu den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, ZK 11 184, vom 16. Mai 2011; online verfügbar auf http://www.justice.be.ch/justice/de/index/entscheide. § 8 EGSchKG Luzern (SRL Nr. 290). 3.2 Vertretung vor Zivilgerichten in SchKGSummarsachen Seit dem Inkrafttreten der Zivilprozessordnung regelt das Bundesrecht die Vertretung vor den Zivilgerichten abschliessend (Art. 68 ZPO). Für die berufsmässige Vertretung gilt grundsätzlich das Anwaltsmonopol. Für die Summarverfahren in SchKG-Angelegenheiten gemäss Artikel 251 ZPO sieht Artikel 68 Absatz 2 Buchstabe c ZPO allerdings vor, dass neben den Anwältinnen und Anwälten «gewerbsmässige Vertreterinnen und Vertreter nach Artikel 27 SchKG» zur Vertretung berechtigt sind. Das Bundesgericht hat am 23. April 2012 entschieden, dass Artikel 27 SchKG seit dem Inkrafttreten der ZPO neu auch die Regelung der Voraussetzungen gewerbsmässiger Vertretung von Parteien in den gerichtlichen Summarverfahren gemäss Artikel 251 ZPO mitumfasst 18. Dies bedeutet, dass die Kantone gestützt auf Artikel 27 SchKG sowohl für das Verfahren vor den Betreibungs- und Konkursbehörden als auch für die summarischen Verfahren nach Artikel 251 ZPO Vorschriften bezüglich der gewerbsmässigen Vertretung erlassen können. Das Bundesgericht hat es auch für zulässig erklärt, dass ein Kanton nur für die summarischen Verfahren nach Artikel 251 ZPO entsprechende Bestimmungen aufstellt19. Soweit die Kantone von ihrer in Artikel 27 SchKG eingeräumten Regelungskompetenz keinen Gebrauch gemacht haben, ist allerdings auch die gewerbsmässige Vertretung in den SchKGSummarverfahren uneingeschränkt zulässig. Wie festgehalten haben unter geltendem Recht nur wenige Kantone von der ihnen in Artikel 27 SchKG zugewiesenen Kompetenz Gebrauch gemacht, sodass die Befugnis zur gewerbsmässigen Vertretung fast überall sämtlichen handlungsfähigen Personen offensteht. Dies erscheint sachgerecht, da namentlich ein Rechtsöffnungsverfahren ohne Weiteres auch durch eine nichtanwaltliche Vertretung geführt werden kann; es handelt sich in der Sache um eine Weiterführung des Betreibungsverfahrens von in der Regel geringer Komplexität. Eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis, beispielsweise auf Vertreterinnen und Vertreter von Rechtsschutzversicherungen oder Inkassobüros, kommt nicht in Betracht, da dadurch diverse andere, in gleicher Weise qualifizierte gewerbsmässige Vertreterinnen und Vertreter ohne Grund von der Vertretung ausgeschlossen würden, was dem verfassungsmässigen Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechen würde. In unveränderter Beibehaltung des bisherigen Verweises auf Artikel 27 SchKG sind deshalb sämtliche handlungsfähigen (natürlichen und juristischen) Personen zuzulassen. Die Erfahrungen aus der kantonalen Praxis machen deutlich, dass dies eine sachgerechte Lösung ist. Artikel 27 VE-SchKG gilt grundsätzlich nur für das Verfahren vor den Betreibungsund Konkursämtern. Der bestehende Artikel 68 Absatz 2 Buchstabe c ZPO verweist für die berufsmässige Vertretung auf Artikel 27 SchKG; die vorgeschlagene Anpassung von Artikel 27 SchKG hat damit zur Folge, dass auch in den SchKGSummerverfahren jede handlungsfähige Person zur gewerbsmässigen Vertretung berechtigt ist. Eine Anpassung der ZPO ist hierfür nicht erforderlich. 18 19 BGE 138 III 399 BGE 138 III 400 5 Für das in Artikel 27 Absatz 2 VE-SchKG festgehaltene Verbot einer Parteientschädigung gilt der Verweis dagegen nicht20. Die bisherige Bestimmung21, die auch eine Überbindung der Vertretungskosten auf den im Rechtsöffnungsverfahren unterliegenden Schuldner explizit erlaubte22, wurde mit dem Inkrafttreten der ZPO am 1. Januar 2011 zwar aufgehoben; eine Rechtsänderung war damit aber nicht beabsichtigt. Vielmehr kommen die Artikel 95 ff. ZPO für die Festsetzung der Parteientschädigung unmittelbar zur Anwendung23. Für die Festlegung der konkreten Entschädigung sind damit die Kantone zuständig (Art. 96 ZPO). 3.3 Erleichterung elektronischer Eingaben Die Motion verlangt, dass elektronische Eingaben an die Betreibungs- und Konkursämter gesamtschweizerisch möglich werden. Seit dem 1. Januar 2011 ist es zulässig, Eingaben an die Betreibungs- und Konkursämter elektronisch zu machen (Art. 33a SchKG). Dies geschieht über eine anerkannte Zustellplattform24. Gegenüber den Betreibungsämtern besteht zusätzlich die Möglichkeit einer Eingabe über den sog. eSchKG-Verbund25. Das dargestellte Problem, wonach immer dann, wenn sich das zuständige Betreibungsamt in den Kantonen Genf oder Waadt befindet, eine Vertretung nur durch eine Anwältin oder einen Anwalt bzw. durch eine Rechtsagentin oder einen Rechtsagenten erforderlich ist, stellt sich hier in gleicher Weise wie bei einer Eingabe auf dem herkömmlichen Weg. Mit der vorgeschlagenen Neufassung von Artikel 27 SchKG würde auch diese Schwierigkeit beseitigt: Jede handlungsfähige Person könnte in Zukunft in sämtlichen Kantonen ihre Eingaben auch in elektronischer Form vornehmen. 4 Auswirkungen 4.1 Auswirkungen auf den Bund Die Vorlage hat keine Auswirkungen auf den Bund. 4.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden Die Kantone verlieren mit der vorliegenden Revision ihre bisherige Kompetenz, die gewerbsmässige Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren zu regeln. 20 21 22 23 24 25 6 Vgl. zum bisherigen Recht Gilliéron, a.a.O., Art. 27 N 52; Lorandi, Betreibungsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeit, Basel/Genf/München 2000, Art. 27 N 33. Art. 62 Abs. 1 der Gebührenverordnung vom 23. September 1996 zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, GebV SchKG, AS 1996 2937. Urteil des Bundesgerichts vom 10. September 2009, Nr. 5A_225/2009, E. 3.2 m.w.Nachw.; vgl. zum Ganzen bereits Botschaft des Bundesrates über die Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) vom 8. Mai 1991, BBl 1991 III 41 f. Vgl. das Urteil des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 8. Juni 2012, 40/2012/2, CAN 2013, Nr. 3 sowie das Kreisschreiben Nr. 7 des Obergerichts des Kantons Bern vom 1. Januar 2011, Parteientschädigung in Rechtsöffnungssachen. Art. 4 der Verordnung über die elektronische Übermittlung im Rahmen von Zivil- und Strafprozessen sowie von Schuldbetreibungs- und Konkursverfahren vom 18. Juni 2010, (SR 272.1). Verordnung des EJPD vom 9. Februar 2011 über die elektronische Übermittlung im Bereich Schuldbetreibung und Konkurs (SR 281.112.1). 4.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft In der Schweiz werden jährlich mehr als 2,5 Millionen Betreibungen eingeleitet; das Betreibungsverfahren ist ein Massenverfahren. Indem ein schweizweit einheitlicher Vollstreckungsraum geschaffen wird, in welchem die gleichen Regeln gelten, wird dieses Verfahren erheblich vereinfacht und es können für die Gläubiger Kosten eingespart werden. Ein Unternehmen, das sich beim Inkasso vertreten lassen will, könnte sich dann schweizweit die gleiche Vertreterin bzw. den gleichen Vertreter für die Forderungseinziehung beauftragen; gerade für KMU würde die Möglichkeit, sich in allen Kantonen im Rechtsöffnungsverfahren von einem Inkassobüro (und nicht mehr zwingend von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt) vertreten zu lassen, zu erheblichen Kosteneinsparungen führen. 5 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit Die Vorlage stützt sich auf Artikel 122 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV)26, der dem Bund die Kompetenz zur Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivilrechts- und des Zivilprozessrechts gibt. 26 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999, SR 101. 7 8 Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs Vorentwurf (SchKG) Änderung vom ... Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom ...., 1 beschliesst: I Das Bundesgesetz vom 11. April 18892 über Schuldbetreibung und Konkurs wird wie folgt geändert: Art. 27 Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren 1 Jede handlungsfähige Person ist berechtigt, andere Personen im Zwangsvollstreckungsverfahren zu vertreten. Dies gilt auch für die gewerbsmässige Vertretung. 2 Die Kosten der Vertretung im Verfahren vor den Betreibungs- und Konkursämtern dürfen nicht der Gegenpartei überbunden werden. II 1 Diese Änderung untersteht dem fakultativen Referendum. 2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten. 1 2 BBl 2013 ... SR 281.1 1 2 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement EJPD Bern, Adressaten: die politischen Parteien die Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete die Dachverbände der Wirtschaft die interessierten Kreise Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (gewerbsmässige Gläubigervertretung) Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens Sehr geehrte Damen und Herren Der Bundesrat hat am 7. Juni 2013 das EJPD beauftragt, bei den Kantonen, den politischen Parteien, den gesamtschweizerischen Dachverbänden der Gemeinden, Städte und Berggebiete, den gesamtschweizerischen Dachverbänden der Wirtschaft und den interessierten Kreisen zur Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (Gewerbsmässige Gläubigervertretung) ein Vernehmlassungsverfahren durchzuführen. Anlass für die vorliegende Revision bildet die Motion Rutschmann 10.3780 «Gewebsmässige Gläubigervertretung» vom 30. November 2010. Die Motion verlangt, dass der Bundesrat dem Parlament eine Änderung von Artikel 27 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) unterbreitet, sodass für gewerbsmässige Gläubigervertretungen der freie Zugang zum Markt gesamtschweizerisch gewährleistet ist und elektronische Eingaben im SchKG-Verfahren gesamtschweizerisch möglich werden. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme vom 17. November 2010 die Motion zur Annahme empfohlen. Die Forderung der Motion soll umgesetzt werden, indem die den Kantonen heute in Artikel 27 SchKG zugewiesene Kompetenz, die gewerbsmässige Gläubigervertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren zu regeln, aufgehoben wird. Auf diese Weise wird jede handlungsfähige Person berechtigt, Parteien im Zwangsvollstreckungsverfahren in der ganzen Schweiz zu vertreten. Der freie Marktzugang ist damit gewährleistet. Dies entspricht der Praxis, wie sie bereits heute in vielen Kantonen besteht. Die gleiche Regelung soll auch für die gerichtlichen SchKG-Summarsachen zur Anwendung kommen; dies ist gerechtfertigt, da diese Verfahren in einem engen Zusammenhang mit dem eigentlichen Zwangsvollstreckungsverfahren stehen und in der Regel von geringer Komplexität sind. In der Beilage unterbreiten wir Ihnen die Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (Gewerbsmässige Gläubigervertretung) samt Begleitbericht zur Stellungnahme. Zusätzliche Exemplare der Vernehmlassungsunterla- gen können über die Internetadresse http://www.admin.ch/ch/d/gg/pc/pendent.html bezogen werden. Wir laden Sie ein zur Einreichung Ihrer Stellungnahme, wenn möglich ausschliesslich in elektronischer Form ([email protected]). Das Vernehmlassungsverfahren dauert bis zum 31. Dezember 2013. Wir danken Ihnen im Voraus für Ihre Stellungnahme. Mit besten Grüssen. Simonetta Sommaruga Bundesrätin Beilagen: Vernehmlassungsentwurf und erläuternder Bericht Liste der Vernehmlassungsadressaten Medienmitteilung - 2/2 Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (gewerbsmässige Gläubigervertretung) / Modification de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite (Représentation professionnelle) / Modifica della legge federale sulla esecuzione e sul fallimento (Professione di rappresentante dei creditori) Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens / Ouverture de la procédure de consultation / Apertura della procedura di consultazione Adressatenliste / Liste des destinataires / Lista dei destinatari 1. Kantone / Cantons / Cantoni Staatskanzlei des Kantons Zürich Kaspar Escher-Haus 8090 Zürich Staatskanzlei des Kantons Bern Postgasse 68 3000 Bern 8 Staatskanzlei des Kantons Luzern Bahnhofstrasse 15 6002 Luzern Standeskanzlei des Kantons Uri Postfach 6460 Altdorf Staatskanzlei des Kantons Schwyz Postfach 6431 Schwyz Staatskanzlei des Kantons Obwalden Rathaus 6060 Sarnen Staatskanzlei des Kantons Nidwalden Rathaus 6370 Stans Regierungskanzlei des Kantons Glarus Rathaus 8750 Glarus Staatskanzlei des Kantons Zug Postfach 156 6301 Zug Chancellerie d'Etat du canton de Fribourg Rue des Chanoines 17 1701 Fribourg Staatskanzlei des Kantons Solothurn Rathaus 4509 Solothurn Staatskanzlei des Kantons Basel-Stadt Rathaus Postfach 4001 Basel Landeskanzlei des Kantons Basel-Landschaft Rathausstrasse 2 4410 Liestal Staatskanzlei des Kantons Schaffhausen Beckenstube 7 8200 Schaffhausen Kantonskanzlei des Kantons Appenzell A. Rh. Regierungsgebäude Postfach 9102 Herisau Ratskanzlei des Kantons Appenzell I. Rh. Marktgasse 2 9050 Appenzell Staatskanzlei des Kantons St. Gallen Regierungsgebäude 9001 St. Gallen Standeskanzlei des Kantons Graubünden Reichsgasse 35 7001 Chur Staatskanzlei des Kantons Aargau Regierungsgebäude 5001 Aarau Staatskanzlei des Kantons Thurgau Regierungsgebäude 8510 Frauenfeld Cancelleria dello Stato del Cantone Ticino Residenza governativa 6501 Bellinzona Chancellerie d'Etat du canton de Vaud Château cantonal 1014 Lausanne Chancellerie d'Etat du canton du Valais Palais du Gouvernement 1950 Sion Chancellerie d'Etat du canton de Neuchâtel Château 2001 Neuchâtel Chancellerie d'Etat du canton de Genève Rue de l'Hôtel-de-Ville 2 1211 Genève 3 Chancellerie d'Etat du canton du Jura Rue du 24-Septembre 2 2800 Delémont Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) Conférence des gouvernements cantonaux (CdC) Conferenza dei Governi cantonali (CdC) Sekretariat, Haus der Kantone Speichergasse 6 Postfach 444 3000 Bern 7 2. In der Bundesversammlung vertretene politische Parteien / partis politiques représentés à l'Assemblée fédérale / partiti rappresentati nell'Assemblea federale Bürgerlich-Demokratische Partei Schweiz BDP Parti bourgeois-démocratique PBD Partito borghese democratico PBD Postfach 119 3000 Bern 6 Christlichdemokratische Volkspartei CVP Parti démocrate-chrétien PDC Partito popolare democratico PPD Postfach 5835 3001 Bern Christlich-soziale Partei Obwalden csp-ow c/o Stefan Keiser Enetriederstrasse 28 6060 Sarnen Christlichsoziale Volkspartei Oberwallis Geschäftsstelle CSPO Postfach 3980 Visp Evangelische Volkspartei der Schweiz EVP Parti évangélique suisse PEV Partito evangelico svizzero PEV Nägeligasse 9 Postfach 3294 3000 Bern 7 FDP. Die Liberalen PLR. Les Libéraux-Radicaux PLR. Il Liberali Radicali Sekretariat Fraktion und Politik Neuengasse 20 Postfach 6136 3011 Bern Grüne Partei der Schweiz GPS Grünes Bündnis GB Waisenhausplatz 21 3011 Bern Grünliberale Partei glp Parti vert'libéral pvl Postfach 367 3000 Bern 7 Lega dei Ticinesi (Lega) Normann Gobbi Casella postale 64 6776 Piotta Mouvement Citoyens Romand (MCR) c/o Mouvement Citoyens Genevois (MCG) Case postale 340 1211 Genève 17 Schweizerische Volkspartei SVP Union Démocratique du Centre UDC Unione Democratica di Centro UDC Postfach 8252 3001 Bern Sozialdemokratische Partei der Schweiz SPS Parti socialiste suisse PSS Partito socialista svizzero PSS Postfach 7876 3001 Bern 3. Weitere interessierte Kreise / autres milieux concernés / altri ambienti interessati Association des agents d'affaires brevetés du canton de Vaud Case postale 5194 1002 Lausanne Centre patronal Case postale 1215 1001 Lausanne Conférence latine des chefs de départements de justice et police (CLDJP) Av. Beauregard 13 1700 Fribourg Coordination romande des organisations paternelles Case postale 269 2800 Delémont 1 Demokratische Juristinnen und Juristen Schweiz Schwanengasse 9 3011 Bern economiesuisse Postfach 8032 Zürich Generalsekretariat KKJPD Haus der Kantone Speichergasse 6 Postfach 690 3000 Bern 7 HEV Schweiz Seefeldstrasse 60 Postfach 8032 Zürich Institut suisse de droit comparé Dorigny 1015 Lausanne Juristinnen Schweiz Marktgasse 14 9004 St. Gallen Kaufmännischer Verband Schweiz (KV Schweiz) Société suisse des employés de commerce (SEC Suisse) Società svizzera degli impiegati di commercio (SIC Svizzera) Postfach 1853 8027 Zürich Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten Stefan Broger, Präsident Betreibungsamt Illnau-Effretikon Märtplatz 29 8307 Effretikon Schweiz. Bauernverband (SBV) Union suisse des paysans (USP) Unione svizzera die contadini (USC) Haus der Schweizer Bauern Laurstrasse 10 5201 Brugg Schweiz. Gewerbeverband (SGV) Union suisse des arts et métiers (USAM) Unione svizzera delle arti e mestieri (USAM) Postfach 3001 Bern Schweiz. Gewerkschaftsbund (SGB) Union syndicale suisse (USS) Unione sindacale svizzera (USS) Postfach 3000 Bern 23 Schweiz. Vereinigung der Richterinnen und Richter (SVR) c/o Jürg Steiger Bundesverwaltungsgericht Postfach 9023 St. Gallen Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete Postfach 7836 3001 Bern Schweizerische Bankiervereinigung (SBV) Postfach 4182 4002 Basel Schweizerische Treuhandkammer Limmatquai 120 8025 Zürich Schweizerische Vereinigung für Schuldbetreibung und Konkurs Dr. iur. Thomas Bauer, Präsident Ernst & Young AG Aeschengraben 9 Postfach 4002 Basel Schweizerischer Anwaltsverband (SAV) Marktgasse 4 Postfach 8321 3001 Bern Schweizerischer Arbeitgeberverband Union patronale suisse Unione svizzera degli imprenditori Postfach 8032 Zürich Schweizerischer Gemeindeverband Postfach 3322 Urtenen-Schönbühl Schweizerischer Juristenverein c/o Ch. L. Friedli Postfach 1771 8021 Zürich Schweizerischer Landfrauenverband Laurstr. 10 5200 Brugg Schweizerischer Städteverband Monbijoustrasse 8 Postfach 8175 3001 Bern Schweizerischer Verband Creditreform SVC Teufener Strasse 36 9000 St.Gallen Schweizerischer Verband der Friedensrichter und Vermittler c/o Friedensgericht des Seebezirks Claudine Lerf--Vonlanthen Friedensrichterin Rathausgasse 6-8 3280 Murten Schweizerischer Versicherungsverband C.F. Meyer-Str. 14 Postfach 4288 8022 Zürich SVIT SCHWEIZ Puls 5 Giessereistr. 18 8005 Zürich Travail.Suisse Postfach 5775 3001 Bern Universität Basel Juristische Fakultät Peter Merian-Weg 8 Postfach 4002 Basel Universität Bern Rechtswissenschaftliche Fakultät Schanzeneckstr. 1 Postfach 8573 3001 Bern Universität Freiburg Rechtswissenschaftliche Fakultät Miséricorde 1700 Freiburg Universität Luzern Rechtswissenschaftliche Fakultät Dekanat Frohburgstrasse 3 Postfach 4466 6002 Luzern Universität St. Gallen Rechtswissenschaftliche Fakultät Dufourstr. 50 9000 St. Gallen Universität Zürich Rechtswissenschaftliche Fakultät Rämistr. 74/2 8001 Zürich Université de Genève Faculté de droit 40, bd du Pont-d'Arve 1211 Genève 4 Université de Lausanne Faculté de droit BFSH 1 1015 Lausanne Université de Neuchâtel Faculté de droit et des sciences économiques Avenue du 1er mars 26 2000 Neuchâtel Verband Schweizerischer Inkassotreuhandinstitute Dr. iur. Robert Simmen, Rechtsanwalt Geschäftsführer Uraniastrasse 12 Postfach 3228 8021 Zürich Vereinigung Schweizerischer Unternehmensjuristen Eric Huggenberger C5KR-HY4 c/o UBS AG Postfach 8098 Zürich Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement EJPD Bundesamt für Justiz BJ Direktionsbereich Privatrecht Fachbereich Zivilrecht und Zivilprozessrecht 10.3780 Motion Rutschmann Gewerbsmässige Gläubigervertretung Bericht über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens August 2014 Zusammenfassung Die vorgeschlagene Revision des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs wurde in der Vernehmlassung äusserst positiv aufgenommen. So haben die Mehrzahl der Teilnehmer, darunter 19 Kantone und alle 4 sich äussernden politischen Parteien, die im Vorentwurf vorgeschlagene Lösung ohne jeden Vorbehalt unterstützt. Weitere Teilnehmer haben sich positiv zumindest zur Öffnung des Vertretungsrechts vor den Betreibungs- und Konkursämtern geäussert. Vereinzelte Kritik gab es am Vorschlag, die gewerbsmässige Vertretung für sämtliche SchKG-Summarsachen zu ermöglichen. Als Ganzes explizit abgelehnt wurden die Vorschläge lediglich von 3 Kantonen sowie 2 weitere Vernehmlassungsteilnehmern. 1. Allgemeines Die Vernehmlassung über eine Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)1 wurde am 13. September 2013 eröffnet und dauerte bis zum 31. Dezember 2013. Zur Teilnahme eingeladen wurden die Kantone, die in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien, die gesamtschweizerischen Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete sowie der Wirtschaft sowie weitere interessierte Organisationen. Stellung genommen haben 26 Kantone, 4 politische Parteien und 21 Organisationen und weitere Teilnehmer. Ausdrücklich auf eine Stellungnahme verzichtet haben die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und –direktoren sowie der Schweizerische Städteverband. 2. Verzeichnis der eingegangenen Stellungnahmen Siehe Anhang. 3. Stellungnahmen zum Vorentwurf 3.1. Allgemeine Bemerkungen Die Mehrzahl der Teilnehmer, darunter 19 Kantone und alle 4 sich äussernden politischen Parteien, haben die im Vorentwurf vorgeschlagene Lösung ohne jeden Vorbehalt unterstützt (AG, AI, AR, BE, BL, FR, GE, GL, GR, JU, NE, SG, SO, SZ, TI, UR, VS, ZG, ZH; CVP, FDP, SP, SVP; Creditreform, economiesuisse, FER, HEV, KMU-Forum, Konferenz SAGV, SBLV, SBV, SchKG-Vereinigung, SGV, SLV, SVV, UniBasel, vsi). Weiter unterstützen auch verschiedene weitere Vernehmlassungsteilnehmer die Vorschläge im Grundsatz (LU, SH, TG; DJS, FRC, SGB), allerdings jeweils mit Vorbehalten: Die vorgeschlagene Öffnung der Vertretung auch für die SchKG-Summarverfahren gehe zu weit (LU, SH, TG). Es bestünden Bedenken, den gewerbsmässigen gewinnorientierten juristischen Personen eine unbeschränkte Vertretungsmöglichkeit zu gewähren, ohne dass diese einer Zulassung und staatlicher Kontrolle unterstellt würden (DJS, SGB). Die Formulierung des geltenden Artikel 27 Absatz 3 sei für die Konsumentinnen und Konsumenten klarer als Artikel 27 Absatz 2 VE-SchKG (FRC). 3 Kantone sowie 2 weitere Vernehmlassungsteilnehmer lehnten die Vorlage dagegen ab (BS, NW, VD; CP, SAV). Man hätte bei der Schaffung der ZPO Gelegenheit gehabt, diese Thematik 1 SR 281. 2/7 zu regeln, und es sei nicht einzusehen, weshalb nach so kurzer Zeit die abgeschlossene Debatte wieder aufgenommen werden soll (BS), insbesondere, nachdem die betreffende Frage sogar im Parlament diskutiert worden sei (VD; SAV). Die Argumente für den Kompetenzverlust der Kantone vermögen nicht zu überzeugen (BS; AAB, CP, SAV). Auch das Bundesgericht habe festgehalten, dass die geltende Regelung nicht gegen das Binnenmarktgesetz verstosse (VD). Die Vertretung durch agents d’affaires biete – wie die Vertretung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt – für den Gläubiger verschiedene Vorteile, indem etwa das Honorar dem Moderationsverfahren unterstellt sei und eine Anordnung der Übernahme der Parteikosten durch die unterliegende Partei auch ohne weiteres möglich sei, wohingegen bei einem Inkassobüro nicht auf einen entsprechenden Tarif abgestellt werden könne (VD). Gerade in komplexen Betreibungs- und Konkursverfahren seien hohe Anforderungen an die gewerblichen Vertreter zu stellen (NW; SAV) und je nach Veränderung der wirtschaftlichen, politischen oder gesellschaftlichen Situation sei ein Kanton in Zukunft vielleicht einmal darauf angewiesen, von der betreffenden Kompetenz wieder Gebrauch machen zu können (NW, VD). 3.2. Vertretung vor den Betreibungs- und Konkursämtern Neben denjenigen Teilnehmern, die den gesamten Vorentwurf vorbehaltlos unterstützten (siehe oben Ziff. 31), haben weitere Teilnehmer zumindest der Öffnung des Vertretungsrechts vor den Betreibungs- und Konkursämtern zugestimmt (LU, SH, TG). 3.3. Vertretung vor Zivilgerichten in SchKG-Summarsachen Einzelne Teilnehmer haben sich kritisch zur Öffnung der gewerbsmässigen Vertretung vor den Zivilgerichten für sämtliche SchKG-Summarsachen geäussert (BS, LU, TG). Die Vertretung vor Gericht erfordere auch in den SchKG-Summarverfahren Fachwissen (BS, LU; AAB). Die Erfahrung zeige, dass Rechtsschriften, die von gewerbsmässigen Vertretern ohne entsprechendes Anwalts- oder zumindest Sachwalterpatent eingereicht würden, häufig nicht die erforderliche Qualität aufweisen, was zu zusätzlichem Verfahrensaufwand und unbefriedigenden Ergebnissen führen könne (LU, VD; AAB). In Rechtsöffnungsverfahren stellten sich sehr häufig komplexe Fragen (AAB), so im Zusammenhang mit dem Unterhaltsrecht und dem internationalen Zivilprozessrecht (TG). Die vorgesehene Öffnung würde zu einer Vielzahl von völlig unnützen Verfahren führen, und zwar auf Kosten der Gläubiger (TG). Auch die Kantonsfinanzen würden unnötig belastet, da die vom Bund vorgegebenen Tarife für die Gebühren der gerichtlichen Verfahren bei weitem nicht kostendeckend seien (TG). Schliesslich bringe Berufs- und Standesrecht wesentliche Garantien für die Klienten; dies gelte namentlich für die Unabhängigkeit, die Gebührenvorschriften sowie das Honorar-Moderationsverfahren, aber auch die Versicherungspflicht, das Berufsgeheimnis und die Beschränkung der Werbung. Sowohl Anwältinnen und Anwälte auch als die agents d’affaires unterstehen ausserdem einer Aufsichtsbehörde mit Disziplinarkompetenz und sie seien verpflichtet, Mandate mit unentgeltlicher Rechtspflege zu akzeptieren (VD; AAB, SAV). Mit der vorgeschlagenen Liberalisierung würde das Tätigkeitsfeld der Inkassobüros erweitert und so auch die Gefahr geschaffen, dass unerwünschte aggressive Inkassomethoden zur Anwendung gelangten (VD; AAB). Schliesslich sei unklar, welche Verfahren von der Öffnung betroffen seien (CP). 3.4. Ergänzende Vorschläge und Hinweise Verschiedene Teilnehmer haben ausserdem ergänzende Vorschläge unterbreitet bzw. zusätzliche Hinweise gemacht: Es sei zu prüfen, ob Artikel 68 Absatz 2 Buchstabe c ZPO nicht zu streichen sei (FR, SH). Neben den im Begleitbericht genannten Kantonen Waadt und Genf habe auch der Kanton Tessin die berufsmässige Vertretung in SchKG-Angelegenheiten eingeschränkt: Nur zugelassene Rechtsanwälte sowie Treuhänder seien dazu berechtigt (TI). 3/7 4. Es fehle eine Regelung der Aufsicht über die gewerbsmässige Vertretung; es sei deshalb zu prüfen, ob die vorgeschlagene Bestimmung in dem Sinne ergänzt werden könne, dass die Kantone ermächtigt würden, einer Person aus wichtigen Gründen die gewerbsmässige Vertretung zu verbieten (SH, ZH; Konferenz). In Artikel 27 Absatz 2 SchKG sei die Möglichkeit zu schaffen, eine Überwälzung der Kosten nach Billigkeit anzuordnen, so dass bei Forderungen von Arbeitnehmenden gegen Arbeitgebende nicht zulasten der Gewerkschaften gehen würden (DJS). Die Zulassung zur Vertretung durch handlungsfähige Personen solle in sämtlichen Verfahren des öffentlichen Rechts eingeführt werden (SBV). Einsichtnahme Gemäss Artikel 9 des Bundesgesetzes vom 18. März 2005 über das Vernehmlassungsverfahren (SR 172.061) sind die Vernehmlassungsunterlagen, nach Ablauf der Vernehmlassungsfrist die Stellungnahmen der Vernehmlassungsteilnehmer, und nach Kenntnisnahme durch die zuständige Kommission die Zusammenstellung der Vernehmlassungsergebnisse, öffentlich zugänglich. Die vollständigen Stellungnahmen können beim Bundesamt für Justiz eingesehen werden. 4/7 Anhang / Annexe / Allegato Verzeichnis der Eingaben Liste des organismes ayant répondu Elenco dei partecipanti Kantone / Cantons / Cantoni AG AI AR BE BL BS FR GE GL GR JU LU NE NW OW SG SH SO SZ TG TI UR VD VS ZG ZH Aargau / Argovie / Argovia Appenzell Innerrhoden / Appenzell Rh.-Int. / Appenzello Interno Appenzell Ausserrhoden / Appenzell Rh.-Ext. / Appenzello Esterno Bern / Berne / Berna Basel-Landschaft / Bâle-Campagne / Basilea-Campagna Basel-Stadt / Bâle-Ville / Basilea-Città Freiburg / Fribourg / Friburgo Genf / Genève / Ginevra Glarus / Glaris / Glarona Graubünden / Grisons / Grigioni Jura / Giura Luzern / Lucerne / Lucerna Neuenburg / Neuchâtel Nidwalden / Nidwald / Nidvaldo Obwalden / Obwald / Obvaldo St. Gallen / Saint-Gall / San Gallo Schaffhausen / Schaffhouse / Sciaffusa Solothurn / Soleure / Soletta Schwyz / Svitto Thurgau / Thurgovie / Turgovia Tessin / Ticino Uri Waadt / Vaud Wallis / Valais / Vallese Zug / Zoug / Zugo Zürich / Zurich / Zurigo Parteien / Partis politiques / Partiti politici CVP Christlichdemokratische Volkspartei Parti Démocrate-Chrétien Partito Popolare Democratico FDP Freisinnig-Demokratische Partei. Die Liberalen Parti radical-démocratique. Les Libéraux-Radicaux Partito liberale-radicale. I Liberali SP Sozialdemokratische Partei der Schweiz Parti Socialiste Suisse Partito Socialista Svizzero SVP Schweizerische Volkspartei Union Démocratique du Centre Unione Democratica di Centro 5/7 Interessierte Organisationen / Organisations intéressées / Organizzationi interessate AAB Association des agents d'affaires brevetés du canton de Vaud CP Centre Patronal Creditreform Schweizerischer Verband Creditreform Union Suisse Créditréform Unione Svizzera Creditreform DJS Demokratische Juristinnen und Juristen der Schweiz Juristes Démocrates de Suisse Giuristi e Giuriste Democratici Svizzeri economiesuisse Verband der Schweizer Unternehmen Fédération des entreprises suisses Federazione delle imprese svizzere FER Fédération des Entreprises Romandes FRC Fédération Romande des Consommateurs HEV Hauseigentümerverband Schweiz KMU-Forum KMU-Forum Forum PME Forum PMI Konferenz Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz Conférence des préposés aux poursuites et faillites de Suisse Conferenza degli ufficiali di esecuzione e fallimenti della Svizzera SAGV Schweizerischer Arbeitgeberverband Union patronale suisse Unione svizzera degli imprenditori SAV Schweizerischer Anwaltsverband Fédération Suisse des Avocats Federazione Svizzera degli Avvocati SBLV Schweizerischer Bäuerinnen- und Landfrauenverband Union suisse des paysannes et des femmes rurales Unione svizzera delle donne contadine e rurale SBV Schweizerischer Bauernverband Union Suisse des Paysans Unione Svizzera dei Contadini SchKG-Vereinigung Vereinigung für Schuldbetreibungs- und Konkursrecht Association pour le droit des poursuites et de la faillite SGB Schweizerischer Gewerkschaftsbund Union syndicale suisse Unione sindacale svizzera SGV Schweizerischer Gewerbeverband Union suisse des arts et métiers Unione svizzera delle arti e mestieri SLV Schweizerischer Leasingverband Association suisse des sociétés de Leasing SVV Schweizerischer Versicherungsverband Association Suisse d'Assurances Associazione Svizzera d'Assicurazioni UniBasel Universität Basel 6/7 VSI Verband Schweizerischer Inkassotreuhandinstitute Association Suisse des Sociétées Fiduciaires de Recouvrement Associazione degli Uffici Fiduciari d’Incasso Svizzeri Verzicht auf Stellungnahme Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren Conférence des directrices et directeurs des départements cantonaux de justice et police Conferenza delle direttrici e dei direttori dei dipartimenti cantonali di giustizia e polizia Schweizerischer Städteverband Union des villes suisses Unione delle città svizzere 7/7