Binomialkoeffizienten n! Die Anzahl n = der k-elementigen Teilmengen einer k k!(n−k)! n-elementigen Menge heißt Binomialkoeffizient n über k. Wichtig sind folgende Eigenschaften, welche die Berechnung der Binomialkoeffizienten aus dem Pascalschen Dreieck erlauben: n (1) 0 = 1, n n =1 1 1 1 n n n+1 (2) k + k−1 = k 1 1 1 2 3 4 1 3 6 1 4 1 1 Blaise Pascal (1623–1662) war Mathematiker (als “Wunderkind” erfand er die Mathematik für sich selbst) später religiöser Denker. In seinen Untersuchungen über die Binomialkoeffizienten (deshalb Pascalsches Dreieck) hat er erstmals das Prinzip der vollständigen Induktion angewandt. Zusammen mit Fermat gilt er als Begründer der Wahrscheinlichkeitstheorie. 2 Beispiele Binomialkoeffizienten Wie viele Möglichkeiten gibt es, aus einem Skatspiel (32 Karten) ein Blatt aus 10 Karten zu bekommen? Antwort: 32 10 = 32! = 64.512.240 . 10! · 22! Wie groß ist dabei die Wahrscheinlichkeit exakt 2 Buben und vier Asse zu bekommen? Antwort: Es gibt davon 4 4 24 2 · 4 · Die Wahrscheinlichkeit ist somit 4 = 6·1·10.626 = 63.756 Fälle. 63.756 1 ≈ . 64.512.240 1012 3 Vergleich von Größenordnungen Häufig sind wir gar nicht so sehr am exakten Ergebnis als an der Größenordnung und am Größenvergleich interessiert. Gibt es mehr Lottozahlen ”6 aus 49” oder mehr Skatblätter ”10 aus 32”? Lottozahlen: Skatblätter: Es gibt daher 49 6 32 10 = 13.983.816. = 64.512.240. 64.512.240 ≈ 4,6-mal mehr Skatblätter . 13.983.816 4 Der binomische Lehrsatz Name Binomialkoeffizient kommt von binomischer Formel: n X n k n−k n x ·y (x + y ) = k k=0 Spezialfall x = 1, y = 1: Wie sieht man’s anders? Spezialfall x = 1, y = −1: n X n k=0 n X k=0 k (−1) k = 2n . n k = 0. 5 (x + y ) n = n n X k=0 (x + y)0 = k xk · y n−k : weitere Spezialfälle 1 1 (x + y)1 = x+y (x + y)2 = x2 + 2 xy + y 2 (x + y)3 = x3 + 3 x2 y + 3 xy 2 + y 3 x + y)4 ··· = x4 + 4 x3 y + 6 x2 y 2 + 4 xy 3 + y 4 1 1 1 1 1 2 3 4 1 3 6 1 4 1 ··· 6 Beweis von (x + y )n = n n X k=0 k xk · y n−k Wie in ähnlich gelagerten Fällen liegt ein Induktionsbeweis nach n nahe. Induktionsverankerung: Für n = 1 liefern beide Seiten der behaupteten Gleichung den Wert x + y. Wir müssen uns daher noch mit dem Induktionsschritt befassen. 7 Induktionsschritt von n auf n + 1: Wir nehmen die Gültigkeit der Formel für den Exponenten n an, und haben die für n + 1 zu zeigen: (x + y) n+1 = I.V. = = (x + y) · (x + y)n n X n k n−k (x + y) · x ·y k k=0 n n X n X n k n+1−k xk+1 · y n−k + x ·y k k k=0 = = k=0 n+1 X k=0 n+1 X n+1 n k−1 n k−1 + k x ·y n k n+1−k X n + xk · y n+1−k k k=0 xk · y n+1−k k=0 n+1 = X n+1 xk · y k k=0 n+1 −k 8 Rückschau: Rolle der Induktion Der binomische Lehrsatz eignet sich sehr gut, die Rolle von Induktionsverfahren in mehrfacher Hinsicht zu beleuchten. • Induktion ist universell einsetzbar! • Aber: Induktionsbeweise häufig schwerfällig! • Ferner: Wir können mit Induktion nur beweisen, was wir ohnehin schon vermuten! • Der Induktionsbeweis selbst vermittelt nur beschränkte Einsicht. • Frage: Wie können wir durch direktes Sehen des Resultats Einsicht vermehren und Schwerfälligkeit der Induktion vermeiden? 9 Erneut: Binomische Formel Antwort ist vom Problem abhängig, hier geht’s: Beim ”Ausmultiplizieren” (Distributivgesetz mehrfach anwenden!) von n-mal z }| { n (x + y) = (x + y) · (x + y) · · · (x + y) haben wir aus jeder der n Klammern jeweils ein Element (x oder y) auszuwählen, das Produkt — stets von der Form xk y n−k für geeignetes k — zu bilden, und über alle Auswahlmöglichkeiten zu summieren. Es gibt nun n genau k-mal den k Möglichkeiten, aus den n Klammern Wert x auszuwählen, daher tritt xk y n−k genau n k -mal als Summand auf. Dies liefert das Resultat! 10 Rückschau: Zählverfahren und Induktion Es ist immer vorzuziehen, das Ergebnis eines Zählverfahrens direkt zu ”sehen”. Eine solche Einsicht erhöht das Verständnis und erleichtert die wichtige Vernetzung des Wissens. Vermehrte Einsicht hat ihren Preis! Für jede einzelne Situation ist eine jeweils neue, auf genau diesen Fall zugeschnittene, Argumentation zu entwickeln. Induktion ist dagegen ein breit einsetzbares Universalwerkzeug, gut für durchschnittliche Handhabung, schlecht für Spitzenleistung. 11 Zählen von Abbildungen Zunächst legen wir einige Bezeichnungen fest: Abb(M, N ) ist die Menge aller Abbildungen von M nach N . Inj(M, N ) ⊆ Abb(M, N ) ist die Teilmenge aller injektiven Abbildungen. Surj(M, N ) ⊆ Abb(M, N ) ist die Teilmenge aller surjektiven Abbildungen. Aufgabe: Zähle die Mitglieder dieser Mengen, falls M und N endlich sind. 12 Anzahl aller Abbildungen Diese Anzahl haben wir schon ermittelt: |Abb(M, N )| = |N ||M | Wir erinnern an das Argument: Sei |M | = m, also M = {x1, x2, . . . , xm} und |N | = n. Um eine Abbildung f : M → N zu definieren, müssen wir — unabhängig voneinander — m Elemente f (x1), f (x2), . . . , f (xm) aus N wählen. Für jedes f (xi) haben wir n Möglichkeiten, insgesamt also nm. 13 Anzahl der injektiven Abbildungen M sei eine m-elementige und N eine n-elementige Menge. Satz. Die Anzahl der injektiven Abbildungen von M nach N ist n! n · (n − 1) · (n − 2) · · · (n − (m − 1)) = . (n − m)! Grund: Sei M = {x1 , . . . , xm }. Um eine injektive Abbildung f : M → N zu erklären, müssen wir — der Reihe nach — paarweise verschiedene Funktionswerte f (x1 ), f (x2 ), . . . , f (xm ) aus N wählen: Für f (x1 ) haben wir n = |N | Möglichkeiten der Auswahl, für f (x2 ) haben wir noch n − 1 Möglichkeiten, für f (x3 ) noch n − 2 und schließlich für f (xm ) nur noch n − (m − 1). Insgesamt ergibt sich die behauptete Anzahl. n In anderer Schreibweise: |Inj(M, N )| = [n]m := m · m! . 14 n Beziehung zwischen und [n]m m Es ist n m Menge. die Anzahl der m-elementigen Teilmengen einer n-elementigen Es ist [n]m die Anzahl der injektiven Abbildungen einer m-elementigen Menge M in eine n-elementige Menge N . Der behandelte Satz zeigt: [n]m = n m · m! Beachten Sie: Für m > n ist diese Anzahl gleich Null! 15 n Direktes Argument für [n]m = · m! m Ist f eine injektive Abbildung von M = {x1, . . . , xm} nach N , so ist ihr Bild f (M ) eine m-elementige Teilmenge von N . Die Abbildung f ist durch diese Teilmenge noch nicht festgelegt; zusätzlich benötigen wir noch eine Anordnung f (x1), f (x2), . . . , f (xm) ihrer Elemente. Nun: N hat genau n m Teilmengen von m Elementen. Jede dieser Teilmengen gestattet genau m! Anordnungen. Insgesamt gibt es daher gerade n m · m! injektive Abbildungen. 16 Zählen von Partitionen Um die Anzahl aller surjektiven Abbildungen f : M → N zu ermitteln, müssen wir uns mit dem Partitionsbegriff auseinandersetzen. Definition. Unter einer k-Partition einer Menge M verstehen wir eine Menge {M1, M2, . . . , Mk } von k paarweise disjunkten nicht leeren S Teilmengen mit ki=1 Mi = M . Die Anzahl der k-Partitionen einer n-elementigen Menge bezeichnen wir mit Sn,k (Stirling-Zahlen zweiter Art). Es ist nicht einfach, diese Anzahl(en) explizit darzustellen. k k 1 X k−i Wir werden erst viel später sehen, dass Sn,k = (−1) in. k! i=0 i 17 Eigenschaften der Anzahl der k-Partitionen Sn,k Auch ohne über eine explizite Formel zu verfügen, können wir die Sn,k rekursiv berechnen: (1) Sn,n = 1 (n ≥ 0), Sn,0 = 0 (n > 0) (2) Sn,k = 0 (k > n) (3) Sn,m = m Sn−1,m + Sn−1,m−1 Die Eigenschaften (1) und (2) sind offensichtlich. Die Eigenschaft (3) nennen wir hier; ihr Nachweis wird erst später erfolgen. 18 Anzahl der surjektiven Abbildungen Satz. Es sei M eine m-elementige und N = {x1, . . . , xn} eine nelementige Menge. Dann gilt |Surj(M, N )| = Sm,n · n! Begründung: Jede surjektive Abbildung f : M → N liefert eine Folge M1 = f −1(x1), M2 = f −1(x2), . . . , Mn = f −1(xn) von Teilmengen von M , so dass {M1, . . . , Mn} eine n-Partition von M ist. Wir nennen (M1, . . . , Mn) eine angeordnete n-Partition von M . Jede surjektive Abbildung f : M → N führt somit zu einer angeordneten n-Partition. 19 Surjektive Abbildungen und Partitionen Halten wir also fest: Jede surjektive Abbildung f : M → N , N = {x1, . . . , xn} bestimmt eindeutig eine angeordnete n-Partition (M1, . . . , Mn), so dass Mi = f −1(xi). Umgekehrt bestimmt jede angeordnete n-Partition (M1, . . . , Mn) von M eine surjektive Abbildung f : M → N , die nämlich genau alle Elemente aus Mi auf xi abbildet. Jede n-Partition von M führt nun zu genau n! angeordneten nPartitionen. Unsere Behauptung folgt. 20 Die Anzahl der bijektiven Abbildungen M und N seien endliche Mengen. Wie groß ist die Anzahl der bijektiven Abbildungen von M nach N ? Zunächst ist klar, dass diese Anzahl gleich Null ist, falls |M | = 6 |N |. Nehmen wir von nun an, dass M und N beides n-elementige Mengen sind. Wir können noch M = {1, 2, . . . , n} voraussetzen. Eine bijektive Abbildung f von M nach N entspricht dann gerade einer Anordnung (f (1), f (2), . . . , f (n)) der Elemente von N . Anordnungen haben wir genau n!. Fazit: Es gibt für |M | = |N | = n genau n! bijektive Abbildungen von M nach N . 21 Erneut zählen: Teilmengen Für eine Menge M heißt die Menge aller Teilmengen von M P(M ) = {U | U ⊆ M } die Potenzmenge von M . Wir haben bereits (Induktion) gezeigt, dass für eine m-elementige Menge M es genau 2m Teilmengen gibt. Dasselbe Resultat 2m ergibt sich für |Abb(M, {0, 1})|. Gibt es einen Zusammenhang? 22 Teilmengen und Indikatorfunktionen M sei eine Menge und U ⊆ eine Teilmenge von M . Die Abbildung χU : M → {0, 1}, x x 7→ 1 0 falls x ∈ U falls x ∈ /U heißt Indikatorfunktion oder charakteristische Funktion von U . Satz Für jede Menge M ist die Abbildung ϕ : P(M ) → Abb(M, {0, 1}), U 7→ χU bijektiv. Beweis Wir erhalten als Umkehrabbildung ψ : Abb(M, {0, 1}), f 7→ f −1(1) 23 Definition durch Rekursion Häufig sind Folgen a0, a1, a, . . . nicht durch eine explizite Vorschrift, sondern durch Rekursion gegeben. Wir diskutieren ein Beispiel, für das wir eine Zahl q vorgeben: a0 = 1, an+1 = q · an. Hier ist leicht zu sehen, und dann durch Induktion zu beweisen, dass an = q n gilt. Wir haben es mit einer 1-stufigen Rekursion zu tun: Zur Berechnung von an+1 müssen wir nur den unmittelbaren Vorgänger an kennen. 24 Die Fibonacci-Zahlen Die Folge F0, F1, F2, . . . der Fibonacci-Zahlen ist durch 2-stufige Rekursion erklärt: F0 = 1, F1 = 1 (1) Fn+1 = Fn + Fn−1. (2) Eine “geschlossene Formel” für Fn ist aus der Startfolge 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144, 233, . . . nicht ohne weiteres erkennbar (vgl. Übungen!). Daher: Rekursive Definitionen erfassen einen weiteren Bereich als explizite Bildungsgesetze. 25 Leonardo von Pisa (1180–1250), genannt Fibonacci, gilt als der bedeutendste europäische Mathematiker des Mittelalters. Er führte u. a. das arabische Zahlsystem in Europa ein. Die Gesetzmäßigkeiten der Fibonacci-Zahlen geben auch heute noch viele Rätsel auf: Nicht bekannt ist z.B. ob es unter ihnen unendlich viele Primzahlen gibt. 26 Mehr über Fibonacci-Zahlen Auf der Webseite http://www.mcs.surrey.ac.uk/Personal/R.Knott/Fibonacci/fibnat.html finden Sie weiteres über die Fibonacci-Zahlen. Wählen Sie einfach den Link auf der Homepage der Vorlesung! 27 Die Bezeichnung kartesisches Produkt erinnert an den französischen Philosophen (“cogito, ergo sum”) und Mathematiker René Descartes (1596–1650), der die Methode (rechtwinkliger) Koordinaten zu einer systematischen Theorie ausbaute und dadurch die analytische Geometrie begründete, welche geometrische Fragen mittels algebraischer Rechnungen systematisch löst. 28 Die komplexen Zahlen Wir haben gesehen, dass die Menge R der reellen Zahlen einen angeordneten Körper bildet und dass für die Menge Q der rationalen Zahlen entsprechendes gilt. In beiden Körpern sind Gleichungen der Form xn = a nicht durchweg lösbar. In Q scheitern wir schon an der Lösung von x2 = 2. In R (und in Q) gibt es keine Lösung von x2 = −1. Diese “Defekte” beseitigt die Zahlbereichserweiterung zu den komplexen Zahlen. 29 Die Konstruktion von C Satz Die Menge R × R = {(a, b) | a ∈ R und b ∈ R} wird durch die Verknüpfungen (a, b) + (a0, b0) = (a + a0, b + b0) (a, b) · (a0, b0) = (aa0 − bb0, ab0 + a0b) zu einem Körper, dem Körper der komplexen Zahlen. Bezeichnung: C. Erinnerung: Eigenschaft Körper beinhaltet die Anforderungen (A1)–(A4) an die Addition, (M1)–(M4) an die Multiplikation und das Distributivgesetz (D). 30 Überprüfung der Anforderungen (A1)–(A4) Kommutativität und Assoziativität der Addition offensichtlich erfüllt. (0, 0) wirkt als Nullelement und (−a, −b) als additiv Inverses zu (a, b). (M1) Kommutativität der Multiplikation ist klar. (M2) Assoziativität: 0 0 (a, b) · (a , b ) · (a00, b00) = (aa0 − bb0, ab0 + a0b) · (a00, b00) = (aa0a00 − bb0a00 − ab0b00 − a0bb00, aa0b00 − bb0b00 + ab0a00 + a0ba00) 0 0 00 00 Ausmultiplizieren von (a, b) · (a , b ) · (a , b ) liefert dasselbe Resultat. 31 (M3) (1, 0) ist neutral hinsichtlich Multiplikation: (1, 0) · (a, b) = (a, b). (M4) Ist (a, b) 6= (0, 0), so ist (wegen a, b ∈ R) die Quadratsumme a2 + b2 > 0. Aus (a, b) · (a, −b) = (a2 + b2, 0) erhalten wir folglich a b = (1, 0) (a, b) · 2 , − 2 2 2 a +b a +b damit die Existenz von Inversen bezüglich der Multiplikation. (D) Das distributive Gesetz rechnet man nach dem Muster von (M2) nach. 32 Verabredungen Vermöge der Zuordnung R → C, identifizieren wir. a 7→ (a, 0) zugeordnete Elemente R wird dadurch eine Teilmenge von C, die sogenannte reelle Achse . Die Identifizierung führt zur Schreibweise (a, b) = (a, 0) + (b, 0) · (0, 1) = a + b · i, wobei i = (0, 1) als imaginäre Einheit von C bezeichnet wird. Offensichtlich gilt: i2 = (0, 1) · (0, 1) = (−1, 0) = −1. 33 Entsprechend ist die quadratische Gleichung x2 = −1 in C lösbar mit den beiden Lösungen i und −i. Wichtiger Kommentar zum Rechnen in C Für das Rechnen in C brauchen wir uns nicht die ursprünglichen Definitionen zu merken. Alles Weitere ergibt sich aus den folgenden Fakten: (1) Jede komplexe Zahl z besitzt eine eindeutige Darstellung z = a + b · i, mit a, b ∈ R. (2) C ist ein Körper, d.h. es gelten (A1)–(A4), (M1)–(M4), (D). (3) Es gilt i2 = −1. 34 Beispiel Sei z = a + bi 6= 0 eine von Null verschiedene komplexe Zahl. Dann ist (a + bi)(a − bi) = a2 − abi + bai − b2i2 = a2 + b2 6= 0 und folglich a − ib 1 = (a + bi) · 2 a + b2 Fazit: Für z = a + bi 6= 0 ist 1 1 = 2 (a − bi) . 2 z a +b 35