Als die Atome Schalen bekamen: 100 Jahre Bohrsches Atommodell

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undWissenschaft.
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Biologie und Biotechnologie, Medizin, Astronomie, Physik, Technik
sowie Energie- und Umweltforschung. Das Internetmagazin spricht
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natur.deunddamals.de.
02|Inhalt
01
02
ÜBERUNS
INHALT
03
ALSDIEATOMESCHALENBEKAMEN
100JahreBohrschesAtommodell
04
IMPRESSUM
03|AlsdieAtomeSchalenbekamen
100JahreBohrsches
Atommodell
VONNADJAPODBREGAR
VorfastgenauhundertJahrenveröffentlichtederdänischePhysiker
NielsBohrseinAtommodell-unddamiteinenMeilensteinderPhysik
undChemie.AuchwenneinigesanseinemModellinzwischen
veraltetist:SeinGrundprinzipgiltbisheuteunderklärtviele
chemischeundphysikalischePhänomene
DIEERFINDUNGDESATOMS
D
rit und die unteilbaren Partikel: Schon im Altertum
machten sich unsere Vorfahren Gedanken darüber,
worausunsereWeltbesteht-wasdieMaterieformtund
zusammenhält. Dass sie noch kaum Möglichkeiten
hatten,indenMikrokosmoszusehenoderkomplizierteExperimente
durchzuführen,wardabeikeinHindernis.DenneinigeMerkmaleund
Verhaltensweisen von Substanzen und Materialien ließen sich auch
damals schon sehr wohl beobachten. So zum Beispiel, dass
Flüssigkeiten bei höheren Temperaturen verschwanden und an ihre
Stelle ein Gas trat. Oder dass sich die Eigenschaften mancher
Substanzenveränderten,wennsiemitanderenreagierten.
Wasser,Feuer,LuftundErde-fürdiefrühenGriechendieGrundbausteinederMaterie©MMCD
Für die Griechen war die Schlussfolgerung aus alle diesen
Beobachtungen lange Zeit klar: Alle Materie besteht aus nur vier
Grundelementen: Feuer, Wasser, Luft und Erde. Jeder Stoff, egal ob
dasHolzeinesBaumesoderderWeinimTrinkbecher,bestandihrer
Ansicht nach nur aus einer Mischung dieser vier Grundqualitäten.
Auch die Aggregatzustände erklärten sie sich mit diesem Modell:
Gasförmige Stoffe sollten demnach vor allem Luft enthalten, feste
dagegenvorallemErde,flüssigewiederumüberwiegendWasser.
“NurAtomeimleerenRaum”
Doch im vierten Jahrhundert
vor Christus entwickelte der
Naturphilosoph
Demokrit
eine
neue,
absolut
revolutionäre Idee: Nicht die
vier Elemente seien die Basis
aller Materie, so postulierte
er, sondern winzige, feste
und unteilbare Partikel: “Nur
scheinbar hat ein Ding eine
Farbe, nur scheinbar ist es
süßoderbitter;inWirklichkeit
gibt es nur Atome im leeren
DemokritpostuliertedieIdeeder
Raum”, zitiert später der
unteilbarenAtome©historisch
Naturgelehrte
Galen
Demokrits Aussagen. Dessen Vorstellung nach sollten die Atome
zwar in ihrer Beschaffenheit alle gleich sein, sich aber in ihrer Form
unterscheiden - rund, würfelförmig, zylindrisch oder pyramidal. Und
erst die Kombination und Anzahl dieser Atomformen erzeugt dann
die verschiedenen Materialien und ihre typischen Merkmale. Auch
wennDemokritwederdieNaturderAtomerichtigerkannte,nochdie
ArtundWeise,wieausihnenverschiedeneMaterialienentstehen:Mit
seinem Modell war die Idee des Atoms als dem Grundbaustein der
Materiegeboren.Essollteallerdingsnochweitmehrals2.000Jahre
dauern, bis Forscher begannen, die Eigenschaften der Atome
genauerzuerforschen.
EINESORTEPROELEMENT
D
nsModellderAtome:DernächsteentscheidendeSchritt
ereignet sich im Jahr 1808. Der britische Naturforscher
John Dalton führt in seinem Labor Messungen und
Versuche mit verschiedensten Gasen und Flüssigkeiten
durch. Ihm fällt dabei auf, dass sich bestimmte Elemente immer in
festen Verhältnissen miteinander zu verbinden scheinen. Außerdem
bemerkt er, dass in einer Mischung verschiedener Gase jedes Gas
unabhängigvondenandereneinenbestimmtenPartialdruckbesitzt.
EinAtomfürjedesElement
Um diese Beobachtungen zu erklären, greift Dalton die Ideen
Demokrits wieder auf, modifiziert sie aber: In seinem Atommodell
habenalleAtomediegleicheFormunddengleichenGrundaufbau.Je
nachElementunterscheidensiesichaberinihrerMasse,Größeund
anderen Eigenschaften. Ähnlich wie Demokrit glaubt auch Dalton,
dass Atome unteilbar sind und weder erschaffen noch zerstört
werden können. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger geht er aber
nicht von einer unendlich großen Vielzahl von Atomen aus.
Stattdessen vermutet er, dass es für jedes bekannte Element genau
eine Atomsorte geben muss. “Mit anderen Worten: Jedes
Wasserteilchen ist exakt wie jedes andere Wasserteilchen, jedes
Atom Wasserstoff wie jedes andere
Wasserstoffatom”,schreibtderForscher.
In chemischen Reaktionen verbinden
sichseinerVorstellungnachdieseAtome
mit anderen oder trennen sich
Ansammlungen von verschiedenen
Atomen wieder auf. Damit legt er den
GrundsteinfürdiemoderneChemieund
denBegriffderMoleküle.
SozeichneteDaltonseine
VorstellungvonAtomenund
Molekülen©MMCD/
historisch
“InrespektvollemAbstand”
SeinModellliefertzudemeineErklärung
für die Aggregatzustände: “Wenn ein Stoff in einem gasförmigen
Zustand existiert, sind seine kleinsten Teilchen weiter voneinander
entfernt als in jedem anderen Zustand”, so Dalton. “Jedes der
Teilchen sitzt im Zentrum einer relativ großen Sphäre und behält
seineWürde,indemesalleandernTeilcheninrespektvollemAbstand
hält.” Bei Flüssigkeiten und noch mehr bei Feststoffen seien die
Abstände zwischen den Atomen dagegen geringer. Erwärmt man
einen Stoff, dehnt dieser sich aus, weil seine Atome immer weiter
auseinanderstreben.EinengewaltigenHakenhattedasAtommodell
vonDaltonallerdings:Eskonntenichterklären,warumAtomeunter
bestimmten Bedingungen positive oder negative Ladungen
annehmen. Und auch für das Phänomen der Radioaktivität lieferte
Daltons Modell keine Erklärung: Denn wenn Atome doch unteilbar
sind,wohersolltendanndieTeilchenunddieStrahlungkommen,die
beispielsweise Uran
Zerfallaussandte?
beim
DerAbstandentscheidet:sostelltesich
DaltondieAtomanordnungbei
Wasserstoffgasvor.©historisch
KUCHENTEIGODERHÜLLE?
D
uchenachdemSitzderElektronen:MitdemBeginndes
20.JahrhundertsüberschlagensichdieEreignisse.Immer
mehr Experimente liefern neue Erkenntnisse über die
Bausteine der Materie - und die Physiker und Chemiker
kommen kaum hinterher, entsprechende Erklärungen und Modelle
für das Gefundene zu entwickeln. Vorreiter und Zentrum des
GeschehensistdabeiEngland.
ThomsonsVorstellungdesAtoms:einepositiveMatrixmitdarineingebettetenElektronen©MMCD
An der Universität Cambridge ist es der Physiker Joseph John
Thomson, der schon kurz vor der Jahrhundertwende als erster
eindeutig nachweist, dass Atome - entgegen der Vorstellungen von
Dalton und Demokrit - keine massive, unteilbare Einheit sind. Es
gelingtihmzubeweisen,dassKathodenstrahlenausElektronenund
damit aus geladenen, subatomaren Teilchen bestehen. Seine
Vermutung: Diese von der positiven Elektrode abgestrahlten
Elektronen müssen aus den Atomen selbst stammen. Weil aber das
Atom als Ganzes neutral ist, muss zusätzlich zu den negativ
geladenenElektronenauchnocheinpositiverRestexistieren.
WieRosinenineinemTeig
Ausgehend von dieser Überlegung entwickelt Thomson 1903 sein
“Rosinenkuchen”-Modell des Atoms: Nach diesem besteht ein Atom
aus einer positiven Grundmasse, in das die Elektronen wie winzige
Rosinen in einem Kuchenteig eingebettet sind. Die Elektronen, so
postuliert der Forscher, können - beispielsweise im Rahmen
chemischer Reaktionen - aus der Grundmasse entfernt werden.
Einem Natrium-Atom fehlt dann beispielsweise in einer
Kochsalzlösung (Natriumchlorid) ein Elektron, dadurch wird es
einfach positiv geladen und wandert beim Anlegen einer Spannung
andennegativenPol,dieAnode.DurchdiesesModellkannThomson
die Ladungsveränderungen der Atome bei Reaktionen plausibel
erklären. Tatsächlich liegt er mit seinem Grundprinzip - es werden
Elektronen ausgetauscht - absolut richtig, wenn auch nicht in der
Form. Auch seine Zeitgenossen kann Thomson damit zunächst
vollauf überzeugen. Für seine Entdeckung des Elektrons erhält er
1906 den Nobelpreis für Physik. Im gleichen Jahr kann er
nachweisen, dass Wasserstoff nur genau ein Elektron enthält. Der
junge Niels Bohr, zu diesem Zeitpunkt noch Student an der
UniversitätKopenhagen,bezeichnetThomsondamalsals“dasGenie,
dasallendenWegzeigte.”
“Kuchenteig”unterBeschuss
Doch schon wenig später gerät Thomsons “Rosinenkuchen” unter
Beschuss - buchstäblich. Denn in Manchester führt der Physiker
ErnestRutherford1911einExperimentdurch,mitdemerThomsons
neues Atommodell überprüfen will. Dazu beschießt er eine dünne
GoldfoliemitAlphastrahlen.DiesebeimradioaktivenZerfallvonUran
entstehenden Partikel sind, das weiß Rutherford bereits, positiv
geladen. Es handelt sich um Heliumatome, die ihrer beiden
Elektronen beraubt wurden. Rutherfords Erwartung: Stimmt das
Rosinenkuchen-Modell von Thomson, dann müsste die positive
RuhterfordsStreuversuch:EinStrahlaus
Heliumkernen trifft auf eine Goldfolie ©
MMCD
Matrix der Goldatome die auftreffenden
positiven Teilchen nahezu vollständig
reflektieren. Nur sehr wenige AlphaPartikeldürftendieFoliepassieren.Doch
zur großen Überraschung des Physikers
istdasGegenteilderFall:DergrößteTeil
der Alphateilchen passiert die immerhin
rund 4.000 Atomlagen dicke Goldfolie
völlig ungehindert. Weniger als ein
Prozent der Teilchen wird abgelenkt
oderzurückgeworfen.
Leere Hülle und massiver
Kern
Für Rutherford ist die
Konsequenz aus diesem
Ergebnisklar:DasAtomkann
kein Rosinenkuchen sein, wie
es Thomson postuliert hatte.
Stattdessen
muss
es
vorwiegend
aus
etwas
anderem bestehen - aus
Leere. Denn nur dann ist
erklärbar,
warum
die
AlphateilchendieGoldfolieso
RutherfordsModell:kleinerpostiver
Atomkernundgroße,weitgeendleereHülle
mitElektronen©MMCD
mühelos
durchschlagen
konnten. “Ich gehe davon aus, dass das Atom aus einem kleinen
positivgeladenenAtombesteht,indempraktischdiegesamteMasse
desAtomskonzentriertist.UmdiesenKernverteilensichElektronen,
die das Atom elektrisch neutral machen”, postuliert der Forscher.
Diese Hülle aus Elektronen ist dabei mehr als hunderttausend Mal
größer als der massive Kern - entsprechend selten kommt es daher
vor,dasseinAlphateilchengenaudiesenwinzigenKerntrifft.
DERJUNGEWILDE
N
Bohrunddieetablierten“Atombauer”:Herbst1911.Der
junge dänische Physiker Niels Bohr hat gerade seine
Doktorarbeit zur Elektronentheorie der Metalle
abgeschlossen und ist auf dem Weg zu seinem großen
Idol: Er darf im Rahmen eines Forschungsaufenthalts im Labor des
Nobelpreisträgers und “Elektronenpapstes” Joseph John Thomson
mitarbeiten. Bereits in seiner Diplomarbeit hat sich Bohr mit der
ArbeitvonThomsonauseinandergesetzt-undplatztnunvorneuen
Ideen und Verbesserungsvorschlägen. “Voll wildem, dummem Mut”,
beschreibterseinenGemütszustandspäter.
BesuchinManchester
Damit allerdings kommt er beim etablierten Nobelpreisträger nicht
gerade gut an. Dieser nimmt den mit Akzent sprechenden
Jungforscher nicht wirklich für voll und ist zudem viel zu sehr damit
beschäftigt, sein Rosinenkuchen-Modell und dessen Konsequenzen
weiterzuentwickeln.BohrbleibtdennochfürrundeinhalbesJahrin
Cambridge, folgt Vorlesungen und Vorträgen von Thomson, aber
auch dem Mathematiker Joseph Larmor. Im Februar 1912 dann
bietet sich ihm die nächste
große Chance: Er kann im
Labor von Ernest Rutherford
in Manchester mitarbeiten kurze Zeit nachdem dieser
sein
bahnbrechendes
Goldfolien-Experiment
veröffentlicht
hat.
Bohr
beschreibtseineEindruckdes
Forschers so: “Ein echt
erstklassiger Mann und
extrem fähig, in vielerlei
Hinsicht noch fähiger als
Thomson,
wenn
auch
vielleicht nicht so begabt”, so
die fast schon vorwitzige
Einschätzung
des
NielsBohralsjungerMann©historisch
Jungphysikers. Und auch bei
Rutherford tut Bohr zunächst das, was ihm besonders liegt: Er
beschäftigtsichmitdenModellenseinesChefsundanalysiertsieauf
seineeigeneWeise.
Deutlichgetrennt:ChemieundRadioaktivität
Dabei erkennt Bohr bereits, was selbst Rutherford zu diesem
Zeitpunkt noch nicht bewusst ist: Das Kern-Hülle-Modell liefert auch
das Handwerkszeug, um radioaktive und chemische Reaktionen klar
voneinander abzugrenzen. Denn alles, das die Hülle und die darin
befindlichen Elektronen beeinflusst und verändert, ist seiner
Definition nach Chemie. “Zur ersten Klasse von Atommerkmalen
gehören die meisten physikalischen und chemischen Eigenschaften
von Substanzen, wie ihre Farbe oder chemische Reaktivität”, erklärt
Bohr1922inseinerNobelpreis-Rede.“DieseEigenschaftenberuhen
aufdemElektronensystemunddieArtundWeise,mitdersichseine
Bewegung unter dem Einfluss verschiedener äußerlicher Handlunge
verändert.” Die Reaktionen
aber, die vom Atomkern
ausgehen, sind Bohrs Ansicht
nach Kernphysik. “In den
radioaktiven
Prozessen
begegnen wir einer Art
Explosion des Atomkerns, bei
der er positive oder negative
Partikel, die sogenannten
Alpha- und Beta-Teilchen, mit
großen
Geschwindigkeiten
ausstößt”,erklärtBohr.
RadioaktiverZerfallvonUran-eineSache
desKerns,wieBohrerkennt©MMCD
VieleoffeneFragen
Bohr belässt es dabei aber nicht, er
hinterfragt Rutherfords Modell auch
kritisch und sieht durchaus einige
Lücken. Einen Aspekt chemischer
Reaktionen kann das Rutherford-Modell
beispielsweise nicht erklären: Warum
KannchemischeBindungen
nichterklären:Rutherfords
Atommodell©MMCD
bilden manche Elemente wie das
Natrium fast immer einfach positiv
geladenen Ionen, andere dagegen wie
Aluminium sogar dreifach positive? Und
warumweigernsichmancheElementeschlichtweg,überhauptpositiv
zu werden und nehmen stattdessen negative Ladungen an, wie
beispielsweise das Chlor wenn es in Form von Kochsalz Natriumchlorid - gelöst wird? Steckt der Hinzugewinn oder der
VerlustvonElektronendahinter,müsstediesjabedeuten,dasseinige
Elektronenleichterentferntwerdenkönnenalsandere.Rutherfords
nicht weiter unterteilte Atomhülle liefert hier keine Erklärung dafür.
Und noch etwas bleibt beim Rutherford-Modell ungeklärt: Warum
bleiben die Elektronen in der Hülle, statt in den Kern
hineinzustürzen?EigentlichmüsstendiekreisendenTeilchenbeiihrer
Bewegung ständig an Energie verlieren und damit auch an
Geschwindigkeit. Denn nach gängiger Theorie der klassischen
ElektrodynamikverlierteinebewegteLadungständigEnergie,weilsie
elektromagnetische Strahlung aussendet. Langsamer werdend,
müsstendieElektronendadurchschließlichvonderpositivenLadung
angezogen werden und in den Kern fallen. Doch ganz offensichtlich
geschieht genau dies nicht. Die Elektronen scheinen völlig
ungebremstumdenKernzukreisen.Aberwarum?
UNTEILBAREPAKETE
D
ntdeckung der Quanten: Noch während sich Thomson,
Rutherford und Bohr den Kopf über die mögliche
Struktur des Atoms zerbrechen, debattiert die
Physikerwelt über eine andere, mindestens ebenso
fundamentaleGröße:dieEnergie.DennerstwenigeJahrezuvorhat
Max Planck das gesamte bisherige Weltbild der Physik ins Wanken
gebracht. Seine revolutionäre Erkenntnis: Energie ist keine
kontinuierliche Größe, sondern besitzt - ähnlich wie Materie - eine
kleinste, nicht mehr teilbare Einheit. Ein glühender Körper gibt
demnach seine Wärmestrahlung nicht in beliebigen Mengen ab,
sonderninfestdefiniertenPaketen,denQuanten.DieseQuanten,so
erkanntePlanck,sindumsoenergiereicher,jekürzerdieWellenlänge
derausgestrahltenelektromagnetischenStrahlungist.
Skepsisüberwiegt-zunächst
Als Planck seine Idee der Quanten und sein darauf aufbauendes
Strahlungsgesetz am 14. Dezember
1900 auf der Sitzung der Deutschen
Physikalischen Gesellschaft vorstellt,
reagierenseineKollegenallesandereals
begeistert. Zwar erklärt Plancks Gesetz
viele
der
bisher
unerklärlichen
BeobachtungenbeiderWärmestrahlung
- aber es widerspricht allem, was man
bisheralsgegebenansah.Entsprechend
skeptisch bleibt die Physikergemeinde und auch Planck selbst ist sich seiner
keineswegs
sicher.
Der
eher
MaxPlanckerkanntedie
QuantelungderEnergie©
konservative Forscher versucht lange,
historisch
sein Konzept in das alte Gefüge der
klassischen Physik einzubauen - allerdings eher vergebens.
SchützenhilfeerhältPlanck1905vonAlbertEinstein.Diesererkennt
die Tragweite von Plancks Idee und führt sie in seiner
Lichtquantenhypotheseweiter.NachdieseristauchdasLichtalseine
FormderelektromagnetischenStrahlunggequantelt:Obwohleseine
Welleist,wirdesinFormvonPhotonen,Lichtteilchenübertragen.Es
hatdahersowohlEigenschafteneinerWellealsauchvonTeilchen.
DasRätselderSpektrallinien
Auch Niels Bohr beschäftigt
sich während seiner Zeit in
SpektrallinienderBalmer-Seriedes
England intensiv mit Plancks
Wasserstoffs©JanHomann/CC-by-sa
3.0
Strahlungsgesetz
-
und
überlegt, ob nicht die
Quantisierung der Energie auch einige seltsame Phänomene bei
Atomenerklärenkönnte.SostrahltbeispielsweiseWasserstoff,wenn
ihm Energie zugeführt wird, nicht Licht eines kontinuierliche
Spektrums aus, sondern erzeugt klar abgegrenzte Linien nur bei
bestimmten Wellenlängen. Wo diese Linien sitzen, lässt sich durch
mathematische Formeln nachvollziehen, je nach Energiezugabe
bilden sie Serien - die Balmer-Serie, die Lyman-Serie und die
Paschen-Serie. “Es ist wohlbekannt, dass die Wellenlängen der
Spektrallinien eines Elements unter den gleichen äußeren
Umständenauchimmerexaktdiegleichensind”,erklärtBohrspäter
in seiner Nobelpreis-Rede. “Aber solange wir uns auf die klassische
Elektrodynamikbeschränken,könnenwirdiesescharfenLiniennicht
erklären.”Wieaberdann?
SPRINGENDEELEKTRONEN
D
eburtdesBohrschenSchalenmodells:Anfang1913steht
Niels Bohr vor mehr Fragezeichen als Antworten:
RutherfordsAtommodellkannnichterklären,warumdie
Elektronen in der Hülle nicht ständig Strahlung
aussenden. Und warum die Elemente scharf abgegrenzte
Spektrallinien aussenden ist ebenfalls völlig schleierhaft. Doch der
junge Physiker hat einen Geistesblitz: Was wäre, wenn auch in der
Welt der kleinsten Teilchen nicht die klassische Elektrodynamik gilt,
sondern die gerade erst postulierten Quanten? Bohr beginnt, die
Planckschen Prinzipien auf die Balmer-Serie des Wasserstoffs
anzuwendenundstelltüberraschendeParallelenfest.
WiePlanetenaufihrenBahnenumdieSonne
NachundnachkristallisiertsicheinvölligneuesBilddesAtomsund
seiner Elektronen heraus: Demnach kreisen die Elektronen nicht
einfach ungeordnet und in beliebigem Abstand um den Atomkern,
sonderninbestimmtenBahnen.“IndiesemBildsehenwirsoforteine
erstaunliche Ähnlichkeit zu einem Planetensystem”, erklärt Bohr.
Innerhalb dieser Bahnen befinden sich
die Elektronen in einem stabilen
Zustand, sie verlieren keine Energie und
senden auch keine Strahlung aus. Ihre
Bewegung steht in einem Gleichgewicht
zurKraft,diederKernaufsieausübt.
AtommodellnachBohr:Die
Elektronenkreisenauf
definiertenBahnen©MMCD
JedeBahndesElektronsentsprichtnachBohreinemanderenEnergieniveau©MMCD
Anders aber, wenn beispielsweise dem Wasserstoffatom Energie
zugeführtwird:DannnimmtdasElektrondieseEnergieaufundwird
dadurchvonseinemGrundzustandaufeineweiteraußenliegendeenergiereichere - Bahn katapultiert. Nach einiger Zeit aber fällt es
wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurück. Die nun
überschüssige Zusatzenergie gibt das Elektron dabei ab - als
Strahlung. Und hier sieht Bohr die Erklärung für die Spektrallinien
unddieVerbindungzuPlanck:
EnergiepaketeauchbeimElektron
“Der essenzielle Punkt in Plancks Theorie der Strahlung ist es, dass
dievoneinemAtomsystemausgesendeteEnergienichtkontinuierlich
erfolgt,sondernimGegenteilinklargetrenntenEmissionen”,erklärt
derPhysiker.UndweildasElektronseineEnergienurinbestimmten
Paketen - den Quanten - abgeben kann, hat der abgegebene
Lichtblitz immer eine feste Wellenlänge, entsprechend der
abgegebenen Energiemenge. Statt eines allmählichen Übergangs
sieht man dieses Lichtsignal
im Spektrum daher als klar
abgrenzte Linie. Nun wird
auch die Balmer-Serie des
Wasserstoffs klar: Wenn das
Elektron des Wasserstoffs je
nach Energiezufuhr auf
unterschiedlich weit außen
liegende Bahnen katapultiert
wird, fällt es bis zum
energieärmsten
Grundzustand
jeweils
unterschiedlichweit.AlsFolge
DasElektronstrahltbeimRücksprungvon
einerhöherenaufeineniedrigereSchale
gibt
es
jeweils
EnergieinFormvonStrahlungaus©
unterschiedliche
MMCD
Strahlenpaketeab-unddiese
erzeugendieverschiedenenLinienderBalmer-Serie.
DASJAHR1913UNDDANACH
D
odellundseineFolgen:AnfangJuli1913-unddamitvor
fast genau hundert Jahren - veröffentlicht Bohr seine
neuenErkenntnisseunterdemTitel“OntheConstitution
of Atoms and Molecules” im Philosophical Magazine,
nochimgleichenJahrfolgenzweiweitereVeröffentlichungen.“Diese
auch als Trilogie bekannten Artikel waren bahnbrechend, denn zum
ersten Mal beschrieben sie, wie Atome funktionieren”, erklärt Troels
Petersen,PhysikeramdänischenNielsBohrInstitutinKopenhagen.
MeilensteinmitkleinenFehlern
BohrsKollegenundZeitgenossensindallerdingszunächstnurmäßig
begeistert. Denn seine Theorie ist nur eine von vielen, die in dieser
Zeit die Physikjournale füllen. Zudem passen Bohrs Berechnungen
und Annahmen zwar für den Wasserstoff, bei Elementen mit mehr
als einem Elektron weichen Beobachtungen und Theorie aber
deutlich voneinander ab. Doch Bohr lässt sich nicht entmutigen. In
den folgenden Jahren modifiziert und erweitert er sein Atommodell
weiter.ErgehtbeispielsweisespäternichtmehrvonKreisbahnender
Elektronen aus, sondern von elliptischen Orbits. In der Folgezeit
beschäftigt sich Bohr vor allem weiter mit den Konsequenzen der
Planckschen Quanten für die atomare Welt und trägt so
ironischerweiseselbsttatkräftigdazubei,
die Quantenmechanik zu etablieren und
sein Modell in vielen Punkten zu
widerlegen.
MöglicheElektronensprünge
beimWasserstoff©Szdori/
CC-by-sa3.0
MöglicheOrbitaledesElektronsbeimWasserstoff©PoorLeno/gemeinfrei
Heutewissenwir,dassdieElektronennichtinfesten,flachenBahnen
kreisen,sonderninbestimmtenOrbitalenzufindensind-Zonender
höchsten Aufenthaltswahrscheinlichkeit. Denn spätestens seit
WernerHeisenbergsUnschärferelationistklar,dasssichdiegenaue
Position und Geschwindigkeit eines Elementarteilchens nicht genau
bestimmen lässt, ohne dessen Zustand zu beeinflussen. Zudem
besitzen Elektronen - ähnlich wie Licht - auch Eigenschaften von
Wellen.
Prägendbisheute
Dochtrotzalledem:DasBohrscheAtommodell-sovorläufigesauch
war - ist auch heute noch immer das prägendste Modell. Es wird in
denSchulenalserstesgelehrt,esfindetsichinunzähligenSymbolen
für Atome wieder und dient noch immer als Erklärungsmodell für
zahlreiche Phänomene in Chemie und Physik. Mit seiner Hilfe wird
beispielsweise bis heute die Bindung chemischer Elemente und
letztlichauchdasgesamtePeriodensystemderElementeerklärt.
Denn nach diesem Modell ist
eine chemische Bindung
nichts anderes als ein
Austausch
der
jeweils
äußeren Elektronen zwischen
Atomen.
Beim
Kochsalz
beispielsweise
gibt
das
Natriumseineinzigesaufder
äußeren Schale kreisendes
Elektron ab, das Chlor nimmt
dieses
auf.
Dadurch
bekommen beide Atome eine
nun volle Außenschale - und
Bis heute wird die Elektronenkonfiguration der
Elemente vereinfacht als Bohrmodell dargestellt,
hierfürKohlenstoff.©gemeinfrei
damiteinenstabilenZustand.
Die
Anzahl
der
Außenelektronen bestimmt damit letztlich, mit wem ein Element
bevorzugt reagiert - und damit eine der Eigenschaften, die die
GruppenzuordnungimPeriodensystembestimmt.NielsBohrhatsich
mit seinem “Planetenmodell” der Elektronen tatsächlich unsterblich
gemacht. Die bestrickende Einfachheit und Eingängigkeit seines
Modells macht es bis heute relevant - wenn auch nicht in allen
Aspekten. In dieser Hinsicht hat Bohrs Atommodell eine weitere
Parallele zu einem Planetensystem, genauer gesagt dem des
Astronomen Kopernikus: Beide Modelle änderten die Sicht auf ihre
damalige Welt fundamental und öffneten die Tür zu weiteren
Erkenntnissen-Erkenntnissen,dieunserWeltbildbisheuteprägen.
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