Neue Leitlinienempfehlung zum Endometriumkarzinom P. Mallmann Köln Erklärung der COI + englische Version der LL © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. S2k-Leitlinie EndometriumKarzinom Version 2 Bislang noch gültig: S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Endometriumkarzinoms Publiziert April 2013 von der Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie e.V. in der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. (DKG) und in der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG) Anhebung auf S3 2016 Ein Routinefall aus der täglichen Praxis: 67 jährige Patientin hat einmalig eine postmenopausale Blutung Vaginaler Ultraschall: Braucht diese Frau mit einmaliger postmenopausaler Blutung und sonographisch atrophem Endometrium unbedingt eine HSK und fraktionierte Abrasio? Muss immer eine HSK und fraktionierte Abrasio durchgeführt werden ? Bei einer Endometriumdicke von 3mm ist die Sensitivität der Vaginalsonographie zur Diagnose eines Endometriumkarzinoms 97% In großen Studien mit z.T. mehr als 4.000 Patienten konnte mehr als der Hälfte eine Abrasio erspart werden. z.B. Wong BJOG 2015 online 20 März Früherkennung und Diagnostik © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. 1. Jede Blutung in der Postmenopause soll unabhängig histologisch abgeklärt werden. 2. Bei sonographisch atrophem Endometrium kann möglicherweise auf eine histologische Abklärung verzichtet werden 3. Die atypische Blutung in der Perimenopause sollte histologisch abgeklärt werden. 4. Unter Tamoxifen-Einnahme soll nur eine Blutung histologisch abgeklärt werden. State of the Art Berlin 2015 Warum trotzdem im Regelfall histologische Abklärung? Die atypische Blutung hat die höchste Sensitivität bei der Früherkennung eines Endometriumkarzinoms: jedes Karzinom blutet irgendwann (aber geringste Spezifität 97%) Auch hinter einem sonographisch atrophen Endometrium kann sich ein Endometriumkarzinom verbergen, typischerweise die besonders aggressiven serös-papillären Karzinome Alternative zur HSK: Pipelle Höhere Sensitivität als HSK + Abrasio Niedrige Falsch negativ Rate „best first line investigation in managing PMB“ z.B. Ewies Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 2010 153 67 Histologisches Ergebnis: Im Abradat von Corpus und Cervix Endometriumkarzinom, G2 differenziert Histologisches Ergebnis: Im Abradat von Corpus und Cervix Endometriumkarzinom, G2 differenziert Nächster Schritt: Staging Welche bildgebende Diagnostik ist beim Endometriumkarzinom sinnvoll ? Rö Thorax Ultraschall Abdomen: Leber, Niere Vaginaler Ultraschall Nur bei V.a. fortgeschrittenes Karzinom oder myometrane Infiltration MRT, ggf. CT Histologisches Ergebnis: Im Abradat von Corpus und Cervix Endometriumkarzinom, G2 differenziert Nächster Schritt: Operation Fragen zur operativen Therapie des Endometriumkarzinoms • Technik der Op: konventionell, minimal-invasiv, Robotic Surgery ? • Art der Hysterektomie: einfache oder radikale oder PMMR ? • Lymphonodektomie: Wann und Wie ? • Ein – oder zweizeitige Op? Op-Technik: Laparotomie oder Laparoskopie oder Robotic Surgery Statements: Operative Therapie des Endometriumkarzinoms © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. Update April 2013 1. Bei Betrachtung der kurzfristigen postoperativen Morbidität ist das laparoskopische Vorgehen dem offen-chirurgischen überlegen. Die langfristige Morbidität ist identisch. 2. Das onkologische Ergebnis der laparoskopischen und offen chirurgischen Therapien ist vergleichbar. Erhöht eine Laparoskopie das onkologische Risiko bei High Risk Endometriumkarzinom • 338 Patientinnen mit High grade Endometriumkarzinom Ergebnis: Kein Unterschied im Gesamtüberleben Fader et al. Gynecol Oncol 2012 126 2 12 Erhöhtes onkologisches Risiko bei Verwendung eines Uterusmanipulators ? • Metaanalyse von 6 Studien Ergebnis: soweit bei schlechter Studienqualität beurteilbar kein erhöhtes Rezidivrisiko erkennbar Iavazzo et al. Arch Gynecol Obstet 2013 288(5) 1003-9 Laparoskopie oder Robotic Surgery • Metaanalyse 44 Studien • Beide Ansätze sind gleichwertig, d.h. keine Überlegenheit von Robotic gegenüber Laparoskopie • Onkologisches Outcome identisch Gala RB et al. J Minim Invasive Gynecol 2013 1553-4650 Welche Form der Hysterektomie: einfache oder radikale? Statements: Operative Therapie des Endometriumkarzinoms © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. Update April 2013 Eine radikale Hysterektomie sollte beim Endometriumkarzinom Stadium II nicht durchgeführt werden. Lymphonodektomie Statements: Operative Therapie des Endometriumkarzinoms © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. Bei Typ 1 endometrioiden Karzinomen des Stadium pT1a G1 oder G2 sollte bei intraoperativ makroskopisch unauffälligen Lymphknoten eine Lymphonodektomie nicht durchgeführt werden LNE bei Low Risk Endometriumkarzinom ? • Verbessert nicht das erkrankungsfreie Überleben • Erhöht die Morbidität und die Kosten Statements: Operative Therapie des Endometriumkarzinoms © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. Bei Tumoren mit höherem Risiko für einen Befall der retro-peritonealen Lymphknoten [Stadium pT1a G3, ≥ pT1b, alle serösen bzw. klarzelligen Karzinome] sollte die pelvine und paraaortale Lymphonodektomie bis zum Nierenstiel durchgeführt werden. Statements: Operative Therapie des Endometriumkarzinoms © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. Bei allen Typ II Endometriumkarzinom sollte die pelvine und paraaortale Lymphonodektomie bis zum Nierenstiel durchgeführt werden. Gibt es eine Alternative ? Sentinel Node Biopsie Sentinel Node Biopsie beim Endometriumkarzinom • Metaanalyse 86 Studien, 2.071 Patientinnen • Detektionsrate 77,8% • Sensitivität 89% Schlussfolgerung: SNL Biopsie technisch durchführbar Ansari et al. Eur J Gynaecol Oncol 2013 34(5) 387 Statements: Operative Therapie des Endometriumkarzinoms © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. Das Sentinel-Lymphknoten-Konzept beim Endometriumkarzinom ist als experimentell einzustufen 67 jährige Patientin mit Endometriumkarzinom in Corpus und Cervix, G2 differenziert Wie klären sie die Frau auf: einfache HE oder braucht sie eine LNE? Ein- oder zweizeitige Op ? Braucht diese Patientin eine Lymphonodektomie ? • G2 ? heißt nichts, Grading im Abradat und endgültigen Präparat differiert in 30% der Fälle Gynecol Oncol 113 2009 105 Braucht diese Patientin eine Lymphonodektomie ? • „Karzinom in Corpus und Cervix“ ? nur bei sicherer Stromainvasion in der Zervix Stadium II, häufig nur „runterkürrettiert“ Braucht diese Patientin eine Lymphonodektomie ? • Ist das ein Stadium Ib ? Bedeutung der intraoperativen Schnellschnittuntersuchung Savelli, L. et al Gynecol Oncol. 2012 Mar;124(3):549. (11) © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. 155 Frauen mit Endometriumkarzinom. Vaginaler Ultraschall, anschließende HE mit intraoperativen Schnellschnitt durch Gynäkopathologen. Ergebnis: - Korrekte Prädiktion der myometranen Infiltration - Vaginaler Ultraschall: 81% - MRT: 84% - Intraoperativer Schnellschnitt: 92% Empfehlung für die Praxis • Zuverlässigster Parameter zur Beurteilung der Infiltrationstiefe ist der intraoperative Schnellschnitt der insbesondere bei präoperativem klinischem Verdacht auf Stadium >Ia die erhöhte Morbidität und Mortalität eines zweizeitigen Vorgehens vermeiden kann Früherkennung und Diagnostik © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. State of the Art Berlin 2015 Es existieren keine bildgebenden Verfahren, die präoperativ zur Planung verlässlich eingesetzt werden können. Geeignete Verfahren sind vaginaler Ultraschall und MR Becken 67 jährige Patientin abschließendes Stadium T1b N1 M0 War es das endlich? Wie geht es weiter ? Nichts – Chemotherapie – Strahlentherapie – alles ? Viele Frauen mit Endometriumkarzinom sind durch die Operation geheilt © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. • 50% aller Patienten Low Risk: Stadium FIGO IA, G1-2 5 Jahres rezidivfreies Überleben 95% Creasman et al. J Epidemiol Biostat 2001 6 47 Oder benötigen lediglich eine vaginale Brachytherapie © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. • 30% Intermediate Risk: Stadium FIGO IA G3, Stadium IB G1-2 L0 V0 5 Jahres rezidivfreies Überleben 80-85% Creasman et al. J Epidemiol Biostat 2001 6 47 Statements: Operative Therapie des Endometriumkarzinoms © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. Im Stadium Ia G3 und Ib G1-2 ist die vaginale Brachytherapie ebenso effektiv wie eine externe Beckenbestrahlung zur Vermeidung vaginaler Rezidive. Sie ist zu bevorzugen, wenn eine Evaluation der Lymphknoten erfolgte Aber es bleiben 20 % mit einer schlechten Prognose © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. • FIGO Stadium IB G3, Stadium II und III, • Alle seröse/papilläre und klarzellige Karzinome Diese sind für 50% aller Rezidive verantwortlich und brauchen eine adjuvante Chemotherapie + Brachytherapie Pectasides et al Cancer Treat Rev 2007, 33, 107 Meta-Analyse zur adjuvanten Chemotherapie beim high-risk Endometriumkarzinom © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. State of the Art Berlin 2015 • 5 randomisierte Studien OP + Radiatio versus OP + Radiatio + adj. Chemotherapie • 4 randomisierte Studien OP + Radiatio versus OP + adj. Chemotherapie n= 2.197 Patientinnen Johnson et al. Cochrane Database Syst Rev 2011 Meta-Analyse zur adjuvanten Chemotherapie beim high-risk Endometriumkarzinom © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. State of the Art Berlin 2015 Johnson et al. Cochrane Database Syst Rev 2011 Meta-Analyse zur adjuvanten Chemotherapie beim high-risk Endometriumkarzinom © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. State of the Art Berlin 2015 Schlußfolgerungen • Eine postoperative platinhaltige Chemotherapie verbessert das progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben unabhängig von einer Strahlentherapie. • Sie reduziert das Risiko der Entstehung von Metastasen, ist eine Alternative zur Bestrahlung und ist synergistisch in Kombination mit einer Bestrahlung wirksam. Johnson et al. Cochrane Database Syst Rev 2011 Meta-Analyse zur adjuvanten Chemotherapie im Advanced Stage (III/ IV) © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. State of the Art Berlin 2015 • Eine adjuvante Chemotherapie verbessert das Gesamtüberleben nach primärer OP um 25 % gegenüber einer adjuvanten Radiotherapie Galaal et al. Adjuvant chemotherapy for advanced endometrial cancer Cochr. Database Syst Rev 2014 Statements Systemische adjuvante Therapie des Endometriumkarzinoms © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. State of the Art Berlin 2015 Patienten im Stadium IB G3, II und III sowie alle serösen und klarzelligen EC sollten sequentiell zur Strahlentherapie (Brachy- und/ oder Teletherapie) eine Chemotherapie erhalten. Die meisten Daten liegen für eine Kombination eines Platinpräparates mit Paclitaxel vor. © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. 78% aller Rezidive innerhalb d. ersten drei Jahre d. Follow-Ups Ca. 29% mit asymptomatischem u. 71% mit symptomatischem Rezidiv Rezidivdiagnose vor klinischer Symptomentwicklung kann möglicherweise die Prognose verbessern 17.03.2010 © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. 3-J OS Vaginalrezidiv 74% Lokoregionäres/Beckenrezidiv Metastasen 17.03.2010 8% 14% © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. Klinisch (5-33%) CT (5-21%) CA125 selektiv (15%) US (4-13%) Zytologie Vaginalabschluss (4-13% (!)) PET/CT: Hohe Sensitivität und Spezifität in einer Metaanalyse von 11 Studien (davon 10 retrospektiv) 17.03.2010 © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. Ohne vorausgegangene adjuvante RT: Bestrahlunbg 87% complete response auf RT, 3-J Survival 65% Adjuvante RT erfolgt: Operation: Exenteration, 3-J Survival 43% 17.03.2010 © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. • Metaanalyse von 14 retrospektiven Kohorten-Studien mit 672 Pat. • Zytoreduktion ohne makroskopischen Rest mit Übelebensvorteil verbunden Maximale Zytoreduktion als OP-Ziel 17.03.2010 © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. • Lokal vor systemisch ! • Sonst Chemotherapie: Carboplatin und Paclitaxel 17.03.2010 © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. GOG 209 (Rekrutierungsende 2008) Carboplatin (AUC6)/Paclitaxel (175mg/m⇢) im Vergleich mit TAP (Cisplatin/ Doxorubicin/Paclitaxel, GOG177) nicht unterlegen in Wirksamkeit, geringere Nebenwirkungen gleiche ORR (51% Ansprechrate pro Arm) gleiches PFS (median 13 Monate pro Arm, HR für Rezidiv 1.05) gleiches OS (median 37 versus 40 Monate, Diff. nicht sign.) statistisch signifikante Reduktion Toxizitäten (Grad 2 und höher): PNP (19 versus 26%), Thrombopenie (12 versus 23%), Emesis (4 versus 7%), Diarrhoe (2 versus 6%), und metabolische Veränderungen (8 versus 14%) Carboplatin/Paclitaxel wohl Erstlinientherapie mit dem besten therapeutischen Index 17.03.2010 © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. 17.03.2010 © AGO e.V. in der DGGG e.V. sowie in der DKG e.V. Ansprechen bei Tumoren mit erhaltener ER u. PR Expression (häufig Verlust bei Rezidiven) zwischen 10-35% Meist kurzer Effekt Untersuchte Substanzen Gestagene (MPA) Tamoxifen Aromatasehemmer GnRH Analoga Fulvestrant 17.03.2010 Therapie des Endometriumkarzinoms 2016: • Blutungsstörungen müssen weiterhin histologisch abgeklärt werden, aber möglicherweise kann der Goldstandard HSK+Abrasio durch ein nicht-invasives Verfahren (Pipelle) ersetzt werden • Laparoskopische Operation als Standard • Strengere Indikationsstellung der LNE, Alternative des intraoperativen Schnellschnitts zur Vermeidung eines zweitzeitigen Vorgehens Therapie des Endometriumkarzinoms 2016: • Bei intermediate Risk Brachytherapie • Bei High Risk insbesondere N+ adjuvante Chemotherapie mit Carboplatin und Paclitaxel • Indikation und Sequenz der Perkutanbestrahlung unklar