8 | MM23, 6.6.2016 | MENSCHEN Ist eine Katzensteuer sinnvoll? www.migmag.ch/ umfrage Umfrage Letzte Woche fragten wir: Diese Woche Katzenhalter sollen Verantwortung tragen Hauskatzen jagen bedrohte Tierarten wie Kröten und Eidechsen. Darum fordert der Aargauer FDP-Grossrat Johannes Jenny eine Katzensteuer. Biologin Sandra Gloor gibt Empfehlungen für Katzenhalter und Gartenbesitzer. Text: Andrea Freiermuth Wie stark soll Tabak­ werbung eingeschränkt werden? 59% Sie soll endlich komplett verboten werden 19% Sie soll weiterhin in TV und Radio verboten sein, erlaubt bleiben Sponsoring und Plakate 22% Sie soll unein­ geschränkt zugelassen werden Zahlen und Franken 1295 100 Franken kostet die Kastration bei einem Kater, 200 Franken bei einem weiblichen Tier. 400 Franken Steuer pro Jahr fordert Johannes Jenny für nicht kastrierte Kat­ zen. Für kastrierte Tiere solle die Steuer weniger als 30 Franken betragen. Quelle: «Beobachter» Pfoten weg! Der Aargauer Grossrat Johannes Jenny findet es stossend, dass Katzen viele geschützte Tiere töten. V iele böse Mails und so­ gar Morddrohungen hat Johannes Jenny (56) schon erhalten: Der Aargauer Grossrat schlug ver­ gangenes Jahr vor, Jäger sollten verwilderte Hauskatzen gezielt abschiessen. Jenny wollte so die Katzenpopulation von 1,5 Millio­ nen Tieren verkleinern, um be­ drohte Wildtiere zu schützen. Jetzt erwägt der FDP­Politiker, der auch als Geschäftsführer von Pro Natu­ ra Aargau amtet, mit einer Katzen­ steuer eine moderatere Lösung: Wer seine Katze kastrieren lasse und so dazu beitrage, dass weniger Jungtiere zur Welt kommen, soll «nur» 30 Franken Steuer bezahlen; wer eine nicht kastrierte Katze hält, würde mit 400 Franken zur Kasse gebeten. Darüber berichtete kürzlich auch die «Rundschau»: Die 1,5 Millionen Schweizer Haus­ katzen sollen in einem Frühlings­ monat bis zu 350 000 Vögel und 50 000 Kröten und Eidechsen töten. Als Quelle dieser Daten wird die Forschungsgemeinschaft Swild genannt (siehe Interview). Manuela Gutermann (52) vom Verein Katzenfreunde bezweifelt, dass Katzen den Bestand anderer Tiere in solchem Ausmass gefähr­ den: «Es gibt noch andere Gründe wie natürliche Feinde, den Verlust von Lebensraum oder veränderte Lebensbedingungen.» Viel wichtiger sei es, die geschätz­ ten 300 000 herrenlosen Tiere zu kastrieren. «Ich bin kein Katzenfeind und will auch keinem Grosi das Büsi vermiesen», sagt Biologe Jenny. «Das Geld, das mit der Steuer zusammenkäme, würde zur Be­ treuung und Kastration von her­ renlosen Katzen eingesetzt.» MM Bilder: Suzanne Marshall/Contributor/Getty Images, zVg Franken kostet eine Hauskatze im Jahr. Darin nicht enthalten sind einmalige Ausgaben bei der Anschaffung. MENSCHEN | MM23, 6.6.2016 | 9 Strassenumfrage Sandra Gloor «Dass in unserem Land 1,5 Millionen Katzen leben, ist nicht natürlich» Sandra Gloor, gemäss Ihren Zahlen sind Katzen wahre Killer: Die 1,5 Millionen Schweizer Büsis sollen in einem Frühlingsmonat 350 000 Vögel und 50 000 Reptilien erbeuten. Wie kommen Sie zu diesen Daten? Wir haben 2011 in einem Dorf im Kanton Zug 32 Katzen während 48 Tagen beobachtet. Es handelt sich also um eine sehr kleine Stichprobe. Die «Rundschau» hat die Daten auf die ganze Schweiz hochgerechnet, ohne die beschränkte Aussagekraft zu thematisieren. Zudem haben die von uns beobachteten Katzen keine Reptilien erbeutet. Also alles nicht so schlimm. Was halten Sie von einer Katzensteuer? Katzen sind Raubtiere. Je nach Ge­ biet sind sie in einer enormen Dichte unterwegs. Dass sie einen Einfluss auf Wildtierbestände haben, ist sehr wahrscheinlich. Darum befürworte ich im Sinne des Vorsorgeprinzips Lenkungsmassnahmen, um die Population zu begrenzen. Eine Steuer könnte eine Möglichkeit sein. Warum wurden Sie 2011 nicht selber aktiv? Ein Ziel von uns ist, die bisher sehr emotionale Diskussion zum Thema zu versachlichen. Wir sind nun daran, eine grössere Studie vorzubereiten, um die Auswirkung der Katzen auf Beutetierpopulationen zu unter­ suchen und Massnahmen zu entwickeln, wie der mögliche Einfluss begrenzt werden kann. Katzen haben einen natürlichen Jagdtrieb. Warum kann man die Natur nicht einfach walten lassen? Dass in unserem Land 1,5 Millionen Katzen leben, ist nicht natürlich. Ohne uns Menschen gäbe es nicht so viele davon. Darum tragen wir Verantwortung für unsere Katzen und deren Aktivitäten. Vor allem der Bestand von seltenen Reptilien- und Amphibienarten soll durch Katzen bedroht sein. Was macht sie so verletzlich? Kröten und Eidechsen sind wechsel­ warme Tiere. Das heisst, sie halten ihre Körpertemperatur nicht kons­ tant. In den Morgenstunden sind sie daher weniger beweglich – und damit eine leichte Beute. Dazu kommt: Die natürlichen Lebensräume dieser Arten sind auch durch den Menschen bedroht. Dafür können die Katzen natürlich nichts. Aber sie sind dann vielleicht das Zünglein an der Waage, das gebietsweise zum Aussterben ei­ ner Art führen kann. Sollte man seinem Stubentiger ein Glöckchen umhängen? Studien zeigen, dass Katzen damit tatsächlich weniger Vögel erbeuten. Reptilien und Amphibien hingegen hören schlecht. Sie reagieren eher auf Erschütterungen. Daher bringen Glöcklein diesen Tieren nichts. Eine Katzenhalskrause, wie sie seit Kurzem propagiert wird, könnte ebenfalls positiv wirken. Das möch­ ten wir nun in einem Projekt mit der Vogelwarte abklären. Stört Katzen ein Glockenhalsband nicht? Selbst der renommierte Katzen­ forscher Dennis Turner meint, solche Halsbänder seien durchaus vertretbar. Braucht es eine Büsisteuer? Biologin Sandra Gloor (51) ist Mitglied der Geschäftsleitung von Swild, einer unabhängigen Forschungs­ gemeinschaft für Wildtier­ forschung und Stadtökologie. Justine Schuler (18), Pharma­ assistentin, Fehraltorf ZH: «Wieso sollte der Katzenhalter bestraft werden, wenn das Tier bloss seinen natürlichen Platz in der Nahrungs­ kette einnimmt?» Laszlo Bujdosos (33), Koch, Adliswil ZH: «Ich finde es gut, wenn die Leute Verantwortung für ihre Tiere übernehmen müssen, auch für Katzen. Darum würde ich eine solche Steuer eine gute Sache finden.» Was kann ich als Gartenbesitzer tun, um Wildtiere vor der Nachbarskatze zu schützen? Hierfür sollte man den Garten in ers­ ter Linie wildtierfreundlich gestalten, das heisst möglichst vielfältig und natürlich. Zu empfehlen sind etwa Hecken aus einheimischen Pflanzen­ arten, auch solche mit Dornen und Stacheln, in denen Eidechsen und Vögel Zuflucht vor Katzen finden. Was halten Sie von Vergrämungsanlagen mit Ultraschall? Das empfehlen wir nicht. Damit ver­ scheucht man nicht nur Katzen, son­ dern auch Wildtiere – etwa Fleder­ mäuse. Was jedoch durchaus sinnvoll sein kann, sind Wassersprenger, die auf Bewegung reagieren. MM Paulina Bisquolm, Hausfrau, Uster ZH: «Eine solche Steuer ist völlig un­ nötig: Katzen, die genügend Futter er­ halten, mausen nicht. Zudem gibt es nichts Saubreres als ein Büsi. Es deckt sein Häufchen immer schön zu.»