Die Musik ist eine Kunst des inneren Sinnes und der

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Sonderdruck aus:
Musik-Konzepte
Neue Folge
Sonderband
Musikphilosophie
Herausgegeben von
Ulrich Tadday
2007
edition text + kritik
MUSIK-KONZEPTE Neue Folge
Die Reihe über Komponisten
Herausgegeben von Ulrich Tadday
Sonderband
Musikphilosophie
November 2007
ISSN 0931-3311
ISBN 978-3-88377-889-1
Wissenschaftlicher Beirat
Ludger Engels (Berlin, Regisseur)
Detlev Glanert (Berlin, Komponist)
Birgit Lodes (Universität Wien)
Laurenz Lütteken (Universität Zürich)
Georg Mohr (Universität Bremen)
Wolfgang Rathert (Universität München)
Die Reihe MUSIK-KONZEPTE erscheint mit vier Nummern im Jahr.
Die Hefte können einzeln oder im vergünstigten Abonnement bezogen werden.
Die Kündigung des Abonnements ist bis zum Oktober eines jeden Jahres
für den folgenden Jahrgang möglich.
Die Hefte 1 bis 122 und die Sonderbände dieses Zeitraums wurden
von Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn herausgegeben.
Zu beziehen durch jede Buch- und Musikalienhandlung
oder über den Verlag.
Preis für dieses Heft € 29,-Umschlagentwurf: Thomas Scheer
Umschlagabbildung: aus »Music of the Spheres« von Guy Murchie,
New York 1967
Satz: Fotosatz Schwarzenböck, Hohenlinden
Druck und Buchbinder: Memminger MedienCentrum, Memmingen
© edition text + kritik in Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG
Postfach 80 05 29, D-81605 München
Informationen über alle Bücher des Verlags im Internet unter
www.etk-muenchen.de
Musik-Konzepte
Sonderband
Neue Folge
Musikphilosophie
Vorwort
3
Andrew Bowie
Was heißt »Philosophie der Musik«?
5
Richard Klein
Die Geburt der Musikphilosophie aus dem Geiste der Kulturkritik
Zu Friedrich Nietzsches Wagner
19
Andreas Luckner
Musik – Sprache – Rhythmus
Bemerkungen zu Grundfragen der Musikphilosophie
34
Gunnar Hindrichs
Der musikalische Raum
50
Christoph Asmuth
Was bedeutet Musik?
Eine kritische Untersuchung musikalischer Referenz
70
René Thun
Das Realismusproblem in der gegenwärtigen Musikphilosophie
87
Niko Strobach
Richtige und falsche Töne
103
Piero Giordanetti
Musik bei Kant
123
Georg Mohr
»Die Musik ist eine Kunst des ›innern Sinnes‹
und der ›Einbildungskraft‹«
Affekt, Form und Reflexion bei Christian Friedrich Michaelis
137
Günter Zöller
»Musikalische Macht«
Musikphilosophie als politische Philosophie
152
Stefan Heßbrüggen-Walter
Das Kulturschöne
Eine Skizze zu nachromantischer Musik und ihrer Ästhetik
167
Rainer Cadenbach
»Was ist Musik?« oder: Die Mühen des Begriffs
Disparate Antworten auf eine eigentlich philosophische Frage
183
Abstracts
204
Bibliografische Hinweise
208
Autoren
211
Georg Mohr
»Die Musik ist eine Kunst des ›innern Sinnes‹
und der ›Einbildungskraft‹«1
Affekt, Form und Reflexion bei Christian Friedrich Michaelis
I
Musikphilosophie
Die Musikphilosophie ist eine der ganz alten Disziplinen der Philosophie.
Dabei handelt es sich nicht um eine abstrakte Konvention akademischer Arbeitsteilung. Die Reflexion über Musik, ihr Wesen, ihren Ort in der Welt und
ihre Bedeutung im Wahrnehmen und Schaffen der Menschen ist ein ursprüngliches Moment kultureller Selbstverständigung. Dies dürfen wir annehmen, da
in allen Kulturen Zeugnisse des Nachdenkens über Musik bis in die frühesten
Quellen der Überlieferung zurückreichen. Wie tief, wie essenziell Musik
menschliche Kultur nicht nur mitprägt, sondern ihr unmittelbarer Ausdruck
ist, zeigt sich auch daran, wie sich das Nachdenken über Musik regional und
historisch in signifikanter Weise paradigmatisch wandelt. In der griechischen
Antike sind es vor allem die Kosmologie, die Staatsphilosophie, die Pädagogik
und die Medizin, in deren Kontexten Musik eine zentrale Rolle spielt. Im
europäischen Mittelalter ist es der theologische Kontext von Andacht und
Liturgie, in der Neuzeit der soziale Kontext der Indienstnahme durch Könige
und Fürsten für Zwecke der Gestaltung der höfischen Agenda. Obwohl auch
während der Jahrhunderte der (von der antiken Kosmologie abgesehen) weit
gehenden Funktionalisierung der Musik stets musikphilosophische Abhandlungen verfasst wurden, darunter auch solche von bleibender höchster Bedeutsamkeit, so ist doch in Europa, insbesondere zunächst in Frankreich, dann in
Deutschland, eine Blüte der Musikphilosophie vor allem seit dem Ende des
18. Jahrhunderts und durch das gesamte 19. Jahrhundert hindurch zu verzeichnen.2 Historisch koinzidiert diese Blüte mit der Entstehung der professionellautonomen Musikerpersönlichkeit. Diese wurde möglich und notwendig durch
die gesellschaftsgeschichtlich bedingte Defunktionalisierung der Musik, ihren
Wandel von kirchlicher und höfischer Dienstleistung zum ästhetischen Selbstzweck. Daraus entstand zum einen eine nachdrückliche Veranlassung intel1 Christian Friedrich Michaelis, »Einige Ideen über die ästhetische Natur der Tonkunst« (1801),
in: ders., Ueber den Geist der Tonkunst und andere Schriften (= Musikästhetische Schriften nach Kant,
Bd. 2), ausgewählt, herausgegeben und kommentiert von Lothar Schmidt, Chemnitz 1997, S. 175.
2 Ich sehe hier ab von den großen arabischen musikphilosophischen Werken wie etwa dem von
al-Farabi (870– 950). Siehe dazu Sarhan Dhouib, »Die Grundlegung der Musikphilosophie bei
al-Farabi«, in: Georg Mohr/Johann Kreuzer (Hrsg.), Vom Sinn des Hörens, Würzburg (in Vorbereitung).
138
Georg Mohr
lektueller Selbstverständigung seitens der Musikschaffenden über Sinn, Bedeutung und Ziel ihres Tuns, zum anderen aber öffnete sich auch philosophischer
Freiraum für die Frage nach der Musik als Musik, der Musik als autonomer
Kunst.
II Immanuel Kant
Eine philosophisch-systematische Begründung der These von der Autonomie
der Kunst war das Anliegen Immanuel Kants in seiner Kritik der Urteilskraft
von 1790. Schönheit ist zwar »Symbol der Sittlichkeit«, aber sie ist etwas kategorial Anderes als Wahrheit und Moralität. Und das Geschmacksurteil folgt
einer anderen Geltungslogik als das Erkenntnisurteil und das moralische Urteil,
es ist auf diese irreduzibel, so wie das Schöne irreduzibel auf das Wahre und
das Gute ist. In einem solchen philosophisch-systematischen Kontext sollten
die Voraussetzungen für eine Ästhetik der Musik als schöner Kunst und somit
als autonomer Kunst sui generis gut stehen. Wer mit dieser Erwartung unbefangen, aber musikästhetisch anspruchsvoll in Kants Kritik der Urteilskraft nach
Ausführungen zur philosophisch-ästhetischen Deutung und Bewertung von
Musik sucht, wird – zumindest auf den ersten Blick – enttäuscht sein. Kants
Ausführungen sind überwiegend knapp gehalten und scheinen sich weit gehend in kaum reflektierten Bahnen einer Affektenlehre zu bewegen, die mit den
zeitgenössischen Entwicklungen der Musikgeschichte der letzten Jahrzehnte
des 18. Jahrhunderts nicht mehr mithalten konnte. Seine grundlegende ästhetische Charakterisierung der Musik als Kunst und ihre Einordnung in das System der Kunstgattungen scheinen sich wegen ihrer – zumindest auf den ersten
Blick – notorischen Unentschiedenheit für die Konsolidierung der im Aufwind
begriffenen Disziplin der Musikphilosophie nicht gerade anzubieten.
Und wer nach der ersten, eher enttäuschenden Lektüre der musikphilosophischen Teile von Kants Kritik der Urteilskraft von Musikhistorikern3 erfährt,
dass Kant neben Schelling den größten Einfluss auf das musikalische Denken
bis in das 19. Jahrhundert hatte, ist vielleicht verwundert. Inzwischen jedoch
haben neuere, differenziertere Arbeiten gezeigt, dass Kants Musikphilosophie,
trotz gelegentlicher Unebenheiten in den Formulierungen, weit ertragreicher
ist, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.4 Bemerkenswert ist, dass eini3 Arno Forchert, Studien zum Musikverständnis im frühen 19. Jahrhundert (Habil. mschr.), Berlin
(FU) 1966; für den Hinweis danke ich Ulrich Tadday.
4 Zu Kant vgl. vor allem die kommentierte und eingeleitete Textquellensammlung von Stephan
Nachtsheim (Hrsg.), Zu Immanuel Kants Musikästhetik (= Musikästhetische Schriften nach Kant,
Bd. 1), Chemnitz 1997; einführend Christel Fricke, »Kant«, in: Stefan Lorenz Sorgner/Oliver
Fürberth (Hrsg.), Musik in der deutschen Philosophie. Eine Einführung, Stuttgart – Weimar 2003,
S. 21 –38, und Jens Kulenkampff, »Kant, Immanuel«, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart,
Personenteil Bd. 9, Kassel 2003, Sp. 1456–1463. Zur Interpretation und Diskussion von Kants
Musikphilosophie vgl. Stephan Nachtsheim, »Schön oder bloß angenehm? Zu einem andauernden Mißverständnis der Musikauffassung Kants«, in: Hariolf Oberer (Hrsg.), Kant. Analysen –
Affekt, Form und Reflexion bei Michaelis
139
ge Zeitgenossen dies gleich erkannt haben und Kants Theorie für produktive
Weiterentwicklungen zu nutzen wussten.5 Der wichtigste hier zu nennende
Autor ist Christian Friedrich Michaelis.6 Es gibt kaum Literatur zu seiner
Musikphilosophie. Vor allem in zwei Arbeiten jedoch, von Wilhelm Seidel und
Lothar Schmidt, wird seine Bedeutung überzeugend dargelegt.7
III Christian Friedrich Michaelis
Die beiden Bände von Michaelis’ Schrift Ueber den Geist der Tonkunst sind
1795 und 1800 erschienen. Sie sind, wie der Untertitel sagt, »mit Rücksicht
auf Kants Kritik der ästhetischen Urtheilskraft« konzipiert. Sie lesen sich streckenweise wie Zusammenfassungen des Kantischen Textes, flechten aber immer wieder wichtige Ergänzungen ein. Michaelis’ Musikerfahrung, seine musikpraktische Kompetenz, wenn auch vor allem als Rezipient, Konzertbesucher
und Leser von Partituren, trägt bemerkenswerte Früchte bei der Konkretisierung und Weiterentwicklung von Kants Musikästhetik. Diese wird von vielen
Leserinnen und Lesern der Kritik der Urteilskraft bis heute als Zeugnis einer
dem philosophischen Aufschluss nicht förderlichen persönlichen Distanz des
Autors Kant zum Gegenstand »Musik« empfunden. Insbesondere dessen Unkenntnis der Musik seiner Zeit, zumindest das völlige musikästhetische Schweigen über diese, wirkt bis heute auf diejenigen verstörend, die es mit der Musik
so ernst meinen wie mit der Musikphilosophie und diese um jener willen genauso wie umgekehrt betreiben.
Michaelis vermag es, den Ertrag der Musikphilosophie Kants durch eine Verbindung von Textnähe zur Kritik der Urteilskraft und sachlicher Ergänzung
sowohl philologisch als auch systematisch dingfester zu machen, als dies Kant
selbst gelungen war. Dadurch wird Kants erheblicher Einfluss auf die MusikProbleme – Kritik, Bd. 2, Würzburg 1996, S. 321– 352, sowie das alle wichtigen Stellen in Kants
veröffentlichtem und unveröffentlichtem Werk gemäß neuestem Stand der Edition berücksichtigende Buch von Piero Giordanetti, Kant und die Musik, Würzburg 2005; siehe auch dessen Beitrag in diesem Band (S. 123– 136).
5 Schiller, Herder, Körner und Michaelis sind Belege für Kants Einfluss auf die Musikästhetik um
1800: Johann Gottfried Herder, Kalligone, 3 Bde., Leipzig 1800; zur Musik: Bd. 2, S. 147–186;
Christian Gottfried Körner, »Über Charakterdarstellung in der Musik« (1795 [in Schillers Horen]),
in: Wolfgang Seifert, Christian Gottfried Körner – Ein Musikästhetiker der deutschen Klassik, Regensburg 1960, S. 147– 158; vgl. auch: Christian Gottfried Körner, Ästhetische Ansichten. Ausgewählte Aufsätze, hrsg. von Joseph P. Bauke, Schiller-Nationalmuseum, Marbach 1964.
6 Eine Zusammenstellung seiner wichtigsten Texte zur Musikphilosophie mit Schriftenverzeichnis,
Bibliografie, Anmerkungen und Nachwort findet sich in: Christian Friedrich Michaelis, Ueber
den Geist der Tonkunst und andere Schriften (s. Anm. 1). Siehe auch die kurze Einführung von
Georg Mohr, Art. »Michaelis, Christian Friedrich«, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart,
Personenteil Bd. 12, Kassel 2004, Sp. 164 f.
7 Wilhelm Seidel, »Zwischen Immanuel Kant und der musikalischen Klassik. Die Ästhetik des musikalischen Kunstwerks um 1800«, in: Das musikalische Kunstwerk. Geschichte – Ästhetik – Theorie.
Festschrift für Carl Dahlhaus, hrsg. von Hermann Danuser u.a., Laaber 1988, S. 67–84; Lothar
Schmidt, Organische Form in der Musik. Stationen eines Begriffs 1795–1850, Kassel – Basel 1990
(Diss. Marburg 1987), zu Michaelis siehe Kap. II, S. 15–83 und Anm. S. 331–344.
140
Georg Mohr
philosophie um 1800 nachvollziehbar. Darüber hinaus kann Michaelis weiterreichende Aussichten auf die sich aus Kants allgemein-ästhetischen Prämissen ergebenden musikphilosophischen Perspektiven eröffnen. Michaelis bewegt sich weit gehend in den Bahnen von Kants Kritik der Urteilskraft, ist jedoch
um eine Präzisierung und Weiterentwicklung bemüht und geht schließlich
auch konstruktiv über Kant hinaus. Er trägt seine Musikkenntnisse in die Lektüre von Kants Text hinein und vermag so, den bei Kant doch nicht zu leugnenden Eindruck einer mit dem Gegenstand »Musik« nicht vertrauten und so
im schlechten Sinne abstrakten philosophischen Musikbetrachtung zu korrigieren.8 Michaelis bemüht sich um etwas, was bis heute immer wieder als Desiderat im Hinblick auf Kants Musikästhetik bemerkt wird: eine weiter gehende Anwendung der allgemeinen Grundsätze der Kantischen Ästhetik auf
die Musik. Michaelis möchte zeigen, dass auf den Prinzipien der Ästhetik Kants
eine ausgeführte Musikästhetik aufgebaut werden kann, die expliziter, stimmiger und überzeugender ist, als es bei Kant selbst den Anschein hat. Er zeigt
dies, indem er Kants explizite Musikästhetik durch eine weiter gehende Anwendung der Grundsätze von Kants allgemeiner Ästhetik auf die Musik und
durch Michaelis’ eigene Gedanken zur Musik ergänzt. Dabei kann Michaelis
nicht nur wichtige Klarstellungen im Kontext der Kantischen Musikästhetik
vornehmen, sondern nimmt auch Intuitionen der im weiteren 19. Jahrhundert
entwickelten, romantischen Musikästhetik vorweg oder bahnt diese zumindest an. Er erweist sich als eine Brückenfigur zwischen der Affektenlehre des
18. Jahrhunderts und der Werkästhetik und Musikmetaphysik des 19. Jahrhunderts.
IV Musikphilosophische Agenda um 1800
Michaelis arbeitet das gesamte Spektrum der für die Musikästhetik relevanten
Termini, Thesen und Argumente Kants und daran anknüpfender und ergänzender Topoi durch, angefangen von der Abgrenzung der Musik als Kunstgattung von den anderen Künsten, insbesondere von der Poesie und der Bildenden Kunst, über die Bestimmung der »ästhetischen Natur« der Musik, die
Charakterisierung der Musik als »schöne« und »angenehme« Kunst, das »Erhabene« in der Musik, die Unterscheidung zwischen »sentimentaler« und »naiver« Musik, das »Interessante« und »Rührende« in der Musik, das »Humoristische« in der musikalischen Komposition, das »Idealische der Tonkunst«,
»musikalische Malerei«, den »Geist der Tonkunst«, das Hören und Beurteilen
musikalischer Werke, die moralische Bedeutung der Musik, ihre anthropolo-
8 Wobei natürlich durchaus strittig ist, ob und inwieweit eine Musikphilosophie sich von vorliegenden Werken der empirischen Musikgeschichte eine Bestätigung holen muss. Als unstrittig
dürfte aber gelten, dass eine philosophische Theorie, die an sämtlichen empirischen Objekten, die
grundsätzlich in ihren Bereich fallen, explikativ scheitert, als inadäquat wird gelten müssen.
Affekt, Form und Reflexion bei Michaelis
141
gische Bedeutung, bis hin zur Rolle von Affekten, Gefühlen und Reflexion im
ästhetischen Produktions- und Rezeptionsprozess sowie den Werk- und Kompositionsbegriff.9 Ich werde im Folgenden einige von Michaelis’ musikphilosophischen Grundbestimmungen aufgreifen und dabei diejenigen in den Vordergrund stellen, die sowohl in der Historiografie der Musikphilosophie als
auch in der systematischen Diskussion Beachtung verdienen. Der Begriff der
»organischen Form«, wie Michaelis ihn in die Musikphilosophie eingeführt
hat, ist von Lothar Schmidt herausgearbeitet und in seiner historischen Bedeutung gewürdigt worden.10 Mir scheint indessen ein anderes Ergebnis von
Michaelis’ Theorie noch nicht deutlich benannt worden zu sein. Es betrifft den
Zusammenhang zwischen Selbstwahrnehmung, Zeitlichkeit und Reflexion
sowie deren Bedeutung für das Verstehen eines Klangereignisses als Musik (als
musikalisches Kunstwerk). Auch hier kann Michaelis grundsätzlich an Kant
anknüpfen, führt aber mit seinen Überlegungen wesentlich über die Andeutungen hinaus, die sich in den musikphilosophischen Passagen der Kritik der
Urteilskraft finden. Mit dem hier noch herauszuarbeitenden, wie ich meine,
systematisch produktiven Potenzial von Michaelis’ Theorie verbindet sich eine
Ambivalenz in seiner Haltung zur Affektenlehre, die mir wiederum sachlich
bemerkenswert erscheint.
V Musik: Wirkung und Wesen
Die Begriffsbestimmungen, die Michaelis von der »Tonkunst« bzw. »Musik«
gibt, zentrieren sich im Wesentlichen um vier Thesen bzw. Konzepte, die in
ihrer wechselseitigen Ergänzung das Fundament seiner Musikphilosophie bilden. Sie lassen sich durch die folgenden Stichworte kennzeichnen:
a:
b:
c:
d:
Darstellung und Erregung von Affekten, Leidenschaften, Empfindungen,
die musikalische Komposition als organische Form, Einheit des Werks,
innerer Sinn, Selbstwahrnehmung, Reflexivität,
Aktivität ästhetischer Subjektivität, ästhetische Idee.
Die Theorie und Terminologie Kants aufgreifend führt Michaelis zu Beginn
des ersten Bandes von Ueber den Geist der Tonkunst (1795) zunächst die Grundbegriffe und Grundbestimmungen ein. Musik als schöne Kunst – im Unterschied zur mechanischen oder bloß angenehmen Kunst – ist »Kunst des schönen Spiels mit äußeren Empfindungen«, die durch »Töne (Modulation)« als
deren Ausdruck hervorgerufen werden. Das Schöne in der Musik beruht auf
9 Die von Lothar Schmidt besorgte Ausgabe von insgesamt 26 musikästhetischen Schriften bietet einen repräsentativen Einblick in die von Michaelis behandelten Thematiken: Ueber den
Geist der Tonkunst und andere Schriften (= Musikästhetische Schriften nach Kant, Bd. 2), ausgewählt, herausgegeben und kommentiert von Lothar Schmidt, Chemnitz 1997.
10 Vgl. Schmidt, Organische Form in der Musik (s. Anm. 7).
142
Georg Mohr
der »Komposition« als der »Zusammensezzung der Töne«. Sie ist als solche
eine »Mittheilungsart der ästhetischen Ideen«. In der »Reflexion über die Form«
des »Ganzen in seiner schönen Zusammensetzung« wird eine »unnennbare
Gedankenfülle« veranlasst.11 Michaelis geht wie auch Kant von der im 17. und
18. Jahrhundert etablierten Affektenlehre aus, wonach sich in Tönen »menschliche Affekte zu äußern pflegen«. Michaelis schreibt »pflegen«, da er sich dem
zeitgenössischen Verständnis anschließt, demzufolge Affekte nicht individuelle Empfindungen oder Gefühle sind, sondern »typische und also eindeutige
Gattungseigenschaften menschlicher Emotionalität«12. Ihr Auftreten beim Anhören von Musik verdanken sie nach dieser Auffassung anthropologisch konstanten Korrelationen zwischen Ton (im weiten Sinne, einschließlich der durch
eine Stimme exprimierten Emotion: »Tonfall«) und emotionaler Reaktion oder
»Gemütsbewegung«. Aufgrund der »mechanisch-kausal gedachten Reaktionsfolge«13 kann ein Musiker, so etwa Carl Philipp Emanuel Bach in seinem Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen (1753), wenn er die musikalischen Ausdrucksmittel mit »Klugheit (…) zu gebrauchen« weiß, »sich der
Gemüther seiner Zuhörer (…) bemeistern«14.
Wie eng miteinander korreliert Michaelis Ton und Empfindung denkt, zeigt
sich schon daran, dass er die obige Bestimmung der Komposition als »Zusammensetzung der Töne« eine Seite weiter mit ihrer Bestimmung als »Zusammensetzung der Empfindungen« offenbar ohne Weiteres enharmonisch verwechselt: »In der Form der Zusammensetzung der Empfindungen besteht die
›musikalische Komposition‹, welche ›Harmonie und Melodie‹ in sich faßt, und
worin der Charakter ›musikalischer Schönheit‹ allein gegründet ist.«15
Der Kompositionsbegriff wird von Michaelis in der Folge weiter ausgeführt
und mit dem in der Ästhetik Kants zentralen Begriff der ästhetischen Idee in
Verbindung gebracht: »Die ›Komposition‹ ist nun gleichsam die ›Form‹ einer
Sprache, durch welche die ästhetische Idee des Ganzen einer unnennbaren
Gedankenfülle nach einem gewissen ›Thema‹, welches den in dem Stück herrschenden Affekt ausmacht, ausgedrückt wird.«16 »›Melodie‹ ist die Verbindung
auf einander folgender Töne zu einem ästhetischen Ganzen. ›Harmonie‹ ist die
Zusammenstimmung verschiedener gleichzeitig verbundener Töne (…). Die
Musik drückt aber die ästhetische Idee jenes Ganzen einer unnennbaren Ge-
11 Michaelis, Ueber den Geist der Tonkunst, 1795, S. 12– 15 (Ausgabe Schmidt, S. 8 f.).
12 Vgl. Hartmut Grimm, »Affekt«, in: Karlheinz Barck (Hrsg.), Ästhetische Grundbegriffe, Bd. 1,
Stuttgart 2000, S. 38.
13 Ebenda.
14 Carl Philipp Emanuel Bach, Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen, Faks.-Reprint der
Ausg. von Teil 1, Berlin 1753 (mit den Erg. der Ausg. Leipzig 1787) und Teil 2, Berlin 1762
(mit den Erg. der Ausg. Leipzig 1797), hrsg. und mit einem ausführlichen Register versehen von
Wolfgang Horn, Kassel 1994, Teil 1, § 14, S. 123, und § 13, S. 122.
15 Michaelis, Ueber den Geist der Tonkunst, 1795, S. 18 (Ausgabe Schmidt, S. 10).
16 Vgl. Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft (= Kants Werke, Bd. 5), Berlin 1968, § 53, S. 329.
Michaelis übernimmt immer wieder, so auch hier, ganze Textpassagen fast wörtlich aus dem
Kantischen Text.
Affekt, Form und Reflexion bei Michaelis
143
dankenfülle vermittelst einer ›proportionirten Stimmung‹ der Empfindungen
aus.«17 Diese Proportion, die Michaelis als »Proportion der Eindrücke in ihrer
Verbindung und ihrem Wechsel« beschreibt, wird durch »Regeln der Harmonie« erreicht, die ihrerseits »nach mathematischen Verhältnissen« bestimmt
sind. Dadurch wird die »mathematische Form« konstitutives Merkmal der
musikalischen Komposition. Während Kant die mathematische Form als etwas
anführt, was die musikalische Komposition zur schönen Kunst qualifiziert,
wird sie bei Michaelis hier zu etwas, was einen »angenehmen Selbstgenuß
möglich« macht, dadurch nämlich, dass sie die »durch Töne bewirkten Eindrücke« in »faßliche und zusammenstimmende Verhältnißmäßigkeit« bringt
und dadurch eine »bestimmte Bewegung und Belebung des Gemüts« ermöglicht.18
Die Tonkunst bestimmt Michaelis zum einen mit Bezug auf ihre Wirkungen, zum anderen hinsichtlich ihres Wesens. In der ersten Hinsicht sei die Tonkunst »die Kunst, durch mannichfaltige Verbindung der Töne das Gefühl zu
rühren, die Fantasie zu beleben und zu beschäftigen, und das Gemüt zu Ideen
des Schönen und Erhabenen zu stimmen«. Ihre Wirkung sei es, »durch verbundene Töne unmittelbar ästhetische Gefühle und mittelbar ästhetische Ideen
zu erregen«. In der zweiten Hinsicht, der ihres Wesens, bestehe die Tonkunst
»in modificirter Darstellung der hörbaren Natur, dem Gesetz der vereinigten
Mannichfaltigkeit gemäß in Form und Stoff bestimmt«19. Sie ist die »Kunst
des Ausdrucks von Empfindungen durch Modulation der Töne«20. Es geht um
»innere Empfindungen«, die »warm und stark genug sind, in gewisse Laute
und Töne überzugehen«. Solche inneren Empfindungen »heißen Affekte«21.
Die »Laute und Töne«, in die sie »übergehen«, sind im Sinne der Affektenlehre
deren »natürliche Zeichen«. Es sind keine willkürlichen, durch Konvention
gesetzten Zeichen (wie in der Poesie), sie haben »nicht erst durch Uebereinkunft und zufällige Umstände eine Bedeutung erhalten (…), welche an gewisse Orte und Zeiten gebunden ist«, sondern es sind Zeichen, die »unmittelbar
gewisse Empfindungen ausdrücken und wieder zu erregen im Stande sind«22.
Die Töne werden verstanden als natürliche hörbare Zeichen von (inneren)
Empfindungen. Daher ist die Musik eine »unmittelbare Sprache der Affekten«23. Sie »spricht zum menschlichen Herzen durch die natürlichen Zeichen
der Empfindungen« und ist daher »allgemein mitteilbar«24.
17 Michaelis, Ueber den Geist der Tonkunst, 1795, S. 20 (Ausgabe Schmidt, S. 11).
18 Ebenda, S. 22–23 (Ausgabe Schmidt, S. 12).
19 Ebenda, S. 54–55 (Ausgabe Schmidt, S. 28– 29).
20 Ders., Ueber den Geist der Tonkunst, II, 1800, S. 29 (Ausgabe Schmidt, S. 86).
21 Ders., »Einige Ideen über die ästhetische Natur der Tonkunst« (s. Anm. 1), S. 254 (Ausgabe
Schmidt, S. 175).
22 Ebenda, S. 257 (Ausgabe Schmidt, S. 177).
23 Ebenda. Vgl. auch ders., Ueber den Geist der Tonkunst, 1795, S. 17 (Ausgabe Schmidt, S. 10).
24 Ders., Ueber den Geist der Tonkunst, II, 1800, S. 29 (Ausgabe Schmidt, S. 86).
144
Georg Mohr
VI Innerer Sinn, Selbstbezüglichkeit, Zeit
Die Charakterisierung der in der Musik ausgedrückten Empfindungen als
»innere« Empfindungen wird von Michaelis mithilfe einer an Kant anknüpfenden Theorie des inneren Sinns weiter ausgeführt und in der These von der
»Unsichtbarkeit« und Nicht-Räumlichkeit der Musik zugespitzt. Es mangelt
der Musik an Anschauungen »vor sich«, d.h. an »sichtbaren Gegenständen«,
und an Begriffen, d. h. an definierten Bedeutungen und Referenzen. In der
Musik haben wir es mit nur hörbaren Gegenständen zu tun. Bei hörbaren
Gegenständen hat der Geist Empfindungen »in sich«25. Im »Nachtrag zu den
Ideen über die ästhetische Natur der Musik« (1801) schreibt Michaelis, das
»eigentliche ›Objekt‹ der Musik« seien die »›Empfindungen des inneren Sinnes, innere Gemüthserscheinungen‹, wiefern sie ›gefühlt‹ werden, ›Affekte‹. In
sofern wäre die Musik ›Darstellung und Ausdruck von Affekten‹, z. B. der
Freude, der Traurigkeit«. Dargestellt werden können durch die Musik aber
nicht die »Ursachen der innern Empfindungen«, die »äußeren Quellen«, sondern nur die »›Form‹ der Gefühle«. Die Musik schildert »nur die Art und Weise, ›wie‹ sich das Gemüth bestimmt fühlt«26. Das »Darstellungsmittel oder
Materiale der Tonkunst (gehört) gar nicht dem äußern, sondern nur dem innern Sinn an (, ist) nicht im Raume und in der sichtbaren Welt, sondern nur
in der Zeit unsichtbar enthalten«27. In der wichtigen späteren Abhandlung
Ein Versuch, das innere Wesen der Tonkunst zu entwickeln (1806) schreibt Michaelis: Es »erscheinen uns die Töne als blosse Bestimmungen unsres innern Zustandes. Die Musik wirkt also durch den äussern Sinn auf den innern,
oder durch das Gehör auf Einbildungskraft und innere Empfänglichkeit. (…)
Die äusseren Empfindungen, welche die Musik bewirkt, werden sogleich zu
inneren«28.
Nach dem von Michaelis vertretenen Modell wird das Gehör durch von
außen kommende akustische Signale gereizt. Der äußere Sinn hat dadurch
einen entsprechenden »Eindruck«, eine »äußere Empfindung«. Eine Folge von
äußeren Empfindungen wird einem Subjekt nur dadurch bewusst, dass es diese als zeitliche wahrnimmt. Zeitliche Wahrnehmung wiederum ist, nach der
von Kant entwickelten Theorie29, nur möglich als ein inneres Selbstverhältnis
des Wahrnehmenden zum Wahrnehmen. »Innere Anschauung«, von der Michaelis mit Kant auch spricht, meint nicht Introspektion eines Subjekts, das
25 Vgl. ders., Ueber den Geist der Tonkunst, 1795, S. 28 f. (Ausgabe Schmidt, S. 15).
26 Ders., »Nachtrag zu den Ideen über die ästhetische Natur der Musik«, 1801, S. 345 (Ausgabe
Schmidt, S. 180).
27 Vgl. auch ebenda, S. 16 (Ausgabe Schmidt, S. 80), S. 257 (Ausgabe Schmidt, S. 176), S. 769
(Ausgabe Schmidt, S. 190), S. 675 (Ausgabe Schmidt, S. 250).
28 Ders., »Ein Versuch, das innere Wesen der Tonkunst zu entwickeln«, 1806, S. 675 (Ausgabe
Schmidt, S. 250).
29 Vgl. dazu Georg Mohr, Das sinnliche Ich. Innerer Sinn und Bewußtsein bei Kant, Würzburg 1991,
und ders., »Thesen über Zeitbewußtsein und innere Erfahrung«, in: Forum für Philosophie Bad
Homburg (Hrsg.), Zeiterfahrung und Personalität, Frankfurt/M. 1992, S. 181–206.
Affekt, Form und Reflexion bei Michaelis
145
in sich das Ich beobachtet (was unmöglich ist), sondern Bewusstsein von Wahrnehmungsfolgen in der Zeit. Ein solches Bewusstsein schließt Selbstbewusstsein ein, denn nur, wenn ich die aufeinanderfolgenden Wahrnehmungen mir
als meine zuschreibe und so einen Zusammenhang zwischen vergangenen
(nicht mehr präsenten) und gegenwärtigen (mir präsenten) Wahrnehmungen
herstelle, habe ich ein Bewusstsein von Wahrnehmungsfolgen. Das für dieses
innere Wahrnehmen erforderliche sinnliche Vermögen nennt Michaelis (mit
Kant und in der Tradition John Lockes) »innerer Sinn«. Dieser ist grundlegend
für die Möglichkeit, Tonfolgen wahrzunehmen und als Elemente von Musik
zu verstehen.
Dies ist die elementare Hinsicht, unter der hier von einem »inneren Sinn«
die Rede ist. Michaelis lässt sie weit gehend unkommentiert. Er richtet die Aufmerksamkeit auf einen anderen Gesichtspunkt. Töne werden als »Bestimmungen des innern Zustandes« empfunden, als »innere« Empfindungen, weil sie als
»natürliche Zeichen« für Affekte »unmittelbar«, wie Michaelis sagt, solche inneren Empfindungen auslösen. »Das unmittelbare Zeichen der innern Empfindung ist der ›Ton‹. Der Ton bezeichnet (…) nur das ›Innere‹«. Auf diesen Aspekt
bezieht sich offenbar Michaelis, wenn er seine These vorträgt: »Die Musik ist
eine Kunst des ›innern Sinnes‹ und der ›Einbildungskraft‹. Sie ist also an die
Form des innern Sinnes, an die ›Zeit‹, gebunden. Sie kann bloße Veränderungen in der Zeit darstellen; mit dem Raume und seinem Inhalte hat sie eigentlich nichts zu thun.«30 Während die Bildende Kunst »Kunst des Raumes« ist, ist
die Tonkunst »›Kunst der Zeit‹«. »Der Tonkünstler stellt keine eigentlichen Objekte, sondern immer nur das ›Subjektive‹ unsrer Vorstellungen dar, was zu den
Empfindungen und Gefühlen und Beschaffenheiten des innern unmittelbaren
Gemüthszustandes gehört.«31 Er hat »den ›innern‹ Menschen zum Objekt«,
arbeitet »für die ›innere Anschauung der bloßen Empfindungen in der Zeit‹«32.
Er »begnügt sich mit der Darstellung des ›innern‹ Menschen, als ›empfindenden‹ Wesens«. Es geht ihm um den »Ausdruck ›innerer Menschennatur‹«33.
»Die Musik ist auch erst Musik in unserm ›Gemüth‹, zwar unsichtbar, aber doch
innerlich (…) zu fühlen und wahrzunehmen. Sie ist dem zu Folge eine Kunst,
deren Sphäre die Zeit und der innere Sinn ausmachen.«34 Michaelis erinnert
damit an ein so grundlegendes wie weit gehend übersehenes Strukturmoment
dessen, was als Musik zu begreifen ist: Selbstbezüglichkeit.
30 Michaelis, »Einige Ideen über die ästhetische Natur der Tonkunst« (s. Anm. 1), S. 254 (Ausgabe Schmidt, S. 175).
31 Ders., Ueber den Geist der Tonkunst, II, 1800, S. 65 (Ausgabe Schmidt, S. 102).
32 Ebenda, S. 99 (Ausgabe Schmidt, S. 117).
33 Ebenda, S. 100 (Ausgabe Schmidt, S. 117).
34 Ders., »Ein Versuch, das innere Wesen der Tonkunst zu entwickeln«, S. 676 (Ausgabe Schmidt,
S. 250). Vgl. auch S. 16, 769, 257 (Ausgabe Schmidt, S. 80, 190, 176).
146
Georg Mohr
VII Das musikalische Werk
An diese Theorie der sinnlichen Selbstbezüglichkeit im Hören von Tonfolgen
und Harmonien schließt nun Michaelis’ Konzept vom Verstehen eines Klangereignisses als einer Musik, als eines musikalischen Kunstwerks an. Nach Michaelis ist Musik nichts Vorgegebenes, sondern etwas, was hörende Subjekte
aus Gehörtem machen: »Ein einzelner, einförmiger Laut (…) bezeichnet nichts
Bestimmtes, bedeutet nichts, drückt nichts aus: erst durch Modifikation (…)
fängt er an, Bedeutung und Interesse zu bekommen: der Ausdruck wird aber
erst dann ›klar‹ und ›bestimmt‹, und verwandelt sich in eine ›Sprache‹ der Empfindungen, wenn mehrere Töne auf einander folgen, wenn sie eine Zeitreihe
einnehmen, eine Melodie bilden (etc.)«; »die Tonkunst wird erst durch ganze
Tonfolgen, durch Melodieen verständlich«35. Es gilt nicht nur, dass Musik in
der generischen Bedeutung des Wortes »Kunst des inneren Sinns« ist, sondern
es gilt insbesondere auch, dass »die musikalische Komposition als ein Kunstwerk für den innern Sinn« zu verstehen ist36. Wir setzen die Musik, das »Ganze«,
selbst zusammen. Die organische Form, obwohl die Komponistin oder der
Komponist eine solche produziert haben, muss von der Hörerin oder dem
Hörer dennoch selbst organisiert werden im Prozess des Rezipierens. Musik
wird rezipiert durch produzierende Eigenaktivität der Rezipienten. Sie setzen
die Töne zusammen und machen daraus nach Maßgabe ihres Verständnisses
musikalischer organischer Form die Musik: das Werk.
Michaelis will, gegen Kant, die Musik gerade im Hinblick auf das »formale
Ganze« gleichberechtigt neben die Bildende Kunst stellen, nicht sie kategorial
unterordnen. Damit widerspricht er Kants Argument, Musik habe es nur mit
dem Spiel der Empfindungen zu tun, weder mit Gestalt oder Gegenständlichkeit, noch mit Begrifflich-Gedanklichem, und könne daher nicht den schönen Künsten ebenbürtig sein. Ohne die müßige Frage einer »Rangordnung«
unter den Künsten wiederbeleben zu wollen – diese Frage sollten wir wirklich
als eine endgültig überholte Frage betrachten –, lässt sich aus Michaelis’ Fortentwicklung der Kantischen Musikästhetik eine dieser gegenüber gewissermaßen umgekehrte Gewichtung der ästhetisch relevanten Eigenschaften der
Musik vornehmen: Gerade in der Musik ist das Subjekt am freisten mit und
bei sich selbst. Es ist in der Musik am meisten auf das Selbstzusammensetzen
des Ganzen in eine Form angewiesen.
35 Ders., Ueber den Geist der Tonkunst, II, 1800, S. 146–147 (Ausgabe Schmidt, S. 137 – 138).
36 Ders., »Ein Versuch, das innere Wesen der Tonkunst zu entwickeln«, S. 679 (Ausgabe Schmidt,
S. 253).
Affekt, Form und Reflexion bei Michaelis
147
VIII Das Erhabene in der Musik
Die Akzentuierung und theoretische Fundierung des konstitutiven Moments
der Selbstbezüglichkeit im Musikhören (im Verstehen von Klang als Musik)
ermöglicht es Michaelis auch, den Begriff des »Erhabenen« auf die Musik zu
beziehen. Dies ist historisch betrachtet eine bedeutende Fortentwicklung der
philosophischen Deutung von Musik. In der allgemeinen Ästhetik bei Edmund
Burke und Kant ist das Erhabene der Komplementärbegriff zu dem des Schönen. Die ästhetischen Abhandlungen dieser signalisieren dies im Titel: Edmund
Burkes A Philosophical Enquiry into the Origin of our Ideas of the Sublime and
Beautiful (Philosophische Untersuchungen über den Ursprung unserer Ideen vom
Erhabenen und Schönen) von 1757 sowie Kants Abhandlung von 1764 Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen. In dieser Tradition stehend (die hinsichtlich dieser Gliederung im Übrigen den Kanon der Ästhetik
bis in das 20. Jahrhundert bestimmt) gliedert sich auch der erste Teil von Kants
Kritik der Urteilskraft, die »Kritik der ästhetischen Urteilskraft«, in eine »Analytik des Schönen« und eine »Analytik des Erhabenen«. Im Unterschied zu Poesie, Malerei und Architektur, die Kant jeweils unter beiden Begriffen ästhetisch
charakterisiert, wird Musik nur unter der Fragestellung erörtert, ob sie eine
angenehme oder (auch) schöne Kunst sei. Musik wird kategorial auf den Begriff
des »Schönen« bezogen, von erhabener Musik jedoch ist bei Kant in keiner
systematisch relevanten Weise die Rede. Zwar heißt es in § 52 der Kritik der
Urteilskraft: »Auch kann die Darstellung des Erhabenen, sofern sie zur schönen Kunst gehört, in einem gereimten Trauerspiele, einem Lehrgedichte, einem
Oratorium sich mit der Schönheit vereinigen.« Damit wird die Gattung des
Oratoriums als möglicher Kandidat für eine Verbindung von Schönheit und
Erhabenheit in der Musik charakterisiert. Die Musik wird also von Kant nicht
insgesamt ausgeschlossen aus demjenigen Bereich des Ästhetischen, auf den
der Begriff des Erhabenen Anwendung finden kann.37 Eine systematische
Explikation, wie der Begriff des Erhabenen auf Musik angewandt werden kann,
worauf diese Möglichkeit beruht und welchen Aufschluss über Musik man aus
diesem begrifflichen Kontext gewinnt, entwickelt erst Michaelis. Die Grundlage hierfür ist in seiner gegenüber Kant weiterführenden Analyse der Funktion des inneren Sinns im Musikhören und Musikverstehen zu sehen. Das
Erhabene impliziert eine Art Distanzierung und Selbstreflexivität zweiter Ordnung. Eine Theorie des Erhabenen erfordert daher eine Fundierung in einer
Theorie ästhetischer Selbstbezüglichkeit.
37 Allerdings wäre bei einer präziseren Darstellung von Kants Ästhetik zu berücksichtigen, dass sich
ästhetische Urteile im strengen Sinne von »Geschmacksurteilen« nach Kant nicht auf das Erhabene, sondern »nur auf das Schöne« beziehen; vgl. Kritik der Urteilskraft (s. Anm. 16), § 30,
Überschrift. Vgl. auch § 14: »Erhabenheit (mit welcher das Gefühl der Rührung verbunden ist)
aber erfordert einen andern Maßstab der Beurtheilung, als der Geschmack sich zum Grunde
legt.«
148
Georg Mohr
IX Schwierigkeiten mit dem Abschied von der Affektenlehre
Lothar Schmidt vertritt in seinem Buch Organische Form in der Musik. Stationen eines Begriffs 1795 –1850 die These, Michaelis wende sich gegen die »traditionelle wirkungs- und ausdruckstheoretische Auffassung der Musik« und
bewirke eine »grundlegende Veränderung im Sprechen über Musik. Die Theorie widmet sich seit Michaelis dezidiert dem autonomen, in sich vollendeten
Werk.«38 Wilhelm Seidel weist in seinem Beitrag von 1988 »Zwischen Immanuel Kant und der musikalischen Klassik. Die Ästhetik des musikalischen
Kunstwerks um 1800« darauf hin, dass der musikästhetische Werkbegriff
bereits von Adam Smith in seiner 1795 posthum erschienenen Abhandlung
Of the Nature Of That Imitation Which Takes Place In What Are Called The
Imitative Arts auf den Weg gebracht und von Karl Philip Moritz propagiert
wurde. Michaelis nimmt Smiths Abhandlung nicht zur Kenntnis, sondern bezieht sich, wenn er den Werkbegriff als Begriff von einem in sich vollendeten
Ganzen in den Mittelpunkt seiner Musikästhetik stellt, vielmehr auf Kants
allerdings rudimentären Kompositionsbegriff, den er theoretisch fortbestimmt
und konkretisiert. Dass Michaelis’ Musikästhetik ihrerseits dann die Wirkung
hatte, dass der musikalische Werkbegriff zum Zentrum des weiteren musikästhetischen Diskurses wurde, hat Schmidt in seiner Monografie überzeugend
gezeigt. Die Abgrenzung gegen die Affektenlehre jedoch scheint mir bei Michaelis selbst noch nicht so dezidiert, zumindest noch nicht eindeutig. Sicher
wird man ihm aber eine Relativierung der Affektenlehre zugunsten einer nachdrücklichen Öffnung der Musikästhetik zusprechen dürfen.
Letztere weist bei Michaelis in zwei Richtungen. Zum einen korrigiert er die
verkürzende Festlegung der Musik auf eine standardisierte Affektrepräsentation und Affekterregung, die die Forderung zur Folge hatte, dass man »sich
komplizierter kontrapunktischer Veranstaltungen zu enthalten«39 hatte. Neben
den Kanon von Techniken der Darstellung vermeintlich anthropologisch konstanter Affekte tritt bei Michaelis die musikästhetische Qualifizierung einer von
Affektdarstellung vollständig emanzipierten Verlaufsform der »Zusammensetzung der Töne« als solcher, wie sie im Kontrapunkt angestrebt wird. Der Titel
eines späteren Aufsatzes von Michaelis »Etwas zur Rechtfertigung des Contrapunctes« (1819) ist ein beredtes Zeugnis für eine musikästhetische Diskurssituation, in der Distanzierungen von starr gewordenen Dogmen der Affektenlehre offenbar noch legitimationsbedürftig waren. Dabei hatte nicht nur
Michaelis schon 1805 in seinem Nachtrag zu den vermischten Bemerkungen über
Musik die Fuge und den Kontrapunkt als Errungenschaften im Bereich des
»Objektiven«, wo die Musik sich als Kunst von ästhetischer Qualität sui generis profiliert, herausgestellt; »fugierter Stil, strenger, gebundener, kontrapunktischer Stil der vielstimmigen Harmonie«, kreiert »eigene musikalische Welten,
38
39
Schmidt, Organische Form in der Musik (s. Anm. 7), S. V.
Grimm, »Affekt« (s. Anm. 12), S. 41.
Affekt, Form und Reflexion bei Michaelis
149
gibt keine bloße Kopie, keine Schilderung, sondern selbständige Originale«40.
Vorgezeichnet war der Weg dorthin im Grunde schon in Kants Kritik der
Urteilskraft von 1790 durch den in diesem Werk verwendeten Kompositionsbegriff und die Theorie der mathematischen Form.41 Jedoch hat Kants Schwanken in der Frage, ob Musik schöne Kunst im strengen Sinne ist, ob es musikalische Kunstwerke gibt, dies sachlich und wirkungsgeschichtlich wenn nicht
konterkariert, so doch wieder undeutlich werden lassen.
Zum anderen relativiert Michaelis die Affektenlehre, indem er dem aktiven
Beitrag des musikhörenden ästhetischen Subjekts zur Konstitution des ästhetischen Gegenstands einen zentralen Stellenwert einräumt. Zwar dient auch
hierfür Kants Ästhetik, genauer seine Theorie des freien Spiels der Einbildungskraft, als konzeptionelle Grundlage.42 Aber was bei Kant im Rahmen der
allgemeinen These vom »Gefühl des freien Spiels der Vorstellungskräfte«43 verbleibt, wird von Michaelis im Einzelnen auf die musikästhetischen Konsequenzen angewandt.
Bei allem »Fortschrittlichen« durch den Werkbegriff, die Kompositionsorientierung und die Theorie der organischen Form bleibt Michaelis doch auch
in einer wirkungsästhetischen Affektenlehre und Ausdrucksästhetik verhaftet.
Immer wieder spricht er von Affekten und Gefühlen auf eine Weise, dass der
Eindruck entsteht, er wolle damit nicht nur das Faktum beschreiben, dass
Musik Affekte, Gefühle auslösen kann und es in der Regel auch tut, sondern
als wolle er sagen, dass es in der Musik ganz wesentlich darum gehe, Affekte
und Gefühle auszulösen.
40 Michaelis, »Nachtrag zu den vermischten Bemerkungen über Musik«, 1805, S. 139 (Ausgabe
Schmidt, S. 215).
41 Vgl. Kant, Kritik der Urteilskraft (s. Anm. 16), §§ 14 und 53. – In § 14 heißt es: »Alle Form der
Gegenstände der Sinne (der äußern sowohl als mittelbar auch des innern) ist entweder ›Gestalt‹,
oder ›Spiel‹; im letztern Falle entweder Spiel der Gestalten (im Raume, die Mimik und der Tanz);
oder bloßes Spiel der Empfindungen (in der Zeit). Der ›Reiz‹ der Farben, oder angenehmer Töne
des Instruments, kann hinzukommen, aber die ›Zeichnung‹ in der ersten (sc. der Gestalt) und
die Komposition in dem letzten (sc. dem Spiel) machen den eigentlichen Gegenstand des reinen Geschmacksurteils aus.« (ebenda, S. 225) – In § 53 nennt Kant die Tonkunst eine »Sprache der Affekten«. Sie teilt, »nach dem Gesetze der Assoziation, die damit natürlicher Weise verbundenen ästhetischen Ideen allgemein mit«. Die ästhetischen Ideen sind aber »keine Begriffe
und bestimmte Gedanken«. Daher dient die »Form der Zusammensetzung dieser Empfindungen (Harmonie und Melodie) nur, statt der Form einer Sprache, dazu (…), vermittelst einer proportionierten Stimmung derselben (…) die ästhetische Idee eines zusammenhangenden Ganzen
einer unnennbaren Gedankenfülle, einem gewissen Thema gemäß, welches den herrschenden
Affekt ausmacht, auszudrücken. An dieser mathematischen Form, obgleich nicht durch bestimmte Begriffe vorgestellt, hängt allein das Wohlgefallen, welches die bloße Reflexion über eine solche Menge einander begleitender oder folgender Empfindungen mit diesem Spiele derselben als
für jedermann gültige Bedingung seiner Schönheit verknüpft; und sie ist es allein, nach welcher
der Geschmack sich ein Recht, über das Urteil von jedermann zum voraus auszusprechen,
anmaßen darf.« (ebenda, S. 328 f.).
42 Diese setzt ihrerseits die Theorie der Synthesis als Handlung der produktiven Einbildungskraft
und der Beziehung der Verstandesbegriffe (Kategorien) auf sinnliche Anschauungen und deren
Formen, Raum und Zeit, wie Kant sie in der Kritik der reinen Vernunft (= Kants Werke, Bde. 3
und 4, Berlin 1968, vgl. insbes. § 24 in der »Transzendentalen Deduktion der reinen Verstandesbegriffe«) entwickelt, voraus.
43 Kant, Kritik der Urteilskraft (s. Anm. 16), § 9, S. 217.
150
Georg Mohr
Außerdem scheint Michaelis in seinen Wertungen von Musik und seinen
Annahmen über deren Wirkungen recht unhistorisch und unkulturell und
insofern unkritisch eingestellt. Er scheint nicht einzuräumen, dass verschiedene Kulturen und verschiedene Epochen mit bestimmten Musiken oder Klangereignissen durchaus Verschiedenes assoziieren und daher die bewirkten Gefühle einer und derselben Musik von ganz verschiedener Art sein können. Aber
diese Überlegung lag um 1800 einem europäischen Musikphilosophen vielleicht noch zu fern.
Man könnte es als konzeptionell unentschlossen beurteilen, sogar als unbefriedigend empfinden, wenn Michaelis bei aller doch überwiegenden Betonung des Formaspekts, des Organischen, der Komposition, also einer Werkästhetik der Musik, immer wieder die Grundthese der Affektenlehre und
Ausdrucksästhetik einfließen lässt: dass das »Wesen der Musik« die »Kunst des
Ausdrucks von Empfindungen durch Modulation der Töne« sei44. Aussagen
wie diese möchte man dann als unreflektierte oder gar unbemerkte Relikte
der ästhetikgeschichtlichen Erbschaft des 18. Jahrhunderts kritisieren, die zu
Inkonsistenzen in der theoretisch-systematischen Ausrichtung seiner Musikphilosophie und zu Widersprüchen in den grundlegenden Thesen führt.
Statt eines Widerspruchs und damit eines manifesten Defekts in Michaelis’
Musikphilosophie könnte man in dem Nebeneinander zweier Voten, bei aller
dezidierten Werkästhetik, aber auch einen Widerstand gegen den Preis einer
Entvitalisierung, einer Entrückung der Musik aus dem Horizont der Alltagsrezeption (des »Dilettanten«, »Liebhabers«) sehen, die die unvermeidliche Folge einer Vereinseitigung der Musik auf formale Reflexion und reflektierte Form
wäre. Sicher will Michaelis daran festhalten, dass Musik zwar »schöne« Kunst
ist, und dies in einem dezidierten und theoretisch sorgfältiger fundierten Sinne als bei Kant, dass sie aber auch »angenehme« Kunst ist und bleibt, dass sie
beide Eigenschaften in sich vereint, die der Rationalität als Objekt formaler
Analysen und die der Emotionalität als Ausdruck und Erregerin von Affekten
und Gefühlen.
Wie auch immer man heute die Affektenlehre in ihrer psychologischen Triftigkeit und ästhetischen Sinnhaftigkeit beurteilen will, man wird weder leugnen, dass Musik grundsätzlich Affekte, Emotionen, Gefühle auszudrücken
imstande ist, sie bei den Hörern zu erregen vermag und von Komponisten auch
bewusst als deren Ausdruck in sie »hineingelegt« werden können, noch wird
man behaupten, dass es, wie es die Affektenlehre des 17. und 18. Jahrhunderts
glaubte und wollte, zwischen musikalischen Techniken und menschlichen
Affekten eindeutig bestimmte mechanisch-kausale Beziehungen gibt, die natürlich und mit Notwendigkeit im musikalischen Produktions- oder Rezeptionsprozess wirksam werden. Michaelis geht offenbar noch weit gehend davon
aus, dass die Affektenlehre als eine Lehre von den natürlichen affektiven Wir-
44
Michaelis, Ueber den Geist der Tonkunst, II, 1800, S. 29 (Ausgabe Schmidt, S. 86).
Affekt, Form und Reflexion bei Michaelis
151
kungen von Tönen Geltung besitzt.45 Er geht darüber hinaus offenbar davon
aus, dass die Geltung der Affektenlehre auch für die philosophische Deutung
der genuin ästhetischen Qualität von Musik verbindlich und orientierend ist.
Die musikphilosophische Konsequenz einer solchen Einschätzung der Affektenlehre ist allerdings, dass das »Wesen« der Musik in der richtigen (nicht fehlerhaften) und geschickten (möglichst wirkungsvollen) Anwendung der vermeintlich natürlich-kausalen Korrelationen zwischen Musik und affektiven
Wirkungen besteht. Für die Seite der Musikschaffenden resultiert daraus, dass
ihre wichtigste Aufgabe darin besteht, das Vokabelheft musikalischer Techniken zu beherrschen. Die Aufgabe der Musikhörenden ist es, aufmerksam auf
die unweigerlich in ihnen vorgehenden Gemütsbewegungen zu achten. Grundlage der Musik ist dann ein an (vermeintlichen) Naturgesetzen der menschlichen Psyche ausgerichtetes Regelwerk. Das heißt zwar noch nicht, dass Komponieren dann nur ein Anwenden dieses Regelwerks ist, denn es bleibt immer
noch die Aufgabe, aus den Anwendungsmöglichkeiten der Regeln ein Werk zu
machen. Aber es wird dadurch doch auf die Frage nach dem ästhetischen Proprium von Musik eine negative Antwort gegeben, die nämlich, dass es in der
Musik nicht um Musik, sondern um das richtige Manipulieren und Spüren
von Affekten geht.46 Aber was hat das mit Musik zu tun?
45 Vgl. Grimm, »Affekt« (s. Anm. 12).
46 Ulrich Tadday und Richard Klein danke ich für manchen mündlichen und schriftlichen Hinweis auf die Geschichte der musikalischen Affektenlehre sowie auf den sehr informativen diesbezüglichen Artikel von Hartmut Grimm, aus dem ich oben zitiere.
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Der späte Hindemith
(125/126) 187 Seiten
ISBN 978-3-88377-781-8
Edvard Grieg
(127) 147 Seiten
ISBN 978-3-88377-783-2
Luciano Berio
(128) 116 Seiten
ISBN 978-3-88377-784-9
Richard Strauss
Der griechische Germane
(129/130) 146 Seiten
ISBN 978-3-88377-809-9
Händel unter Deutschen
(131) 114 Seiten
ISBN 978-3-88377-829-7
Hans Werner Henze
Musik und Sprache
(132) 128 Seiten
ISBN 978-3-88377-830-3
Im weißen Rössl
Zwischen Kunst und Kommerz
(133/134) 192 Seiten
ISBN 978-3-88377-841-9
Arthur Honegger
(135) 122 Seiten
ISBN 978-3-88377-855-6
Gustav Mahler: Lieder
(136) 120 Seiten
ISBN 978-3-88377-856-3
Klaus Huber
(137/138) 181 Seiten
ISBN 978-3-88377-888-4
J. S. Bach
Was heißt »Klang=Rede«?
(119) 138 Seiten
ISBN 978-3-88377-731-3
Bruckners Neunte
im Fegefeuer der Rezeption
(120/121/122) 245 Seiten
ISBN 978-3-88377-738-2
Charles Ives
(123) 130 Seiten
ISBN 978-3-88377-760-3
Mauricio Kagel
(124) 111 Seiten
ISBN 978-3-88377-761-0
(Sonderbände
sh. nächste Seite)
Bisher sind in der Reihe Musik-Konzepte erschienen:
Sonderbände
Alban Berg, Wozzeck
306 Seiten
ISBN 978-3-88377-214-1
John Cage I
2. Aufl., 162 Seiten
ISBN 978-3-88377-296-7
John Cage II
2. Aufl., 361 Seiten
ISBN 978-3-88377-315-5
Darmstadt-Dokumente I
363 Seiten
ISBN 978-3-88377-487-9
Geschichte der
Musik als Gegenwart.
Hans Heinrich Eggebrecht
und Mathias Spahlinger
im Gespräch
141 Seiten
ISBN 978-3-88377-655-2
Gustav Mahler
362 Seiten
ISBN 978-3-88377-241-7
Mozart
Die Da Ponte-Opern
360 Seiten
ISBN 978-3-88377-397-1
Musik der anderen Tradition
Mikrotonale Tonwelten
297 Seiten
ISBN 978-3-88377-702-3
Musikphilosophie
213 Seiten
ISBN 978-3-88377-889-1
Wolfgang Rihm
163 Seiten
ISBN 978-3-88377-782-5
Arnold Schönberg
– vergriffen –
Franz Schubert
305 Seiten
ISBN 978-3-88377-019-2
Robert Schumann I
346 Seiten
ISBN 978-3-88377-070-3
Robert Schumann II
390 Seiten
ISBN 978-3-88377-102-1
Der späte Schumann
223 Seiten
ISBN 978-3-88377-842-6
Anton Webern I
315 Seiten
ISBN 978-3-88377-151-9
Anton Webern II
427 Seiten
ISBN 978-3-88377-187-8
Bernd Alois Zimmermann
183 Seiten
ISBN 978-3-88377-808-2
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