Herbstgutachten 2016 der Wirtschaftsforschungsinstitute

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Herbstgutachten 2016
der Wirtschaftsforschungsinstitute
Stand: Oktober 2016
www.vbw-bayern.de
Information – Herbstgutachten 2016 der
Wirtschaftsforschungsinstitute
bayme vbm vbw – Oktober 2016
Vorwort
X
Vorwort
Konsumgetriebenes Wachstum - Investitionen und Exporte bleiben schwach
Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute sehen Deutschland in einem moderaten
Aufschwung. Der private und staatliche Konsum sowie die Bauinvestitionen – vor allem
im Wohnungsbau – werden die entscheidenden Konjunkturstützen der kommenden
beiden Jahre bleiben. Das außenwirtschaftliche Umfeld verbessert sich nur langsam.
Die Investitionsneigung der Unternehmen ist, wie die Institute explizit anmerken,
angesichts der günstigen Finanzierungsbedingungen als zu schwach zu bewerten.
Daraus folgt, dass auf Ebene der Wirtschaftsbereiche vor allem der Dienstleistungssektor und das Baugewerbe von der derzeitigen Konjunktur profitieren. Das Umfeld
für die Industrie ist weniger günstig. Bei den Exporten fehlt es an Dynamik, da sich die
Weltwirtschaft nur langsam erholt und die Unsicherheiten hoch bleiben. Im Inland
bremst die Investitionsschwäche die Absatzmöglichkeiten der Industrie.
Sowohl bezüglich des Exports als auch im Hinblick auf die Investitionen kann auch
die Politik einen Beitrag zu mehr Dynamik leisten. Zu Recht plädieren die Institute für
eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik in Deutschland. Diese darf sich nicht länger
auf Umverteilung fokussieren, sondern muss Wachstumsimpulse setzen: durch mehr
öffentliche Investitionen in alle Bereiche der Infrastruktur, durch eine Senkung der
Steuer- und Abgabenbelastung sowie durch eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit.
Attraktivere, wachstumsfreundliche Rahmenbedingungen könnten der Investitionstätigkeit in unserem Land einen wichtigen Impuls geben.
Ebenso begrüßen wir das deutliche Bekenntnis der Forschungsinstitute zum Freihandel und die klare Aussage, dass gerade Deutschland einen erheblichen Teil
seines Wohlstands der Globalisierung der Wirtschaft verdanke. Deshalb müssen sich
Bundesregierung und EU jeglichen protektionistischen Tendenzen entgegenstellen.
Insbesondere müssen CETA und TTIP zu einem erfolgreichen Ende gebracht werden.
Bertram Brossardt
12. Oktober 2016
Information – Herbstgutachten 2016 der
Wirtschaftsforschungsinstitute
bayme vbm vbw – Oktober 2016
Inhalt
X
Inhalt
1
Die Lage der Weltwirtschaft ....................................................................... 1
2
Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ................................................... 3
2.1
Außenhandel ................................................................................................ 3
2.2
Ausrüstungsinvestitionen .............................................................................. 4
2.3
Bauinvestitionen ........................................................................................... 4
2.4
Privater Konsum ........................................................................................... 5
2.5
Gesamtwirtschaftliche Produktion ................................................................. 5
2.6
Arbeitsmarkt.................................................................................................. 6
2.7
Mittelfristige Projektion .................................................................................. 6
3
Zur Wirtschaftspolitik ................................................................................. 7
4
Prognose für Deutschland ......................................................................... 9
Anhang ....................................................................................................................... 10
Ansprechpartner / Impressum ..................................................................................... 11
Information – Herbstgutachten 2016 der
Wirtschaftsforschungsinstitute
bayme vbm vbw – Oktober 2016
1
Die Lage der Weltwirtschaft
1
Die Lage der Weltwirtschaft
Globale Konjunktur belebt sich in der zweiten Jahreshälfte
In der ersten Jahreshälfte 2016 hatte sich die Weltwirtschaft nur verhalten entwickelt.
Seit Mitte des Jahres zeigt sich ein Aufwärtstrend, dessen Dynamik aber geringer ausfällt als vor der Wirtschaftskrise. Bezüglich der weiterhin expansiv ausgerichteten
Geldpolitik erwarten die Institute im Prognosezeitraum auf Grund der niedrigen Inflation
eher eine abwartende Haltung der Notenbanken und somit weitestgehend den Status
Quo. Angekündigte Straffungen wurden vorerst verschoben und für weitere Absenkungen fehlt der Spielraum, die Möglichkeiten der Geldpolitik sind weitestgehend erschöpft. Im Gegensatz dazu bleibt die Finanzpolitik weiterhin die Stütze der Konjunktur
in vielen Regionen. Während in Asien der Grad der Expansion sowohl in diesem als
auch im kommenden Jahr hoch bleiben wird, dürften im Euroraum und in den USA die
fiskalischen Impulse langsam nachlassen.
Die aktuelle Prognose wird weiterhin von Abwärtsrisiken dominiert. Dabei steht die
trendmäßige Verlangsamung der Produktionsausweitung in China im Fokus. Die jüngsten Fiskalmaßnahmen stimulieren zwar die Produktion, führen aber zeitgleich zum
Aufbau einer hohen Verschuldung im Unternehmenssektor bei sinkender Ertragskraft.
In der Europäischen Union bleiben systemische Risiken im Bankensektor und die Ungewissheit der Folgen des Austritts Großbritanniens aus der EU die größten Risiken.
Beides könnte zu Investitions- und Konsumzurückhaltung führen und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage dämpfen. Im Gegenzug bestehen auch Aufwärtsrisiken. Eine
zunehmende Stabilisierung könnte zu einem Investitionsschub führen und damit die
Nachfrage deutlich stärker ansteigen lassen, als von den Instituten prognostiziert.
Im Euroraum bleibt die Binnennachfrage auf Grund der hohen Beschäftigungsdynamik
bei niedriger Arbeitslosigkeit die Stütze der Konjunktur. Flankiert durch eine leicht expansive Fiskalpolitik und die günstigen Finanzierungsbedingungen dürften auch die
Unternehmensinvestitionen beschleunigt ausgeweitet werden. Nennenswerte Auswirkungen vom Austritt Großbritanniens werden im Prognosezeitraum nicht erwartet.
Die Weltwirtschaft dürfte aufgrund des schwachen Starts im Jahr 2016 um 2,3 Prozent
wachsen und damit schwächer als 2015. Im nächsten und im übernächsten Jahr dürfte
die Produktion hingegen wieder um jeweils 2,7 Prozent zulegen. Auch der Welthandel
bleibt 2016 hinter den Erwartungen zurück und wächst nur um 0,3 Prozent. Für das
kommende Jahr wird ein Plus von 1,8 Prozent erwartet, für 2018 eine Zunahme um
2,0 Prozent.
Eine Übersicht der Wachstumsprognosen für die einzelnen Staaten findet sich in Tabelle 1 auf Seite 2.
2
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bayme vbm vbw – Oktober 2016
Die Lage der Weltwirtschaft
Tabelle 1
Wirtschaftswachstum in der Welt
Deutschland
Frankreich
Italien
Spanien
Niederlande
Belgien
Österreich
Irland
Finnland
Portugal
Griechenland
Slowakei
Luxemburg
Slowenien
Litauen
Lettland
Estland
Zypern
Malta
2016
+1,9
+1,3
+0,8
+3,2
+2,0
+1,4
+1,5
+2,3
+0,9
+0,9
-0,4
+3,5
+3,8
+2,0
+2,3
+1,2
+1,6
+2,5
+2,9
2017
+1,4
+1,2
+0,9
+2,2
+1,5
+1,3
+1,5
+3,1
+1,3
+1,3
+0,7
+3,3
+3,2
+2,2
+2,6
+2,4
+2,2
+2,3
+2,8
2018
+1,7
+1,2
+1,1
+1,9
+1,6
+1,4
+1,5
+2,4
+1,3
+1,4
+1,5
+3,2
+3,1
+2,4
+2,8
+2,8
+2,5
+2,3
+3,2
Euroraum
+1,6
+1,5
+1,5
Großbritannien
Schweden
Polen
Dänemark
Tschechien
Rumänien
Ungarn
Bulgarien
Kroatien
+1,8
+3,0
+2,9
+1,0
+2,5
+4,7
+1,5
+2,8
+1,8
+1,0
+2,2
+3,1
+1,5
+2,6
+3,7
+2,5
+2,8
+1,9
+1,6
+2,3
+3,0
+1,5
+2,6
+3,6
+2,4
+2,8
+2,1
EU-28
+1,7
+1,5
+1,6
Schweiz
Norwegen
USA
Japan
Südkorea
Türkei
+1,0
+1,2
+1,6
+0,5
+2,8
+3,3
+1,6
+1,5
+2,3
+0,8
+2,8
+3,3
+1,6
+1,6
+2,1
+0,8
+2,8
+3,8
Industrieländer gesamt
+1,5
+1,8
+1,8
Russland
China
Ostasien ohne China
Indien
Lateinamerika
-0,8
+6,5
+3,3
+7,6
-1,1
+1,1
+6,2
+3,6
+7,4
+1,4
+1,7
+5,8
+3,8
+7,4
+2,1
Schwellenländer gesamt
+3,9
+4,5
+4,6
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Wirtschaftsforschungsinstitute
bayme vbm vbw – Oktober 2016
2
Die wirtschaftliche Lage in Deutschland
3
Die wirtschaftliche Lage in Deutschland
Moderater Aufschwung setzt sich fort
Die Wirtschaftsforschungsinstitute sehen die deutsche Wirtschaft weiterhin in einem
moderaten Aufschwung, der von der Bauwirtschaft und dem Dienstleistungssektor getragen wird. Auf der Verwendungsseite sind es die privaten und staatlichen Konsumausgaben sowie die Wohnungsbauinvestitionen, die der Konjunktur Impulse geben.
Die Unternehmensinvestitionen bleiben vergleichsweise schwach, die Exporte nahmen
zu, allerdings langsamer als die Importe. Nach einer Verlangsamung im dritten Quartal
rechnen die Institute dann bis Ende 2018 mit stabilen Wachstumsraten des deutschen
Bruttoinlandsprodukts (BIP). Ein Abwärtsrisiko für die Prognose sehen die Forscher in
den Verhandlungen zum Brexit. Sollte es zu größeren Konfrontationen kommen oder
sich eine erhebliche Verschlechterung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU
und dem Vereinigten Königreich abzeichnen, wird die britische Wirtschaft stärker als
unterstellt beeinträchtigt und damit auch die deutsche Konjunktur in Mitleidenschaft
gezogen. Angesichts des äußerst günstigen monetären Umfelds halten die Forscher
aber auch ein höheres Wachstum für nicht ausgeschlossen.
Die aktuelle Herbstprognose steht unter folgenden Annahmen:
– Rohölpreis (Brent) von 43,6 US-Dollar pro Barrel in diesem Jahr, von 48,9 US-Dollar
im kommenden Jahr und von 49,8 US-Dollar im Jahr 2018,
– Wachstum des Welthandels von 0,3 Prozent im Jahr 2016, von 1,8 Prozent im Jahr
2017 und von 2,0 Prozent im Jahr 2018,
– Wechselkurs von 1,12 US-Dollar je Euro im gesamten Prognosezeitraum,
– unveränderter Hauptrefinanzierungssatz der EZB von null Prozent bis Ende 2018.
2.1
Außenhandel
Die Ausfuhren nahmen im ersten Halbjahr 2016 spürbar zu, nicht zuletzt dank einer
verbesserten preislichen Wettbewerbsfähigkeit. Dieser Effekt läuft aber in der zweiten
Jahreshälfte aus, sodass mit merklich schwächeren Ausfuhren zu rechnen ist. Hinzu
kommen dämpfende Effekte seitens der Exporte in das Vereinigte Königreich als Folge
der Abwertung des britischen Pfunds und der konjunkturellen Abkühlung in UK. Rechnerisch macht sich dies den Instituten zu Folge im kommenden Jahr durch ein um
0,4 Prozentpunkte niedriges Wachstum der gesamten deutschen Exporte bemerkbar.
Das Plus wird dann bei 2,0 Prozent nach 2,3 Prozent im laufenden Jahr liegen. Für
2018 wird eine Zunahme der deutschen Exporte von 4,2 Prozent erwartet.
Die Importe entwickeln sich im Verlauf ähnlich wie die Exporte, aber jeweils mit höheren Wachstumsraten, sodass vom Außenhandel insgesamt keine Wachstumseffekte
auf das BIP ausgehen. Die jahresdurchschnittlichen Prognosen liegen bei 2,4 Prozent
im laufenden Jahr und bei 2,8 bzw. 5,2 Prozent in den Jahren 2017 und 2018.
4
2.2
Die wirtschaftliche Lage in Deutschland
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bayme vbm vbw – Oktober 2016
Ausrüstungsinvestitionen
Die Ausrüstungsinvestitionen beleben sich im gesamten Prognosezeitraum nur zögerlich. Die gestiegene Unsicherheit der Unternehmen hat zu einem merklichen Rückgang
der Ausrüstungsinvestitionen im zweiten Quartal 2016 geführt. Für das dritte Quartal
rechnen die Forscher nochmals mit einem Rückgang der Investitionen, bis sie im
Schlussquartal wieder leicht zulegen dürften. In den Jahren 2017 und 2018 ist dann
von einem stabilen aber nur moderaten Wachstum der Investitionen auszugehen. Auf
Grund der inzwischen leicht überdurchschnittlich ausgelasteten Kapazitäten sind zudem mehr und mehr Erweiterungsinvestitionen zu erwarten. Vorübergehend könnte die
Investitionsneigung auch durch das Brexit-Votum gedämpft werden, die Institute gehen
aber davon aus, dass die Unsicherheiten bezüglich der künftigen Handelsbeziehungen
zwischen UK und der EU rasch überwunden werden. Ebenfalls dämpfend auf die Investitionsneigung wirkt die seit Jahren schwache Produktivitätsentwicklung. Alles in
allem bleibt die Investitionsentwicklung, vor allem vor dem Hintergrund der günstigen
Finanzierungsbedingungen, relativ schwach. Dank des guten ersten Quartals prognostizieren die Forscher für 2016 eine Zunahme der Ausrüstungsinvestitionen um 1,0 Prozent. Für 2017 rechnen sie mit +0,6 Prozent, für 2018 dann mit +3,9 Prozent. Damit
hätten die Ausrüstungsinvestitionen Ende 2018 wieder das Vorkrisenniveau erreicht.
2.3
Bauinvestitionen
Die Bauinvestitionen waren im ersten Halbjahr aufwärts gerichtet, wobei es witterungsbedingt zu einer Verschiebung vom zweiten in das erste Quartal gegeben hat. Positiv
wirken insgesamt die günstigen Finanzierungsbedingungen
Der Wohnungsbau bleibt die treibende Kraft für die Bauinvestitionen. Die gute Arbeitsmarktlage, die niedrigen Zinsen sowie die geringen Renditen alternativer Anlageformen
begünstigen die Wohnungsbauinvestitionen. Hinzu kommt der Bedarf an Unterkünften
für Flüchtlinge und Asylsuchende. Auf der anderen Seite stellt die hohe Kapazitätsauslastung in der Baubranche inzwischen einen Engpassfaktor dar. Der Prognose zufolge
nehmen die Wohnungsbauinvestitionen im laufenden Jahr um 4,1 Prozent und in den
kommenden beiden Jahren um 2,7 bzw. 3,4 Prozent zu.
Der gewerbliche Bau wird nur moderat zunehmen. Angesichts der schwachen Weltwirtschaft und der hohen Unsicherheit bleibt die Investitionsneigung der Unternehmen
gedämpft. Stützend wirken die öffentlichen Förderprogramme zum Breitbandausbau
sowie das Investitionsprogramm der Deutschen Bahn. Für 2016 erwarten die Institute
nur ein Plus von 0,2 Prozent. Im kommenden Jahr werden die Wirtschaftsbauinvestitionen der Prognose zufolge stagnieren, im Jahr 2018 dann um 2,0 Prozent steigen.
Der öffentliche Bau dürfte im Prognosezeitraum spürbar zunehmen. Die Finanzlage
von Bund, Ländern und vielen Gemeinden hat sich verbessert. Zudem werden infolge
des nachlassenden Zustroms von Flüchtlingen auf kommunaler Ebene wieder Kapazitäten frei, um geplante Bauvorhaben umzusetzen. Schließlich fließen Mittel aus dem
kommunalen Entwicklungsfonds in öffentliche Infrastrukturprojekte. Die Forschungsin-
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Die wirtschaftliche Lage in Deutschland
5
stitute erwarten eine Zunahme der öffentlichen Bauinvestitionen von 5,2 Prozent im
laufenden Jahr und von 2,2 bzw. 1,6 Prozent in den Jahren 2017 und 2018.
Die Bauinvestitionen insgesamt werden der Prognose zufolge im laufenden Jahr um
3,2 Prozent wachsen, im kommenden Jahr um 1,9 und im Jahr 2018 um 2,8 Prozent.
2.4
Privater Konsum
Der private Konsum bleibt eine entscheidende Konjunkturstütze. Angesichts steigender
Beschäftigung und höherer Entgelte nehmen die Lohneinkommen weiterhin spürbar
zu. Die monetären Sozialleistungen steigen kräftig, da einerseits die Renten deutlich
erhöht wurden und andererseits die Asylsuchenden und Flüchtlinge zunehmend Geldstatt Sachleistungen erhalten. Auch im kommenden Jahr bleibt die Einkommenssituation günstig. Allerdings werden wegen der steigenden Sozialversicherungsbeitragssätze
die Nettolöhne langsamer steigen als die Bruttolöhne. Die monetären Sozialleistungen
werden erneut kräftig expandieren. 2018 werden diese dann weniger stark steigen,
dafür dürften die Nettoentgelte wieder im Gleichklang mit den Bruttolöhnen zunehmen.
Insgesamt rechnen die Institute mit einem Anstieg der verfügbaren Einkommen im gesamten Prognosezeitraum um 2,7 bis 2,8 Prozent pro Jahr. Bei einer aktuell leicht steigenden und dann stabil bleibenden Sparquote sowie einer in den kommenden beiden
Jahren wieder anziehenden Inflation werden die privaten Konsumausgaben im laufenden Jahr um 1,8 Prozent zunehmen, in 2017 und 2018 um jeweils 1,3 Prozent.
Die Verbraucherpreisentwicklung hängt sehr stark von den Schwankungen der Energiepreise ab. Angesichts der auslaufenden Effekte des niedrigen Ölpreises wird die
Inflation allmählich zunehmen. Hinzu kommen in den kommenden beiden Jahren steigende Stromtarife infolge der Anhebung der EEG-Umlage. Vor allem aber wirken nach
Einschätzung der Institute die gestiegenen Arbeitskosten zunehmend preistreibend,
weil die Unternehmen diese nach und nach in höheren Preisen weitergeben können.
Im Jahresdurchschnitt 2016 wird die Inflationsrate noch bei +0,4 Prozent liegen. Für
2017 und 2018 erwarten die Forscher eine Teuerungsrate von 1,4 bzw. 1,5 Prozent.
2.5
Gesamtwirtschaftliche Produktion
Nachdem das BIP im ersten Quartal witterungsbegünstigt um 0,7 Prozent und im zweiten Jahresviertel um 0,4 Prozent gewachsen war, rechnen die Institute für das dritte
Quartal mit einer weiteren Abschwächung auf +0,3 Prozent. Darauf deuten die sehr
schwachen Konjunkturdaten aus dem Juli hin, wenngleich für August mit einer Gegenbewegung zu rechnen ist. Im Schlussquartal dürfte das BIP dann wieder etwas stärker
um 0,4 Prozent expandieren. Für 2017 und 2018 gehen die Forscher mit einem stabilen Wachstum in dieser Größenordnung aus. Im Jahresdurchschnitt ergibt dies für
2016 ein Plus von 1,9 Prozent. Im kommenden Jahr wird die Wachstumsrate auf
1,4 Prozent sinken, was aber auch an der geringeren Zahl von Arbeitstagen liegt. Kalenderbereinigt läge das Plus bei 1,6 Prozent. Für 2018 rechnen die Institute mit einem
BIP-Anstieg um 1,6 Prozent.
6
2.6
Die wirtschaftliche Lage in Deutschland
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Arbeitsmarkt
Die Beschäftigung ist weiter gestiegen, nicht zuletzt stieg im Zuge der Flüchtlingsversorgung der Bedarf an Arbeitskräften. Die Forscher erwarten auch für den Prognosezeitraum bis Ende 2018 einen anhaltenden Beschäftigungsaufbau. Dieser wird weiterhin von der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung getragen, insbesondere im
Dienstleistungssektor. Die Zahl der Selbstständigen wird leicht sinken, die geringfügige
Beschäftigung stagniert. Die Zahl der Erwerbstätigen wird der Prognose zufolge im
Jahresdurchschnitt 2016 um 525.000 steigen, in den beiden kommenden Jahren dann
um 430.000 bzw. 440.000. Die Arbeitslosigkeit wird aber nicht im selben Maße sinken,
sondern sogar leicht zunehmen. Denn das Erwerbspersonenpotenzial nimmt infolge
der Zuwanderung stärker zu als die Beschäftigung. Der Wanderungssaldo aus der EU
wird sich nach Ansicht der Institute nicht verringern, zumal zu erwarten ist, dass Wanderungsströme nach UK als Folge des Brexit-Votums zum Teil nach Deutschland umgelenkt werden. Vor allem im kommenden Jahr werden verstärkt Flüchtlinge und Asylsuchende auf den Arbeitsmarkt treten. Das inländische Erwerbspersonenpotenzial hingegen wird trotz der zunehmenden Erwerbsbeteiligung vor allem von Älteren sinken.
Alles in allem wird die Zahl der Arbeitslosen der Prognose zufolge im laufenden Jahresdurchschnitt noch um 103.000 abnehmen. 2017 dürfte sie dann um 4.000 auf 2,696
Millionen zunehmen, im Jahr 2018 um weitere 28.000 auf 2,724 Millionen. Die jahresdurchschnittliche Arbeitslosenquote wird angesichts dieser geringfügigen Veränderungen in allen drei Jahren stabil bei 6,1 Prozent liegen.
2.7
Mittelfristige Projektion
Das Produktionspotenzial in Deutschland wird nach den Berechnungen der Forschungsinstitute bis zum Jahr 2021 um jahresdurchschnittlich etwas über 1 ½ Prozent
zunehmen. Damit fällt die Zuwachsrate minimal höher aus als nach der Schätzung im
diesjährigen Frühjahrsgutachten. Das Arbeitsvolumen wird um 0,6 Prozent p.a. zunehmen, da die Nettozuwanderung den Rückgang und die Alterung der inländischen
Bevölkerung überkompensiert. Die Produktivität wird den Instituten zufolge um jährlich
0,7 Prozent und damit etwas stärker steigen als zuletzt. Die Wachstumsrate des Kapitalbestands wird auf Basis der Daten von 2015 auf 1,3 Prozent fortgeschrieben.
Das tatsächliche Wachstum wird nach Einschätzung der Institute bei 1 ½ Prozent pro
Jahr und damit minimal unter dem Potenzialwachstum liegen. Getragen wird die Konjunktur auch mittelfristig vor allem vom privaten Konsum. Spürbare Impulse kommen
auch von den Bauinvestitionen. Die Exporte werden nur verhalten zunehmen. Die Institute erwarten für die USA ein jahresdurchschnittliches Wachstum von 2 Prozent, für die
Eurozone von 1 ½ Prozent, für Japan von ½ Prozent und für China von 5 ¾ Prozent.
Dank der guten Binnenkonjunktur werden die Importe auf mittlere Frist stärker steigen
als die Exporte, sodass der Anteil des Außenhandels am BIP mittelfristig abnimmt.
Die Projektion basiert auf der Annahme, dass die Finanzpolitik in Deutschland von ihrer
derzeit expansiven Ausrichtung mittelfristig auf einen neutralen Kurs einschwenkt und
die Geldpolitik noch längere Zeit expansiv bleiben wird.
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Zur Wirtschaftspolitik
7
Zur Wirtschaftspolitik
Plädoyer für eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik
Die Institute bemängeln, dass die Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre in erster
Linie auf Umverteilung ausgerichtet war. Zukunftsorientierte Maßnahmen seien vernachlässigt worden. Defizite werden insbesondere in den Bereichen Infrastruktur, Bildung und Forschung sowie in der Unternehmensdynamik gesehen. Daher plädieren
die Forscher für eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik. Durch zusätzliche investive
Ausgaben für Bildung und Forschung sowie durch ein anreizfreundliches Steuersystem
müssten die Wachstumsperspektiven verbessert werden.
Die öffentlichen Haushalte würden 2017 und 2018 jeweils einen Überschuss von
0,5 Prozent des BIP aufweisen, wovon die Hälfte struktureller Natur sei. Diese Überschüsse sollten genutzt werden, die Steuer- und Abgabenbelastung zu senken und
investive Ausgaben zu erhöhen. Die Alterssicherungssysteme müssten demografiefester gestaltet werden, insbesondere durch eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit.
Kontraproduktiv sei vor diesem Hintergrund die sog. Lebensleistungsrente, da dadurch
das Äquivalenzprinzip weiter verwässert wird. Hingegen wird die geplante „Flexi-Rente“
positiv bewertet, da sie Zuverdienstmöglichkeiten erhöhe und Anreize schaffe, die Erwerbstätigkeit über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus zu erhalten.
Die immer expansivere Geldpolitik der EZB sehen die Institute als problematisch an.
Einerseits setze eine weitere Lockerung kaum mehr positive Impulse für die Realwirtschaft, weil die Impulse dort, wo sie dringend erforderlich seien, nicht ankämen.
Gleichzeitig stiegen die Risiken, die von der lockeren Geldpolitik ausgehen, immer weiter an. Sie setze einen Anreiz, dass die Verschuldung in vielen Ländern noch stärker
steige und notwendige strukturelle Reformen unterblieben. Zudem gefährdeten die
extrem niedrigen Zinsen die Stabilität des Finanzsystems. Die Mehrheit der Institute
plädiert deshalb dafür, dass die EZB vorerst keine weitere Lockerung ihrer Geldpolitik
vornimmt. Sollten bis Frühjahr 2017 Preisanstieg und Kapazitätsauslastung im Euroraum nicht zunehmen, wäre eine Fortsetzung der expansiven Politik angemessen. Das
IfW Kiel sowie das Konsortium aus RWI Essen und IHS Wien hingegen spricht sich
dafür aus, dass die EZB die Anleihekaufprogramme im März 2017 auf jeden Fall auslaufen lasse und den Expansionsgrad der Geldpolitik Schritt für Schritt zurückführe.
Mit Sorge betrachten die Institute die zunehmenden protektionistischen Tendenzen.
Diese seien weltweit zu beobachten, vor allem aber auch aus deutscher Sicht sehr
kritisch, da unser Land wie kaum ein anderes seinen Wohlstand aus der Integration in
die Weltwirtschaft schöpfe. Deshalb sei die Politik hierzulande besonders gefordert,
dem Protektionismus entgegen zu wirken. Die Institute kritisieren den Beschluss der
EU-Kommission, bei der Entscheidung über das CETA-Abkommen die nationalen Parlamente zu beteiligen. Dies schmälere die Erfolgsaussichten und mache die EU als
Verhandlungspartner für andere Weltregionen unattraktiv.
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4
9
Prognose für Deutschland
Prognose für Deutschland
Wichtige Eckdaten
Tabelle 2
Eckdaten der Prognose für Deutschland
Veränderung ggü. Vorjahr in Prozent
2017*
2018*
2016
2017*
2018*
1. HJ
2. HJ
1. HJ
2. HJ
+1,9
+2,2
+3,5
+1,0
+3,2
+2,7
+2,3
+2,4
248,6
+1,4
+1,6
+2,4
+0,6
+1,9
+2,7
+2,0
+2,8
247,1
+1,6
+1,5
+2,1
+3,9
+2,8
+2,6
+4,2
+5,2
251,6
+1,5
+1,7
+2,2
-0,5
+2,1
+2,7
+1,6
+1,9
130,1
+1,2
+1,6
+2,6
+1,7
+1,7
+2,6
+2,4
+3,6
117,0
+1,5
+1,5
+2,2
+3,5
+2,8
+2,6
+4,0
+5,0
132,4
+1,7
+1,5
+2,0
+4,2
+2,7
+2,6
+4,3
+5,3
119,1
Verbraucherpreise
+0,4
+1,5
+1,6
-
-
-
-
Produktivität je Stunde
Arbeitszeit je Erwerbstätigen
+0,8
+0,1
+0,5
-0,3
+0,7
-0,1
+0,9
-0,3
+0,5
-0,3
+0,5
±0,0
+1,0
-0,2
Unternehmens- u. Vermögenseinkommen
Arbeitnehmerentgelt
+3,6
+3,5
+1,8
+3,6
+2,7
+3,7
+1,7
+3,6
+2,0
+3,5
+2,4
+3,7
+3,1
+3,7
Bruttolöhne und -gehälter
Bruttolöhne und -gehälter je Beschäftigten
+3,6
+2,2
+3,5
+2,3
+3,7
+2,5
+3,5
+2,4
+3,5
+2,2
+3,7
+2,5
+3,7
+2,6
Sparquote (in Prozent des Einkommens)
9,7
9,8
9,8
11,4
8,3
11,4
8,3
Erwerbstätige im Inland, in Tsd.
Arbeitslose, in Tsd. (nationale Definition)
43.581
2.692
preisbereinigt
Bruttoinlandsprodukt
Konsumausgaben der privaten Haushalte
Konsumausgaben des Staates
Ausrüstungsinvestitionen
Bauten
Sonstige Anlageinvestitionen
Exporte
Importe
Exportüberschuss, nominal in Mrd. €
Arbeitslosenquote aller inländischen
Erwerbspersonen in Prozent
Erwerbslose in Tsd.
(Definition nach ILO)
Erwerbslosenquote aller inländischen
Erwerbspersonen in Prozent.
*Prognose der Institute
44.012 44.453
2.696 2.724
6,1
6,1
6,1
1.807
1.786
1.678
4,2
4,1
3,8
10
Anhang
Information – Herbstgutachten 2016 der
Wirtschaftsforschungsinstitute
bayme vbm vbw – Oktober 2016
Anhang
Mitglieder der Projektgruppe:
-
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V.
www.diw.de
in Kooperation mit:
Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung
www.wifo.ac.at
-
ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität
München e.V.
www.ifo.de
in Kooperation mit:
KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich
www.kof.ethz.ch
-
Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle
www.iwh-halle.de
in Kooperation mit:
Kiel Economics
www.kieleconomics.de
-
Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung
www.rwi-essen.de
in Kooperation mit:
Institut für Höhere Studien Wien
www.ihs.ac.at
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Ansprechpartner / Impressum
Ansprechpartner
Volker Leinweber
Abteilung Planung und Koordination / Volkswirtschaft
Telefon 089-551 78-133
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Tobias Kochta
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Impressum
Alle Angaben dieser Publikation beziehen sich grundsätzlich sowohl
auf die weibliche als auch auf die männliche Form. Zur besseren
Lesbarkeit wurde meist auf die zusätzliche Bezeichnung in weiblicher
Form verzichtet.
Herausgeber:
bayme
Bayerischer Unternehmensverband Metall und Elektro e. V.
vbm
Verband der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie e. V.
vbw
Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.
Max-Joseph-Straße 5
80333 München
www.baymevbm.de
www.vbw-bayern.de
© bayme vbm vbw Oktober 2016
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