Vorlesung_Geschmiert..

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14
Geschmierte Systeme
Zur Verminderung der Reibungskraft und des Verschleißes werden seit Jahrtausenden
Schmiermittel eingesetzt, deren Wirkung darauf beruht, dass direkter Kontakt zwischen zwei
Festkörpern verhindert und dadurch die trockene Reibung durch die Flüssigkeitsreibung
ersetzt wird. Die Anwesenheit einer Flüssigkeitsschicht zwischen zwei Festkörpern
beeinflusst aber nicht nur Tangentialkräfte sondern auch Normalkräfte: Zwei trockene
Glasscheiben können ohne Mühe auseinandergenommen werden, während zum
Auseinandernehmen von zwei nassen Scheiben eine erhebliche Kraft erforderlich sein kann.
Dieses Phänomen kann zum einen auf die Kapillarkräfte zurückgeführt werden, die wir im
nächsten Kapitel diskutieren, zum anderen kann von rein hydrodynamischer Natur sein: Eine
viskose Flüssigkeit braucht eine gewisse Zeit um in einem engen Spalt zwischen zwei
Scheiben „zusammenzufließen“. Diese Erscheinung führt bei dynamischen Beanspruchungen
zu einer scheinbaren „Adhäsion“ zwischen geschmierten Körpern, die wir als „viskose
Adhäsion“ bezeichnen.
In geschmierten Tribosystemen haben wir es in den meisten Fällen mit nicht turbulenten
Strömungen zu tun. Die Schmiermittel können weiterhin in guter Näherung als
inkompressibel angenommen werden. Die Grundlage für die Theorie der hydrodynamischen
Schmierung und der viskosen Adhäsion bildet die stationäre Strömung zwischen zwei
parallelen Platten.
14.1
Strömung zwischen zwei parallelen Platten.
Die Dynamik einer linear-viskosen (Newtonschen) Flüssigkeit wird durch die Navier-StokesGleichung gegeben, die für inkompressible Flüssigkeiten die folgende Form annimmt
G
dv
G
ρ
= −∇p + ηΔv .
(1.1)
dt
wobei ρ die Dichte und η die dynamische Viskosität der Flüssigkeit sind. Eine
inkompressible Flüssigkeit genügt darüber hinaus der Gleichung
G
divv = 0 .
(1.2)
Bei quasistatischen Strömungen (so genannte schleichende Strömungen), mit denen wir in
den Schmierungsproblemen meistens zu tun haben, kann der Trägheitsterm in der NavierStokes-Gleichung vernachlässigt werden und sie nimmt die folgende Form an
G
ηΔv = ∇p .
(1.3)
Betrachten wir jetzt zwei Platten getrennt durch eine flüssige Schicht (Bild 1). Im allgemeinen
Fall können sich die Platten relativ zu einander bewegen. Ohne Einschränkung der
Allgemeinheit können wir die Geschwindigkeit der unteren Platte als Null annehmen. Die
Geschwindigkeit der oberen Platte bezeichnen wir durch v0 .
v0
z
h
x
Bild 1.
Wir betrachten eine stationäre Strömung in der x-Richtung. Demnach hat die Geschwindigkeit
G
nur die x-Komponente, die aber nur von der z-Koordinate abhängt: v = ( v ( z ),0 ) . Die
Gleichung (1.3) nimmt die folgende Form an
⎛ ∂2
∂p
∂2 ⎞
∂ 2v
= η ⎜ 2 + 2 ⎟ vx = η 2
∂x
∂z ⎠
∂z
⎝ ∂x
(1.4)
⎛ ∂2
∂p
∂2 ⎞
= η ⎜ 2 + 2 ⎟ vz = 0
∂z
∂z ⎠
⎝ ∂x
(1.5)
Aus (1.5) folgt, dass der Druck von der vertikalen Koordinate z nicht abhängt: p = p( x ) .
Zweimalige Integration von (1.4) ergibt
ηv =
∂p z 2
⋅ + C1 z + C2
∂x 2
(1.6)
Aus den Randbedingungen v (0) = 0 und v ( h ) = v0 folgt C2 = 0 und C1 =
η v0
d
−
∂p h
⋅ . Die
∂x 2
Geschwindigkeitsverteilung wird somit mit
ηv =
∂p z( z − h ) η v0
⋅
+
z
h
2
∂x
(1.7)
gegeben.
14.2
Hydrodynamische Reibung
v
Bild 2.
Betrachten wir jetzt zwei im Bild 2 skizzierte Körper. Die Oberfläche des einen sei etwas
geneigt relativ zur Oberfläche des zweiten Körpers, die wir hier als absolut eben und glatt
annehmen. Bei kleiner Neigung kann man die Strömung an jedem Punkt als eine Strömung
zwischen zwei parallelen Platten betrachten und für die Geschwindigkeitsverteilung die
Gleichung (1.7) benutzen:
z ( z − h ) v0
v = p '⋅
+ z
(1.8)
h
2η
Hier haben wir den Druckgradienten mit p ' bezeichnet.
Aus der Massenerhaltung folgt, dass die über jeden Querschnitt pro Zeiteinheit fließende
Flüssigkeitsmenge konstant ist:
⎛
z ( z − h ) v0
+
Q = ∫ v ( z )dz = ∫ ⎜ p '⋅
2η
h
0
0⎝
h
h
⎞
h 3 v0 h
+
= const
z ⎟ dz = − p '
12η
2
⎠
Für den Druckgradienten erhalten wir demnach
(1.9)
dp
⎛ 1 C⎞
= −6η v0 ⎜ 2 − 3 ⎟ .
dx
h ⎠
⎝h
(1.10)
Bei einem linearen Anstieg der Höhe h = h0 + ax kann (1.10) explizit integriert werden und
wir bekommen für den Druck
6η v0 ⎛ 1 C ⎞
⎛ 1 C⎞
p = pext − 6η v0 ∫ ⎜ 2 − 3 ⎟dx = pext −
⎜ − ⎟dh
h
h ⎠
a h∫0 ⎝ h 2 h 3 ⎠
x0 ⎝
x
= pext −
h
⎛ 1
6η v0 ⎛ ⎛ 1 1 ⎞
1 ⎞⎞
⎜⎜ ⎜ − ⎟ − 2C ⎜ 2 − 2 ⎟ ⎟⎟
a ⎝ ⎝ h h0 ⎠
h0 ⎠ ⎠
⎝h
Bei der bestimmten Integration haben wir berücksichtigt, dass p( x0 ) = pext ist. Auf der
anderen Seite ist der Druck ebenfalls gleich dem Aussendruck pext , woraus sich ergibt:
hh
2C = 0 1 . Für die Druckverteilung erhalten wir somit
h0 + h1
p = pext −
6η v0 ⎛ ⎛ 1 1 ⎞
h0 h1 ⎛ 1
1 ⎞⎞
⎜⎜ ⎜ − ⎟ −
⎜ 2 − 2 ⎟ ⎟⎟
a ⎝ ⎝ h h0 ⎠ h0 + h1 ⎝ h
h0 ⎠ ⎠
(1.11)
Sind sowohl die Geschwindigkeitsverteilung als auch die Druckverteilung bekannt, so kann
man leicht die x- und z-Komponenten der auf den oberen Körper wirkenden Kraft berechnen.
Für die vertikale Kraftkomponente gilt
η ABx v0
L = ∫ dxdy ( p − pext ) =
α
(1.12)
h02
mit α =
⎡
2(ξ − 1) ⎤
⎢ln ξ − ξ + 1 ⎥ und ξ = h1 / h0 .
(ξ − 1) ⎣
⎦
6
2
Die horizontale Kraftkomponente ist durch die viskose Spannung σ xz = η
berechnet sich zu
∂v
η Av0
F = η ∫ dxdy
=
β
∂
z
h
0
A
z =0
1 ⎡
6(ξ − 1) ⎤
.
4ln ξ −
⎢
ξ −1⎣
ξ + 1 ⎥⎦
Die Abhängigkeit der Parameter α und β von ξ ist im Bild 3 gezeigt.
mit β =
Bild 3.
Für den Reibungskoeffizienten erhalten wir
∂v
verursacht und
∂z
(1.13)
k=
F ⎛ h0 ⎞ β
=⎜ ⎟ .
L ⎝ Bx ⎠ α
(1.14)
Der Reibungskoeffizient hängt von dem im Kontaktgebiet herrschenden mittleren Druck ab.
Wenn wir die Spaltbreite h0 aus (1.12) berechnen und in (1.14) einsetzen, erhalten wir
A η v0
⋅
.
(1.15)
α Bx P
P ist hier der mittlere Druck im Kontaktgebiet: P = L / A . Bei gleichen geometrischen
ηv
Bedingungen ist der Reibungskoeffizient eine Funktion der Parameterkombination 0 . Je
P
Größer der Druck, desto kleiner der Reibungskoeffizient. Zu beachten ist aber, dass die
ηv
Spaltdicke mit dem steigenden Druck ebenfalls abnimmt: h0 = α Bx 0 . Bei ausreichend
P
kleinen Spaltdicken bricht die oben stehende Theorie zusammen, da der Einfluss von
Rauhigkeiten wesentlich wird und das System in das Gebiet der Grenzschichtreibung
übergeht. Bei noch größeren Drucken steigt deshalb der Reibungskoeffizient wieder an. Die
η v0
Abhängigkeit des Reibungskoeffizienten von dem Parameter
nennt man „StribeckP
Kurve“. Sie beschreibt die Abhängigkeit von allen auftretenden Parametern. Insbesondere
bestimmt sie die Abhängigkeit der Reibungskraft in einem geschmierten System von der
η v0
hat diese Abhängigkeit einen universellen
Geschwindigkeit. Bei großen Werten von
P
Charakter. Im Bereich der Grenzschichtreibung dagegen hängt der Verlauf der Kurve von
Eigenschaften der Fläche und der Schmiermittel ab.
k=β
Bild 4
Zur Grenzschichtenreibung kommt es auch bei einer Verminderung der Gleitgeschwindigkeit.
Je größer die Geschwindigkeit, desto größer die Schichtdicke des Schmiermittels und desto
seltener kommen die Flächen in direkten Kontakt an Rauhigkeiten. Das sieht man an
experimentellen Ergebnissen im Bild 5.
Bild 5.
14.3 „Viskose Adhäsion“
Befindet sich zwischen zwei Körpern eine flüssige Schicht, so können diese weder schnell an
einander gedrückt noch schnell getrennt werden. Der letztere Effekt wird oft als eine Art
„Adhäsion“ empfunden. Bei dynamischen Vorgängen ist es oft schwer zwischen einer
„echten“ Adhäsion (die entweder durch die Oberflächenkräfte zwischen Festkörpern oder
Kapillarbrücken bedingt ist) und dieser „viskosen Adhäsion“ zu unterscheiden. Die
Annäherung zweier Körper mit einer flüssigen Zwischenschicht kann nur durch
„Ausquetschen“ der Schicht passieren. Bei der Trennung muss die Flüssigkeit wieder in den
Spalt einfließen, es sei denn die Trennung geschieht durch Sieden (Bildung und
Zusammenfließen von Dampfblasen). Beide Prozesse erfordern jedoch eine bestimmte Zeit.
Wir beginnen mit der Betrachtung der Annäherung zweier runder Platten mir dem Radius R
mit einer flüssigen Zwischenschicht (Bild).
Bild.
Die durch die vertikale Annährung von Platten ausgequetschte Flüssigkeit führt zu einer
radialen Strömung. Aus Symmetriegründen ist klar, dass die Strömungsgeschwindigkeit radial
symmetrisch ist. Ist die Dicke des Spaltes zwischen den Platten viel kleiner, als der Radius der
Platten, so ist die radiale Komponente der Geschwindigkeit viel größer als die
Annährungsgeschwindigkeit und wir haben es im wesentlichen mit der Strömung unter der
Wirkung eines Druckgradienten zu tun, die wir im vorigen Paragraphen betrachtet haben. Die
Geschwindigkeit ist demnach gleich
v = p'
z( z − h )
2η
(1.16)
wobei p ' = ∂p / ∂r .
Der Volumenstrom durch eine zylindrische Fläche mir dem Radius r ist
πr h
π rh3
.
Q = ∫ 2π rv ( z )dz = p ' ∫ z ( z − h )dz = − p '
6η
η 0
0
h
(1.17)
Dieser Strom muss andererseits gleich dem Volumenstrom Q = −π r 2 h durch die obere Fläche
der Schicht dank der vertikalen Bewegung der oberen Platte sein:
π rh 3
2
−π r h = p '
.
(1.18)
6η
6ηπ rh
Für den Druckgradienten ergibt sich daraus p ' =
oder nach einer einmaligen
π h3
Integration
6ηπ h
3ηπ h 2
p=
rdr =
r +C .
(1.19)
3 ∫
πh
π h3
Die Integrationskonstante bestimmt sich aus der Randbedingung p( r = R) = p0
(Aussendruck):
3ηπ h 2
3ηπ h 2
C
p
R .
p0 =
R
+
C
,
=
−
(1.20)
0
π h3
π h3
Die Druckverteilung (1.19) nimmt somit endgültig die Form
3ηπ h 2
p=
r − R 2 ) + p0
(1.21)
3 (
πh
an. Berechnen wir die auf die vertikale Platte wirkende Druckkraft
R
R
6ηπ h
3ηπ h 4
2
2
(1.22)
−
=
−
F = ∫ 2π r ( p( r ) − p0 ) dr =
r
R
rdr
R .
(
)
2h 3
h 3 ∫0
0
Bei der vorgegebenen Kraft können wir jetzt die Zeit berechnen, die gebraucht wird, damit
sich die Platten von einem Abstand h0 bis zum Abstand h annähern:
t
h
2F
dh
∫0 3ηπ R4 dt = − h∫ h3 ,
0
2F
1⎛ 1
1⎞
(1.23)
t = ⎜ 2 − 2 ⎟.
4
h0 ⎠
3ηπ R
2⎝ h
Bei großen Anfangsabständen hängt diese Zeit praktisch nur von dem minimalen Abstand ab,
der zu erreichen ist:
3ηπ R 4
t=
.
(1.24)
4 Fh 2
Hängt die Kraft F von der Zeit ab, so gilt
t
3ηπ R 4
(
)
F
t
dt
=
.
∫0
4h 2
Das heißt, die minimale erreichbare Schichtdicke hängt nur vom Kraftstoß ab.
(1.25)
Zur Illustration dieser Idee betrachten wir einen mit einer viskosen Flüssigkeit beschmierten
Körper, der gegen die Decke mit der Geschwindigkeit v geworfen wird. Wie lange wird er
anschließend an der Decke hängen bleiben? Vor dem Stoß ist der Impuls des Körpers gleich
Mv . Er wird während des Stoßes durch den Kraftstoß auf Null gebracht. Der Kraftstoß ist
demnach auch gleich Mv . Da der Kraftstoß zur Annäherung bis zum Abstand h gleich dem
Kraftstoß zum Trennen vom Abstand h ist, muss der Kraftstoß der Schwerekraft bis zum
Abreißen Mgt gleich Mv sein. Daraus folgt, dass t = v g . Das gilt nur für Newtonsche
Flüssigkeiten.
Impuls = Mv
F = Mg
Aus (1.25) folgt, dass die viskose Adhäsion mit Newtonschen Flüssigkeiten zum Gehen auf
der Decke nicht benutzt werden kann. Anders ist es, wenn die Viskosität einer Flüssigkeit
vom Geschwindigkeitsgradienten abhängig ist. Wie man der Gleichung (1.25) entnehmen
kann, ist der Kraftstoß zur Annäherung bis zur Schichtdicke h (bzw. zum Auseinandernehmen
der Platten vom Abstand h) proportional zur Viskosität. Bei nichtlinear viskosen Flüssigkeiten
hängt die Viskosität von der Geschwindigkeit ab. Schiebt man die Platten zunächst sehr
schnell zusammen und dann langsam auseinander, so ist der positive Kraftstoß bei der
Annährung kleiner als der negative bei Auseinandernehmen der Platten. Diese Differenz kann
dazu benutzt werden, um einen sich so bewegenden Körper im Gleichgewicht an der Decke
zu halten. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass die Videoaufnahmen von auf der
Decke spazierenden Fliegen zeigen, dass sie die Füße an die feste Oberfläche sehr schnell
andrücken (mit einem Schlag). Die Entfernung des Fußes von der Oberfläche passiert viel
langsamer. Das könnte bedeuten, dass die Haltekraft der Fliegen auf der Decke mindestens
zum Teil durch die „viskose Adhäsion“ bedingt ist.
η = η (v h)
3πη1R 4
Impuls =
4h 2
Bild.
<
3πη2 R 4
Impuls =
4h 2
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