Pflanzenschutzinformation Landesamt für Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Flurneuordnung Baumschulen und Landschaftsgartenbau Pflanzenschutzdienst des Landes Brandenburg Nelkenwickler (Cacoecimorpha pronubana HÜBNER) H ) Herkunft und Bedeutung Seit mehreren Jahren wird bundesweit zunehmend über Einzelnachweise des Mittelmeernelkenwicklers berichtet. Dieser Kleinschmetterling aus der Familie der Tortricidae (Wickler) stammt aus Afrika. In der Regel wird der Schädling als Puppe mit Pflanzenware aus klimatisch begünstigten Ländern Süd- oder Westeuropas und zum Teil auch innerhalb Deutschlands eingeschleppt und gilt als neue, potentiell invasive Art, die ihr Areal anscheinend nach Norden und Osten erweitert. Der Befall wird oftmals relativ spät erkannt, so dass sich am Standort bereits mehrere Generationen entwickeln konnten. Der Nelkenwickler kann an einer Vielzahl von Laubgehölzen, auch Nadelgehölzen, krautigen Zierpflanzen sowie Gemüsepflanzen schädigen. Es werden jährlich mehrere Pflanzenarten festgestellt, die bisher nicht befallen waren. 2003 fielen Chamaecyparis lawsoniana, Prunus laurocerasus, Ilex spec. und Cotoneaster spec. als neue Wirtspflanzen auf. Vorrangig sind Pflanzen unter Glas oder Folie befallen. Die Übertragung mit Jungpflanzen, Fertigware und mit Schnittblumen ist häufig. Ein Austrag des Befalls ins Freiland, zum Beispiel in Baumschulen, Haus- und Vorgärten, Beet- und Terrassenbepflanzungen ist mittlerweile die Regel. Oftmals werden Rückläufer aus Verkaufsstellen und Überwinterungspflanzen mit Nelkenwicklerbefall im Herbst eingeräumt. Ein aktives Ausfliegen der Falter in Freilandbestände, Bildung einer zumindest partiellen Freilandpopulation und Rückflug von Faltern in den geschützten Anbau sind nicht ausgeschlossen. Aus Süddeutschland sind Freilandüberdauerungen der Puppen bis zu Temperaturen von unter -10° C bekannt. In Brandenburg wurden 2004 me hrere Verdachtsfälle von Freilandpopulationen, die bis - 16°C überstanden ha ben können, festgestellt. In der Innenraumbegrünung ist der Befall allgemein gefürchtet. Der Anfangsbefallsherd meistens die Pflanzenpartie, mit der der Schädling eingetragen wurde - ist noch über mehrere Generationen mit permanentem Stärkstbefall eindeutig identifizierbar. In den Folgegenerationen kommt es zum Ausstrahlen des Befalls und mit zunehmender Entfernung vom Erstbefallsort zur Abschwächung der Befallsintensität. Biologie Der Nelkenwickler entwickelt in Mitteleuropa im Freiland mindestens zwei Generationen, deren Raupen ihre Hauptfraßperioden im Mai/Juni und August/September, in günstigen Jahren und bevorzugten Lagen auch in einer Folgegeneration Oktober/November, haben. Erste Schäden durch die Jungraupen können im geschützten Anbau bereits im März erscheinen, so dass auf Aktivitäts- und Eiablagebeginn im Februar/März geschlossen werden kann, während im Freiland die Falteraktivität erst Ende April beginnen dürfte. Meist sind Fraßsymptome der jüngeren und älteren Larven, Schabe- bis Lochfraß unter einem leichten Gespinst und zwischen zusammen gesponnenen Blättern an den Triebspitzen oder an den Blüten auffällig. Ein Fraß der Raupen an den Rändern nicht entfalteter Blätter verursacht eine lanzettförmige Ausformung der Laubblätter. Abb.1: Befall in Ilex-Triebspitze Abb.2: Befall in Cotoneaster-Triebspitze Abb.3: Triebspitze von Prunus laurocerasus nach frühem Raupenfraß Bei starkem Befall treten mehrere der hell- bis olivgrünen Larven je Pflanze und je Triebspitze auf. Die Raupen werden bis 20 mm groß. In den zusammen gesponnenen Blatttüten verpuppen sich die Altlarven und die Spätsommer- bzw. Herbstgeneration überwintert hier als schwarz-braune Puppe. Abb. 4: Jungraupe Abb. 5: Altraupe Abb. 6: Puppe im Gespinst Abb.7: Puppe frei gelegt In günstigen Jahren ist in Gewächshäusern die Ausbildung einer vollen dritten, eventuell sogar einer vierten Generation wahrscheinlich. In einem konkreten Fall des Jahres 2003 im teilweise überbauten Raum ("Halbfreiland") flogen Falter einer dritten Generation ab Mitte September und legten erneut Eier ab, aus denen auch Raupen schlüpften. Aus Südosteuropa sind 5 und mehr mögliche Generationen bekannt. Hier ist an der Adriaküste innerhalb von Wohnsiedlungen bereits Mitte Mai starke Falteraktivität (2. Generation?) und Raupenbefall an Pyrus, Juglans, Quercus u.a. allgemein zu beobachten. Der Falter trägt ockergelb gefärbte, braun gestreifte Vorderflügel und hellorange Hinterflügel. Er ähnelt unseren heimischen Schalen- und Gehölzwicklerarten (vergl. Obstbau: Adoxophyes-, Archips- und Pandemis-Arten). Er hat eine Flügelspannweite von 10 bis17 mm (Männchen) bzw. 18 bis 24 mm (Weibchen). Männchen sind deutlich kontrastierter gezeichnet als die Weibchen. Der Kleinschmetterling fliegt tagsüber auffällig im Sonnenschein, ist aber auch nachtaktiv und kommt ans Licht. Abb. 8: Weibchen Abb. 9: Männchen Die hellgrünen Eiablagen sind auf den Blattoberseiten der Triebspitzen in Spiegeln zu ca. 200 Eiern dachziegelartig übereinander befestigt. Insgesamt können 400 bis 700 Eier von jedem Weibchen abgelegt werden. Nach dem Schlupf der Raupen bleiben die Eihüllen als silbriger Belag auf dem Blatt teilweise mehrere Wochen erhalten. Eier werden oft am Glas abgelegt. Die Embryonalentwicklung dauert 10-15 Tage. Die Raupen durchlaufen 7 Entwicklungsstadien. Die Raupenentwicklung dauert 20-40 Tage. Bei Temperatur um 15 oC benötigen die Nelkenwickler für die Entwicklung vom Ei bis zum erwachsenen Tier 123-147 Tage, bei 30 oC jedoch nur 28 - 44 Tage. Optimal für die Raupenentwicklung ist eine relative Luftfeuchtigkeit von 40-70 %. Wenn die Luftfeuchtigkeit auf Werte um 90 % steigt, ist die Absterberate der Raupen sehr hoch. Abb. 10: Frisches, teilweise geräumtes Gelege Abb. 11: Altes Eigelege Neben dem Mittelmeernelkenwickler kann eine weitere, aus Südafrika stammende Nelkenwicklerart (Epichoristodes acerbella) auftreten. Im Freilandanbau können eine Vielzahl heimischer Wicklerarten besonders an Rosa- und Prunus-Arten ähnliche Schäden verursachen. Deshalb ist bei Befallsverdacht eine eindeutige Bestimmung erforderlich. Gegenmaßnahmen Wichtig besonders für den Handel mit Ziergehölzen: Kontrollieren Sie jede Pflanzenzuführung vor allem im zeitigen Frühjahr und Herbst aus den o.g. Gebieten besonders aus Anbau unter Glas oder Folie! Bei Befallsverdacht informieren Sie sofort den Pflanzenschutzdienst! Die Bekämpfung mit Insektiziden ist nicht in jedem Falle erfolgreich. Deshalb und weil bei Bedarf auch eine Einzelfallgenehmigung eines zugelassenen Präparates in einem anderen als dem mit der Zulassung festgesetzten Anwendungsgebiet erforderlich werden kann und gesonderte Kontrollmaßnahmen durchzuführen sind, ist eine Meldung an den Pflanzenschutzdienst sinnvoll. In der Regel sind bei spätem Erkennen des Befalls mehrmalige gezielte Behandlungen erforderlich, da zumindest ab Spätsommer mehrere Entwicklungsstadien gleichzeitig auftreten. Relativ sicher zu bekämpfen sind die Ei- und Junglarven in den Triebspitzen. Hoher Applikationsdruck und ausreichende Brüheaufwandmenge sind Bedingung für eine ausreichende Wirkung der Insektizide. Zur Überwachung des Falterfluges und der Bestimmung des optimalen Bekämpfungstermines eignet sich ein Pheromon (Sexual-Lockstoff) des Nelkenwicklers, das im Handel angeboten wird. Dieses synthetisch hergestellte Pheromon in einer Delta-Trap mit Leimfläche oder einer Trichterfalle eignet sich auch bei unklarem Befallsverdacht zum Nachweis des Falters als relativ sicherer indirekter Artnachweis, der vor allem zum Erkennen des Befallsdruckes in benachbarten Gewächshäusern mit Zier- und Gemüsepflanzen wichtig ist. Achtung: In die Fallen mit dem Nelkenwicklerpheromon fliegen bei starkem Aktivitätsdruck auch die Falter verwandter Wicklerarten, Langhornmotten, Schlehenspinner, Schwammspinner, Hausmutter (Eulenfalter) und andere Nachtfalter ein. Herausgeber: Text und Fotos: Telefon: Landesamt für Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Flurneuordnung (LVLF) Am Halbleiterwerk 1, 15236 Frankfurt (Oder) Manfred Lehmann - LVLF – Pflanzenschutzdienst – Ref. Gartenbau und öffentliches Grün Vom-Stein-Straße 30 03050 Cottbus 0355 4991 7167 e-mail: [email protected]