6 Antennen In diesem Kapitel werden Strukturen betrachtet, die geeignet sind, elektromagnetische Wellen, die sich frei im Raum ausbreiten, zu erzeugen (man spricht von Sendeantennen) oder zu empfangen (Empfangsantennen). Im ersten Abschnitt wird dieser Vorgang in einer allgemein gehaltenen, qualitativen Art und Weise beschrieben und so kann im zweiten Abschnitt bereits die Funktion der einfachsten Dipol-Antenne verstanden werden. Der dritte Abschnitt stellt eine Reihe von Antennentypen vor, wie sie in der Praxis benützt werden. Im vierten Abschnitt wird auf charakteristische Eigenschaften des elektromagnetischen Feldes von Antennen eingegangen und es werden einige wichtige Parameter zu dessen Beschreibung definiert. Im fünften Abschnitt schliesslich wird das Feld der einfachsten Antennen explizit berechnet und die im vierten Abschnitt allgemein definierten Antennen-Parameter formelmässig angegeben. 6.1 Einführung Eine Antenne im weitesten Sinn ist eine Anordnung verschiedener Bauteile, mit der man elektromagnetische Wellen in den freien Raum abstrahlen kann. Obwohl es auf den ersten Blick nicht offensichtlich ist, kann jede Sendeantenne immer auch empfangen. Es ist sogar so, dass die wesentlichen Eigenschaften einer vorgegebenen Antenne nicht vom Betriebsmodus (senden oder empfangen) abhängen, sondern in beiden Fällen gleich sind. Wir werden im Folgenden hauptsächlich an den Sendemodus denken, weil dieser Fall gedanklich einfacher zu erfassen ist. Eine Sendeeinrichtung besteht im wesentlichen aus drei Teilen: • Ein Verstärker erzeugt elektromagnetische Energie und gibt diese an eine • Übertragungsleitung ab. Auf dieser Leitung fliesst die elektromagnetische Energie zur • Antenne, welche die leitungsgebundene Welle in eine frei im Raum ausbreitungsfähige elektromagnetische Welle transformiert. Aus dieser Beschreibung geht unmittelbar hervor, dass der Begriff Antenne im engeren Sinne nur einem abgegrenzten Teil der gesamten Sendeeinrichtung vorbehalten ist. Trotzdem gehört zu jeder Antenne immer auch ein (möglicherweise kleiner) Teil der Speiseleitung. Eine wirksame Antenne muss so ausgelegt sein, dass ein möglichst grosser Teil der durch die Speiseleitung übertragenen elektromagnetischen Energie in die abgestrahlten elektromagnetischen Wellen transferiert wird. 171 172 KAPITEL 6 ANTENNEN Leitung Verstärker Antenne Bild 6.1: Sendeeinrichtung mit Verstärker, Leitung und Antenne. Im Fall der Empfangsantenne dreht sich lediglich die Richtung des Energieflusses um. Die Antenne dient als Sensor, um die freien elektromagnetischen Wellen in eine geführte Welle umzuwandeln. Hier dient die Speiseleitung dazu, die empfangene Energie zur weiteren Signalverarbeitung zum Eingangsverstärker des Empfängers zu leiten. Die Antenne kann somit als Umwandler zwischen geführten und freien elektromagnetischen Wellen gesehen werden. Damit wir ihre Funktion richtig verstehen, wollen wir uns kurz die wesentlichen (und ziemlich unterschiedlichen) Eigenschaften der Felder von freien und gebundenen Wellen in Erinnerung rufen: • Bei den geführten Wellen sind Quellen (Ströme und Ladungen1 ) auf der Leitung vorhanden. Die von den Quellen verursachten Felder klingen mit zunehmender Entfernung r von den Quellen rasch ab, im Allgemeinen mindestens wie 1/r 2 . Das elektrische Feld ist mit den Ladungen, das magnetische Feld mit den Strömen verhängt, und beide Teilfelder sind relativ unabhängig voneinander. Es gibt eine Kopplung dieser Felder vor allem wegen der Ladungserhaltung, welche Stromänderungen und Ladungen eindeutig miteinander verknüpft. Die Feldquellen spielen somit bei den gebundenen Feldern die dominante Rolle. In der Tat ist hier die Kenntnis der komplizierten dreidimensionalen Felder in der Regel gar nicht nötig. Es genügt eine auf Strömen und Spannungen basierende Beschreibung des Systems. Allenfalls werden auf der Zuleitung hin- und herlaufende Moden mit je festem Strom-Spannungsverhältnis angesetzt. • Ganz anders liegen die Verhältnisse bei den freien elektromagnetischen Wellen. Diese zeichnen sich ja gerade durch das Fehlen der Quellen aus. Trotzdem sind sie eigenständig und können sich im freien Raum ausbreiten. Der Ausbreitungsmechanismus beruht bekanntlich auf der Wechselwirkung zwischen elektrischem und magnetischem Feld. Die zeitliche Änderung des Magnetfeldes hat eine Verwirbelung des elektrischen Feldes zur Folge, und dieses natürlich auch zeitabhängige elektrische Feld bewirkt seinerseits wieder ein Magnetfeld, usw. Dass sich aus 1 Bei dielektrischen Wellenleitern auch ans Material gebundene Verschiebungsströme! 6.1 EINFÜHRUNG 173 der gegenseitigen Abhängigkeit der beiden Teilfelder tatsächlich frei existierende ausbreitungsfähige Wellen ergeben, wurde von Maxwell postuliert und später von Heinrich Hertz erstmals experimentell nachgewiesen (vgl. Felder & Komponenten I [1]). Die wichtigsten Eigenschaften der zu diesen Wellen gehörigen Felder sind ~ und das magnetische Feld H ~ stehen senkrecht aufeina) Das elektrische Feld E ander. ~ und H ~ ist konstant gleich der materialb) Das Verhältnis der Beträge von E abhängigen Wellenimpedanz: q ~ H| ~ = Zw = µ/ε (≈ 377 Ω im Vakuum). |E|/| c) Die Welle breitet sich im homogenen Raum geradlinig aus. d) Wird die Welle von einer räumlich begrenzten Anordnung von Quellen erzeugt, fällt ihre Amplitude2 weit weg von den Quellen nur mit 1/r ab, im Gegensatz zu den mit 1/r 2 abfallenden statischen Feldern. Die angegebenen Tatsachen für beide Arten von elektromagnetischen Feldern können streng aus den Maxwellschen Gleichungen hergeleitet werden. Dies wurde in Felder & Komponenten I teilweise bereits getan [1]. Weiteres wird im Abschnitt 6.5 folgen, wenn wir zur expliziten Berechnung von Antennenfeldern kommen werden. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Trennung zwischen gebundenen und freien Feldern in mathematischer Schärfe nur in der Theorie möglich ist. Echt gebundene Felder sind nur im statischen Fall möglich, und dieser Fall bleibt für immer Theorie, weil zur Zeit t = −∞ niemand die Quellen eingeschaltet hat. In Felder & Komponenten I (Abschnitt 7.1.5) haben wir gesehen, dass die wellenartigen Eigenschaften von elektromagnetischen Feldern erst nach einer charakteristischen √ Distanz, der Wellenlänge λ = 1/ f µε , sichtbar werden [1]. Die Wellenlänge ist einerseits vom Material und anderseits von der zeitlichen Änderungsrate (beschrieben durch die Frequenz f ) der Felder abhängig. Solange die Felder nur nahe bei den Quellen (Distanz sehr viel kleiner als λ) betrachtet werden, bleiben die statischen Eigenschaften erhalten. Wir sprechen dann von quasistatischen Feldern, welche sich zeitlich simultan mit ihren jeweiligen Quellen ändern. Die Aufgabe der AntennenbauerIn ist es somit, durch geeignete Anordnung und Formgebung der Antennenelemente die zugehörigen quasistatischen Felder so auszubilden, dass diese den Eigenschaften eines frei ausbreitungsfähigen Wellenfeldes möglichst nahe kommen, und dass dieses Feld dann nicht in seiner freien Ausbreitung gehindert wird. Meistens wird von einer Antenne nicht irgend eine beliebige Abstrahlung verlangt, sondern man möchte die elektromagnetische Energie in eine bestimmte Richtung bündeln, vergleichbar etwa einem Autoscheinwerfer, der nicht die ganze Umgebung, sondern nur die eigene Strassenseite vor dem Wagen beleuchten soll. Eine entsprechende Wirkung kann tatsächlich erreicht werden, entweder durch gezielte Behinderung der Ausbreitung mit reflektierenden Spiegeln oder durch geschickte Ausnützung der Tatsache, dass 2 Gemeint ist die Amplitude der zugehörigen Feldstärke. 174 KAPITEL 6 ANTENNEN auch einfachste Anordnungen von stromführenden Drähten nicht in jede Richtung gleich stark strahlen. Die letztgenannte Tatsache leuchtet prinzipiell ein, denn schon die Quelle Strom“ ist ja etwas Gerichtetes. Wir werden die Anisotropie der Strahlung eines ein” fachen geraden stromführenden Drahtes im Abschnitt 6.5 explizit (durch Ausrechnen) nachweisen. In vielen Physikbüchern findet man die Aussage, dass Ladungen grundsätzlich dann elektromagnetische Energie abstrahlen können, wenn sie beschleunigt werden. Diese Aussage trifft den Nagel auf den Kopf – und ist trotzdem für sich allein unbrauchbar für die praktische Anwendung. Sie trifft nämlich streng nur für eine einzelne Punktladung zu. Sind viele Ladungen beschleunigt, kann es passieren, dass die Superposition aller Felder nicht mehr strahlt, wie z.B. im Falle einer gekrümmten Gleichstromschleife. (Dort wird jedes einzelne Elektron ständig beschleunigt, wenn es dem gekrümmten Draht folgt.) Um eine effiziente Abstrahlung zu erreichen, müssen sich die Felder aller beschleunigten Ladungen in günstiger Weise superponieren. Diese Tatsache macht den Antennenbau zu einer echten und interessanten Herausforderung, manchmal sogar zur Kunst. 6.2 Hertzscher Dipol Wir wollen versuchen, den Abstrahlmechanismus bei einer einfachen Dipolantenne zu verstehen. Die gesamte Anordnung besteht aus einer kleinen Wechselspannungsquelle mit Quellenspannung U (t) = U0 sin ωt, an deren Klemmen zwei gleich lange, gerade Drähte angeschlossen sind (Bild 6.2). Der Einfachheit halber nehmen wir an, die Länge l der beiden Drähte sei kleiner als λ/10. Damit kann das gesamte Feld bis zu den Drahtenden als quasistatisch betrachtet z Länge l y U x Stromverteilung I(z) mit Maximum bei z = 0. Ladungsverteilung q(z) mit Maximum bei z = ± l/2 Bild 6.2: Dipolantenne. 6.2 HERTZSCHER DIPOL 175 werden, und die Diskussion der Quellenverteilung auf der Antenne wird einfacher. In einem ersten Schritt überlegen wir uns, wie sich Ladungen und Ströme auf der Antenne ausbilden und beginnen mit den Ladungen. Zur Quellenspannung U0 gehört ein elektrisches Feld, das senkrecht auf den Drähten steht. Die Feldlinien sind rotationssymmetrisch um den Draht verteilt und gehen bogenförmig vom einen Draht zum anderen. Sie haben die höchste Dichte an den äusseren Drahtenden (Spitzeneffekt). Bekanntlich enden alle elektrischen Feldlinien auf Ladungen, und wir wissen daher, dass auf den Drähten die Ladungsverteilung q0 (z) sitzt. Sie nimmt an den Enden betragsmässig zu und hat auf den beiden Drähten ein entgegengesetztes Vorzeichen. Die bisherige Argumentation ist rein elektrostatisch. Wenn sich die Spannung U nun zeitlich ändert, muss sich auch die Ladungsverteilung q (z) ändern. Wegen der quasistatischen Voraussetzung gilt q (z, t) = q0 (z) sin ωt. Die Ladungsänderung kann nur durch Verschiebung auf den Drähten geschehen und entspricht einem Strom I (z, t), der mit Hilfe der Kontinuitätsgleichung ∂I (z, t) ∂q (z, t) =− = −q0 (z) ω cos ωt (6.1) ∂z ∂t ermittelt werden kann. Die Ladungsverteilung führt somit mit einem einfachen Integral über die Drahtlänge unmittelbar zur Stromverteilung. Diese Stromverteilung hat ein Maximum bei der Spannungsquelle und fällt an den Enden auf Null. Zum Strom gehört natürlich ein Magnetfeld, das im quasistatischen Bereich mit Hilfe des BiotSavartschen Gesetzes ermittelt werden kann. Die Magnetfeldlinien sind aus Symmetriegründen kreisförmig und haben ihren Mittelpunkt auf der Drahtachse. Die entsprechende Argumentation ist rein magnetostatisch. Wir stellen fest, dass Strom und Ladung und ~ und H ~ eine unterschiedliche Zeitabhängigkeit aufweisen: damit die zugehörigen Felder E ◦ Die beiden sind 90 phasenverschoben. Jetzt kommt der zweite Schritt unserer Überlegungen, nämlich das Verhalten des Feldes in einiger Distanz (etwa bei r = λ/2) von der Antenne. In der Verlängerung der ~ = ~0 und E ~ zeigt in Richtung der Drahtachse. Auf der transversalen Drahtachse ist H ~ und H ~ senkrecht Symmetrieebene z = 0 im Schnitt durch die Quelle hingegen stehen E aufeinander. Weiter erinnern wir daran, dass sich die Felder dort nicht mehr quasistatisch benehmen. Dies bedeutet im Wesentlichen ein verzögertes Zeitverhalten. Erst eine halbe Periode nach dem Erreichen des Nulldurchgangs der Quelle wird auch in unserem Aufpunkt bei r = λ/2 der gleiche Nulldurchgang sichtbar. In der Zwischenzeit ist ~ unmittelbar bei der Quelle entgegengesetzt zur Richtung von E ~ die Richtung von E ~ beim Aufpunkt. Das gleiche gilt für die Richtung von H. In der Umgebung unseres Aufpunkts ähnelt das Feld bereits recht stark einem freien Strahlungsfeld. Der einzige ~ und H. ~ Dazu ist zu Unterschied besteht in der zeitlichen Phasenverschiebung von E ◦ sagen, dass diese nur in der quasistatischen Näherung exakt 90 beträgt. In Wahrheit weicht sie ein kleines Stück davon ab, weil die maximale Ladung an den Drahtenden, der maximale Strom aber bei der Spannungsquelle auftritt. Je länger die Dipolantenne ist, umso grösser ist die entsprechende Abweichung. Wenn immer die Phasenverschiebung ~ und H ~ verschieden ist von 90◦ , kann etwa E ~ in zwei Anteile zerlegt werden, zwischen E ~ von denen einer exakt in Phase ist mit dem H-Feld. Die beiden gleichphasigen Anteile 176 KAPITEL 6 ANTENNEN haben nun im Zeitverlauf exakt die Eigenschaften eines freien Wellenfeldes. Es bleibt nur noch die Aufgabe, auch deren Amplituden ins richtige Verhältnis zu setzen. Dies gelingt je nach Frequenz und Stablänge unterschiedlich gut. Trotzdem kann man davon ausgehen, dass die Antenne bei jeder Stablänge strahlt. Wichtig ist, dass die Dipolantenne hauptsächlich quer zum Stab strahlt, während in Stabrichtung keine Abstrahlung erfolgt. Dies bestätigt unsere oben gemachten Bemerkungen, wonach bereits ein einfacher Draht ein anisotropes Strahlungsdiagramm aufweist. Zum Schluss dieser qualitativ gehaltenen Erläuterung der Dipolantenne sei darauf hingewiesen, dass im Falle grösserer Stablängen die quasistatische Voraussetzung nicht mehr zutrifft. Es muss dann bereits bei der Ermittlung der Strom- und Ladungsverteilung auf der Antenne die endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit der Felder längs der Drähte berücksichtigt werden. Um den kreativen Prozess des Antennenbauens etwas zu beschleunigen, wollen wir im nächsten Abschnitt die wichtigsten Antennentypen auflisten, die sich in der Praxis als brauchbar erwiesen haben. Erst danach wenden wir uns wieder der Beschreibung der Antennenfelder und der detaillierten Berechnung des eigentlichen Strahlungsmechanismus zu. 6.3 Gebräuchliche Antennentypen In der Technik werden selbstverständlich nicht nur einfache Dipolantennen verwendet, sondern es kommt eine grosse Anzahl verschiedener Antennentypen zum Einsatz, die je nach Art ihres Abstrahlungsmechanismus klassifiziert werden können. Die wichtigsten davon wollen wir im Folgenden kurz besprechen. • Drahtantennen (Bild 6.3 a), b) sowie Bild 6.4 a)) sind wohl am bekanntesten. Man findet sie als einfache Radioantennen, auf Funktelefonen und überall dort, wo eine simple und billige Bauart gefragt ist. Drahtantennen kommen aber nicht nur in a) b) c) Bild 6.3: a) Einfache Schleifenantenne, b) Yagi-Antenne, c) Hornantennen. 177 6.3 GEBRÄUCHLICHE ANTENNENTYPEN a) b) c) Bild 6.4: a) Logarithmisch-periodische Breitbandantenne, b) Breitbandige DoubleRidged Hornantenne, c) Patch-Antenne. der Form einzelner Drahtstäbe wie beim Dipol vor, sondern auch in komplizierteren Ausführungsformen wie z.B. die aus einer Reihe von Einzelstäben bestehende YagiAntenne, die Schleifen-Antenne oder auch Helix-Strukturen. Weil der Strom auf den Drähten praktisch nur in eine Richtung fliessen kann, sind Drahtantennen relativ leicht berechenbar. • Bei Aperturantennen (Bild 6.3 c) sowie Bild 6.4 b))wird die elektromagnetische Energie über eine Öffnung in einem Wellenleiter (z.B. Hohlleiter oder dielektrischer Wellenleiter [Laser, Faser]) abgestrahlt. Die Speiseleitung ist ein Hohlleiter oder ein dielektrischer Wellenleiter, der sich am Ende z.B. zu einem Horn öffnet. Mit einem geeigneten Verlauf der Querschnittsstruktur können bestimmte Abstrahlungscharakteristiken erzielt werden. • Mikrostreifenantennen (gedruckte Antennen, siehe Bild 6.4 c)) bestehen aus metallischen Strukturen (engl.: Patches oder Streifen), die auf der Oberfläche eines dielektrischen Substrats angebracht werden. Diese Art von Antennen kann für verschiedenen Anwendungen verwendet werden. Vorteilhaft ist ihre leichte Bauweise, die sich leicht gekrümmten Oberflächen, wie z.B. Flugzeugen oder Autostossstangen anpassen lässt. Sie sind ausserdem billig zu fabrizieren und lassen sich leicht mit integrierter Mikrowellentechnik kombinieren. • Reflektorantennen nutzen die Reflexionseigenschaften von geeignet geformten Oberflächen (Spiegel), um ein abgestrahltes Feld in eine bestimmte Richtung zu lenken. Die Spiegel werden auch als Sekundärstrahler bezeichnet, weil der Reflektor normalerweise durch einen Primärstrahler (Aperturstrahler oder Dipol) angestrahlt wird. Diese Antennenform findet nicht nur Anwendung in der Astronomie, wo eine stark gebündelte Antennenrichtcharakteristik gefragt ist, sondern auch für den Empfang von Satellitensignalen (TV-Empfang). 178 KAPITEL 6 ANTENNEN Bild 6.5: a) Seitenansicht und b) Draufsicht einer Patchantenne wie in Beispiel 6.1 • Linsenantennen werden verwendet, um elektromagnetische Wellen zu bündeln, ähnlich wie eine optische Sammellinse. Sie werden praktisch nur bei höheren Frequenzen verwendet, weil sie bei niedrigen Frequenzen einfach zu gross sein müssten. • Antennenarrays sind Matrixanordnungen einer grossen Zahl einfacherer Antennen, die eine sehr gute Bündelung der elektromagnetischen Abstrahlung (Richtcharakteristik) ermöglichen. Diese Antennen erlauben ausserdem eine elektronische Steuerung der Abstrahl- bzw. Empfangscharakteristik und werden immer unerlässlicher in der modernen Mobilfunk- und Radartechnik. Die gemachte Zusammenstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr ist zu bemerken, dass gerade in neuester Zeit wieder Bewegung in die Entwicklung neuartiger Antennentypen gekommen ist. Dies hat vor allem mit der Tatsache zu tun, dass eine vollständige Computersimulation des elektromagnetischen Feldes einer Antenne erst in der jüngsten Vergangenheit möglich wurde. Anderseits ist festzustellen, dass es für den praktischen Einsatz einer Antenne gar nicht nötig ist, das gesamte elektromagnetische Feld zu kennen. Vielmehr genügen einige wenige Parameter. Die wichtigsten davon wollen wir im nächsten Abschnitt besprechen. Beispiel 6.1 Ein GSM Mobiltelefon soll mit einer Patchantenne (Bild 6.5) ausgerüstet werden. Das Wirkungsprinzip der Patchantenne besteht darin, unter einer metallisierten Oberfläche eine stehende Welle anzuregen, die an den Seiten des Patches abstrahlt. Die Betriebsfrequenz ist 900 MHz. Die Freiraumwellenlänge ist λ = c/f = 33.3 cm. Die Antenne hat die Abmessungen a × b × d, wobei a = λ/2 wegen der Resonanzbedingung unter dem Patch gilt. Um die Abmessungen der Antenne klein zu halten, wird ein Substrat mit εr = 9 gewählt. Dadurch schrumpft die Wellenlänge der stehenden Welle und die grösste √ Dimension ist nun λ/(2 εr ) = 5.4 cm. Eine Antenne dieser Abmessungen lässt sich ohne Probleme in ein Mobiltelefon integrieren. 6.4 ANTENNEN-PARAMETER 179 6.4 Antennen-Parameter Eine Antenne ist gemäss der Darstellung im Abschnitt 6.1 einer von drei Teilen einer Sende- bzw. Empfangseinrichtung. In diesem Sinne hat sie zwei Tore (engl.: ports), eines in Richtung der Zuleitung und ein zweites in Richtung des freien Raumes. Da die Art dieser beiden ports“ von ganz unterschiedlicher Natur ist, müssen sie auch mit ” entsprechend verschiedenen Mitteln beschrieben werden. Aus der Sicht der Zuleitung stellt eine Antenne eine einfache Impedanz dar. Man nennt sie Fusspunktimpedanz und muss bei der Dimensionierung des Gesamtsystems z.B. darauf achten, dass die Zuleitung der Fusspunktimpedanz angepasst ist. Andernfalls würde eine unnötig hohe Blindleistung auf der Zuleitung hin- und her pendeln (stehende Welle). Ist die Zuleitung ein Hohlleiter, wird anstelle der auf Strom und Spannung auf der Zuleitung basierenden Fusspunktimpedanz eher eine Darstellung mit S-Parametern verwendet werden. Die entsprechenden Beziehungen haben wir in der Leitungstheorie ausführlich behandelt. Selbstverständlich ist die Fusspunktimpedanz eine Funktion der Frequenz. Zur Beschreibung der entsprechenden Abhängigkeiten werden die bekannten Verfahren (Ortskurven oder separate Frequenzgänge von Real- und Imaginärteil) verwendet. Weil eine Antenne Leistung in den Raum abstrahlt, muss der Realteil der Fusspunktimpedanz positiv sein: Es fliesst (im Betrieb als Sendeantenne) Leistung aus der Zuleitung in die Antenne hinein. Im Idealfall ist die Fusspunktimpedanz reell, weil dann die gesamte auf der Zuleitung zur Verfügung stehende Leistung in die Antenne hineinfliesst und somit auch abgestrahlt wird, wenn wir von den Verlusten auf der Antennenstruktur absehen. Insgesamt gilt selbstverständlich die Energieerhaltung: Was an Energie aus der Zuleitung in die Antenne hineinfliesst, wird entweder abgestrahlt oder in der Antenne selbst verheizt. Aus der Sicht des freien Raumes ist die Antenne ein Gebilde, das elektromagnetische Wellen in die Umgebung abstrahlt. Ohne mathematische Begründung hatten wir schon in der Einleitung erwähnt, dass sich diese Wellen in grosser Entfernung von der Antenne gradlinig und radial von der Antenne weg ausbreiten. Aufgrund dieser Tatsache kann das sogenannte Richtdiagramm3 der Antenne definiert werden. Man denkt sich eine grosse Kugel mit Radius R um die Antenne und nimmt an, R sei erheblich grösser als der maximale Durchmesser der Antenne. Mit anderen Worten, die Antenne erscheint von jedem Ort auf unserer Kugel als Punkt im Kugelzentrum. Errichten wir nun auf jedem Punkt auf der Kugeloberfläche einen radial nach aussen weisenden Stab, dessen Länge proportional zur Amplitude der Feldstärke der abgestrahlten Welle in diesem Punkt ist, beschreiben die äusseren Enden aller Stäbe eine möglicherweise kompliziert geformte Fläche mit Ausbuchtungen in jene Richtungen, in die viel abgestrahlt wird. Werden nun noch alle Stäbe unter Beibehaltung ihrer ursprünglichen Länge bis zum Kugelmittelpunkt radial nach innen verschoben, ergibt sich eine neue Fläche. Diese Fläche heisst 3 Es sind auch die synonymen Begriffe Richtcharakteristik (engl.: radiation pattern), Antennendiagramm, Strahlungscharakteristik oder Empfangscharakteristik geläufig. Dass letztere gleich den anderen ist, mag auf den ersten Blick erstaunen, entspricht aber den physikalischen Tatsachen (Reziprozitätstheorem). 180 KAPITEL 6 ANTENNEN Richtdiagramm der Antenne und beschreibt die Verteilung der Strahlung in alle Richtungen. Das Richtdiagramm wird normalerweise auf die Amplitude des Feldes bezogen. In speziellen Fällen kann es auch auf die Strahlungsleistung bezogen werden, was wegen des quadratischen Zusammenhangs zwischen diesen beiden Grössen zu unterschiedlichen Gestalten führt. Ist die Richtwirkung der Antenne in eine bestimmte Richtung besonders ausgeprägt, hat das Richtdiagramm eine keulenförmige Gestalt. Praktische Antennendiagramme haben oft mehrere Keulen (engl.: lobe), typisch eine Hauptkeule (engl.: main lobe) und mehrere Nebenkeulen (engl.: side lobe). Da das Strahlungsfeld unabhängig von der Strahlungsrichtung ein 1/r-Verhalten hat, ist das Antennendiagramm nicht vom ursprünglich gewählten Kugelradius R abhängig. ~ (r, θ, φ) in Kugelkoordinaten r, θ, φ z.B. Es ergibt sich mit der elektrischen Feldstärke E ~ (r, θ, φ), welche im Richtdie von r unabhängige, normierte Funktion4 Ẽ (θ, φ) := r E diagramm unmittelbar dargestellt wird. Man erkennt, dass darin weder die Polarisation noch die Phase des Wellenfeldes enthalten sind. Interessiert man sich speziell für des ~ (r, θ, φ) Richtdiagramm einer bestimmten Polarisation, wird anstelle des Betrages von r E nur die interessierende Komponente eingesetzt. In diesem Fall kann die verbleibende (unerwünschte) Komponente – man nennt sie Kreuzpolarisation (engl.: cross polarization) – in einem zweiten, meist ziemlich unterschiedlichen Richtdiagramm extra dargestellt werden. In der Praxis interessiert oft nicht die gesamte Gestalt des Richtdiagramms, sondern es genügen wenige charakteristische Grössen. Die folgenden Definitionen dienen diesem Zweck. Integrieren wir die abgestrahlte (normierte) Leistungsdichte über die ganze Kugeloberfläche, erhalten wir die totale (normierte) Strahlungsleistung Prad der Antenne. Dabei handelt es sich um einen zeitlichen Mittelwert. Da auf der Antennenstruktur selber ebenfalls Leistung verheizt werden kann, ist Prad in den meisten Fällen kleiner als die beim Antennenfusspunkt eingespeiste Leistung P . Das Verhältnis η= Prad P (6.2) ist der Antennenwirkungsgrad und wird gewöhnlich in Prozent angegeben. Das Richtdiagramm eines (praktisch nicht realisierbaren) idealen Kugelstrahlers ist eine exakte Kugel. Er strahlt in jede Richtung mit der gleichen Strahlungsdichte Sav = Prad /4π [W pro Raumwinkel]. Betrachten wir im Vergleich dazu eine reale Antenne mit gleicher Strahlungsleistung, dann wird die maximale Strahlungsdichte Smax dieser Antenne sicher grösser sein als Sav . Das Verhältnis D(θ, φ) = S(θ, φ) Sav (6.3) heisst Richtfaktor (engl.: directivity) der Antenne. Der Richtfaktor wird oft auch in dB 4 Man verwendet das Quadrat von Ẽ (θ, φ), wenn man sich auf die Leistung bezieht, oder häufig auch den zwanzigfachen Zehnerlogarithmus von Ẽ (θ, φ), wenn die Darstellung in dB erfolgen soll. 6.4 ANTENNEN-PARAMETER 181 angegeben. Dem Richtfaktor verwandt ist der Gewinn (engl.: gain) G(θ, φ) = η · D(θ, φ) , (6.4) der die Verluste auf der Antenne miteinbezieht. Werden die Winkel (θ, φ) der Abstrahlungsrichtung nicht angegeben, wird die Richtung der maximalen Strahlungsdichte angenommen Smax (6.5) D0 = Sav und als maximaler Richtfaktor bezeichnet. Etwas genauer wird die Hauptkeule durch die sogenannte (x dB-) Keulenbreite (engl.: beam width) charakterisiert. Darunter versteht man jenen zusammenhängenden Winkelbereich (typischerweise im planaren Winkelmass in zwei orthogonalen Ebenen angegeben), innerhalb dessen die Strahlungsdichte um weniger als x dB vom Maximalwert abweicht. Gebräuchlich ist schliesslich noch ein weiterer Parameter, der eine Beziehung herstellt zwischen der Strahlungsleistung Prad und der komplexen Amplitude I des Stromes am Antennenfusspunkt. Man setzt |I|2 , (6.6) Prad = Rs 2 und nennt Rs den Strahlungswiderstand der Antenne. Er erscheint in gewissen Ersatzschaltbildern, die man sich von der Antenne (aus der Sicht der Speiseleitung) machen kann und symbolisiert dort den Energieverlust durch die Abstrahlung. Man beachte, dass der Strahlungswiderstand mit der tatsächlich abgestrahlten Leistung und nicht mit der in die Antenne hineinfliessenden Leistung definiert wird. Die beiden Leistungen sind nur dann gleich, wenn die Antenne selber verlustfrei ist. Antennenpraktiker definieren noch weitere Parameter, welche die Eigenschaften beliebiger Antennen auf einfache Kenngrössen von Standardantennentypen reduzieren. Ohne formelmässig darauf einzugehen, sei als Beispiel die effektive Antennenhöhe erwähnt. Die Idee, die hinter diesem Parameter steckt, ist die folgende: Eine Monopolantenne (d.h. ein senkrechter Draht über einer ideal leitenden Ebene) hat einen bestimmten, von seiner Höhe h abhängigen Richtfaktor D (h). Die Formel dafür enthält die Höhe h in einfacher Weise. Nun setzt man den Richtfaktor D einer zu beschreibenden Antenne in die D (h)Formel der Monopolantenne ein und löst nach h auf. Der resultierende (fiktive) Wert ist dann die oben erwähnte effektive Antennenhöhe der fraglichen Antenne. Solche Parameter sind sehr anschaulich, allerdings nur dann, wenn ein gewisses Gefühl für das Verhalten der Referenzantenne vorhanden ist. Beispiel 6.2 Es werden zwei Antennen miteinander verglichen. Von der ersten Antenne ist der Richtfaktor D01 = 10 dB und der Wirkungsgrad η1 = 0.8 bekannt. Die zweite Antenne wird mit den Parametern D02 = 0 dB und η2 = 1 charakterisiert. Beide Antennen seien perfekt an die Zuleitung angepasst. Welche der beiden Antennen strahlt mehr Energie ab, wenn beide Antennen, wie in Bild 6.6 dargestellt, mit dem gleichen Generator betrieben werden? Welchen theoretischen Antennentyp stellt Antenne 2 dar? 182 KAPITEL 6 ANTENNEN Bild 6.6: Anordnung der Antennen im Beispiel 6.2 Lösung 6.1 Antenne 2 strahlt mehr Energie ab, da sie einen höheren Wirkungsgrad besitzt. Fehlanpassung muss aufgrund der angenommenen perfekten Anpassung nicht in Betracht gezogen werden. Der Richtfaktor gibt nur Auskunft über die Richtwirkung der Antenne, Rückschlüsse auf die gesamte abgestrahlte Energie können mit Hilfe des Richtfaktors nicht gemacht werden. Eine Antenne mit D02 = 0 dB strahlt in jeder Richtung mit gleicher Intensität. Da der Wirkungsgrad η1 = 1 ist, ist auch der Gewinn (Gain) für jede Abstrahlrichtung G(Θ, φ) = 1 = 0 dB. Die gegebene Antenne stellt den theoretischen Typ eines Kugelstrahlers dar, welcher zur Definition des Richtfaktors verwendet wird. 6.5 Berechnung des Antennenfeldes Bis jetzt haben wir uns mehr oder weniger erfolgreich um die eigentliche Berechnung von Antennenfeldern herumdrücken können. In diesem Abschnitt wollen wir uns nun auf die mathematische Behandlung einlassen, müssen uns aber auf die einfachste Antennenform, den Hertzschen Dipol beschränken, weil kompliziertere Anordnungen einer analytischen Behandlung nur schwer zugänglich sind. Der Hertzsche Dipol ist ein abstraktes Modell einer kurzen5 Drahtantenne, bei der (kontrafaktisch!) ein konstanter Stromverlauf längs des Drahtes angenommen wird. Diese Annahme legt implizit auch die Ladungsverteilung fest: Es gibt nur zwei zeitvariable Punktladungen an den Drahtenden. Ohne Beweis stellen wir fest, dass ein echtes, kurzes und dünnes Drahtstück der Länge l, das in der Mitte von einer punktförmigen Quelle gespeist wird und einen nicht konstanten Stromverlauf längs des Drahtes aufweist, in hinreichender Entfernung ein Feld erzeugt, das jenem eines Hertzschen Dipols der Länge l′ 6= l gleich ist. Wir skizzieren zuerst das allgemeine Vorgehen und führen dann die Rechenschritte im einzelnen durch. Es geht grundsätzlich darum, die Maxwellschen Gleichungen unter Beachtung geeigneter Randbedingungen zu lösen. Die folgenden Fragen müssen der Reihe nach beantwortet werden: 5 Kurz heisst viel kleiner als die Wellenlänge. 6.5 BERECHNUNG DES ANTENNENFELDES 183 a) Definition der Antennenform: Wie soll die Antenne aussehen? Antwort: Eine kurze drahtförmige Stromquelle (Hertzscher Dipol). b) Definition des Rechengebietes: Wo soll das Feld berechnet werden? Antwort: Im ganzen Raum, hauptsächlich aber weit weg von der Antenne. Die Details des Feldes etwa in unmittelbarer Nähe der Quelle können unterschlagen werden, soweit sie keinen Einfluss auf das Feld weiter weg haben. Die Antenne soll in den leeren Raum strahlen, d.h. wir interessieren uns nicht für mögliche Reflexionen und Streuungen an entfernten Objekten. c) Welche Form haben die Feldgleichungen? Antwort: Im ganzen Raum gelten die Maxwellschen Gleichungen des Vakuums, nur auf der Antenne selbst sind Strom- und Ladungsdichten zugelassen. Wir beschränken uns auf den sinusförmigen Zeitverlauf und können uns auf die komplexen Amplituden der Feldstärken beschränken. d) Welche Form haben die Randbedingungen? Antwort: Im Antennendraht ist der Strom I vorgegeben, und auf den Drahtenden gibt es Punktladungen. Weil der Draht als infinitesimal dünn vorausgesetzt ist, wird die magnetische Feldstärke ~ dort singulär wie bei einem Linienstrom und das elektrische Feld E ~ hat an H den Drahtenden je eine Singularität wie bei einer Punktladung. Im Unendlichen müssen sich alle Felder radial nach aussen bewegen, d.h. es darf keinen Energiefluss aus dem Unendlichen hin zur Antenne geben. Diese aus physikalischer Sicht triviale Voraussetzung muss aus Gründen der mathematischen Eindeutigkeit gemacht werden. e) Welche Lösungsmethode soll verwendet werden? Antwort: In den Kapiteln 6 und 7 von Felder & Komponenten I wurden verschiedene Lösungsverfahren vorgestellt [1]. Falls nur eingeprägte (d.h. fest vorgegebene) Feldquellen (Stromdichte J~0 und Ladungsdichte ρ0 ) im sonst leeren Raum vorhanden sind, können die zugehörigen Felder mit einer Integration ähnlich jener beim Coulomb-Integral explizit erhalten werden (vgl. Abbildung 6.2 in [1]). Die entsprechenden Lösungen erfüllen automatisch auch die Randbedingung im Unendlichen. Weil unsere Quellen nicht differenzierbar sind, gehen wir den Weg über die Potentiale. f) Durchführung der Lösung. In praktischen Fällen wird man den Computer einsetzen müssen. Wir können die Rechnung auf dem Papier durchführen und wollen zur Vermeidung wunder Finger die wichtigsten Formeln aus [1] hier nochmals hinschreiben . ~ (~r) und das Skalarpotential ϕ (~r) In einem ersten Schritt sollen das Vektorpotential A berechnet werden. Das Vektorpotential erhält man mit ~ (~r) = µ0 A 4π ZZ Z V′ ~J 0 (~r ′ ) · e−jk0 |~r−~r ′ | dV ′ . ′ |~r − ~r | (6.7) 184 KAPITEL 6 ANTENNEN Wir legen den Draht wie in Abschnitt 6.1 auf die z-Achse eines Koordinatensystems von −l/2 bis +l/2 und schreiben das Volumenelement dV ′ = dQ · dz ′ mit dem infinitesimal kleinen Drahtquerschnitt dQ. Dieq Vektoren sind dann ~r = (x, y, z)T , ~r ′ = (0, 0, z ′ )T , und damit ist die Distanz |~r − ~r ′ | = x2 + y 2 + (z − z ′ )2 . Das dreifache Integral kann nun auf ein einfaches reduziert werden, weil die Integration über den Drahtquerschnitt dQ trivial ist ~J 0 dQ → I~ez . Es bleibt √ Zl/2 −jk0 x2 +y2 +(z−z ′ )2 e ~ (~r) = µ0 I ~ez q dz ′ . (6.8) A 2 4π x2 + y 2 + (z − z ′ ) −l/2 Für grosse Distanzen |~r| = r ≫ l gilt auch |~r − ~r ′ | ≈ r. Somit ist in diesem Fall der Integrand konstant und kann vor das Integral gezogen werden. Wir erhalten −jk0 r ~ (~r) = µ0 Il ~ez e A (6.9) 4π r und betonen, dass der Abstand r nur verglichen mit der Antennenlänge l gross sein muss und durchaus kleiner sein kann als die Wellenlänge λ0 = 2π/k0. Die Verwendung des Vektorpotentials ist sehr bequem, denn die an sich vektorielle Grösse hat nur eine z-Komponente. Mit der Lorentz-Eichung ~ (~r) = −jωµ0 ε0 ϕ (~r) div A (6.10) ist auch die Berechnung des Skalarpotentials ϕ (~r) ohne Integration machbar. Die Felder ~ (~r) und E ~ (~r) ergeben sich dann bekanntlich als H ~ = −grad ϕ − jω A ~ = E ~ = H 1 ~ − jωA grad div A jωµ0 ε0 1 ~ rot A µ0 (6.11) (6.12) Die Ausführung der Differentiationen in diesen Formeln ist eine Analysisübung und wird am einfachsten in Kugelkoordinaten r, θ, φ durchgeführt, weil die Ortsabhängigkeit bereits den Radius r enthält. Zuerst muss die kartesische Komponente Az (r) mit den Gleichung (B.10) aus [1] in Kugelkomponenten umgerechnet werden: µ0 Il e−jk0 r cos θ 4π r µ0 Il e−jk0 r Aθ (r, θ) = −Az (r) sin θ = − sin θ . (6.13) 4π r Die dritte Komponente Aφ verschwindet. Die Kugelkoordinaten-Formeln für rot, div und grad findet man ebenfalls in [1]. Es ergeben sich wegen der fehlenden φ-Abhängigkeit die relativ einfachen Formeln Ar (r, θ) = Az (r) cos θ = ! 1 e−jk0 r µ0 Il ∂ (rAθ ) ∂Ar 1 jk0 + ~eφ − ~eφ = sin θ ∂r ∂θ r 4π r r 1 ∂ (sin θ · Aθ ) 1 ∂ (r 2 Ar ) µ0 Il e−jk0 r ~ + 2 =− (1 + jk0 r) cos θ .(6.14) div A = r sin θ ∂θ r ∂r 4π r2 ~ = rot A 6.5 BERECHNUNG DES ANTENNENFELDES 185 Daraus erhält man schliesslich die drei nicht verschwindenden Feldkomponenten Il e−jk0 r (1 + jk0 r) cos θ 2πjωε0 r 3 Il e−jk0 r 2 2 sin θ 1 + jk r − k r = 0 0 4πjωε0 r 3 Il e−jk0r (1 + jk0 r) sin θ . = 4π r 2 Er = Eθ Hφ (6.15) Dabei haben wir ganz rechts nur noch die im Fernfeld allein wesentlichen, mit 1/r abklingenden Terme angegeben und das sogenannte Dipolmoment p sowie die Wellenimpedanz Zw0 eingeführt. Es sind p=− und Zw0 = IlZw0 Il =− 4πjωε0 4πjk0 s µ0 √ ; k0 = ω µ0 ε0 . ε0 (6.16) (6.17) Damit ist das Feld des Hertzschen Dipols vollständig bestimmt, wenigstens für Distanzen, die gross sind verglichen mit seiner Länge l. Verglichen mit der Wellenlänge λ0 ≫ l können wir zwei Bereiche mit wesentlich unterschiedlichem Feldverhalten unterscheiden, das Nahfeld und das Fernfeld. Im Nahfeld ist λ ≫ r ≫ l und somit k0 r ≪ 1. Wenn wir die entsprechenden Terme in den Ausdrücken (6.15) vernachlässigen, bleiben nur noch E r = −2p e−jk0 r cos θ r3 e−jk0r sin θ r3 jk0 e−jk0 r sin θ . = −p Zw0 r 2 E θ = −p Hφ (6.18) Das elektrische Nahfeld zeigt ein 1/r 3-Verhalten, das magnetische Nahfeld dagegen ein ~ in keinem festen Verhältnis ~ und H 1/r 2-Verhalten. Man beachte, dass die Beträge von E stehen, und dass die beiden Felder 90◦ phasenverschoben sind. Dies sind typische Eigen~ und H ~ schaften des Nahfeldes beliebiger (gegen λ0 kleiner) Antennen. Die Vektoren E stehen hier senkrecht aufeinander. Diese Eigenschaft ist jedoch allein auf die Symmetrie der Anordnung zurückzuführen, und ist keine allgemeine Eigenschaft des Nahfeldes beliebiger Antennen. Schliesslich ist zu bemerken, dass es unmöglich ist, die Fusspunktimpedanz der Antenne aus diesen Nahfeldern herzuleiten. Dazu wären noch nähere Felder nötig, die im Rahmen unseres Verfahrens nicht analytisch erfassbar sind. Es ist bis heute auch mit modernsten numerischen Feldberechnungsverfahren schwierig, das Ultra-Nahfeld“ und ” damit die Fusspunktimpedanz korrekt zu modellieren. 186 KAPITEL 6 ANTENNEN Im Fernfeld ist r ≫ λ0 und somit gilt k0 r ≫ 1. Werden die entsprechenden Terme in Gleichung (6.15) vernachlässigt, bleiben die folgenden Feldkomponenten im Fernfeld bestehen Er = 0 e−jk0 r sin θ r 1 1 e−jk0r Eθ . sin θ = = pk02 Zw0 r Zw0 E θ = pk02 Hφ (6.19) Die folgenden Eigenschaften dieser auch Fraunhofer-Region genannten Zone des Dipolfeldes sind augenfällig: • Es gibt keine radiale Feldkomponente. • Die transversalen Felder stehen senkrecht aufeinander. ~ und H ~ stehen in einem festen Verhältnis zueinander. Es gilt genau wie bei einer • E ~ H| ~ = Zw0 ≈ 377 Ω. ebenen Welle |E|/| • Die Felder klingen mit 1/r ab, unabhängig von der Strahlrichtung. • In jedem Punkt gleicht das Feld einer sich radial nach aussen ausbreitenden ebenen Welle. Diese Eigenschaften sind auf beliebige6 Antennen-Fernfelder übertragbar. Die speziellen Eigenschaften des Strahlungsfeldes eines Hertzschen Dipols sind durch die Symmetrie der Anordnung bedingt. So ist etwa die Polarisation7 in unserem Fall immer linear (in θ-Richtung). Andere Antennenformen könnten durchaus eine von der Strahlrichtung abhängige Polarisation, vielleicht auch eine zirkulare Polarisation aufweisen. Wir wollen zum Schluss die im vorigen Abschnitt 6.4 definierten Grössen am Hertzschen Dipol berechnen. Das Strahlungsdiagramm eines Hertzschen Dipols ist in Bild 6.7 darstellt. Die Strahlungsdichte ist gleich dem mit r 2 multiplizierten und damit abstandsunabhängigen halben Realteil des komplexen Poynting Vektors im Fernfeld n o o 1 n~ ~ ∗ · ~er = r 2 1 Re E θ H ∗ ×H S (θ) = r 2 Re E φ 2 2 2 4 2 2 |p| k0 |I| Zw0 l sin2 θ = sin2 θ . = 2Zw0 8 λ20 (6.20) Dabei haben wir die Wellenlänge λ0 = 2π/k0 eingesetzt. Man beachte die symmetriebedingte Unabhängigkeit vom Winkel φ. 6 7 Einzige Voraussetzung: Der gesamte Durchmesser der Antenne ist sehr viel kleiner als die Distanz r. d.h. die Richtung des elektrischen Feldvektors. 6.5 BERECHNUNG DES ANTENNENFELDES 187 Bild 6.7: Strahlungsdiagramm eines Hertzschen Dipols. Die gesamte Strahlungsleistung Prad erhält man durch Integration des Poynting Vektors über die Kugel Prad 2 2 π sin2 θ |I|2 Zw0 π 2 ~ · dF~ = |I| Zw0 l = ⊂⊃ S · 2πr sin θdθ = 8 λ20 | θ=0 r 2 {z 3 } Kugel ZZ Z l λ0 !2 . (6.21) = 8π 3 Dies bedeutet, dass ein Hertzscher Dipol umso besser strahlt, je grösser seine Länge ist. Die Formel gilt natürlich nur mit l/λ0 ≪ 1. Die durchschnittliche Strahlungsdichte ist Sav l λ0 !2 !2 . Prad |I|2 Zw0 = = 4π 12 . (6.22) Die maximale Strahlungsdichte ist Smax |I|2 Zw0 = 8 l λ0 (6.23) Somit ergibt sich ein maximaler Richtfaktor von D0 = Smax 3 = . Sav 2 (6.24) Dies ist kein besonders hoher Wert. Entsprechend ist die 3 dB-Keulenbreite ebenfalls ziemlich gross. Wir finden der Reihe nach 10 log Smax 1 = 10 log 2 = 3 dB S sin θ 3 ⇒ sin θ = 10− 20 ⇒ θ ≈ 45◦ . (6.25) 188 KAPITEL 6 ANTENNEN Dies bedeutet, dass der Hertzsche Dipol in einen Winkelbereich von immerhin 90◦ (±45◦ ), d.h. in insgesamt 79% den Raumes noch mit relevanter Stärke abstrahlt. Der Strahlungswiderstand ergibt sich zu 2Prad 2π Rs = = Z w0 |I|2 3 l λ0 !2 (6.26) und ist somit in jedem Fall klein verglichen mit der Freiraumwellenimpedanz. Beispiel 6.3 Eine kurze (λ/10) Antenne aus Kupferdraht strahlt Leistung in den Freiraum ab bei einer Frequenz von 1 Ghz. Der Durchmesser des Kupferdrahtes betrage 1.02 mm. Bestimmen Sie die den Wirkungsgrad der Antenne. Lösung 6.2 Mit f λ = c0 (c0 ist die Vakuumlichtgeschwindigkeit.) ergibt sich die Wellenlänge zu λ = 0.3 m. Das heisst, die Antenne ist l = λ/10 = 3 cm lang. Die Eindringtiefe in einem guten Leiter ist 1 δCu = √ = 2.09 µm µ0 πf σCu wobei die Leitfähigkeit von Kupfer σCu = 5.8 · 107 S/m beträgt. Da der Radius des Kupferdrahts mit a = 0.51 mm viel kleiner als die Eindringtiefe ist, ergibt sich der Strahlungswiderstand zu RCu = l 2πaδCu σCu = 0.077 Ω Der Strahlungswiderstand einer kurzen Antenne ist 2π l Rs = Zw0 3 λ !2 = 7.896 Ω , und der Wirkungsgrad berechnet sich zu η= Prad Rs = = 0.9903 . PVerlust + Prad RCu + Rs Beispiel 6.4 Bestimmen sie das elektrische sowie das magnetische Feld, welches von einem Hertz’schen Dipol abgestrahlt wird, in einer Entfernung von 10 m von der Quelle unter einem Winkel von θ = 300 . Die Länge das Hertz’schen Dipols ist gegeben mit l = 1 cm, die Betriebsfrequenz beträgt f = 1 GHz und der Strom ist I = 1 A. Lösung 6.3 Die Ausdrücke für die r-, θ- und φ-Komponenten der elektrischen und magnetischen Felder des Herz’schen Dipols sind gegeben durch Er = Il e−jk0 r (1 + jk0 r) cos θ 2πjωε0 r 3 6.5 BERECHNUNG DES ANTENNENFELDES Eθ = Il e−jk0 r (1 + jk0 r − k02 r 2 ) sin θ 3 4πjωε0 r Hφ = Il e−jk0 r (1 + jk0 r) sin θ . 4π r 2 189 Diese Formeln sind gültig da die Freiraumwellenlänge bei f = 1 GHz mit λ = 30 cm wesentlich grösser als die L’ange der Antenne ist. Einsetzen der Zahlenwerte liefert V m V = (1.45 − j2.8)10−1 m A = (3.9 − j7.4)10−4 m E r = (−4.6 − j2.4)10−3 Eθ Hφ Es ist anzumerken, dass das Verhältnis der θ- zur r-Komponente des elektrischen Feldes |E θ | = 60.7 |E r | beträgt, was zeigt, dass die θ-Komonente die dominante ist. Ausserdem ergibt sich für das Verhältnis von E θ zu H φ |E θ | = 377 Ω , |H φ | welches dem Wert der Freiraumwellenimpedanz Zw0 entspricht. Dies zeigt, dass die Felder in der Fernfeld Region der Antenne ausgewertet wurden. 190