Impfung gegen Humane Papilloma-Viren (HPV) zur Verhütung von Gebärmutterhals-Krebs von PD Dr. med. Roland Richter, Tumorzentrum ZeTuP, St. Gallen In der Schweiz erkranken jedes Jahr etwa 340 Frauen an Gebärmutterhals-Krebs, und jedes Jahr sterben etwa 100 Frauen an dieser Krankheit. Viel höher jedoch ist die Anzahl Frauen, die wegen einer Vorstufe von Gebärmutterhals-Krebs operiert werden müssen, nämlich etwa 4000 pro Jahr. Eigentlicher Gebärmutterhalskrebs befällt vorwiegend Frauen im Alter zwischen 45 und 50 Jahren; die erwähnten Frühformen, die bei uns so häufig zur Behandlung kommen, werden häufig bei 25- bis 35-jährigen Frauen entdeckt. Diese Behandlung besteht in einem operativen Eingriff am Gebärmutterhals mit möglichen ungünstigen Folgen für künftige Schwangerschaft und Geburt. Gebärmutterhals-Krebs und seine Vorstufen werden durch Humane Papilloma Viren (HPV) hervorgerufen. HPV sind eine grosse Familie von Viren, welche die Entstehung einer Vielzahl von häufig harmlosen Hautveränderungen, unter anderem ganz normale Hautwarzen, hervorrufen. Daneben finden sich HPV aber auch im Zusammenhang mit anderen Krebsen, so des Afters, des Penis und des Schlundes. Die Viren sitzen direkt in den Zellen der betroffenen Haut oder Schleimhaut. Sie werden durch direkten (genitalen) Hautkontakt von Spender/in zu Empfänger/in übertragen. Andere Übertragungswege, beispielweise über das Blut oder sonstige Körperflüssigkeiten, aber auch über ausgehustete Tröpfchen, sind nicht bekannt. Die Familie der Humanen Papilloma Viren besteht aus rund 100 bisher bekannten Mitgliedern, die mit Nummern bezeichnet werden. Nach ihrer Wirkung werden diese Viren ganz generell in 2 grosse Gruppen unterteilt, nämlich in solche mit hohem Krebsverursachungsrisiko (onkogene oder high-risk-Typen) und in solche mit niedrigem Risiko (low-risk-Typen). In Zusammenhang mit Zellveränderungen am Gebärmutterhals sind bisher 18 high-risk-HPV-Typen gefunden worden. Davon sind die 2 Typen No. 16 und 18 für 70 Prozent aller Gebärmutterhals-Krebse und deren Vorstufen verantwortlich. Sollte es also gelingen, diese beiden Typen zu unterdrücken, so würde die Häufigkeit von Gebärmutterhals-Krebs samt Vorstufen um 70 % gesenkt. Untersuchungen haben gezeigt, dass 16 Monate nach Aufnahme von Geschlechtsverkehr HPV bei 4 von 10 jungen Frauen nachgewiesen werden kann. Und 1 von 20 Frauen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren ist von einem high-risk-Virus befallen. Auf der anderen Seite gibt es auch eine Tendenz zur Selbstheilung: 2 Jahre Nach Infektion mit HPV sind 9 von 10 Frauen wieder frei von Virus; bei einer von 10 bleibt das Virus in der Schleimhaut und wird damit zum Krankheitsverursacher. Bis heute werden die durch HPV verursachten Zellveränderungen mit dem vor 60 Jahren von Papanicolaou eingeführten Zellabstrich vom Gebärmutterhals (Pap-Abstrich) erkannt. Dieser Abstrich muss in regelmässigen Abständen abgenommen werden (anfangs jährlich, später 3-jährlich). Vorteilhafter wäre jedoch, wenn das Risiko der Infektion mit HPV überhaupt reduziert würde. Tatsächlich ist dies möglich: Bei HPV handelt es sich um Viren, die nicht nur die Bildung von Antikörpern hervorrufen, sondern gegen die auch Impfstoffe entwickelt werden können. Und zur Zeit stehen weltweit 2 Impfstoffe zur Verfügung, die beide gegen die Typen 16 und 18 gerichtet sind (einer davon zusätzlich gegen die Typen 6 und 11, die genitale Warzen hervorrufen). Wer soll nun von den Impfungen profitieren können? Wenn man davon ausgeht, dass HPV bereits ab Beginn der sexuellen Aktivität übertragen wird, so folgt daraus, dass eine Impfung bereits beim ersten Geschlechtsverkehr wirksam sein sollte; sie muss deshalb schon vorher durchgeführt werden. Die eidgenössische Kommission für Impffragen hat folgende Empfehlung zuhanden des Bundesrates ausgesprochen: Die HPV-Impfung sei bei allen 11 – 14 jährigen Mädchen als Pflichtleistung zuhanden der sozialen Krankenversicherung zu übernehmen. Zudem sollen sich in den ersten 5 Jahren nach Beginn der Impfungen alle 15 – 19 jährige Frauen ebenfalls zulasten der Krankenversicherung nachimpfen können (allerdings könnte bei dieser Gruppe die Impfung bereits zu spät kommen). Der Bundesrat hat im November 2007 im Sinne dieser Empfehlung entschieden. Die Kantone werden im Interesse der Kosten (rund 500 Franken pro Behandlung) verpflichtet, den Impfstoff zentral zu beschaffen und im Rahmen von schulärztlichen Impfprogrammen zu verabreichen. Die Regelung tritt per Januar 2008 in Kraft. Für die Frauen zwischen 15-18 Jahren ist derzeit die Bezahlung noch nicht geregelt. Wie lange der Impfschutz anhält ist heute noch nicht bekannt. Gesichert sind 5 Jahre, wahrscheinlich mindestens 10. Möglicherweise aber braucht die Impfung überhaupt nicht wiederholt zu werden. Diesbezüglich müssen Langzeituntersuchungen noch abgewartet werden. Eine Impfung gegen HPV macht gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen nicht unnötig! Auch geimpfte Frauen sollten sich einer Abstrichuntersuchung alle 3 Jahre unterziehen, schützt doch die HPV-Impfung nicht absolut vor Gebärmutterhals-Krebs und seinen Vorstufen. Und zudem geht eine gynäkologische Vorsorgeuntersuchung weit über die Abnahme eines Zellabstrichs hinaus: sie liefert zusätzlich wichtige Informationen über den Gesundheitszustand der Gebärmutter, der Eileiter, der Eierstöcke und der Brüste. November 2007