So bunt und ansprechend wie jetzt präsentiert sich die Magerwiese des Botanischen Gartens ansonsten während des ganzen Jahres nicht. Gelb, blau, rot, weiss: in allen Nuancen werben die vielen Blüten um die Gunst ihrer Bestäuber. Die jetzige Pracht ist das Ergebnis einer Umgestaltung im Jahr 2011. Bei der damaligen eher eintönigen Mähwiese wurde die Vegetationsschicht abgetragen und mit Kies und Sand ersetzt. Nach tiefgründigem Umgraben erfolgte die Ansaat mit einer Mischung von 55 einheimischen Wiesenpflanzen. Die meisten von ihnen können sich nur auf mageren Böden behaupten. Eine Düngung würde einige wenige konkurrenzstarke Arten so sehr fördern, dass sie allesamt verschwinden würden. Dies ist der Hauptgrund, warum die heutigen Wirtschaftswiesen so artenarm sind. Damit sich der Boden nicht mit Nährstoffen anreichert oder Gehölze aufkommen, wird die Wiese zweimal pro Jahr geschnitten, erstmals anfangs Juli und nochmals im Herbst. Wiesen-Salbei Wiesen-Salbei Salvia pratensis Um die Bestäubungsrate zu erhöhen, haben die auffallend blauen Blüten einen raffinierten Mechanismus entwickelt: Ihre beiden Staubblätter gleichen Schlagbäumen, wobei der längere Teil mit dem Staubbeutel endet, während der kürzere Teil plattenförmig ausgebildet ist. Insekten beim Ausbeuten des Nektars drücken unweigerlich auf diese Platte, was zur Folge hat, dass sich der Teil mit dem Staubbeutel auf den Rücken des Blütenbesuchers senkt und diesen mit Pollen einpudert. Beim nächsten Blütenbesuch streift die Spitze des Fruchtblattes (Narbe) den pollenbedeckten Rücken des Insektes, womit die Blüte bestäubt ist. Die Wiesen-Salbei stammt ursprünglich aus dem Mittelmeergebiet. Als blinder Passagier im Saatgut von Kulturpflanzen gelangte sie bereits in der Jungsteinzeit in unsere Breiten, wo sie in sonnigen Magerwiesen längstens eingebürgert ist. Von den insgesamt rund 950 Salbei-Arten ist in der Schweiz nur eine wirklich einheimisch, die Klebrige Salbei (Salvia glutinosa), eine Waldpflanze. FeldWitwenblume Feld-Witwenblume Knautia arvensis Vom körbchenförmigen Blütenstand her und den vergrösserten Blüten am Rand glaubt man zunächst auch bei der Witwenblume einen Korbblütler vor sich zu haben. Dem ist aber nicht so, weil die Blüten ganz anders gebaut sind (unverwachsene Staubblätter, vierzählige Blüten). Die Witwenblumen werden oft mit den nahe verwandten Skabiosen verwechselt, die sich mit ihren fünfzähligen Blüten und auffallenden dunkeln Kelchborsten jedoch deutlich unterscheiden. Auch vom Lebensraum her bestehen Unterschiede. Während die Skabiosen warme und trockene Magerwiesen besiedeln, bevorzugt die Witwenblume feuchtere und nährstoffreichere Lebensräume auch in Fettwiesen. Frühe und häufige Mahd bringen das auffällige Geissblattgewächs jedoch rasch zum Verschwinden. Zaun-Wicke Vicia sepium WiesenMargerite Wiesen-Margerite Leucanthemum vulgare Erhalten Kinder oder botanische Laien den Auftrag, eine Blüte zu zeichnen, dann resultieren meistens Darstellungen, die einer Margerite gleichen. Sie scheint das Idealbild einer Blüte zu sein. Aber weit gefehlt, bei diesen Blütenköpfen handelt es sich nicht um Einzelblüten, sondern um ein Konglomerat aus hundert und mehr kleinen Einzelblüten, die zusammen einer Einzelblüte gleichen. So werden sie wohl auch von den Bestäubern wahrgenommen. Diese korboder sternförmigen Blütenstände werden als Körbchen bezeichnet und sind typisch für die Familie der Korbblütler (Asteraceae). Die weissen Strahlen am Rand sind rein weibliche Blüten und die weit zahlreicheren gelben in der Mitte zwittrige. Der allgemein bekannte Name „Margerite“ leitet sich vom althochdeutschen Begriff „margarites“ ab, was übersetzt „Perle“ bedeutet. Damit kommt eine grosse Wertschätzung für die auffällige Wiesenblume zum Ausdruck. ZaunWicke Dieser Schmetterlingsblütler ist kein ausgesprochener Bewohner von Magerwiesen. Er gedeiht auch in Fettwiesen oder als „Unkraut“ in Gartenanlagen. Wegen seiner besonderen Wuchsform ist er zu bewundern: Die gefiederten Blätter bestehen aus 8 bis 14 intakten Teilblättchen. Drei weitere an der Spitze sind bis auf den Mittelnerv reduziert. Diese fadenartigen Blattrudimente dienen als Ranken, womit sich die dünnstielige Pflanze an standfesteren Arten ihrer Umgebung festhält. Bemerkenswert ist auch das erste Blattpaar am Grund des Blattstiels, die beiden Nebenblätter. An ihrer Rückseite scheiden sie Nektar aus, der von Ameisen dankbar verzehrt wird. Inwiefern die Pflanze davon profitiert ist unklar. Sind es Überschussventile oder dienen die Ameisen der Kletterpflanze als Schutzpolizei? IM JUNI 2016 Die Magerwiese