Allergisch aufs Essen ? – Nahrungsmittelunverträglichkeiten und –allergien 1. Begriffe und Definitionen Viele Nahrungsmittel, die von der Mehrzahl der Menschen ohne Probleme verzehrt werden können, rufen bei bestimmten Personen Unverträglichkeitsreaktionen hervor. Je nach dem, ob das Immunsystem des Körpers an diesen Reaktionen beteiligt ist oder nicht, wird zwischen Allergie und Intoleranz unterschieden. Zu den „nichtimmunologischen“ Reaktionen gehören unter anderem enzymatische Unverträglichkeiten, also klassische angeborene oder erworbene Enzymdefekte. Hinzukommen Unverträglichkeiten, deren Mechanismen noch nicht vollständig aufgeklärt sind, wie etwa die "Pseudo-Allergien" (PAR). Damit werden Krankheitsbilder beschrieben, die echten allergischen Reaktionen gleichen, ohne dass bislang immunologische Vorgänge nachweisbar wären. PAR zeichnen sich außerdem unter anderem dadurch aus, dass sie dosisabhängig auftreten, schon beim Erstkontakt mit dem Auslöser Symptome bilden können und eine ausgeprägte Tendenz zur Spontanheilung zeigen. Die überwiegende Zahl von echten Nahrungsmittelallergien wird hingegen durch eine fehlgeleitete Immunreaktion ausgelöst, in dessen Verlauf vermehrt eine bestimmte Klasse von Antikörpern (Immunglobulin E oder IgE) gegen Allergene gebildet werden. 2. Verbreitung von Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten Entgegen verbreiteter Vorstellungen in der Öffentlichkeit kommen Unverträglichkeitsreaktionen auf Lebensmittel und Lebensmittelzusatzstoffe weniger häufig vor als vermutet. Von einer Nahrungsmittelallergie betroffen sind in erster Linie Menschen mit einer ererbten Veranlagung für allergische Erkrankungen. In Deutschland entwickeln etwa 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens eine genetisch bedingte allergische Erkrankung, wie allergisches Asthma oder Heuschnupfen. Die Nahrungsmittelallergie tritt besonders häufig in den ersten Lebensjahren auf. Prinzipiell kann sie jedoch in jedem Lebensalter zum ersten Mal erscheinen. Wissenschaftler schätzen die Häufigkeit von Nahrungsmittelallergien in Europa auf etwa zwei bis drei Prozent bei Erwachsenen - dabei handelt es sich vor allem um Pollen assoziierte Lebensmittelallergien (s.3.) - und zwei bis fünf Prozent bei Kindern. Bei Kleinkindern liegt die Erkrankungsrate höher, nach Schätzungen der deutschen Gesellschaft für Ernährung sind bis zu acht Prozent unter ihnen betroffen, bei vielen tritt aber nach einigen Jahren eine spontane Toleranz ein. Häufig treten Lebensmittelallergien zusammen mit anderen allergischen Erkrankungen auf: So leiden etwa ein Drittel der an Neurodermitis erkrankten Kinder unter einer Nahrungsmittelallergie. Schätzungsweise 90 Prozent aller immunologisch begründeter Unverträglichkeitsreaktionen auf Nahrungsmittel sind IgE-vermittelte Soforttypreaktionen (sog. Typ I Allergien). 1 3. Nehmen Nahrungsmittelallergien zu? Bisher konnte nicht eindeutig bewiesen werden, dass in den letzten Jahren eine Zunahme der Nahrungsmittelallergien stattgefunden hat. Es gibt keine systematischen Studien, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten vergleichbare Gruppen untersuchten. Dennoch gibt es gewisse Anhaltspunkte für eine Zunahme: • Zunahme von Pollenallergien in Europa In Europa leiden etwa zehn bis 20 Prozent der Bevölkerung an Heuschnupfen. Die Häufigkeit von Pollenallergien hat in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen und nimmt weiterhin zu. Es ist zu erwarten, dass damit einhergehend auch die Häufigkeit der pollenabhängigen Nahrungsmittelallergien gestiegen ist und weiter steigen wird. • Änderung der Ernährungsgewohnheiten Die Häufigkeit von Nahrungsmittelallergien steht im Zusammenhang mit der Entwicklung der Ernährungsgewohnheiten. Die Erweiterung des Nahrungsangebots in unserem Kulturkreis führt zu mehr Kontakten mit bisher unbekannten Nahrungsmitteln und möglichen Allergie auslösenden Nahrungsmittelbestandteilen. So werden beispielsweise zunehmend allergische Reaktionen gegen Kiwi, Mango und andere exotische Früchte beobachtet. • Verbreitung potenzieller Allergene Die Nahrungsmittelindustrie setzt bei der Herstellung von Lebensmitteln eine sehr breite Palette von Inhaltsstoffen ein. Dadurch kommt man regelmäßig mit einer wachsenden Anzahl möglicher Nahrungsmittelallergene in Kontakt. 4. Immunologischer Hintergrund Zu den Aufgaben des Immunsystems gehört es, schädliche von harmlosen Bestandteilen der Nahrung zu unterscheiden und gegebenenfalls zu bekämpfen. Eine Nahrungsmittelallergie entsteht, wenn das Immunsystem einen Inhaltsstoff eines Nahrungsmittels in einer überschießenden Reaktion abwehrt. Der jeweilige unverträgliche Stoff wird als Allergen bezeichnet. Nach Aufnahme des Nahrungsmittels bildet das Immunsystem Antikörper oder Abwehrzellen gegen das Allergen im Nahrungsmittel. Der erneute Kontakt mit dem Allergen kann dann zu einer krank machenden Reaktion des Immunsystems führen. Allergene sind meist bestimmte Eiweiße in den entsprechenden Nahrungsmitteln. Die Symptome einer Nahrungsmittelallergie treten in den meisten Fällen sofort nach Verzehr des betroffenen Nahrungsmittels auf. In seltenen Fällen kann der Körper aber auch zeitlich verzögert reagieren. 5. Vielfalt der Allergene Nahrungsmittelallergien sind kein Phänomen unserer modernen Gesellschaft. Bereits Ärzte der Antike, wie Hippokrates (400 v.Chr.) und Galen (200 n.Chr.) berichteten über Fälle von Unverträglichkeitsreaktionen nach der Nahrungsaufnahme, bei denen es sich nach heutigem Wissensstand um allergische Reaktionen gehandelt haben dürfte. Ab dem 17. Jahrhundert finden sich in der Literatur zunehmend detaillierte Hinweise auf allergische Erkrankungen, die durch naturbelassene Nahrungsmittel wie Reis, Mehl, Früchte, Gewürze, Kuhmilch und Hühnereier ausgelöst wurden. Viele Betroffene entwickeln gegen mehrere Nahrungsmittel gleichzeitig eine Allergie. Dies ist auf Kreuzreaktionen zurückzuführen. Von einer Kreuzreaktion wird gesprochen, wenn ein Allergen eine Sensibilisierung verursacht und dann Beschwerden gegen eine andere Substanz, die ein ähnliches Allergen enthält auftreten. Einige allergene Strukturen wie z.B. Profiline, die nicht selten als Allergen fungieren, sind im Pflanzen- und Tierreich weit verbreitet. 2 Tritt bei Menschen im Zusammenhang mit einer Pollenallergie, die Heuschnupfen verursacht, eine Nahrungsmittelallergie auf, so spricht man von einer Pollen assoziierten Nahrungsmittelallergie. Ein typisches Beispiel ist die sehr häufige Allergie gegen Haselnüsse, Äpfel, Karotten und/oder Sellerie, die sich bei vielen Menschen mit einer Allergie gegen Birkenpollen entwickelt. Schätzungen zufolge bewältigt der Verdauungstrakt während der Lebenszeit eines Menschen etwa hundert Tonnen Nahrung. Im Prinzip kann jedes Nahrungsmittel Allergien auslösen, es gibt aber Substanzen, die häufiger als andere allergische Reaktionen hervorrufen. In welchem Ausmaß Allergien gegen bestimmte Nahrungsmittel auftreten, ist neben individuellen Faktoren stark von den örtlichen Lebens- und Ernährungsgewohnheiten abhängig. So sind Fisch- und Obstallergien in Schweden und Finnland weit verbreitet; Berichte über Menschen mit einer Allergie gegen Erdnuss häufen sich in den USA, Großbritannien und den Niederlanden. Soja- und Reisallergien sind vermehrt in Japan zu beobachten. Bei mitteleuropäischen Essgewohnheiten sind besonders folgende Nahrungsmittel Allergie auslösend: Obst (Äpfel, Pfirsich, Kirschen, Kiwi) Gemüse (vor allem Sellerie und Karotten), Nüsse (vor allem Haselnuss, aber auch Walnuss, Mandel und Paranuss), Milch- und Milchprodukte, Gewürze, Fisch, Hühnereier, und Erdnüsse und andere Leguminosen (insbesondere Soja) und Samen (Sesam, Mohn,). In vielen Statistiken sind jedoch von einer Nahrungsmittelallergie Betroffene mit nur geringfügigen Symptomen, etwa bei einer Allergie gegen Haselnüsse oder Kern- und Steinobst, nicht berücksichtigt, da sie sich häufig nicht zur Abklärung ihrer Krankheit in eine Klinik begeben. Für Säuglinge und Kleinkinder stehen tierische Allergene im Vordergrund, wobei Kuhmilch das bedeutsamste Allergie auslösende Lebensmittel ist. Sie stellt in der Regel das erste Fremdeiweiß dar, dem die Säuglinge ausgesetzt werden. Die Sensibilisierung kann bereits durch Übergang allergener Proteine in die Muttermilch erfolgen. Später spielen für Kinder vor allem Hühnerei, Erdnuss, Soja und Fisch bei der Entwicklung von Nahrungsmittelallergien eine Rolle. 6. Diagnostik Die Diagnose erfordert umfangreiches Wissen auf dem Gebiet der Allergologie und muss von einem allergologisch geschulten Arzt vorgenommen werden. Nach einem ausführlichen Gespräch über die Krankengeschichte des Patienten und ersten Untersuchungen kann der Arzt andere Erkrankungen ausschließen und eventuell bereits eine Verdachtsdiagnose stellen. Dies kann durch ein vom Betroffenen geführtes Tagebuch über den Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme und die Art des Nahrungsmittels unterstützt werden. Auch der Zeitpunkt und die Art der Symptome werden darin festgehalten. Die verdächtigten Nahrungsmittel beziehungsweise deren Allergie auslösende Bestandteile werden dann mittels Haut- oder Blutuntersuchungen ausgetestet. Es folgt eine Diätphase, in der diese Nahrungsmittel aus der Ernährung weggelassen werden. Wenn die Symptome im Laufe der Eliminationsdiät abklingen, so kann eine vorläufige Diagnose gestellt werden. Ist weiterhin unklar, welche Nahrungsmittel für die Allergie verantwortlich sind, so kann eine Suchdiät weiterhelfen, bei der Schritt für Schritt Nahrungsmittel zu einer allergenarmen Basisdiät hinzugefügt werden. Unter Umständen empfiehlt sich zur Sicherung der Diagnose ein Provokationstest. Dabei werden die betreffenden Nahrungsmittel gezielt gegeben, um eine allergische Reaktion nachzuweisen. Am Besten weiß der Betroffene dabei nicht, mit welchem Nahrungsmittel er "provoziert" wird, um psychische Einflüsse auf die Untersuchungsergebnisse auszuschließen. Provokationstests müssen immer unter ärztlicher Aufsicht und meist unter stationärer Beobachtung vorgenommen werden. 3 7. Symptomatik Allergische Reaktionen zeigen sich vor allem an der Haut, den Schleimhäuten und am Verdauungstrakt. Grundsätzlich können aber alle Organe betroffen sein. Die Liste der möglichen Symptome ist lang. Häufige Reaktionen der Haut sind Hautjucken (Pruritus) und Hautrötung (Erythem) sowie Schwellungen (Quincke-Ödem) und Quaddelbildung (Nesselsucht bzw. Urtikaria). Bei manchen Menschen, die an Neurodermitis leiden, verschlimmern sich die Hautsymptome durch den Verzehr des Allergie auslösenden Nahrungsmittels. Es treten Entzündungen im Nasen-Rachenraum, Kehlkopfbereich und den Bronchien auf, möglich sind Heuschnupfen oder Asthma bronchiale. Im Bereich des Mundes kann es zu Juckreiz und Schwellungen kommen. Die Betroffenen können unter Schluckbeschwerden, Übelkeit bis hin zum Erbrechen, Blähungen, Bauchkrämpfen und Durchfällen leiden. Einige wenige hochgradig sensibilisierte Menschen entwickeln nach dem Verzehr des Allergie auslösenden Nahrungsmittels einen potenziell lebensbedrohlichen Kreislaufzusammenbruch, einen anaphylaktischen Schock. Die meisten sehr gefährlichen oder gar tödlich verlaufenen Nahrungsmittelallergien gingen allerdings mit einem schweren Asthmaanfall einher. Während bei Säuglingen und Kleinkindern Reaktionen am Verdauungstrakt und an der Haut überwiegen, zeichnen sich Nahrungsmittelallergien bei älteren Kindern und Erwachsenen am häufigsten durch das auf den Mund- und Rachenraum beschränkte „orale Allergiesyndrom" aus, gefolgt von Haut- und Atemwegserkrankungen. 8. Therapie Eliminationsdiät Die entscheidende therapeutische Maßnahme bei einer Nahrungsmittelallergie ist das Meiden des auslösenden Nahrungsmittels, die Allergen-Elimination. Die Schwere der Erkrankung ist dabei ein Maß für die Strenge der Eliminationsdiät. Ein Meiden bestimmter Nahrungsmittel auf Verdacht ist grundsätzlich abzulehnen. Außerdem muss darauf geachtet werden, dass sich der Betroffene auch ohne das zu meidende Lebensmittel abwechslungsreich und gesund ernährt. Nicht immer ist es leicht, das auslösende Lebensmittel zu meiden. Dies gilt vor allem für Lebensmittel wie Milch, Ei oder Soja, die einer unüberschaubaren Vielzahl von Lebensmittelprodukten zugesetzt und häufig nicht eindeutig deklariert werden. So kann sich etwa ein Zitronenplätzchen für einen Fischeiweiß-Allergiker als böse Überraschung entpuppen, wenn man nicht ahnt, dass im Plätzchen enthaltenes Vollei Fischeiweißallergene enthalten kann, wenn die Hühner mit Fischmehl gefüttert werden. Manchen Betroffenen muss deswegen ganz vom Verzehr von Lebensmittelfertigprodukten abgeraten werden. Dies gilt vor allem, wenn schwer vermeidbare Nahrungsmittel betroffen sind und der Betroffene hochgradig sensibilisiert ist, das heißt schon auf kleinste Spuren des Allergens mit lebensbedrohlichen Krankheitssymptomen reagiert. Auch auf Gemeinschaftsverpflegung wie sie in Kantine, Mensa oder Hotelküche geboten wird, muss unter Umständen verzichtet werden, da nicht immer ermittelt werden kann, ob eine Mahlzeit tatsächlich allergenfrei ist. Medikamente Für manche Betroffene kommt eine medikamentöse Behandlung zur Vermeidung beziehungsweise Verminderung der Krankheitssymptome in Frage. Allergiker, die schon einen anaphylaktischen Schock erlitten haben, müssen ein "Notfall-Set" mit Medikamenten zur Eigenbehandlung bei sich tragen, um im Ernstfall einen möglicherweise sogar zum Tode führenden Kreislaufkollaps verhindern zu können. 4 Hyposensibilisierung Im Gegensatz zu anderen Allergieformen können Nahrungsmittelallergien nicht durch Hyposensibilisierung therapiert werden, da die Herstellung von geeigneten Extrakten – sei es für die Therapie oder auch für den Allergietest – sehr problematisch ist. So haben beispielsweise Sorte und Reifegrad von pflanzlichen Lebensmitteln großen Einfluss auf die Aktivität der Extrakte. Auch sind manche Lebensmittelextrakte zu instabil. Eine Hyposensibilisierung ist allerdings möglich bei Kreuzreaktionen zu Pollenallergenen – hier ist jüngst sogar in einer kontrollierten Studie der positive Effekt einer Hyposensibilisierung mit Birkenpollenextrakt auf die Apfelallergie gezeigt worden. 9. Rechtslage Die gesetzlich vorgeschriebenen Bestimmungen zur Deklarierung von Zutaten reichten bisher nicht aus, um Allergie auslösende Nahrungsmittelbestandteile konsequent zu meiden. Nicht immer wurden alle Zutaten in der Zutatenliste gekennzeichnet. Machte eine Zutat weniger als 25 Prozent des Endproduktes aus, so mussten die einzelnen Bestandteile dieser Zutat nicht deklariert werden. Gebäck in einem Schokoriegel durfte beispielsweise in der Zutatenliste schlicht als "Gebäck" bezeichnet werden. Das darin eventuell enthaltene Hühnereiweiß war aus der Verpackung nicht ersichtlich. Andere Beispiele waren Fruchtzubereitungen in Joghurt, die nicht deklarierte Verdickungsmittel enthalten konnten, oder gefärbte Belegkirschen als Verzierung auf Backwaren, in deren Zutatenverzeichnis der Hinweis auf den für die Kirschen verwendeten Farbstoff fehlte. Auch hinter Begriffen wie „Gewürzmischung“, „natürliches Aroma“ oder „Gemüse“ konnten sich ganz unterschiedliche, möglicherweise Allergie auslösende Nahrungsmittelbestandteile verbergen. Grundsätzlich konnte also bisher nicht davon ausgegangen werden, dass ein Inhaltsstoff nicht enthalten ist, wenn er nicht deklariert ist. Seit November 2003 gilt europaweit eine neue EU Richtlinie über die Etikettierung von Lebensmitteln. Zutaten, die Allergien und Unverträglichkeiten auslösen können, sollen künftig konsequenter deklariert werden. In der Liste der EU-Richtlinie finden sich u.a. Eier, Milch, Fisch, Erdnüsse und Sellerie sowie die aus diesen Lebensmitteln gewonnenen Erzeugnisse. Die Lebensmittel müssen nun immer, wenn sie einem Produkt bewusst zugesetzt werden, deklariert werden. Abgeschafft wurde die so genannte 25-Prozent- Regel, die besagte, dass Bestandteile von zusammengesetzten Zutaten (z.B. Schokolade), die weniger als 25 Prozent des Enderzeugnisses ausmachen, nicht zwingend angegeben werden müssen. Es gilt nun sinngemäß eine 2% Regel, darüber hinaus müssen alle Einzelzutaten aufgelistet werden. Die Mitgliedsstaaten hatten nach Inkrafttreten der neuen EU Richtlinie ein Jahr Zeit, um diese umzusetzen. Hinzu kommt nun noch ein Übergangszeitraum, in dem die Hersteller die Etikettierung ihrer Erzeugnisse umstellen können. Auch konnten Hersteller von zusammengesetzten Lebensmitteln bis August 2004 einen Antrag auf Verlängerung der alten Regelung über weitere vier Jahre für ihr Produkt stellen, wenn sie in dieser Zeit die Verträglichkeit ihres Produkts auch bei Nahrungsmittelallergikern nachweisen konnten. 10. Vorbeugung und Perspektiven Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse, ob und gegebenenfalls wie das Entstehen einer Nahrungsmittelallergie dauerhaft zu verhüten ist. Innerhalb der ersten Lebensmonate voll gestillte Säuglinge haben allerdings ein geringeres Risiko, Allergien zu entwickeln, als mit Flaschennahrung ernährte Babys. Kinder, deren Eltern oder Geschwister an einer Allergie leiden, sind besonders gefährdet, eine Allergie zu entwickeln. Es wird deshalb empfohlen, besonders diese Kinder während der ersten sechs Monate ausschließlich zu stillen. Danach sollte bei Allergie gefährdeten Kindern möglichst innerhalb der ersten ein bis zwei Lebensjahre auf Lebensmittel verzichtet werden, die in diesem Alter besonders häufig Nahrungs5 mittelallergien auslösen. Von einer Nahrungsmittelallergie Betroffene können auf eine Besserung ihres Leidens hoffen. Oft besteht die Allergie nicht lebenslang, bei vielen Betroffenen kann nach einigen Jahren eine spontane Verträglichkeit oder Toleranz beobachtet werden. Das Alter, das Allergen selbst und die Therapie können das Abklingen der allergischen Reaktionslage beeinflussen. Bei der Mehrzahl der Kleinkinder mit Milchallergie verschwindet zum Beispiel die allergische Reaktionslage innerhalb der ersten Lebensjahre. Dies wird auf die Darmreifung während des Wachstums zurückgeführt. Leider kann eine "verstummte" Nahrungsmittelallergie in späteren Lebensabschnitten auch wieder aufleben. 11. Forschungsbedarf Es gibt noch viele offene Fragen hinsichtlich der Aufklärung der Ursachen wie auch der diagnostischen und therapeutischen Strategien bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Insbesondere besteht großer Forschungsbedarf für eine verbesserte Diagnostik von verzögert einsetzenden Reaktionen auf Nahrungsmittel (z.B. langsame Hautverschlechterung bei Neurodermitis) sowie die Identifizierung von Auslösern für Pseudoallergien. Wichtig wären auch neue Nachweismethoden für thermostabile Allergene in verarbeiteten Lebensmitteln. Außerdem fehlen geeignete Testsysteme, um die allergene Potenz von Lebensmitteln zu prüfen. Weiterführende Informationen Börries, G., Schaeffler, V. (2000): Allergien gegen Nahrungsmittel – Die Angst beim Essen. – Aus: Nahrungsmittel zwischen Natur und Retorte. - Magazin mensch+umwelt spezial des GSF – Forschungszentrums (GSF, Postfach 1129, 85758 Neuherberg, in Einzelexemplaren kostenlos zu bestellen) Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie: Leitlinien zur Nahrungsmittelallergie: www.awmf-online.de (unter Stichpunktsuche „Nahrungsmittelallergie“ eingeben) Deutsche Gesellschaft für Ernährung: Lebensmittelbedingte Neurodermitis – Was darf mein Kind essen? – Ratgeber für Eltern. (DGE, Bornheimer Str. 33, 53111 Bonn. www.dgemedienservice.de) Europäisches Parlament und Rat (2003): EU-Richtlinie 2003/89/EG vom10. November 2003. – Amtsblatt der Europäischen Union L 308/15. http://europa.eu.int/comm/food/food/labellingnutrition/foodlabelling/fl_com2003-89_de.pdf Exl, B.-M. & Wallrafen, A. (1997): Allergien vermeiden. Ein kleiner Ratgeber zur Allergieprävention. Hrsg.: Deutscher Allergie- und Asthmabund e.V. (DAAB), Mönchengladbach Jäger, L., Wüthrich, B. (2002): Nahrungsmittelallergien und –intoleranzen. Urban & Fischer München/Jena Niggemann B: Nahrungsmittelallergie im Kindesalter. In: Schultze-Werninghaus G et al. Manuale Allergologicum. Dustri Verlag 2004 Thiel , C. & Ilies, A. (1994): Kochen & Backen bei Nahrungsmittel-Allergien. Falken Verlag GmbH, Niedernhausen Thiel, C. (1997): Gut leben trotz Nahrungsmittel-Allergie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 6 Vieths, S. (1996): Lebensmittelallergien und andere Unverträglichkeitsreaktionen gegen Lebensmittel. – Aus: Jahresbericht des Paul-Ehrlich-Instituts. Langen Werfel T, Reese I. (2003, Hrsg): Nahrungsmittelallergie – Diätetische Gesichtspunkte und aktuelle Positionspapiere. Dustri Verlag, Deisenhofen Werfel T: Nahrungsmittelallergie im Erwachsenalter. In: Schultze-Werninghaus G et al. Manuale Allergologicum. Dustri Verlag 2004 Stand: November 2004 Autoren: Gabi Börries, Veronika Schäffler, Ulrike Koller, GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit Wissenschaftliche Beratung: Prof. Dr. Stefan Vieths, Paul Ehrlich-Institut, Langen, Prof. Dr. Thomas Werfel, Med. Hochschule Hannover, Klinik u. Poliklinik f. Dermatologie u. Venerologie, Dr. Veronika Schäffler, Wissenschaftliche Dienstleistungen und Informationsmanagement, München 7