Umnutzung Wohnen in alten Gebäuden Impressum Herausgeber: Kompetenzzentrum „Kostengünstig qualitätsbewusst Bauen“ im Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) Fasanenstraße 87, 10623 Berlin Telefon: (03018)401-3444 Telefax: (03018)401-3449 E-mail: [email protected] www.kompetenzzentrum-iemb.de Konzeption, Bearbeitung und Grafik Institut für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken e.V. an der TU Berlin ( Salzufer 14, 10587 Berlin ) Druck Dieser Bericht soll dem interessierten Kreis der privaten Bauherren und Eigentümer Informationen, Tipps und Anregungen geben. Er will und kann Gesetzestexte nicht ersetzen. Bei Rechtsfragen sollten daher immer die zuständigen Behörden oder die allgemein zur Rechtsauskunft befugten Stellen befragt werden. Dort können Sie z.B. auch Ausführungsbestimmungen erfahren, die nicht immer alle dargestellt werden können und die häufig von Bundesland zu Bundesland verschieden sind. Bearbeitungsstand: Dezember 2008 Stand: Februar 2009 Alle Rechte vorbehalten Umnutzung Wohnen in alten Gebäuden Bearbeitung: Projektleitung: Dipl.-Ing. Andreas Rietz, Architekt BDB Wissenschaftliche Mitarbeit: Dipl.-Ing. Heidemarie Schütz Mitarbeit: Doris Meyer Antje Paris u.a. Inhalt 1 Einleitung 5 2 Hintergründe 2.1 Gebäudetypen, die für Umnutzungen zu Wohnzwecken relevant sind 6 2.2 Potenziale von Gebäudeumnutzungen zu Wohnzwecken 2.2.1 Stadtentwickung und gesellschaftliche Aspekte 2.2.2 Wohnqualitäten und gestalterische Potenziale 6 7 9 3 Realisierte und beispielhafte Projekte 10 3.1 Industriegebäude 3.1.1 „Grube Carl“ – Wohnen im Industriedenkmal in Frechen 3.1.2 „Lofts an der Queich“ in einem ehemaligen Hafermagazin in Landau an der Pfalz 10 11 14 3.2 Handwerks- und Gewerbebauten 3.2.1 Wohnquartier „WIDRA-Areal“ in Aachen 3.2.2 Wohnen in der Suytermühle in Landsberg am Lech 16 16 19 3.3 Büro- und Verwaltungsgebäude 3.3.1 Umnutzung eines Bürogebäudes zu Eigentumswohnungen in Hamburg 3.3.2 Wohnen in einem ehemaligen Bürogebäude in Frankfurt a. M. 22 22 25 3.4 Versorgungsgebäude Wohnen im Wasserturm in Essen 27 27 3.5 Militärisch genutzte Gebäude sowie Schutz- und Wehrbauten 3.5.1 Wohnen in einem ehemaligen Hochbunker in Köln 3.5.2 „Garde-Karree“ – Wohnen in einer ehemaligen Kaserne in Potsdam 3.5.3 Wohnanlage in der Wasserburg „Haus Heyden“ in Aachen 29 29 32 35 6 3.6 Bahngebäude 3.6.1 „Die Wilde 13“ – Eigentumswohnungen und Stadthäuser im ehemaligen Straßenbahndepot in Düsseldorf 3.6.2 Umnutzung eines denkmalgeschützten Zollschuppens in Leipzig 38 38 3.7 Sakrale Bauten 3.7.1 Wohnen im Eigentum des ehemaligen Klosters in Geistingen 3.7.2 Gemeinschaftliches Wohnen im Karmelkloster in Bonn 44 44 47 3.8 Landwirtschaftliche Gebäude Umnutzung einer Scheune in Volkach 50 50 4 Planungs- und Realisierungsaspekte 4.1 Grundlagenermittlung und Nutzungskonzept 4.1.1 Grundlagenermittlung 4.1.2 Nutzungskonzept 4.1.3 Kosten- und Finanzierungsaspekte 53 53 54 55 4.2 Planung 4.2.1 Umgang mit dem Bestand 4.2.2 Konstruktive und bautechnische Aspekte 4.2.3 Behördenrelevante Aspekte 57 57 58 60 5 Fazit 61 Literaturnachweis 62 Bildnachweis 64 41 53 1 Einleitung Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung innerhalb der städtischen Struktur ist einem steten Wandel ausge­ setzt. Durch die Veränderungen der Ar­ beitswelt und den Rückgang von indust­ riellen, militärischen, versorgungstechni­ schen und landwirtschaftlichen Einrich­ tungen – die oftmals in neuen Bauten an anderen Standorten ihre Entsprechung finden – verlieren Nichtwohngebäude im­ mer wieder ihre ursprüngliche Nutzung. Daraus ergeben sich neue Chancen unoder untergenutzte Objekte der Wohn­ nutzung zuzuführen. Geeignete Gebäude in innerstädtischen Lagen können z.B. gewerblich genutzte Gebäude, Klein­ gewerbe- und Bürobauten, aber auch ehemals militärisch genutzte Brachen, Schutzbauten, Versorgungs- und Bahn­ gebäude sein. Großflächige Industrie-, Bahn- oder Militärareale sind eher in In­ nenstadtrandlage zu finden. Die Umnutzung solcher Gebäude zu Wohnzwecken hat stark an Bedeutung gewonnen, da diese vielfach eine realis­ tische Zukunftsperspektive für den Er­ halt wertvoller Bausubstanz bietet. Die Schaffung von Wohnraum durch Wieder­ nutzung leerstehender Gebäude – ins­ besondere von kleinteiligen Nichtwohn­ gebäuden – füllt Lücken in der Stadt mit neuem Leben, dient der Revitalisierung erhaltenswerter Bausubstanz mit beson­ derem geschichtlichen Hintergrund und fördert die Identifizierung der Bewohner mit ihrer Umgebung. Das Wohnen in ehemaligen Gewerbeoder anderen Betriebsgebäuden erfreut sich daher einer immer größeren Nach­ frage. Bewohner mit unterschiedlichen Lebensstilen, die individuelle oder ge­ meinschaftliche Wohnformen anstreben, suchen nach passendem Wohnraum in komfortabler städtischer Lage und at­ traktiver Wohnatmosphäre mit individu­ ellen Gestaltungsmöglichkeiten. Mit der Umnutzung von Nichtwohngebäuden besteht für Städte und Kommunen die Chance die Vielfalt des Wohnens und damit die Lebensqualität zu fördern, neue Bewohnerschichten anzusprechen und dem steigenden Wohnflächenbedarf ohne weitere Flächeninanspruchnahme nachzukommen. Für den Eigentümer er­ öffnen sich durch die Umnutzung neue Perspektiven für eine qualitative und nachhaltige Verbesserung seiner Im­ mobilie, insbesondere hinsichtlich einer langfristigen Wirtschaftlichkeit. Nachfolgende Information soll privaten Bauherren und potenziellen Eigentü­ mern aufzeigen, wie ihre individuellen Wohnbedürfnisse in umnutzungsfähigen Bestandsobjekten verwirklicht werden können, welche Gestaltungsmöglichkei­ ten diese Gebäude bieten und wie sie dadurch an der Verbesserung der städti­ schen Wohnstruktur mitwirken können. Dazu werden die Potenziale verschiede­ ner Gebäudetypen für die Umwidmung zu Wohnzwecken im städtebaulichen Kontext und die Attraktivität im Bezug auf die zu erreichende Wohnqualität darge­ stellt. Verschiedene beispielhafte Reali­ sierungen zeigen Lösungsmöglichkeiten für Umnutzungen von Nichtwohngebäu­ den auf, wobei besondere Aufmerksam­ keit dem Umgang mit der bestehenden Bausubstanz und der Umsetzung der qualitativen Anforderungen an das Woh­ nen gilt. Des Weiteren werden besonde­ re Planungs- und Realisierungsaspekte aufgezeigt, die bei diesen Vorhaben auf­ treten können. 5 2 Hintergründe 2.1 Gebäudetypen, die für Umnutzungen zu Wohn­ zwecken relevant sind Aufgrund der fortschreitenden Deindust­ rialisierung und den veränderten Anfor­ derungen auf dem Arbeitsmarkt liegt der Hauptanteil an ungenutzten Nichtwohn­ gebäuden bei ehemaligen Industrie- und Gewerbebauten, wie Produktionsstätten, Handwerksbetrieben, aber auch zuneh­ mend bei Bürobauten, die in manchen Re­ gionen einen großen Leerstand aufweisen. Während erstere oftmals Ende des 19. Jh. bzw. Anfang des 20. Jh. entstanden sind, stammen umnutzungsrelevante Bürobau­ ten häufig auch aus jüngerer Zeit. Durch den Einsatz neuer Technologien im Bereich der Energie- und Wasserver­ sorgung werden seit den 60er Jahren Versorgungsgebäude, wie z.B. Gas- und Umspannwerke sowie Wassertürme, kon­ tinuierlich stillgelegt, die sich für eine Wohnnutzung außerordentlich eignen. Die Reduzierung deutscher und auslän­ discher Streitkräfte hat den Leerstand vieler bisher militärisch genutzter Gebäu­ de zur Folge. Die Umnutzung von Ka­ sernengebäuden zu Wohnzwecken hat in den letzten zehn Jahren an Bedeutung gewonnen [2-1]. Daneben existieren auf­ grund der massiven Bauweise noch fast 6 alle Schutzbauten – insbesondere Hoch­ bunker – aus dem zweiten Weltkrieg, die meist inmitten eines dichten städtischen Raums liegen. Die rückläufige Anzahl der landwirt­ schaftlichen Betriebe aufgrund der schwierigen Marktsituation bzw. deren Verlagerung und Konzentration außer­ halb der Ortskerne führt zum Leerstand der innerörtlichen Betriebsgebäude. Die Umgestaltung von landwirtschaftlichen Funktionsbauten zu Wohnungen hat in­ zwischen eine längere Tradition [2-1]. Ein großes Nutzungspotenzial liegt in der Umnutzung von ehemaligen Bahngebäu­ den wie z.B. Bahnhöfe an stillgelegten Schienensträngen, Bahnnebengebäude oder auch Verwaltungsbauten der Bahn. Als Sonderform einer Umnutzung sind auch Kirchen durchaus interessant, im­ merhin stehen in Deutschland über 2000 Kirchen leer [2-2]. Der Rückgang der Kir­ chenmitglieder hat Auswirkungen auf den oftmals nicht mehr finanzierbaren Unter­ halt der Kirchenbauten. Eine der vielen Möglichkeiten einer neuen Nutzung kann auch hierbei das Wohnen sein. Bild 2.1: Grube Carl in Frechen Bild 2.2: Waagenfabrik Widra in Aachen Bild 2.3: Bürogebäude in Frankfurt a.M. Bild 2.4: Straßenbahndepot in Düsseldorf Bild 2.5: Kloster Geistingen Bild 2.6: Scheune in Volkach 2.2 Potenziale von Gebäudeumnutzungen zu Wohnzwecken Der Erhalt, die Revitalisierung und Um­ widmung von brachliegenden, aber er­ haltenswerten Gebäuden zu Wohnzwe­ cken sind notwendige Bestandteile des Stadtumbauprozesses. Die Umnutzung dieser Gebäude stellt somit einen po­ sitiven Beitrag zur Innenentwicklung von Städten dar, deren Attraktivität als Wohnstandort zunimmt. Wesentlich da­ bei sind die Potenziale hinsichtlich der Wohnqualitäten der Bestandsgebäude, die häufig von großem architektonischen Wert sind, und die Möglichkeiten der Ge­ bäudeanpassung an die neue Nutzung. 2.2.1 Stadtentwicklung und gesellschaftliche Aspekte Wachsendes Umweltbewusstsein und die Chance, mit der (Um)Nutzung von Be­ standsgebäuden die Flächeninanspruch­ nahme für Wohngebäude zu vermindern, hat dazu beigetragen, dass Altbauten – vor allem auch un- oder untergenutzte Nichtwohngebäude – als bauliche Res­ sourcen für den Wohnungsbau in der Stadt gesehen werden. Nicht zuletzt hat das Schrumpfen mancher Städte zu ei­ nem Umdenken im Umgang mit beste­ hender Bausubstanz geführt. Bei der Reaktivierung von Nichtwohn­ gebäuden werden häufig umliegen­ de Brachflächen mittels ergänzenden Wohnungsbau nachverdichtet, mit dem Vorteil, dass vorhandene Verkehrsan­ bindungen und Erschließungen sinnvoll genutzt werden können. Gleichzeitig wird damit die bestehende Infrastruktur besser ausgelastet. Die Umnutzung von brachliegenden Ge­ werbe-, Verkehr- oder Militärbauten etc. zu Wohnzwecken wirkt der noch vorherr­ schenden Stadt-Umland-Abwanderung ent­ gegen. Vor allem für das Wohnen mit Kin­ dern sowie für generationsübergreifende Wohnkonzepte sind solche Immobilien in­ teressant, da sich diese meist auf Grund­ stücken mit entsprechendem Freiflächen­ potenzial befinden. Häufig entstehen dort zusätzliche, wohnungsnahe Grünflächen. Insbesondere bei größeren Anlagen wer­ den asphaltierte oder gepflasterte Flächen entsiegelt, wieder begrünt und ggf. sogar der Nachbarschaft durch halböffentliche Wegeführungen zur Mitnutzung zur Ver­ fügung gestellt. Hierbei können auch ver­ kehrsfreie Zonen in unmittelbarer Wohn­ umgebung geschaffen werden. Bild 2.7: Lageplan der ehemaligen, umgenutzten Lincolnkaserne mit Nachverdichtung durch neu errichtete Wohnbauten mit öffentlich zugänglichemWegesystem Die vielfältigen Möglichkeiten der Realisie­ rung zukunftsfähiger, innovativer Wohn­ formen in umgewidmeten Gebäuden för­ dern eine heterogene Wohnkultur und tragen zur Verbesserung des innerstäd­ tischen Wohnens und somit zur nachhal­ tigen Stadtentwicklung bei. Ein durch­ mischtes bauliches Umfeld fördert das Entstehen sozialkultureller Einrichtun­ gen. Gerade ehemalige Fabrikgebäude sind geeignet wohnungsnahe Nutzungen wie z.B. Bürgertreffs, Seniorencafé´s, Jugendtreffs oder Kinderläden zu inte­ grieren oder deren Niederlassung in di­ rekter Umgebung zu unterstützen. Dies wirkt sich wiederum positiv auf das sozi­ alräumliche Wohnumfeld aus. 7 Aufbauend auf bestehende Strukturen kann eine abwechslungsreiche und le­ bendige Wohnumgebung erzeugt wer­ den, die verschiedensten Bewohnerbe­ dürfnissen von Alleinstehenden, Fami­ lien und Senioren gerecht wird. Durch die Modernisierung und Wiedernutzung der Nichtwohngebäude bleibt das ge­ wachsene nachbarschaftliche Umfeld erhalten. Damit bewahren die Stadtteile ihre Identität, die wesentlich durch den Gebäudebestand geprägt wird. Die Re­ aktivierung von Nichtwohngebäuden zu Wohnzwecken bringt den Menschen die bau- und sozialkulturelle Vergangenheit näher und macht diese erlebbar. Bestehende Bausubstanz ehemals ge­ werblich, verkehrlich oder militärisch genutzter Gebäude hat einen hohen ge­ schichtlichen und volkswirtschaftlichen Wert. Mit der behutsamen Umgestaltung werden historische formale und mate­ rialtechnische Qualitäten erhalten und wieder zugänglich gemacht. Die damit verbundene Verlängerung der Nutzungs­ dauer erhöht nicht nur die Lebensdauer, sondern auch den Wert der Gebäude. Regionen und Städte definieren sich über ihren Baubestand, an den sich im Laufe der Zeit Bedeutungen angelagert haben und der für die Bevölkerung einen mehr oder weniger hohen Erinnerungs­ wert hat. Wo Traditionen aufgegriffen werden und vorhandene Bausubstanz bewahrt, genutzt und weiterentwickelt wird, entsteht ein bauliches Lebensum­ feld von hoher identitätsstiftender Kraft. Der hohe Identifikationswert der revi­ talisierten Gebäude führt zu geringerer Fluktuation und zur Ausbildung tragfähi­ ger Nachbarschaften. [2-3] Zudem können Nichtwohngebäude durch innovative Wohnkonzepte wieder zeit­ gemäß in die bestehenden Stadtstruk­ turen eingefügt werden. Damit kann es gelingen, mancherorts die rigide Tren­ nung zwischen nichtwohn- und wohn­ genutzten Bereichen zu überwinden und Stadtquartiere neu zu vernetzen. Die Verknüpfung von Wohnen und Gewerbe – sowohl im Quartier als auch im umge­ nutzten Gebäude – trägt zur Aufwertung ehemals monofunktionaler Gebiete bei, da Gebiete mit einer ausgewogenen Funktionsmischung verstärkt zum Auf­ enthalt einladen. Wird die Kombination Wohnen und Arbeiten zum Konzept der Umnutzung, kann dies zur Stärkung der wirtschaftlichen Situation der Immobilie im Sinne der privaten Bauherren und Ei­ gentümer beitragen. Bild 2.8 und 2.9: Entwurf – Umnutzung des ehemaligen Straßenbahndepots „Wilde 13“ in Düsseldorf 8 2.2.2 Wohnqualitäten und gestalterische Potenziale Nichtwohngebäude zeichnen sich oft­ mals durch ein unverwechselbares Er­ scheinungsbild aus, wie z.B. die Außen­ wirkung einer besonderen Fassadenge­ staltung oder repräsentative Eingangs­ bereiche und Treppenhäuser. Der bereits erwähnte hohe Identifikationsgrad der Bewohner aufgrund des geschichtlichen und architektonischen Charakters wird zudem durch die meist außergewöhnli­ che Wohnsituation und die Möglichkeit persönliche gestalterische Vorstellungen sowie individuelle Wohnbedürfnisse zu realisieren verstärkt. Dabei gilt es der Spannung zwischen der Einmaligkeit des u.U. historisch gewachsenen Gebäudes und den neuen baulichen Elementen, die aufgrund des Umnutzungskonzepts und des architektonischen Anspruchs hinzu­ gefügt werden, besondere Aufmerksam­ keit zu widmen. Bild 2.10: Ehemalige Waagenhalle Widra Bild 2.11: Dachgeschoss Kloster Geistingen duzierung der Haushaltsmitglieder, neue funktionale Unterteilungen ermöglichen. Daraus können neue Flächen zur Unter­ vermietung oder zur Verwendung für Er­ werbstätigkeiten, die wohnungsnah statt­ finden sollen (Kombination von Wohnen und Arbeiten), gebildet werden. Organisation der Räumlichkeiten Vor allem ehemalige Industriegebäude, aber auch kleinteilige Gewerbebauten weisen große Raumhöhen und meist großzügige Grundrissflächen auf, die eine relativ freie Einteilung der Nutzungs­ zonen ermöglichen. Dies sind Quali­ täten, die rein wirtschaftlich orientierte Wohnungsneubauten nicht aufweisen und die für die Umgestaltung der Nicht­ wohngebäude vielfältige Möglichkeiten bieten. Neue, der Wohnnutzung ent­ sprechenden Funktionsbereiche können – unter Berücksichtigung konstruktiver Bauteile – individuell festgelegt werden. Dabei stehen u.U. sogar Restflächen für Nebennutzungen zur Verfügung, die im herkömmlichen Raumprogramm von Neubauten häufig keinen Platz finden. Bei ausreichender Raumhöhe besteht die Möglichkeit des Einbaus einer zwei­ ten Ebene in Form von einem zusätzli­ chen Geschoss oder einer Galerieebene. Dadurch ergibt sich eine Erweiterungs­ möglichkeit des Raumangebots, das auch ggf. durch Anbau oder Aufstockung ergänzt werden kann, falls die Grund­ stücksgröße bzw. das Tragwerk und die baurechtlichen Bedingungen dies zulas­ sen. Ein weiterer Vorteil ist, dass die so geschaffenen Nutzungseinheiten oftmals bei Bedarfsänderungen, wie z.B. bei Re- Gestalterische Aspekte Mit der Umnutzung von Nichtwohnge­ bäuden können bei behutsamen Umgang mit der Bausubstanz unwiederbringliche Architekturformen und -details, die den Charme dieser Gebäude ausmachen und deshalb von den Bewohnern so geschätzt werden, erhalten und in neue bauliche Maßnahmen eingebunden werden. Dies betrifft beispielsweise wertvolle histori­ sche Materialien, deren Neuherstellung heutzutage einen oftmals nicht zu leisten­ den Kostenfaktor darstellen würde (z.B. Holzbohlen, -dielen, und -balken, Stützen aus Gusseisen, Bruchsteinwände, farbi­ ge Glaselemente sowie ggf. denkmalre­ levante Details wie historische Wandbe­ malungen und Kapitelle). Dabei liegt der Reiz vielfach darin Gebrauchsspuren aus der vergangenen Nutzung zu erhal­ ten, diese gestalterisch zu transformieren und einzubinden sowie mit zeitgemäßen Architekturelementen zu kombinieren. Weiterhin stellt die häufig anzutreffende gute natürliche Belichtung aufgrund ent­ sprechend großer Fensterflächen einen hohen Wohnwert dar – unter der Voraus­ setzung, dass die vorhandene Gebäude­ tiefe 16 m nicht überschreitet. 9 3 Realisierte und beispielhafte Projekte Die äußere Hülle eines bestehenden Ge­ bäudes ist das prägende Merkmal, seine innere Organisation kann Veränderungen hinnehmen. Die Umgestaltung verfrem­ det zwar das bauhistorische und kulturelle Dokument, kann es aber dem Menschen dadurch wieder näher bringen, indem durch die neue Nutzung das Interesse für Vergangenes fast beiläufig geweckt wird. Der Grundcharakter der Gebäude kann dabei durchaus sichtbar und die Funktio­ nen des ursprünglichen Zwecks an der formalen Gestalt ablesbar bleiben. Eine Umnutzung kann einen Umbau, Ausbau, eine Teilwegnahme oder Erweiterung be- inhalten, wenn dies eine ökonomische und anforderungsspezifische Vorausset­ zung für die Wohnnutzung ist. Bild 3.1: Alte Fassade der ehemaligen Waagen fabrik Widra in Aachen Bild 3.2: Turbine Suytermühle in Landsberg am Lech 3.1 Industriegebäude Der Trend im Wohnungsmarkt zeigt deutlich, dass sich umgenutzte Indu­ striegebäude einer hohen Beliebtheit bei modernen und anspruchsvollen Groß­ städtern erfreuen. Aufgrund der freien Einteilbarkeit der Grundrisse sowie den meist vorhandenen großzügigen Raum­ höhen können besondere Wohn- und Ge­ staltungsqualitäten umgesetzt werden. Bei ehemaligen Speichergebäuden und Produktionsstätten kommen besondere bauliche Vorteile wie die Großzügigkeit der Gebäude und deren Belichtungstie­ fen sowie weitere für die Nachnutzung 10 Im Folgenden soll ein umfassender Überblick über verschiedene realisierte innovative Umnutzungsprojekte als Ori­ entierungs- und Motivationshilfe gege­ ben werden. Dies sind beispielhafte Lö­ sungsmöglichkeiten für unterschiedliche Gebäudetypen in verschiedensten Ob­ jektgrößen. Dabei wird besonders auf die nutzerspezifischen Anforderungen und auf die Umsetzungsqualität geachtet. positive Kriterien hinzu. Zudem stellen leerstehende Industriegebäude aufgrund ihrer Häufigkeit für die Städte und Kom­ munen ein großes Potenzial für Umnut­ zungen und Revitalisierungen dar. Die nachfolgenden Projekte zeigen, wie die historischen Strukturen von In­ dustrie- und Speichergebäuden bei der Umnutzung zum Wohnen erhalten, die neuen Nutzungsstrukturen integriert und zudem ungenutzte Industriebrachen mit der Wohnnutzung im städtischen Kontext wieder eingegliedert werden können. 3.1.1 „Grube Carl“ – Wohnen im Industriedenkmal in Frechen Bauherr: Architekten: Standort: Ehemalige Nutzung: Baujahr: Fertigstellung Umbau: Grundstücksfläche: Wohnfläche: Nutzfläche: Bruttogeschossfläche: Geschosse: Baukosten: Treukontor AG, Revisions- und Treuhandgesellschaft, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Köln ASTOC GmbH & CO.KG Architects & Planners, Köln Frechen Brikettfabrik der Firma Rheinbraun AG 1905-1907 2007 (Teilbereich Trocken- und Pressenhaus) 2.677 m² (Trocken- und Pressenhaus) 71 WE mit 56 bis191 m² ca. 7.100 m² ca.11.000 m² (Trocken- und Pressenhaus) 7 ca.10 Mio. € (Trocken- und Pressenhaus) Bild 3.3: Lageplan Bild 3.4: Luftbild der ehemaligen Brikettfabrik Grube Carl Auf dem Gelände der 1995 stillgelegten Anlage der denkmalgeschützten Grube Carl, einer ehemaligen Brikettfabrik in Frechen bei Köln, wurde das Trockenund Pressenhaus zu großzügigen Woh­ nungen und Gewerbeeinheiten umge­ nutzt. Die Wohnungen, die sich zum Teil über drei Ebenen erstrecken und durch Balkone und Dachterrassen erweitert wurden, konnten von den neuen Eigen­ tümern mitgestaltet werden. Die Anlage bildet das Zentrum des neu­ en Wohngebiets Grube Carl in Frechen, das sich durch seine Nähe zur Natur und eine ausgezeichnete Infrastruktur auszeichnet. In den nächsten Jahren sollen hier weitere 1.850 Wohneinheiten mit Nahversorgungseinrichtungen und Freizeitanlagen auf insgesamt 29 Hektar entstehen. Die Stadt Frechen erklärte die histori­ sche Anlage in Zusammenarbeit mit der Stadtentwicklungsgesellschaft und der Denkmalschutzbehörde zum Industrie­ denkmal und gab sie 2004 zur Restau­ rierung frei. Die Restaurierung, Umnut- Bild 3.5: Zwischenräume auf dem Areal zung und Umgestaltung wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Rheinischen Amt für Denkmalpflege zur Erlangung einer hochwertigen Wohnqualität durch­ geführt. Die ehemalige Brikettfabrik besteht im Wesentlichen aus dem Gebäude des Nassdienstes und dem hier beschriebe­ nen, heute umgenutzten Trocken- und Pressenhaus; durch diese Gebäude 11 Bild 3.6: Bandbrücke Bild 3.7: Ansicht Westen Bild 3.8: Alt und Neu durchlief die Kohle ihren Weg zum fer­ tigen Brikett. Die Rohkohle wurde nach Anlieferung über eine Bandbrücke in den Nassdienst1 und von dort über eine zwei­ te Bandbrücke in das Trocken- und Pres­ senhaus befördert. Beide Bandbrücken und die Hauptgebäude konnten nach der Stilllegung erhalten werden. finden sich dreigeschossige großzügig geschnittene Maisonettewohnungen mit Dachterrassen, von denen die Aussicht auf die Stadt Köln und den Dom genos­ sen werden kann. . Sämtliche Wohnun­ gen wurden mit Fußbodenheizung und die Wohn- und Schlafbereiche mit Par­ kettböden ausgestattet. Die Heizungsund Wasserversorgung erfolgt zentral. Das freistehende, langgestreckte Tro­ cken- und Pressenhaus ist in fünf Häuser unterteilt. Die 71 mit der Umnutzung ent­ standenen Wohnungen wurden über fünf neu errichtete Treppenhäuser mit Stahl­ betontreppen und je einem rollstuhlge­ rechten Personenaufzug erschlossen. Die Zwei- bis Vierzimmerwohnungen ha­ ben je nach Art eine Fläche von 56 m² bis 191 m². Die Grundrisse wurden flexibel und vielfältig unterteilt. Den Mittelpunkt der Wohnungen bildet jeweils ein großzü­ giger Wohn- und Essbereich mit offener Küche. Alle Wohnungen wurden durch Balkone erweitert. Große, teils bodentie­ fe Holzfenster sorgen für lichtdurchflute­ te Räume. Die Deckenhöhen von bis zu 4,50 m vermitteln ein exklusives Wohn­ gefühl. In den oberen Geschossen be- Das gesamte Objekt ist einer Kernsa­ nierung unterzogen worden. Die Dächer und Dachdecken aus Stahlbeton wur­ den in ihrer ehemaligen Form erhalten und zum Teil neu errichtet. Sämtliche Dacheindeckungen wurden durch einen wärmegedämmten Aufbau unter Wieder­ herstellung der ursprünglichen Konturen ersetzt. Die ehemaligen Kühlhauben prä­ gen die Dachlandschaft und dienen als Oberlicht und Zugang zu den südlich ge­ legenen Dachterrassen der Maisonetten. Des Weiteren wurde das Sichtmauer­ werk der Fassaden saniert und die ge­ samte Haustechnik erneuert. In Erinnerung an die ehemalige Nut­ zung soll auf dem gesamten Gelände eine Denkmalachse fortgeführt werden, 1 Der Nassdienst und ein Werkstattgebäude wurden bereits 2004 umgebaut. Derzeit entstehen im an­ grenzenden Niederdruck­ kesselhaus acht Stadthäu­ ser mit Dachterrasse, unter denen eine Garage inte­ griert wird, die von den Be­ wohnern des Trocken- und Pressenhauses sowie des Niederdruckkesselhauses gemeinsam genutzt werden kann. 12 Bild 3.9: Bestand Bild 3.10: Südseite nach der Umgestaltung Bild 3.11: Dachterrasse Bild 3.12: Beispiel einer Wohnung die bereits quer durch das Trocken- und Pressenhaus hindurchgeführt. Sie ver­ knüpft den nördlichen und den südlichen Teil des Areals „Grube Carl“. Im Bereich der Denkmalachse blieben die alten Ma­ schinen und Anlagen innerhalb der unver­ änderten Bausubstanz erhalten und die Industriekultur wurde erlebbar gemacht. Durch den behutsamen Umgang mit dem denkmalgeschützten Ensemble, der die historischen Qualitäten durch viele bauli­ che Details herausgearbeitet hat, ist die ehemalige Nutzung sichtbar geblieben, erinnert an die industrielle Vergangen­ heit und ermöglicht den Bewohnern eine besondere Identität mit ihrem Wohnort. Diese zeigen sich laut Projektbeteiligten sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Die neue Wohnnutzung des Trocken- und Pressenhauses erhält in der städtebauli­ chen Anordnung der alten Fabrikgebäu­ de einen ganz eigenen Charme und ver­ bindet zudem den historischen Bestand mit der angrenzenden Wohnbebauung, die spannungsreich mit der Weite der umliegenden Landschaft und der Lage auf dem Hügelrücken korrespondiert. Bild 3.13: Neue Balkone Das Projekt wurde 2008 mit der Aus­ zeichnung „Wohnen an ungewöhnlichen Orten“ der AK Nordrhein-Westfalen und des MBV-NRW geehrt. [3-1],[3-2] Bild 3.14: Querschnitt Bild 3.15: Grundriss Erdgeschoss Bild 3.16: Grundriss 1.Obergeschoss 13 3.1.2 „Lofts an der Queich“ in einem ehemaligen Hafermagazin in Landau in der Pfalz Bauherr: Architekten: Standort: Ehemalige Nutzung: Baujahr: Fertigstellung Umbau: Grundstücksfläche: Wohnfläche: Bruttogeschossfläche: Geschosse: Investitionskosten: Bauwert Objektgesellschaft Landau mbH & Co. KG Stefan Emslander ArchIdee Landau in der Pfalz Hafermagazin der Bayerischen Garnison 1914-1916 2007 2.732 m² 5.330 m²; 71 WE mit 46 - 139 m² ca.16.000 m² 6 Geschosse + Dachgeschoss 13,06 Mio. € Bild 3.18: Lageplan Mit dem Umbau des ehemaligen Hafer­ magazins in Landau, welches in den Jah­ ren 1914 bis 1916 direkt an der Queich als Speicherbau für die bayerische Gar­ nison errichtet wurde, entstanden auf sechs Etagen Ein- bis Vier-Zimmer-Ei­ gentumswohnungen, die individuell kom­ biniert werden können. Das Objekt liegt nur wenige Gehminuten vom Stadtzen­ trum Landaus entfernt. Durch seine Höhe und sein Volumen ist das ehemalige Hafermagazin eines der bedeutendsten Denkmäler der Stadt. Seine historische Bedeutung liegt vor al­ lem in der zur Zeit der Errichtung neuarti­ gen Konstruktionsweise, dem „Hennebi­ que-System“ 2, das sich durch ein regel­ mäßiges Eisenbetongerüst aus Stützen, Haupt- und Nebenträgern mit Decken­ scheiben auszeichnet, wobei sich die Stützen von Geschoss zu Geschoss ver­ jüngen. Diese Bautechnik wurde bis in das Dachwerk und die Dachverschalung fortgesetzt. Bild 3.19: Nord-Osten nach Umbau Bild 3.20: Nord-Osten Bestand Bild 3.17: Süd-Westen 2 „Hennebique-System“ – Haupt- und NebenträgerKonstruktion; damals mo­ dernste Eisenbetontechnik, die große Spannweiten, ho­ he Belastbarkeit, Flexibili­ tät in der Raumaufteilung und eine weitgehende „Be­ freiung“ der Fassade von störenden tragenden Ele­ menten ermöglichte und so die Tageslichtfabrik zum Thema des 20. Jahrhun­ derts machte. 14 Das Gebäude wird über drei neu ein­ gefügte Treppenanlagen mit je einem Aufzug auf der Nordseite erschlossen. Aufgrund der – bis auf die Stützen und die wenigen konstruktiven Einbauten – freien Grundrissflächen, konnten Woh­ nungen von 46 bis 139 m² ohne großen Aufwand integriert werden. Die 4,5 m ho­ hen Decken und weiträumige Raumfluch­ ten machen den Loft-Charakter der Woh­ nungen aus. Durch fast raumhohe Fens­ tertüren, die aus Falt- Schiebeelementen mit Lamellenjalousien bestehen, erhalten die Räume ein helles, sonnendurchflute­ tes Wohnambiente. Fast alle Wohnungen verfügen über einen Balkon und einen Wintergarten. Im ersten Geschoss sind diese zusätzlich mit elektrisch betriebe­ ne Glasoberlichter ausgestattet. Auf der Nordseite der ersten vier Stockwerke und im Kellergeschoss befinden sich bis zu 16 m² große Hobbyräume. Zur Unterbrin­ gung der Fahrzeuge wurden 15 Doppel­ parkgaragen im Erdgeschoss realisiert, die durch funkgesteuerte Sektionaltore voneinander getrennt sind. Im Rahmen der Kernsanierung und der Umbauarbeiten wurde die gesamte Dach­ konstruktion neu errichtet und die Fassa­ de restauriert. Ein besonders wertvoller Raum befindet sich im 2. Dachgeschoss. Dessen Konstruktion als 5-schiffige Hal­ le besteht aus Stützen, Unterzügen und Obergarden und erzielt beinahe die sa­ krale Wirkung einer Basilika. Dieser Raum wurde aus denkmalpflegerischen Grün­ den nicht ausgebaut und bleibt Gemein­ schaftseigentum. Teilbereiche der besteh­ enden Treppenanlage, die außenliegende Verladerampe, sowie die Deckenflächen in Bereichen der neu hergestellten Trep­ penhäuser und des Aufzuges wurden ab­ gebrochen. Für die neuen Wintergärten und Balkone in Stahlbetonskelettbauwei­ se wurden die Ausmauerungen in den Bild 3.23: Wohn- und Esszimmer Bild 3.21: Gemeinschaftsraum im Dachgeschoss betroffenen Bereichen der Fassade ent­ fernt. Außerdem erfolgte die Erneuerung sämtlicher Dacheindeckungen, Blechver­ wahrungen, Rinnen und Fallrohre sowie der Austausch der vorhandenen Holz­ fenster in Leichtmetallkonstruktionen mit Isolierverglasung. Durch energetische Maßnahmen wie z.B. die Anbringung einer Außenwanddäm­ mung und dem Einbau einer Be- und Entlüftungsanlage mit Wärmerückgewin­ nung in den Wohnungen entspricht das Gebäude dem derzeitigen Niedrigener­ giestandard. Der Umbau des ehemaligen Hafermaga­ zins zu hochwertig ausgestatteten Lofts bietet den Bewohnern ein besonderes Wohnerlebnis in einem geschichtsträchti­ gen Speichergebäude. Durch den behut­ samen Umgang mit der Baugeschichte und -substanz sowie der energetischen Modernisierung wurde eine beispielhafte Umnutzung eines denkmalgeschützten Gewerbebaus realisiert. Bild 3.22: Beispielgrundriss Erdgeschoss [3-3] Bild 3.24: Blick zum neuangebauten Balkon Bild 3.25: Bad - Dusche 15 3.2 Handwerks- und Gewerbebauten Kleinere Gewerbebauten zeichnen sich oftmals durch ihren besonderen Charme aus und sind wertvolle Bestandteile im vielfältigen Stadtgefüge. Ein sensibler Umgang mit der Bausubstanz kann herausragende Ergebnisse für die Wohnnutzung mit hohen Gestaltungs- und Lebensqualitäten erzielen, die den heutigen individuellen Lebensverhältnissen und Ansprüchen gerecht werden. So lassen sich – wie die im Folgenden dargestell­ ten Beispiele zeigen – sowohl hochwer­ tiger Lebensraum für gemeinschaftliches Wohnen hinter den historischen Fassa­ den eines Fabrikgebäudes errichten als auch moderne und großzügige Lofts in einer alten Mühle integrieren. 3.2.1 Wohnquartier „WIDRA-Areal“ in Aachen Bauherr: Projektentwicklung: Architekten: Standort: Ehemalige Nutzung: Baujahr: Fertigstellung Umbau: Grundstücksfläche: Wohnfläche: Bild 3.26: Lageplan Nutzfläche: Geschosse: Baukosten: Edelhardt Schmidt, Mönchengladbach Schleiff Denkmalentwicklung GmbH & Co. KG Arbeitsgemeinschaft Eifelstraße Kaiser Schweitzer Architekten und Glashaus Architekten PSG Aachen Waagenfabrik 1900 bzw. 1936 2007 3.114 m² 2.330 m² gesamt, 25 WE von 53 m² bis 330 m²; davon 16 WE im Bestand und 9 WE im Neubau; 3.383 m² gesamt, davon 260 m² Gewerbe, Umbau: je 2 in Ziegelbau und Waagenhalle; Neubau: 5 5,3 Mio. € Bild 3.27: Westseite des Ziegelbaus Auf dem Gelände der ehemaligen Waa­ genfabrik Widra im Osten Aachens wurde im Spätsommer 2007 ein neues Wohn­ quartier für Familien, junge Paare und Al­ leinstehende sowie ältere und körperlich eingeschränkte Menschen fertig gestellt. In zwei umgebauten Fabrikationshallen (Ziegelbau und Waagenalle) und in einer 16 Bild 3.28: Bestandsfassade neuen Baulückenbebauung sind insge­ samt 25 Wohnungen sowie Gewerberäu­ me für zwei Praxen entstanden. Die ehemals ansässige Widra GmbH ging aus der 1853 gegründeten Waagen­ fabrik „Wilhelm-von-der-Driesch-Special fabrik für Wägemaschinen“ hervor. Nach und nach wurden auf dem Gelände den wechselnden Bedürfnissen entspre­ chend Produktions- und Verwaltungsge­ bäude neu errichtet, erweitert oder um­ gebaut. Das Grundstück am Rand der Innenstadt Aachens ist optimal an die öffentliche Infrastruktur angebunden. Trotz der zen­ tralen Lage des belebten Stadtquartiers bietet der Hofcharakter der neuen Wohn­ anlage den Bewohnern ein ruhiges Woh­ nen mit direktem Bezug zu einem be­ grünten Innenhof. Eine viergeschossige Bebauung aus der Zeit um 1920 schützt vor dem Verkehrslärm der angrenzenden Straßen. Eine großzügige Einfahrt lässt eine Wegeverbindung zu den im Blockin­ nenbereich gelegenen ehemaligen Ver­ waltungs- und Fabrikationshallen zu. Bild 3.30: Volumenmodell vor dem Umbau Für die Wohnnutzung mussten die mei­ sten der Bestandsgebäude abgerissen werden. Es gelang jedoch die identitäts­ stiftenden Elemente der historischen In­ dustriearchitektur in ihrer Fassadenge­ staltung und in den alten Ausmaßen für das neue Wohnquartier zu sichern. Größ­ tenteils erhalten werden konnten der im Ensemble vorgefundene Ziegelbau von 1900 und die 1936 errichteten Waagen­ halle einschließlich dem Anbau von 1964. Bild 3.31: Volumenmodell nach dem Umbau Bild 3.29: Laubengänge Ostseite des Ziegelbaus Bild 3.32: Innenhof - Westseite der Waagenhalle Der Ziegelbau wurde unter Erhalt der historischen Ziegelfassade in acht Woh­ nungen mit ca. 53 bis 74 m² umgebaut. In der ehemals 7,50 m hohen Waagenhalle wurden zwei Kranbahnen demontiert um im Erdgeschoss sechs öffentlich geför­ derte Wohnungen mit ca. 67 bis 82 m² einzubauen. Die ca. 700 m² große Wohn- fläche im Obergeschoss teilen sich zwei ambulant betreuten Wohngruppen mit jeweils acht Bewohnern. Ein großzügiger Gemeinschaftsbereich mit Küche und ei­ ner Loggia prägt den gemeinschaftlichen Charakter dieser Einheiten. Ein Fahrstuhl im Innenhof, je ein Treppenhaus in bei­ den Gebäudeteilen und Laubengänge er­ Wa ag enh Zieg alle elba u Ne ba uu 17 schließen das Obergeschoss. Das bisher versiegelte Industriegelände wurde zu Mietergärten und Spielplatz umgestaltet. Zwischen den Gebäuden entstand ein ru­ higer Wohn- und Eingangshof. In dem Neubau an der Eifelstraße, der eine langjährige Baulücke an der Ost­ seite des Geländes schließt, entstanden weitere neun Wohnungen. Auf fünf Eta­ gen des Neubaus entstand attraktiver Wohnraum und zwei Gewerbeeinheiten für Praxen. Bild 3.33: Grundriss Erdgeschoss Die Einrichtung der ambulant betreuten Wohngruppen für Demenzkranke war ein Pilotprojekt in Aachen (Träger: AlzheimerGesellschaft Aachen e.V.) und gehörte zu den zentralen Anliegen des Wohnprojek­ tes. Die gesamte Anlage wurde barrie­ refrei gestaltet, auf typische Pflegeheim­ merkmale wie Handläufe und Notfallklin­ geln etc. wurde aber bewusst verzichtet. Außerdem wurde bei der Umsetzung des Projekts auf die Verwendung von erneuerbaren Energien Wert gelegt; z.B. wurden eine Regenwassernutzungs- so­ wie eine Photovoltaikanlage eingebaut. Bild 3.34: Grundriss Oberschoss Durch großflächige Entsiegelungsmaß­ nahmen der ehemaligen Gewerbeflächen und zugegebener Maßen entschiedene Eingriffe in die Bausubstanz konnte das ehemalige, brachliegende Industrieen­ semble in ein neues lebendiges Quartier für ein Wohnkonzept verwandelt werden, dass in hervorragender Weise verschie­ dene Wohnformen für ältere Menschen miteinander kombiniert. In altengerechte Wohnungen mit direk­ tem Außen- und Gartenzugang sowie in zwei betreuten Wohngruppen bekamen alte Menschen, die nicht mehr allein und zu Hause leben wollen oder können, so­ mit die seltene Chance, gemeinschaftlich in wertvollem, historischem Ambiente zu leben. Bild 3.35: Balkon Bild 3.36: Ostseite der Waagenhalle Das Projekt wurde 2008 mit dem „Preis für gute Umnutzungen von Nichtwohnge­ bäuden“ der Architektenkammer Nord­ rhein-Westfalen ausgezeichnet. [3-4],[3-5] 18 3.2.2 Wohnen in der Suytermühle in Landsberg am Lech Bauherr: Architekten: Standort: Ehemalige Nutzung: Baujahr: Stilllegung: Fertigstellung Umbau: Grundstücksfläche: Wohnfläche: Geschosse: Baukosten: Eva Hahn-Lüps Atelier Wolf-Eckart Lüps, BDA Landsberg am Lech Wassermühle 1593; Wiedererrichtung 1933 1950 2004 312 m² 720 m² gesamt, 6 WE im Bestand, 2 WE im Anbau 3 1,09 Mio. € gesamt, ca. 1.513 €/m² (KG 300 + 400) Bild 3.37: Ehemalige Sytermühle mit Nachbargebäude In der historischen Altstadt von Lands­ berg wurde die dreigeschossige, ehe­ malige Wassermühle nach jahrelangem Leerstand zu einem Wohnhaus mit sechs Loftwohnungen umgebaut und nach Süden mit einem Anbau für zwei weitere Wohnungen ergänzt. Das Ge­ bäude befindet sich direkt am westlichen Ufer des Mühlbaches, der mit dem stadt­ prägenden Lechwehr bereits Bestandteil der mittelalterlichen Stadtanlage war. Dem ehemaligen Mühlengebäude mit der verputzten Ziegelsteinfassade und der Biber-Dacheindeckung, war auf der westlichen Seite seinerzeit im Erdge­ schoss eine Laderampe vorgelagert. An der Ostseite zum Mühlbach befand sich ein hölzerner Anbau mit einem Die 1593 erstmals erwähnte Mühle be­ fand sich ab 1745 in Besitz der Fami­ lie Suyter. Während die oberen beiden Stockwerke ehemals dem Müller zum Wohnen vorbehalten waren, wurden die unteren Räume als Speicher oder Stallungen genutzt. Nach mehreren Um­ bauten und Veränderungen und einem Brand 1933 wurde die Mühle in ihrer ur­ sprünglichen Form wiederaufgebaut. Bild 3.38: Querschnitt Bild 3.39: Lageplan 19 Bild 3.40: Bestand Mühlbachseite Bild 3.41: Neugestaltung unterschlächtigen Wasserrad von 5,50 m Durchmesser und 2,40 m Breite aus Stahl mit Holzschaufeln. Die Holztrag­ werkstruktur im Innenraum wies großzü­ gige Lagerböden und haushohe Schüt­ ten aus. Die Maßnahme zeigt, dass Wohnen an einem Ort mit handwerklicher Prägung möglich ist. Sie zeugt vom behutsamen Umgang mit der Geschichte und der vor­ handenen Bausubstanz. Denn sowohl die massiven Außenwände und die kräf­ tige Holzbalkendecke als auch die Stüt­ zen wurden erhalten und saniert. Bis auf vereinzelte Schadstellen an den Balken war die Bausubstanz in einem guten Zu­ stand. Neue architektonische Elemente wie beispielweise die Erker mit den Lüf­ tungsklappen und die flächenbündigen feingliedrigen Panoramafenster im Dach sind gezielt und zurückhaltend eingesetzt und erzeugen einen unverwechselbaren Charakter. Sämtliche Räume haben fast raumhohe Fenster und orientieren sich zum Wasser. Die gläsernen Erker über dem schnellfließenden Bach schließen den Außenraum der umliegenden Alt­ stadtlandschaft ein und stellen darüber hinaus ein kommunikatives nachbar­ schaftliches Element dar. Die vorhande­ nen Fassadenöffnungen wurden durch moderne architektonische Elemente in Szene gesetzt. Ebenso markant wie die durch Edelstahl gehaltene Mattglas­ scheibe im Eingangsbereich setzen sich die knallroten Fensterläden von dem dunkelgrauen Putz der Fassade ab. Bild 3.43: Anbau Bild 3.44: Westseite Mit der Umnutzung der Suytermühle ent­ standen individuell gestaltete Wohnein­ heiten. Auf 580 m² im Bestand und auf 140 m² im neu errichteten Anbau konnten acht Wohneinheiten realisiert werden. Die sechs Wohnungen im bestehenden Gebäude wurden offen gestaltet und er­ möglichen eine flexible Anpassung an die unterschiedlichen Nutzerbedürfnisse (Ein- bis Vierpersonenhaushalte). Über die Eingangsrampe und einen Aufzug im Inneren des Gebäudes sind alle Woh­ nungen schwellenlos begehbar. Bild 3.42: Bestand 20 Bild 3.48: Untergeschoss Bild 3.45: Dachgeschoss mit Galerie Bild 3.46: Ausblick Wo sich im Süden des Gebäudes einst ein kleinerer Satteldachbau mit Torzu­ fahrten erstreckte, wurde die ehemalige Mühle durch einen giebelseitigen Anbau mit zwei Wohnungen ergänzt. Dieser stellt einen spannungsreichen Kontrast im städ­ tebaulichen Ensemble der historischen Altstadt dar. Eine gläserne Baufuge trennt das Neue vom Alten und formuliert seinen eigenen Charakter. Die Erschließung der zwei zusätzlichen Wohnungen erfolgt über eine für die Stadt typische Himmelstreppe. Im Erdgeschoss befinden sich drei Ga­ ragen hinter bündig in der Fassade des Neubaus liegenden Toren. Die Wohnung im ersten Geschoss des Anbaus besitzt keine Terrasse. Stattdessen können die Bewohner das Eckfenster aufschieben und den Wohn- und Essbereich in ein Freiluftzimmer verwandeln. In den Wohn­ einheiten im Dachgeschoss wurden Zwi­ schenebenen eingezogen, die über Stahl­ treppen erschlossen sind. Im Unterge­ schoss des Neubaus befindet sich eine Turbinenanlage der Städtischen Werke, die die Wasserenergie des Mühlbachs zur Stromgesinnung nutzt. Neben dem Turbinenraum wurden ein großzügiger Gemeinschaftsraum mit Abstellfläche, ein Waschraum sowie ein Hobbykeller eingerichtet. Bild 3.47: Detail Eingangsbereich [3-6], [3-7] Bei den Umbaumaßnahmen wurde be­ sonderer Wert auf den Erhalt der ge­ werblich geprägten straßenseitigen Fas­ sade, des restaurierten Mühlrades und der historischen Antriebsmaschinerie im Untergeschoss gelegt. Durch die Städte­ bauförderung wurden u.a. die Pflasterar­ beiten im öffentlichen Raum sowie der Auf- und Abbau des Mühlrads während des Umbaus unterstützt.. Mit dem Umbau der Suytermühle in ein Wohnhaus mit insgesamt acht Einheiten ist es gelungen eine ehemals unattrakti­ ve gewerbliche Rückseite am Mühlbach als spannenden urbanen Freiraum mit der besonderen Wohnqualität erlebbar zu machen. Die ausgeglichene Kombi­ nation von Alt und Neu mit großer De­ tailgüte stellt eine architektonische und städtebauliche Aufwertung des Quartiers dar und trägt mit der neuen Nutzung zur sozialräumlichen Qualität bei. Im Lan­ deswettbewerb zum Bayerischen Woh­ nungsbaupreis 2007 wurde das Projekt für seine gute und kostengünstige Pla­ nung sowie für die hervorragende Inte­ gration in das städtebauliche Gefüge ausgezeichnet. Im gleichen Jahr wurde die Umnutzung der Mühle mit dem Deut­ schen Bauherrenpreis 2007 geehrt. Bild 3.49: Erdgeschoss Bild 3.50: 1. Obergeschoss Bild 3.51: 2. Obergeschoss 21 3.3 Büro- und Verwaltungsgebäude Die große Zahl der Leerstände von gewerblich genutzten Immobilien veranlasst Projektentwickler zum Umdenken. Die Umnutzung von Bürohäusern thematisiert eine wichtige Zukunftsaufgabe für Planer und Kommunen und zeigt deren städtebauliches Potenzial auf. Die nachfolgend dargestellten Projekte beschreiben zwei verschiedene Ansätze, mit dem Gebäudebestand der 70er Jahre umzugehen, deren funktionale Konzeption für die bisherige Nutzung nicht mehr zeitgemäß ist oder aus wirtschaftlichen Gründen neuer Verwendung bedarf. Während bei dem ersten Projekt das Erscheinungsbild des Bürohauses auf­ gelöst und neu gestaltet wurde, blieben bei dem zweiten Beispiel die äußeren Gebäudemerkmale der 70er Jahre unter Anpassung an die neue Nutzung erhal­ ten. Bei beiden Umbauten konnten groß­ zügige und unkonventionelle Wohnungs­ grundrisse realisiert werden. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des innerstädtischen Wohnens und stel­ len außerdem überzeugende Beispiele für die Erhaltung abrissgefährdeter Bü­ rogebäude dar. 3.3.1 Umnutzung eines Bürogebäudes zu Eigentumswohnungen in Hamburg Bauherr: Architekten: Standort: Ehemalige Nutzung: Baujahr: Fertigstellung Umbau: Grundstücksfläche: Wohnfläche: Bruttogeschossfläche: Geschosse: Baukosten: COGITON Projekt Harvestehude GmbH Hamburg blauraum architekten Hamburg-Eimsbüttel Bürogebäude 1974 2005 (Bauzeit 8 Monate) 955 m² 1.524 m², 15 Eigentumswohnungen je ca. 83 - 145 m² 2.973 m² 4 + Kellergeschoss 775 €/ m² BGF netto (KG 300 - 500) Bild 3.53: Erdgeschoss Bild 3.52: Straßenseite 22 In der Bogenallee in Hamburg wurde ein ehemaliges Bürogebäude aus den 70er Jahren in ein Wohnhaus mit 15 großen lichtdurchfluteten Wohnungen, teilweise mit Maisonettecharakter, umgebaut. Die Wohnungsgrößen variieren zwischen 83 und 145 m2. Die Revitalisierung des Ge­ werbegebäudes zeichnet sich durch ein in­ novatives und flexibles Wohnkonzept aus. Bild 3.54: Bestand Bild 3.55: Montage der Kuben Das Grundstück in Harvestehude grenzt an die Stadtteile Rotherbaum und Eims­ büttel. Das Gebäude befindet sich in ei­ nem attraktiven städtebaulichen Umfeld an einer Stichstraße im Hof eines gro­ ßen innerstädtischen Blocks an der Bo­ genallee. In unmittelbarer Nähe sorgen die Universität, Cafés und Boutiquen für ein lebendiges Umfeld. und WC sowie frei gestaltbaren Wohnflä­ chen besteht. Raumhohe Pendeltüren mit Bodentürschließern ermöglichen den Bewohnern den offenen Grundriss nach Bedarf in abgetrennte Räume zu untertei­ len. In geöffnetem Zustand gleichen diese zargenlosen Türen frei im Raum stehen­ den Wandscheiben. Sie bilden zusammen mit der Schiebetür zum Küchenbereich ein hohes Maß an Nutzungsflexibilität. Das homogene Gebäude in Stahlbeton­ skelettbauweise von 1974 wurde bis auf den Rohbau entkernt und anschließend architektonisch und funktional neu gestal­ tet. Innerhalb von acht Monaten wurden Dach, Fassaden, Fenster und die Keller­ decke modernisiert. Nach dem Umbau ist ein Gebäude entstanden, das sich durch eine hohe Wohnungsvielfalt auszeichnet, die sich im spezifischen Erscheinungsbild der Fassade wiederspiegelt. Die fließenden Wohnungsgrundrisse wur­ den durch auskragende Kuben und Bal­ kone erweitert. Die Wohnungen sind nicht in Flächen sondern in Nutzungsbereiche untergliedert. Daraus ergibt sich eine Raumkomposition, die aus den fest einge­ bauten Versorgungseinheiten Küche, Bad, Aufgrund der Straßen-Hof-Orientierung des Gebäudes wurde die zweischali­ ge, hinterlüftete Vorhangfassade unter­ schiedlich konzipiert. Die raumhoch ver­ glaste und mit Balkonen ausgestattete westliche Fassade zum Garten verbin­ det den halböffentlichen mit dem priva­ ten Lebensraum. Die östliche Straßen­ fassade ist als hinterlüftete Lochfassa­ de aus wetterbeständigen HPL-Platten ausgeführt. Diese wurden direkt auf die Unterkonstruktion geklebt oder genietet und mit einem hauchdünnen Echtholz­ furnier versehen. Die Geschlossenheit der Fassade wird durch seitlich vergla­ ste „flex-Boxen“ unterbrochen, in denen Essecken, Badewannen oder Saunen untergebracht wurden. Die Kuben er- Bild 3.56: Gartenseite Bild 3.57: Straßenfassade Bild 3.58: Kubus - Seite 23 Bild 3.59: Türen als drehbare Wandscheiben Bild 3.60: Wohnzimmer Bild 3.62: Grundriss Bestand 1. Obergeschoss Bild 3.61: Küche möglichen den Bewohnern den Blick auf das eigene Gebäude. Im Erdgeschoss schließt sich den Wohnungen jeweils ein weitläufiger Patio mit einer anspruchs­ vollen Landschaftsgestaltung an. Hinter zwei straßenseitig vorgelagerten Kuben im Erdgeschoss befinden sich der erhal­ tene sowie der neu eingebaute Treppen­ aufgang mit Aufzug. Das Untergeschoss bietet Platz für 23 PKW-Stellplätze, die über einen PKWAufzug erschlossen werden. Bild 3.63: 1. Obergeschoss Bild 3.64: 2. Obergeschoss Bild 3.65: 3. Obergeschoss Der Umbau stellt beispielhaft den moder­ nen Umgang mit alten, unansehnlichen Bürogebäuden aus den 1970er Jahren und den Gestaltungsmöglichkeiten in komfortable und urbane Wohnungen dar. Er trägt erheblich zur Nachverdich­ tung und architektonischen Qualitätsver­ besserung des Stadtteils bei. Sowohl die Fassaden als auch die Innenraumgestal­ tung setzen neue Maßstäbe für moder­ nes Wohnen und ausdrucksvolle Archi­ tektur in der Stadt. Das Projekt wurde mit dem „Architek­ turpreis der Initiative Arbeit und Klima­ schutz“; BDA Hamburg e.V., dem Preis für das „Bauwerk des Jahres“, Architek­ ten– und Ingenieurverein Hamburg e.V., dem 3. Preis des „BDA Hamburg Archi­ tektur Preis 2005“ und dem „Deutschen Architekturpreis 2005“ der Bundesarchi­ tektenkammer Berlin ausgezeichnet. [3-8], [3-9] Bild 3.65: Querschnitt 24 3.3.2 Wohnen in einem ehemaligen Bürogebäude in Frankfurt a. M. Bauherr: Architekten: Standort: Ehemalige Nutzung: Baujahr: Fertigstellung Umbau: Grundstücksfläche: Wohnfläche: Nutzfläche: Geschosse: Baukosten: GbR Holzhausenstr. 27-29 Naumann Architekten Holzhausenstraße/ Frankfurt a.M. Bürogebäude 1970 2006 1.136 m² 960 m²;10 WE: 3 Eigentums- + 7 Mietwohnungen zw. 45 m² und 145 m² 1.300 m² 6 (inkl. Kellergeschoss) ca. 2,5 Mio. € N Bild 3.67: Straßenseite Bild 3.68: Lageplan Erdgeschoss Mit der Umnutzung des ehemaligen Bü­ rogebäudes entstanden auf sechs Ge­ schossen zehn Wohneinheiten, die die Bauherrengemeinschaft gemeinsam mit dem Architekten entwickelte. Die Um­ nutzung zum Wohnen bot sich an, da es sich bei dem innenstadtnahen Bezirk „Holzhausenviertel“ um eine sehr gefrag­ te Wohnlage handelt. Mit der Umnutzung sind Wohneinhei­ ten von 45 bis 145 m² entstanden. Im Souterrain und Erdgeschoss wurden zwei Maisonettewohnungen – eine als Eigentum und mit Dachterrasse auf ei­ nem vorspringenden Gebäudeteil des Kellergeschosses – und eine als Miet­ wohnung integriert. Erstes und zweites Obergeschoss bestehen aus je drei Miet­ wohnungen und im dritten und vierten Obergeschoss wurden ebenfalls zwei Eigentumswohnungen – eine als Mai­ sonette mit großzügiger Dachterrasse – eingerichtet. Der Flachdachbau wurde 1970 als Bü­ rogebäude mit einer Einliegerwohnung inmitten eines ansonsten gründerzeitlich geprägten baulichen Umfeldes mit einer Mischnutzung aus überwiegend Wohn­ bebauung und vereinzelt „stillem“ Ge­ werbe, errichtet. Aus bauordnungsrecht­ licher Sicht gab es für das Gebäude ur­ sprünglich keine Genehmigung als reines Bürogebäude, es wurde dennoch über 30 Jahre hinweg nahezu ausschließlich gewerblich genutzt. In den letzten Jah­ ren vor Umbau und Sanierung stand es zu 90 Prozent leer. Während des Projektentwicklungspro­ zesses wurde besonderer Wert auf die Akzentuierung der im Bestand vorhan­ denen kubischen Elemente im Kontrast zur umliegenden Bebauung des Viertels gelegt. Die langen – für Bürogebäude ty­ pischen – Bandfenster wurden beibehal­ ten und in die Planung der Wohnungs­ grundrisse einbezogen. Bild 3.69: 1. Obergeschoss Bild 3.70: Dachgeschoss 25 Bild 3.71: Bestand Straßenseite Bild 3.72: Neugestaltete Gartenfassade Bild 3.73: Dachgeschoss Bild 3.74: Dachterrasse Nach Entfernung der bestehenden Na­ tursteinverblendfassade in allen Ge­ schossen, wurden entsprechend der ho­ rizontalen Gliederung des Bestandes die Hauptgeschosse – bestehend aus dem ersten und zweiten Geschoss – mit ei­ nem Wärmeverbundsystem versehen und weiß gestrichen. Die vormals elo­ xierten Aluminiumfensterflächen ersetzte man durch Isolierglasfenster in Aluminium mit grauer Oberfläche. Die Verblendung der Rollladenkästen erfolgte mittels pul­ verbeschichteten Aluminiumblechen, die die horizontale Teilung und Gliederung der Fassade aufnehmen und betonen. Die beiden zurückspringenden Geschos­ se wurden farblich stark akzentuiert von den Hauptgeschossen abgesetzt. Das Sockelgeschoss wurde in einem kräfti­ gen Blauton und das zurückspringende dritte Obergeschoss in grau angelegt. ten Obergeschoss sind alle Wohnungen durch Balkon bzw. Terrasse erweitert worden. Straßenseitig wurde die ho­ rizontale Gliederung der Fassade an einer Stelle durch eine vorgestellte Bal­ konkonstruktion unterbrochen. Die hier zurückspringenden Wandflächen im 1. und 2. Obergeschoss wurden farblich in rot abgesetzt, so dass die an sich ins­ gesamt horizontal strukturierte Fassade einen vertikalen Kontrapunkt erhielt. Die Skelettbauweise mit Stützen und Unterzügen ermöglichte nach Abriss der nicht tragenden Innenwände eine freie Einteilung für die neuen Wohnungs­ grundrisse. Das zweite Treppenhaus wurde abgebrochen und ebenfalls in Wohnfläche umgewandelt. Durch die Ergänzung von sieben Balkon-/ Terras­ senanlagen einschließlich der großen Dachterrasse des Penthouses im vier26 Die Umnutzung des brachliegenden Bü­ rogebäudes stellt eine gelungene Auf­ wertung für das Wohnumfeld dar. Die Neugestaltung der Fassade setzt einen positiven Akzent und schließt mit den neuen Wohnungen eine Nutzungslücke in der Straße. Die kubische Gebäudeform mit der strengen horizontalen Fassadengliede­ rung wurde durch die Modernisierung aufgelockert. Die Wohnungen zeichnen sich durch großzügige und offene Wohn­ bereiche aus, in der die ehemalige ge­ werbliche Nutzung nicht mehr wiederzu­ erkennen ist. [3-10] 3.4 Versorgungsgebäude Auch ehemals zur Versorgung genutzte Gebäude werden vermehrt zu Wohn­ zwecken umgebaut und eignen sich hervorragend zur Umsetzung vielfälti­ ger Grundrissgestaltungen. Historische Wassertürme stellen nicht selten ein­ drucksvolle bauliche und technische Denkmäler dar und sind „Land-„ bzw. „Stadtmarken“. Anhand des folgenden Umbaukonzeptes wird das Potenzial dieser Türme zur Entwicklung eines ex­ trovertierten und ebenfalls geborgenen Wohnortes deutlich gemacht. 3.4.1 Wohnen im Wasserturm in Essen Bauherr: Architekten: Standort: Ehemalige Nutzung: Baujahr: Fertigstellung Umbau: Grundstücksfläche: Wohnfläche: Nutzfläche: Geschosse: Baukosten: Arnim Koch, Michael Dahms, Heiko Stannat, Bottrop Madako Architekten Essen-Bredeney Wasserturm 1921 2002 494 m² 434 m² gesamt, 3 WE 566 m² (inkl. Treppenturm) 9 1.590 €/m² brutto Am Stadtrand von Essen ist ein Wasser­ turm von 1921 zu Wohnzwecken umge­ baut worden, indem 3 Wohneinheiten von insgesamt 434 m², ein Büroraum und ein Konferenzraum realisiert wurden. Durch die Umnutzung konnte ein bedeu­ tendes Technikdenkmal, das in einem kulturell vielfältigen Umfeld liegt, erhal­ ten werden. Der ehemalige Wasserturm befindet sich an einem Waldrand eines Landschaftsschutzgebietes im Essener Stadtteil Bredeney. Einkaufsmöglichkei­ ten und Restaurants in der Bredeneyer Straße sind fußläufig erreichbar. Die Es­ sener Innenstadt ist nur wenige Minuten entfernt. Das denkmalgeschützte sechseckige Bauwerk von 1921 besteht aus einer sich nach oben verjüngenden Stahlbetonkon­ struktion und ausgemauerten Wandfel­ dern. Auf dem Turm befindet sich eine umlaufende Balustrade und ein geniete­ ter Stahlkugelbehälter, der ehemals der Wasserspeicherung diente. Im Gebäudeinneren wurden neun Ge­ schosse eingezogen. Die Erschließung erfolgt über einen angebauten vergla­ sten Aufzugsturm mit umlaufender Trep- Bild 3.76: Bestand Bild 3.75: Umgenutzter Wasserturm penkonstruktion. Der Zugang zu den Wohneinheiten erfolgt in jeder Etage je­ weils über eine Stahlbetonbrücke. Das Erdgeschoss dient als Bürofläche. Das oberste Geschoss beherbergt einen Kon­ ferenzraum mit Blick auf die umliegende Natur. Dazwischen liegen die drei neu geschaffenen zwei- bis dreigeschossigen Maisonettewohnungen, die sich durch lichtdurchflutete Räume und offen gestal­ 27 Bild 3.77: Ebene 2 Bild 3.78: Ebene 3 Bild 3.81: Treppenaufgang Bild 3.82: Bad Bild 3.83: Wohnraum Bild 3.84: Wasserbehälter tete, fließende Grundrisse auszeichnen. In der ersten Ebene befindet sich jeweils ein kleines Entree, WC sowie der Wohn­ bereich mit großer Glasfront und die Kü­ che. Im zweiten Geschoss sind Bad und Schlafzimmer untergebracht. Die Räume sind durch Sichtbetonwandscheiben mit Edelstahlintarsien unterteilt. Alle weite­ ren raumbildenden Elemente wurden als Gipskarton-Ständerwerk ausgebildet. In­ nerhalb der Maisonetten dient eine Stahl­ treppe mit Aluminiumtrittstufen und einem in die Betonwand integrierten Handlauf der internen Erschließung. Die Außenhülle des Turms wurde mit einem Wärmeverbundsystem versehen und mit lichtgrauem Putz ausgeführt. Die südöstlich ausgerichtete Glasfassade aus einer gleichfarbigen Stahl-Alumini­ umkonstruktion mit Austrittsmöglichkei­ ten sowie Belüftungs- und Notausgangs­ öffnungen sorgt für helle Wohnräume. Bild 3.79: Ebene 6 Bild 3.80: Ebene 7 Im Innenbereich wurde der farbig, pig­ mentierte und geschliffene Estrich durch das im Wohnraum verwendete Parkett und dem dunkelgrauem Schiefer der Fußböden und Wandflächen in den Duschbereichen der Bäder in Kontrast gesetzt. Die übrigen Wandflächen wur­ den lichtgrau gestrichen und gewachst. Sämtliche Räume verfügen über Fußbo­ denheizungen, deren Versorgung über eine Gastherme je Wohneinheit erfolgt. 28 Dieses Projekt ist beispielhaft für die Er­ haltung und Wiederbelebung eines Tech­ nikdenkmals, das mit der Umnutzung einen hohen individuellen Wohnwert mit sorgfältigen Detaillösungen erfahren hat. Dabei ist die neue Erschließung des frei­ stehenden Aufzugs- und Treppenturms in respektvollem Abstand zum histori­ schen Gebäude eine gelungene Lösung. Im Rahmen des „Bauherrenpreis 2003“ erhielt das Projekt eine besondere Aner­ kennung für die vorbildhafte Umnutzung des Wasserturms. [3-11], [3-12] 3.5 Militärisch genutzte Gebäude sowie Schutz- und Wehrbauten Nicht selten nehmen die Liegenschaften des Militärs enorme Flächen im Stadtgebiet ein. Im Gegensatz zu den außerstädtischen Arealen wie Truppenübungsplätzen, weisen beispielsweise ehemalige Kasernen in urbaner Lage mit ihren Verwaltungs- und Infrastrukturgebäuden ein großes Potenzial für die Innenstadtentwicklung auf – besonders durch eine große Anzahl von Wohnungsmöglichkeiten in kompakter Bauweise und der zum Teil großzügigen, umliegenden Grünflächen. Die zivile Nachnutzung stellt eine wesent­ liche architektonische Aufwertung für die Stadtquartiere dar und kann als Resultat einer sorgfältigen Umnutzung attraktiven Wohnraum in herausragenden städtischen Lagen bieten. Die im Folgenden beschriebenen Projekte weisen aufgrund ihrer Verschiedenheit der ehemaligen militärischen Nutzung unterschiedliche Lösungen hinsichtlich der ökonomischen und rekonstruktiven Bedingungen für die Umnutzung zu Wohnzwecken auf. 3.5.1 Wohnen in einem ehemaligen Hochbunker in Köln Bauherr: Architekten: Standort: Ehemalige Nutzung: Baujahr: Fertigstellung Umbau: Grundstücksfläche: Wohnfläche: Nutzfläche: Bruttogeschossfläche: Geschosse: Baukosten: Hohr Immobilien GmbH Luczak Architekten Köln-Nippes Hochbunker 1940 2004 1.712 m² 2.085 m² gesamt, 17 WE, 71 – 234 m² 2.869 m² 2.675 m² 3 + DG inkl. Galerie 1.547 €/m² brutto (ohne Tiefgarage) Im Stadtteil Köln-Nippes wurde ein fens­ terloser Hochbunker zu 17 Wohneinhei­ ten von 71 m² bis 234 m² umgestaltet. Der 1942 gebaute Bunker befindet sich auf einem zentrumsnah und ruhig gelege­ nen Grundstück am Rand des begehrten Stadtteils Köln-Nippes. Die Mauern des 45 m langen, 17,5 m breiten und 7,5 m hohen Bunkers aus dem 2. Weltkrieg wa­ ren zum Teil bis zu 1,40 Meter stark. Nach dem Kriegsende diente der zweigeschos­ sige Luftschutzbunker zunächst als Not­ quartier für Obdachlose und später als Warenlager. In der Umgebung befinden sich kleine Werkstätten neben Wohnge­ bäuden, traditionellen Giebelhäusern und einer offenen, begrünten Wohnanlage. Das Wohnnutzungskonzept zeichnet sich durch seine Vielfalt und Individualität der Räume aus, in denen die Bewohner die Möglichkeit haben, sich nach dem Konzept „Wohnen und Arbeiten“ einzurichten. Inmitten eines verdichteten städtischen Bild 3.85: Lageplan Bild 3.86: Gartenseite nach Süden Raums entstand in Verbindung mit der Nutzung der vorhandenen Infrastruktur des Quartiers ein attraktiver Wohnstandort. Die Wohnungen besitzen sowohl Einfamilienhaus-Charakter als auch die Vorzüge des Geschosswohnungsbaus 29 Bild 3.87: Terrasse Bild 3.88: Eingangsbereich Bild 3.90: Straßenseite wie z.B. Gebäudeservice, Tiefgarage, Gärten und große Terrassen, flexible Grundrisse und interne Lichthöfe. Das neue Wohnensemble besteht aus sechs Wohneinheiten, die im bestehenden Bau­ werk geschaffen wurden und einem neu errichteten hölzernen Penthouse, das auf den Bunker gesetzt wurde sowie einem Neubau mit zehn mehrgeschossigen Ein­ heiten, der den Bunker überkreuzt und das Areal zur Straßenseite erschließt. Durch klare Einschnitte wurden in dem vollständig entkernten Gebäude großzü­ gige Räume geschaffen. Die Wanddicken von bis zu 1,10 Meter sind nach dem Um­ bau durch außenbündige Fenster wei­ terhin wahrnehmbar. Zwischen den ver­ bliebenen, L-förmigen Betonkörpern des ehemaligen Bunkers wurden Glasfenster und -dächer eingefügt. In den Einschnit­ ten erhielten die Lofts im Bunker nach Westen ausgerichtete zweigeschossige, glasgedeckte Atrien, die das Licht weit in den 14 Meter tiefen Baukörper eindringen 30 Bild 3.89: Bestand lassen. Alle Einheiten besitzen minde­ stens zwei Ebenen sowie übergreifende Lufträume bzw. Emporen und werden über raumhohe Fensterfronten, Oberlich­ ter und Innenhöfe natürlich belichtet. Die obere Wohnetage des Bunkers ist von der Fassade zurückgesetzt, so dass hinter der Fensteröffnung ein zweigeschossiger Luftraum entsteht. Große Glasflächen verbinden die Terrassen und Gärten mit dem Inneren. Die flachen Dächer in den Einschnittbereichen wurden jeweils mit einer Schrägverglasung mit elektrisch be­ triebenem Sonnenschutz versehen. Eine zum Tageslicht orientierte Holztreppe verbindet die beiden Ebenen hinter einer Wandscheibe. Die fließenden Grundrisse bieten Raum zum Wohnen, Arbeiten oder flexible Nutzungen und können bei Bedarf zukünftig neu unterteilt werden. Bild 3.91: Grundriss Erdgeschoss Bild 3.92: Längsschnitt Bild 3.93: Wohnbereich mit Galerie Bild 3.94: Bad mit aufklapparer Wand Der Umgang mit der erhaltenen Bausub­ stanz blieb den Bewohnern frei gestellt. An vereinzelten Stellen sind noch Schnitt­ kanten sichtbar, die meisten Wände sind jedoch weiß verputzt. Die Bunkerwände wurden in Kontrast mit Stahl und Holz in Szene gesetzt. Robuste und natürliche Materialien wie Eichenparkett, Stein­ zeugfliesen sowie mit Nussbaum, Eiche, Wenge oder Ebenholz ausgekleidete Küchen lassen vielfältigen Raum für den eigenen Wohnstil der Nutzer. Die Fens­ terfronten, Türen und Böden aus Holz vermitteln eine natürliche Wohnlichkeit. und teils im Außen-, teils im Innenraum wahrnehmbar. In dem mit Aluminium ge­ deckten Tonnendach des neuen Vorder­ hauses wurden zweigeschossige Mai­ sonette-Wohnungen mit eingehängten Emporen errichtet, die von beiden Seiten durch Dachfenster belichtet werden. Alle Wohnungen verfügen über Balkone oder Dachterrassen. Das neu errichtete Pent­ house auf dem alten Bunker hat eine Wohnfläche von 165 m² und zwei Dach­ gärten. Der ehemalige Flakturm des Bunkers dient heute als blickgeschützter Dachgarten. Über direkte Zugänge ge­ langen die Bewohner in die Tiefgarage mit 20 Stellplätzen. Zur Schaffung der Wohneinheiten im Bestand wurde die Baumasse mit einem radikalen Konzept bearbeitet. Insgesamt wurden 5.000 Tonnen Stahlbeton wie aus einem Bergmassiv herausgeschnit­ ten bzw. gesprengt und die Betonreste in teilweise tonnenschweren, großen Stük­ ken abtransportiert. Die Eisenarmierung der Betonwände musste mit 20 Meter langen Diamantseilsägen zerschnitten werden. Über ein hydraulisches System wurden die wassergekühlten Seile je­ weils nachgespannt. Kleinere Kernboh­ rungen ermöglichten das Durchfädeln der Seile. Die trotz der massiven Wände erforderliche Wärmedämmung wurde mit einem Wärmedämmverbundsystem realisiert. An die Stelle der tristen, ab­ weisenden Bunkerfassade ist eine Stra­ ßenfront mit vielen Dach- und Fassaden­ fenstern getreten. Auffallend ist die gro­ ße, asymmetrische Öffnung, die sich wie ein Schnitt durch das Gebäude zieht. Die neuen Öffnungen in dem neuen Fenster­ band der straßenseitigen Überbauung sind mit tiefen Laibungen den enorm dicken Bunkerwänden nachempfunden Das Projekt ist ein außergewöhnliches Beispiel zur Reaktivierung eines meist langfristig leerstehenden innerstädtischen Schutzbaus. Mit der Umwandlung wur­ de beispielhaft aufgezeigt, wie ein trister Hochbunker auf wirtschaftlich vernünfti­ ge Weise für innovative Raumkonzepte umgenutzt werden kann. Dabei werden die Vorteile des Reihenhauses mit denen des verdichteten, städtischen Bauens verknüpft. Bild 3.95: Galerie Bild 3.96: „Einschnitt“ Der umgebaute Hochbunker wurde u.a. 2008 mit der Auszeichnung „Wohnen an ungewöhnliche Orten“ der AK NordrheinWestfalen und des MBVNRW, im „LBSWettbewerb Stadthäuser und Stadtwoh­ nungen- kostengünstig und qualitätsbe­ wusst 2006“, mit dem „Deutschen Bau­ herrenpreis Modernisierung 2005“ für die hohe Qualität und tragbaren Kosten und mit der „Auszeichnung vorbildlicher Bau­ ten des Landes NRW 2005“ geehrt. [3-13], [3-14] Bild 3.97: Bestandspfeiler 31 3.5.2 „Garde-Karree“ – Wohnen in einer ehemaligen Kaserne in Potsdam Bauherr: Architekten: Standort: Ehemalige Nutzung: Baujahr: Fertigstellung Umbau: Grundstücksfläche: Wohnfläche: Geschosse: Baukosten: Kondor Wessels Mark Brandenburg GmbH con-tura Architekten und Ingenieure GmbH Potsdam Stallgebäude der angrenzenden Kaserne 1885-1891 vorauss. 2009 ca. 9.580 m² der Altbauten, ca. 6.600 m² der Neubauten 5.720 m² gesamt, 43 WE ; 100- 220 m² 2 k.A. Bild 3.98: Lageplan 32 Bild 3.99: Fassadendetail Auf dem Gelände der denkmalgeschütz­ ten Ruinenbergkaserne wurden in den ehemaligen Reitställen unter weitgehen­ der Erhaltung der originalen Bausubstanz 43 Wohneinheiten mit 110 m² bis 220 m² Wohnfläche realisiert. Die ehemalige Kaserne liegt nördlich des Potsdamer Stadtzentrums am Ruinenberg, einge­ bettet in die Parklandschaft Lennés und in der Nachbarschaft des Schlosses Sanssouci. Das Projekt ist Teil des Um­ wandlungsprozesses des neun Hektar großen Kasernenareals in ein modernes Wohnquartier. Die Infrastruktur des „Potsdamer Kar­ rees“ mit benachbarten Schulen und Kitas, Kinderspielplätzen und Sportan­ lagen ist sehr gut entwickelt. In weni­ gen Minuten erreichen die Bewohner den Potsdamer Hauptbahnhof und den Volkspark nördlich des Potsdamer Stadt­ zentrums. Bild 3.100: Bestand Bild 3.101: Neugestaltung Die Ruinenbergkaserne wurde 1885-91 durch Kaiser Wilhelm I. im Potsdamer Militärgürtel erbaut. Die achsensymme­ trische und burgenartig gestaltete Anlage im neugotischen Stil umfasst mit seinen Bild 3.102:Entkernung Bestand Bild 3.103: Wohnraum Bild 3.104: Galerie Bild 3.105: Stahlpfeiler im Eingangsbereich Wohngebäuden und Pferdeställen sowie weiteren Kleingebäuden eine Grundflä­ che von 90.200 m². Nach 1919 waren hier die Reichswehr und Wehrmacht statio­ niert. Ab 1955 wurde die Kaserne als ein­ zige im Stadtgebiet von Potsdam durch die Nationale Volksarmee der ehemali­ gen DDR genutzt. Wegen der Lage am Ruinenberg und der Ausführung in rotem Backstein ist die Kaserne auch unter dem Namen „Rote Ruine“ bekannt. Seit 1991 diente die ehemalige Kaserne dem Land Brandenburg als Verwaltungsgebäude. öffnungen und historischen Einbauten, die für die Pferdehaltung erforderlich waren. Im Inneren wurden nahezu voll­ ständig erhaltene oder wiederhergestell­ te Kreuzgewölbe, 5 m hohe Deckenge­ wölbe aus gelbem und rotem Klinker­ mauerwerk und gusseiserne Stützen im Erdgeschoss sowie rote Klinkerfassaden an der Außenseite des Gebäudes vorge­ funden. Die ehemaligen Stallungen „Garde-Kar­ re“ befinden sich nördlich des früheren Kasernenhauptgebäudes. Die Gebäude bestehen überwiegend aus Ziegelmau­ erwerk mit Rundbogenfenstern und Ein­ gängen sowie weiteren kleinen Fenster­ Der Ausbau der alten Reitställe erfolgte nach der Einteilung der vorhandenen Ge­ wölbeachsen. Sechs Haustypen und vier Wohnungen wurden über eine bis zwei Achsen entwickelt. Jede Gewölbeachse der langgestreckten Gebäude bildet heu­ te eine in sich abgeschlossene Wohnung mit separatem Eingang, wobei einige größere Wohnungen über anderthalb Bild 3.106: Ansicht 33 Bild 3.107: Beispielwohnung Erdgeschoss Bild 3.108: Beispielwohnung Galerie Bild 3.109: Beispielwohnung Dachgeschoss 34 Bild 3.110: Schlafzimmer Bild 3.111: Bad oder zwei Achsen reichen. Jede Haus­ einheit erhielt einen eigenen Gartenanteil mit Terrasse. Die erhaltene Außenmauer umschließt die Anlage und gewährleistet die Intimität der Nachbarschaft. Erdgeschoss befindet sich eine Galerie, die den Raumeindruck der historischen Deckengewölbe erlebbar macht. Von dort führt eine Treppe zum Dachgeschoss mit den Schlafräumen und dem Badezimmer Galerie und Treppe wurden als sichtbares Stahltragwerk ausgeführt. Der Umbau des Garde-Karrees umfasst weiterhin die komplette Erneuerung der Dachkonstruktion. Durch die Rekonstruk­ tion der alten Dachform konnte das histori­ sche Erscheinungsbild des langgestreck­ ten Ensembles als geschlossene Einheit wiederhergestellt werden. Um die Belich­ tung der Dachwohnungen zu verbessern, wurde das Dach mit einem durchlaufen­ den Gaubenband versehen, die beste­ henden Fensteröffnungen vergrößert und durch weitere ergänzt. Die Belichtung der im Dach untergebrachten Schlafräume und Komfortbäder erfolgt über elektrisch betriebene Dachfenster. Die ursprüng­ lichen Rundbogen-Fenster im Erdge­ schoss wurden bis zum Fußbodenniveau vergrößert um auch hier eine gute Belich­ tung des Wohnraumes zu gewährleisten und zugleich die Wohnungs- und Terras­ sentüren integrieren zu können. Weitere funktionale Ergänzungen wurden durch 24 cm starke Wohnungstrennwände aus Kalksandsteinmauerwerk umgesetzt, die die neu eingezogenen Stahlbeton-Fili­ grandecken tragen, ohne das historische Gewölbe zu belasten. Die Wohnungs­ trennwände stehen auf den Gewölbeach­ sen und sind im Bereich der bestehenden Stützen unterbrochen. Die entstandenen Lücken wurden einseitig mit Trockenbau geschlossen, so dass das historische Tragwerk weitgehend sichtbar bleibt. Oberhalb der Nutzräume wie Diele, Haus­ anschlussraum, Gäste-WC und Küche im Die aufwändig mit Formsteinen und Ver­ legemustern gestalteten Klinkerfassaden erhielten durch Reparaturen und Ergän­ zungen wieder ihr originales Erschei­ nungsbild und wurden innen mit Mineral­ dämmplatten gedämmt. Die rein minera­ lischen Platten bilden mit den ebenfalls mineralischen Klinkern ein homogenes System. Auf der Innenseite wurden die Platten mit einem systemzugehörigen Leichtmörtel verputzt, so dass auch in der historischen Bausubstanz saubere und ebene Wandoberflächen entstehen. Auf dem ehemaligen Exerzierplatz im In­ neren der Anlage wurden die Bestands­ gebäude durch eine Reihen- und Doppel­ hausbebauung ergänzt. Die Neubauten passen sich in ihrer Architektursprache den denkmalgeschützten Gebäuden an. Schon vor der voraussichtlichen Fertig­ stellung 2009 ist in dem Garde-Karree ein interessantes Spannungsfeld zwi­ schen Alt und Neu entstanden. Durch den nachhaltigen Umgang mit der Ge­ schichte des Ortes und der Betonung der historisch wertvollen Elemente ge­ lang es, ein einmaliges Wohnensemble mit einer herausragenden Qualität im städtischen Kontext zu entwickeln. [3-15], [3-16] 3.5.3 Wohnanlage in der Wasserburg „Haus Heyden“ in Aachen Bauherr: Architekten: Standort: Ehemalige Nutzung: Baujahr: Fertigstellung Umbau: Wohnfläche: Nutzfläche: Geschosse: Baukosten: k.A. Nattler Architekten Aachen Wasserburg 13.Jh. 2003 1.677 m² gesamt, 7 WE 2.150 m² 2 k.A. Bild 3.112: Lageplan Bild 3.113: Hauptburg und Teich – Bestand Im Aachener Stadtteil Richterich wurde eine denkmalgeschützte Wasserburg zu einer Wohnanlage mit sieben großzügi­ gen Wohneinheiten, Büro-, und Semi­ narräumen umgebaut. Im Mittelpunkt stand die deutlich ablesbare Gegenüber­ stellung von Bestand und Neubau durch Einbringung zeitgenössischer Architek­ turelemente in die alte Bausubstanz. Die Geschichte der Wasserburg “Haus Heyden” geht auf das 13. Jahrhundert zurück, als die Hauptburg sowie die Vor­ burg durch Ritter Arnold erbaut wurde. Das Gebäudeensemble wurde im Laufe der Jahrhunderte immer wieder erweitert und im Zuge von Kriegen zweimal zerstört und wieder aufgebaut. Heute besteht die Wasserburg aus der Ruine der alten Hauptburg, zwei intakten Vorburgen sowie einem Jagdhaus. Die Anlage mit rund 6 ha Größe liegt in einem Landschaftsschutzgebiet nördlich von Aachen. Die Zufahrt zu den Gebäuden erfolgt über eine denkmalgeschützte Eichenallee. Zur Ostseite ist das Grundstück durch den Amstelbach begrenzt. Bild 3.114: Luftbild – Bestand Über die historische Zugbrücke südlich des Geländes gelangen die Bewohner in die Burg. Diesem Zugang schließt sich der erste Hof der Vorburg an. Eine schma­ le Zufahrt erschließt den zweiten Hof mit dem Burggarten im Norden, der dahinterliegenden Ruine der Hauptburg und dem Jagdhaus. In den zweigeschossigen Ge­ bäuden der Vorburgen wurden großzügige Maisonettewohnungen errichtet. Die Grundrisse sind sowohl den Ansprüchen des Bestandes angepasst als auch nach den individuellen Bedürfnissen der Be­ wohner gestaltet. Bis auf das Jagdhaus, 35 Bild 3.115: Zugbrücke Bild 3.116: Verglastes Treppenhaus das zu einem luxuriösen Wohnhaus mit Freitreppe umgestaltet wurde, verfügt jede der Wohnungen über einen Zugang zum Außenraum der Burgmauern. teile wie z.B. die Holzbalkendecken oder Dachstühle konnten zum Teil durch Sa­ nierungen erhalten oder bei statisch be­ denklichem Zustand ausgetauscht wer­ den. Die First-, Mittel-, und Fußpfetten der vorhandenen Holzbinderkonstruktio­ nen sowie die gesamte Dachkonstrukti­ on und Hohlpfanneneindeckung wurden neu errichtet. Die vorhandenen Kappen­ decken, sowie die Lehm- und Beton­ böden wurden zurückgebaut, neue Ge­ schossdecken sind als Holzbalkenkon­ struktionen eingezogen worden. Die feh­ lenden und bestehenden Mauerwerke, Fenster und weitere Fassadenelemente wurden aufwändig wiederhergestellt. Die durch die ehemalige Stallnutzung stark versalzenen Wände einiger Bereiche mussten saniert und neu abgedichtet werden. In der ersten Vorburg befindet sich ein Seminarraum, der für Veranstaltungen zur Verfügung steht. Im zweiten Hof wur­ den zwei Büros und Stellplätze in den Bestand integriert und im ehemaligen Backhaus ein Wellnessbereich angelegt. Ein verglastes Treppenhaus dient als Fuge zwischen dem einstigen Backhaus und der Wohnung Eins. In dem angren­ zenden ehemaligen Schweinestall im zweiten Hof sowie im ehemaligen Kuh­ stall im ersten Hof sind großzügig ge­ staltete Loftwohnungen untergebracht. Die vorhandenen Scheunentore sind zu neuen Eingängen für die Wohneinheiten umgestaltet worden. 36 Die baulichen Veränderungen und Sa­ nierungmaßnahmen erfolgten in enger Abstimmung mit der Denkmalbehörde. Von Schädlingen befallene Bauwerks- Mit der Rekonstruktion des alten Wasser­ grabens einschließlich Burgbrücke und Holzterrassen sowie der Neugestaltung der drei Innenhöfe wurden die vorhande­ nen Freiräume nachhaltig beplant. Bild 3.117: Zufahrt Bild 3.118: Eingang – ehemaliges Scheunentor Bild 3.119: Dachgeschoss Loftwohnung Bild 3.120: Dachgeschoss Wellnessbereich Ökologische Gesichtspunkte bei der Pla­ nung der Haustechnik führten u.a. zur Montage einer 35 m² großen Solarkol­ lektoranlage, die zur Unterstützung der Heizung zur Warmwasseraufbereitung genutzt wird. Bei der Umnutzung der Wasserburg ist es gelungen, die vielfältigen räumlichen Qualitäten der Burganlage optimal in die Wohnnutzung umzusetzen. So ist das „Haus Heyden“ nicht nur vor dem endgül­ tigen Verfall gerettet worden, vielmehr ist in seinen historischen Mauern ein außer­ gewöhnliches Wohnambiente entstan­ den. Dabei stehen zeitgemäße Materialund Formgebungen – wie Glas, Stahl, und Holz in klar ablesbaren Formen – im Kontrast zur restaurierten, alten Bausub­ stanz. Dadurch ist eine stimmungsvolle Spannung zwischen dem historischen Bau und modernen Architekturelemen­ ten entstanden. Bild 3.121: Querschnitt [3-17] Bild 3.122: Dachgeschoss Loftwohnung Bild 3.124: Erdgeschoss Kaminbereich 37 3.6 Bahngebäude Die Wiedernutzung brachliegender Bahn­ flächen ist seit Jahren Gegenstand stadt­ planerischer Bemühungen innerhalb eines umfassenden Prozesses der Neustruktu­ rierung in Städten. Seit der Stillegung von Strecken und Bahnhöfen in den letzten Jahren blieben zahlreiche Bahnflächen ungenutzt. Bei der Stadtentwicklung in diesen Verdichtungsregionen spielen ne­ ben Möglichkeiten der Folgenutzung von Bahnflächen auch Fragen zur Gestaltung von Anlagen des öffentlichen Schienen­ nahverkehrs häufig eine wichtige Rolle. Der dargestellte Umbau des historischen Straßenbahndepots zeigt, wie qualitativ hochwertiger Wohnraum innerhalb die­ ser einst wohnungsfremden Struktur ge­ schaffen werden kann. 3.6.1 „Die Wilde 13“ – Eigentumswohnungen und Stadthäuser im ehemaligen Straßenbahndepot in Düsseldorf Bauherr: Projektentwickler: Architekten: Standort: Ehemalige Nutzung: Baujahr: Fertigstellung Umbau: Grundstücksfläche: Wohnfläche: Geschosse: Baukosten: Vivacon AG, Köln Hochtief Construction AG BM+P Beucker Hesse Haselhoff Architekten Stadtplaner GbR Düsseldorf-Wertsen Straßenbahndepot 1914 2008 ca. 19.700 m² 5.560 m² gesamt, 79WE, 48 m² - 132 m² 3 1.438,- €/m² Bild 3.124: Lageplan Bild 3.125: Süd-Westen Auf dem Areal des ehemaligen Rhein­ bahndepots für Straßenbahnen am Süd­ park von Düsseldorf entstand eine Wohn­ anlage mit 79 Wohneinheiten innerhalb der Hallenkonstruktion des Depots so­ wie weiteren 22 Reihenhäusern parallel zur Halle. Die letzte im Rheinbahndepot stehende Straßenbahn wurde von den Düsseldorfern „Die Wilde 13“ getauft und dient zur Erinnerung an die Geschichte als Name für das Umnutzungsprojekt. 38 Die „Wilde 13“ liegt nur zehn Minuten vom Düsseldorfer Hauptbahnhof in der Nähe der Universität und der Uni-Kliniken. Der Stadtteil durchlebt zur Zeit einen star­ ken Strukturwandel. In den umliegenden Gebieten ist in den letzten Jahren durch Umnutzung alter Industrieanlagen ein neues Büroviertel entstanden, das durch eine neue U-Bahn-Verbindung direkt an die Innenstadt angebunden wurde. Das Quartier gilt durch die vielen Freizeit- Bild 3.126: Torfassade – Bestand Bild 3.127: Umgestaltete Halle mit den Wohn(ein)bauten Bilder 3.128 und 3.129: Integrierte Wohnanlage zwischen den Stahlstützen der ehemaligen Halle angebote im nahliegenden Südpark als besonders kinder- und familienfreundlich und zeichnet sich durch kurze Wege für den alltäglichen Bedarf aus. fronten im Norden und Osten der Hallen wurden ebenso erhalten und saniert. Sie bilden heute den rückwertigen Abschluss der Gärten im Randbereich der Siedlung. Die neue Wohnanlage besteht aus einer dreigeschossigen linearen Bebauung, die zwischen den Stahlstützen der Hallenkon­ struktion integriert wurde. Die 27 m weit spannenden gebogenen Träger stehen im Abstand von ca. 6 m und bilden das Grundraster für die Wohnbebauung. Das gewölbte Stahldach mit Zementauflage wurde abgetragen, die Stahlkonstruktion saniert und das gewölbte Dach als Kalt­ dachkonstruktion über den Hausreihen wieder aufgebaut. Die Teilbereiche über den Freiflächen wurden zur besseren Belichtung und Belüftung offen gelassen. Die historischen, zum Teil noch erhalte­ nen Eingangstore wurden überholt und in den historischen Farben des Erstanstrichs gestrichen. Die historischen Mauerwerks­ Alle Wohneinheiten – insgesamt 79 von 48 m² bis 132 m² – erhielten Balkone, Loggien oder (Dach-)Terrassen mit wit­ terungsfesten Holzböden. Die Gärten der dreigeschossigen Townhouses wur­ den durch Laubengänge miteinander verbunden. Die Außenflächen des ehe­ maligen Straßenbahndepots bieten der Wohnanlage zusätzlich grüne und ver­ kehrsberuhigte Aufenthaltszonen. Bild 3.130: Halle Bestand Die 22 Reihenhäuser südlich der Halle fü­ gen sich behutsam in die Industriearchi­ tektur des frühen 20. Jahrhunderts ein. Die symbiotische Wechselwirkung des Technikdenkmals mit neuer Architektur bietet die Basis für die realisierte hoch­ wertige Wohnqualität. Die Integration der Bild 3.131: Querschnitt durch die historische Hallenkonstruktion und den neuen Wohnhäusern 39 Bild 3.132: Erhaltene Außenmauer Nordseite Bild 3.133: Süd-Osten mit alter Giebelwand Bild 3.134: Wegachse zwischen den Häusern Bild 3.135: Einblick in eine Wohnung Neubauten in das denkmalgeschützte Straßenbahndepot ermöglichte das Woh­ nen im Neubau mit einem Denkmalam­ biente als Wohnumfeld. Man spürt heute beim Durchqueren der Anlage noch die räumliche Wirkung der alten Hallen sowie deren ursprüngliche Funktion an Hand des Eingangsbereichs und der alten, in der neuen Pflasterung integrierten, Stra­ ßenbahngleise. Die umgenutzte „Wilde 13“ bedient so­ wohl die Ansprüche im Hinblick auf das Wohnen im eigenen Haus als auch den Wunsch nach Loftwohnen in einer gelun­ Bild 3.136: Grundriss Erdgeschoss 40 genen Kombination von Alt und Neu. Die Qualität der ungewöhnlichen Wohnsied­ lung besteht weiterhin in den umsichti­ gen Umbaumaßnahmen des historischen Straßenbahndepots. So konnte ein Stück Düsseldorfer Verkehrsgeschichte zu neu­ em Leben erweckt und in Räume für Men­ schen von heute umgewandelt werden. Das Projekt wurde 2008 mit der Aus­ zeichnung „Wohnen an ungewöhnlichen Orten“ der AK Nordrhein-Westfalen und des MBV-NRW geehrt. [3-18] 3.6.2 Umnutzung eines denkmalgeschützten Zollschuppens in Leipzig Bauherr: Architekten: Standort: Ehemalige Nutzung: Baujahr: Fertigstellung Umbau: Grundstücksfläche: Wohnfläche: Bruttogeschossfläche: Umbauter Raum: Geschosse: Baukosten: Zollschuppen-Straße GbR BAU ٠ BLOCK Büro für Architektur und Stadtplanung Leipzig Zolllschuppen ca. 1920 12/2006 2.413 m² 470 m² gesamt, 4 WE mit 90 bis 165 m² 295 m² 2.413 m³ 2 347.500 € (KG 300 + 400) Naumbu rger Straß e Zollsch uppen Straße Bahnhof Plagwitz Markra nstädte Bild 3.137: Bestand – Anlieferseite – Westen Bild 3.138: Umbau – Eingangsseite − Osten Der umgenutzte, denkmalgeschützte Zollschuppen befindet sich auf dem Gelände eines ehemaligen Güterum­ schlagplatzes des Bahnhofs Plagwitz in Leipzig. Das Areal ist Teil eines ab 1880 entwickelten Industriegebiets, das zur damaligen Zeit zu den best erschlosse­ nen in Deutschland zählte. Ehemals diente der Zollschuppen der Anlieferung und -verteilung von Waren, wobei diese bahnseitig vom Waggon aus über die westseitig angebaute Rampe eingelagert und nach Bezahlung der Zoll­ gebühren über die Rampe an der gegen­ überliegenden Straßenseite weiterverteilt wurden. Später wurde die Rampe mit hy­ draulischen Bühnen zum besseren Bela­ den der LKW´s nachgerüstet. Der umgenutzte Zollschuppen bildet heute ein Verbindungsglied zwischen dem Regional- und S-Bahnhof Plagwitz und einem angrenzenden Wohnviertel aus der Gründerzeit, das seit geraumer Zeit eine Aufwertung als Sanierungsge­ biet erfährt. Zudem zeichnet sich sein Standort durch eine gute Infrastruktur mit Anbindung an den ÖPNV, nahe­ gelegenen Einkaufsmöglichkeiten und Kultureinrichtungen aus, wie z.B. die ca. 300 m entfernte Baumwollspinnerei, die zum Kunstzentrum mit Ausstellungen und Galerien umgebaut wurde. r Straß e Bild 3.139: Lageplan Die Konstruktion des Gebäudes besteht aus einem Holztragwerk mit vorgesetztem Klinkermauerwerk und entspricht einer Systembauweise, die mit den Achsma­ ßen 4,94 m und einer Tiefe von 11,61 m gebaut wurde. Der in Leipzig gebaute Zollschuppen hat eine Gesamtlänge von 90 m und besteht aus den Umschlagsräumen und einem Kopfbau, in dem ehemals die Ver­ waltung untergebracht war. Im Zuge der 41 Bild 3.140: Belichtung Bild 3.141: Eingangsseite Bild 3.142: Gartenseite Umnutzung wurde der Zollschuppen in drei Eigentumsabschnitte unterteilt. Der hier dokumentierte Teilabschnitt umfasst fünf Gebäudeachsen (s. Lageplan) und wurde zu vier Wohnungen umgebaut, von denen drei jeweils eine Achse mit 90 bis 117 m² und eine über zwei Achsen mit 165 m² Wohnfläche einnehmen. Dieser Teilbereich wurde als gemeinschaftliches Bauvorhaben in Form einer Baugruppe – mit Aufteilung der Wohnungen nach Fertigstellung nach WEG (Wohneigen­ tumsgesetz) – für Alleinstehende, Paa­ re und eine Familie mit 3 Kindern reali­ siert. Damit das allgemeine Baurecht Gültigkeit erlangen konnte, musste für den Erwerb der Liegenschaft der Deut­ schen Bahn eine „Entwidmung“ erfolgen. gen. Räumliche Unterteilungen wurden im Wesentlichen für die Sanitär-, Kü­ chen- und Schlafbereiche geschaffen. Die Rampe auf der Westseite fungiert als Terrasse, von der der jeweils zuge­ hörige Garten über ein paar Stufen er­ reichbar ist. Die Wohnungen zeichnen sich durch großzügige Raumaufteilungen aus, die keine abgetrennten Flurbereiche haben, sondern vielmehr durch das Ineinander­ greifen von Funktionsbereichen gekenn­ zeichnet sind. Um die Ablesbarkeit der ehemaligen Raumsituation in ihrer ge­ samten Höhe zu bewahren, wurden nur in Teilbereichen neue Decken eingezo- Bild 3.143: Funktionsschema ehemaliger Zoll­ schuppen 42 Die für die Umnutzung notwendigen Ein­ griffe erfolgten unter geringfügiger Ver­ änderung der historischen Bausubstanz. Die Wohnungstrennwände, auf denen die neu eingezogenen Decken lagern, wurden als massive Wände auf neue Fundamente erstellt. Somit wurden kei­ ne neuen Lasten in die bestehende Kon­ struktion eingebracht. Die Außenwände, der Fußboden und das Dach wurden innenseitig gedämmt. Mit dem Einbau von Isolierglasfenstern wurde der Ener­ giestandard nach EnEV-Neubau-Niveau bei Weitem übertroffen. Die Haupttragkonstruktion aus Holz wur­ de gereinigt und sichtbar belassen. Auf­ grund des großen Dachüberstandes von 3,20 m an beiden Seiten wurden Glasflä­ chen im Dachüberstand über den Fen- Bild 3.144: Bestand – innen Bild 3.145: Integration von historischen Elementen Bild 3.146: Wohn- und Kochbereich Bild 3.147: Treppe zum OG stern der Außenwand eingefügt, um die Belichtungssituation für die Wohnungen zu verbessern. Nach dem Rückbau der straßenseitigen Hydraulikbühnen wur­ de das vorhandene Podest mittels einer neuen Stahlkonstruktion verbreitert. Es verbindet die einzelnen Hauseingänge und ist über drei kurze Treppenläufe er­ schlossen. Die Umnutzung des Zollschuppens ist ein Beispiel für die Integration eines ehe­ maligen Bahngebäudes in gewachsene städtische Wohnstrukturen und bietet so­ mit die Chance umliegende Brachflächen durch weitere Wohnbebauungen langfri­ stig in die Stadtentwicklung mit einzube­ ziehen. Das Potenzial dieses Gebäudes für eine Umnutzung dieser Art wird deut­ lich durch die hohe Qualität der individu­ ellen, lichtdurchfluteten Wohnungen, die mit dem Umbau entstanden ist und die verhältnismäßig wenigen und bestands­ verträglichen Mittel, mit denen diese er­ reicht werden konnte. Bild 3.148: Galerie [3-19] Bild 3.149: Schnitt – Umbau Bild 3.150: Erdgeschoss Bild 3.151: Dachgeschoss 43 3.7 Sakrale Bauten Die Umnutzung von Klosteranlagen zu Wohnzwecken liegt fast auf der Hand, da ein großer Teil auch in der Vergangenheit zum Wohnen genutzt wurde. Entscheidend für die zukünftigen Bewohner ist der Standortvorteil bei zentraler Lage der Klöster und die Besonderheit ihrer Archi­ tektur. Ehemalige Kloster bieten sich als Wohnort für diejenigen an, die Wohnen mit sozial-gemeinschaftlichen Aktivitäten verbinden wollen, da die Räumlichkeiten häufig großzügige Gemeinschaftsflächen aufweisen. 3.7.1 Wohnen im Eigentum des ehemaligen Klosters in Geistingen Bauherr: Planung: Standort: Ehemalige Nutzung: Baujahr: Fertigstellung Umbau: Grundstücksfläche: Wohnfläche: Geschosse: Baukosten: Bauunternehmung Tecklenburg GmbH ALIA Architektur und Denkmalpflege GmbH Bauunternehmung Tecklenburg GmbH Hennef Kloster 1902 2007 8.000 m² 4.975 m², 56 WE, 36 m² -128 m² 4 k.A Bild 3.152: Lageplan Das ehemalige Kloster Geistingen – ein Baudenkmal der Gründerzeit auf einem ca. 14.500 m² großen Areal – wurde zu einem Wohnhaus mit 56 hochwertigen 36 bis 128 m² großen (z. T. Maisonette-) Wohnungen, Galerien und Apartments umgebaut. 3 Redemptorist: Angehöriger der Ordensge­ meinschaft der „Kongregati­ on des Heiligsten Erlösers“ 44 Durch die Tiefgarage mit direkter Haus­ anbindung bleibt das Grundstück des Klosters frei von Kraftfahrzeugen. Das Projekt versteht sich als generations­ übergreifendes Wohnangebot. Bild 3.153: Ostseite Die historisch wertvolle Klosteranlage liegt in dem ehemaligen Kurort Hennef im Südwesten von Köln. Lange Zeit diente es als Bildungs- und Exerzitien­ haus sowie Konferenzzentrum für die Redemptoristen3. Köln und Bonn sind in wenigen Minuten mit dem Auto und dem örtlichen Nahverkehr erreichbar. Bild 3.154: Nordosten Bild 3.155: Klosterareal Besondere Merkmale der schlichten neu­ gotischen Backsteinfassade des Klos­ ters sind die flachen Seitenrisalite mit Treppengiebeln und Eckquaderung mit Sandsteinbossen. Das viergeschossige Klostergebäude grenzt mit einem der symmetrischen Flügel im Norden an die drei-schiffige Backsteinbasilika der Klo­ sterkirche. Das Zentrum der Anlage bildet ein Privatpark mit altem Baumbestand. Die Erschließung des Nordostflügels erfolgt über das erhaltene Haupttrep­ penhaus mit Aufzug. Zwei zusätzliche Treppenhäuser in den angrenzenden Flügeln wurden mit je einem Aufzug aus­ gestattet. Die zweiläufigen Innentreppen wurden als Stahlkonstruktion mit Mas­ sivholzstufen ausgeführt. Deckenhöhen von bis zu 4,50 m, bodentiefe Fenster­ elemente und eine gute Aufteilung verlei­ hen den Wohnräumen viel Licht und Tie­ fe. Im Nordwestflügel entstanden kom­ pakte Apartments von 48 m² für Singles, Senioren oder Pendler. Die Grundrisse der größeren, komfortablen 1-6-ZimmerWohnungen wurden großzügig gestaltet, wobei eine individuelle Unterteilung der Räume auf Wunsch der Bewohner mög­ lich ist. Die Wohnungen im Erdgeschoss haben zum Teil eigene Gärten. Die Anlage wurde im Sinne des Denk­ malschutzgesetzes des Landes Nord­ rhein-Westfalen modernisiert. Bei dem Umbau wurden die bestehenden Ge­ schossdecken aus Beton oder Holzbal­ kenkonstruktionen erhalten. Zusätzliche tragende Außen- und Innenwände des Gebäudes wurden in Kalksandstein-/Zie­ gelmauerwerk oder Ortbeton ausgeführt. Sämtliche Fensteröffnungen blieben in ihrer Form und Größe erhalten, zusätzli­ che Fenster wurden dem Gesamtbild an­ gepasst. Für die neuen Dachausbauten wurde die Holzkonstruktion ergänzt und zum Teil den statischen Anforderungen entsprechend ersetzt. Die Dacheinde­ ckung aus den 80er Jahren bedurfte le­ diglich einzelner Ausbesserungsarbeiten. Im Südostflügel reichte die „Alte Biblio­ thek“ über die gesamte Höhe des Gebäu­ des bis in das Dachgeschoss. Im Zuge des Umbaus wurde die Bibliothek bis auf das Dach und die Außenfassade entkernt und eine neu installierte Stahlbetontrep­ pe errichtet. Auf zwei neu eingezoge­ nen Filigrandecken entstanden auf zwei Bilder 3.156 und 3.157: Apartment – Koch-, Ess- und Wohnbereich 45 Bild 3.158: Neuangebaute Balkone Bild 3.159: Neue Dachgauben Ebenen 3 Maisonette-Wohnungen. Das Kreuzgewölbe der Bibliothek im oberen Wohnzimmer der Maisonette ist ein mar­ kantes architektonisches Element, das den sakralen Klostercharakter spürbar bleiben lässt und den Wohnräumen eine besondere Atmosphäre verleiht. Unter­ halb der Bibliothek befindet sich der Kid’s Club: ein 60 m² großer, heller Raum in dem hauseigene, selbstorganisierte Kin­ derbetreuung stattfindet. über die nördliche Klosterstraße. Über eine neue Erschließungsstraße gelangen die Bewohner in das neu errichtete Park­ deck mit 60 Stellplätzen im Nordwes­ ten des Klosters. Einem Großteil der Wohnungen wurden filigrane Balkone aus verzinktem Stahl vorgesetzt. In der obersten Etage der Seitenflügel entstanden 4-Zimmer Dach­ terrassenwohnungen mit zwei Tageslicht­ bändern, Ankleideräumen und Einbau­ küchen. Die Dachgeschoss-Wohnungen die nicht über einen Balkon verfügen, wurden durch eine neue Dachgaube mit einem bodentiefen, 2-flügeligen Fenster mit französischem Balkon ergänzt. Die Zufahrt zum Klostergebäude erfolgt Bild 3.160: Grundriss Erdgeschoss 46 Die ursprüngliche Grundstücksfläche des Ordens betrug ca. 80.000 m². In den nächsten Jahren wird diese weiter parzel­ liert und die Umgebung des Klosters mit Reihen-, Doppel- und Einfamilienhäusern bebaut. Die Modernisierung wurde mit großem Respekt vor der Historie des Ortes ge­ staltet und ist ein bemerkenswertes Beispiel für den Umgang mit sakralen Bestandsbauten. Herausragend ist die Integration von vielseitigen sozialräum­ lichen Möglichkeiten für gemeinschaftli­ ches Wohnen. [3-20] 3.7.2 Gemeinschaftliches Wohnen im Karmelkloster in Bonn Bauherr: Architekten: Standort: Ehemalige Nutzung: Baujahr: Fertigstellung Umbau: Grundstücksfläche: Wohnfläche: Nutzfläche: Geschosse: Baukosten: GWK Neubau GmbH Fischer-von Kietzell Architekten BDA Bonn-Pützchen Klosteranlage 1706, Wiederaufbau 1886 2000 ca.10.800 m² 2500 m² mit Altbau 31 WE; 50 m²-100 m² 2.500 m² 3 ca. 2.000 €/m² BGF brutto Das 300 Jahre alte denkmalgeschützte Karmeliterkloster 4 in Bonn wurde unter Beteiligung der zukünftigen Bewohner zu einem gemeinschaftlichen Wohnprojekt für Jung und Alt umgebaut. Angelehnt an die Tradition des gemeinschaftlichen Lebens in den Klöstern wurden auf dem 11.000 m² großen Areal die vorhandenen historische Strukturen mit neuer Bebau­ ung kombiniert. Im Altbau entstanden 31 Wohneinheiten von 50 m² bis 100 m². Der Leitgedanke des Projekts war ein gene­ rationsübergreifendes Wohnkonzept zu entwickeln, die nachbarschaftliche Ge­ meinschaft zu stärken und die Bewohner am Entwicklungsprozess zu beteiligen. Das ehemalige Kloster Karmel ist eng mit der Entstehungsgeschichte des Bon­ ner Stadtteils Pützchen verbunden, wel­ che sich auf ein Quellwasser der heiligen Adelheid begründet. Nach vielfältiger Nutzung wurde das Kloster sowie die Wallfahrtskirche 1886 in einem großen Brand zerstört. Nach dem Wiederaufbau diente das Kloster bis 1920 als Heilan­ stalt. 1925 gründeten die „Unbeschuhten Karmelitinnen“ aus Köln in dem frei ge­ wordenen Klostergebäude eine neue Gemeinschaft. Im Herbst 1998 wurde das Kloster aus Alters- und Nachwuchs­ gründen aufgegeben. Das zentral gele­ gene Grundstück grenzt an das benach­ barte Kloster des Sacré Coeur Ordens. Im Umkreis von 10 Gehminuten liegen kleinere Geschäfte, ein Großmarkt, Schu­ len und Kindergärten. Bonn-Beuel und die Innenstadt Bonns sind über den öf­ fentlichen Nahverkehr gut zu erreichen. Bild 3.161: Erdgeschoss Bild 3.162: Klosterareal 4 Karmeliten sind die Mitglieder des römisch-katholischen „Ordens der Brüder der aller­ seeligsten Jungfrau Maria vom Berge Karmel“ 47 Bild 3.164: Materialdetail Bild 3.163: Innenhof In enger Abstimmung mit der Denkmal­ behörde wurden sämtliche Neubauten respektvoll gegenüber den Klosterge­ bäuden positioniert. Die baulichen Ein­ griffe in den alten Klosterstrukturen wur­ den behutsam vorgenommen und ökolo­ gisch und barrierefrei gestaltet. Die Bebauung wurde in zwei Abschnit­ ten realisiert. Während des ersten Ab­ schnitts wurden die kompakten Woh­ nungsgrundrisse in der geschichtsträch­ tigen Substanz des Klostergebäudes angelegt. Aufgrund der Auflagen der Denkmalschutzbehörde wurde auf den Einbau von Balkonen und zum Teil auch auf die Einrichtung privater Freibereiche verzichtet. Die nach Norden ausgerich­ teten Wohnungen verfügen über einen Garten im Erdgeschoss sowie einer Dachterrasse im ersten Obergeschoss. Das Gebäude ist über den Hauptein­ gang an der südlichen Straßenfassade erschlossen. Zwei weitere Eingänge be­ finden sich im Westen und Norden des Gebäudes. Im Innenhof wurde ein ge­ mauerter Aufzugsturm errichtet, der eine barrierefreie Erschließung ermöglicht. Über den vollständig erhaltenen Kreuz­ gang und die teils separaten Eingänge gelangen die Bewohner in ihre Wohnun­ gen. Die einzelnen Wohnungseigentü­ mer konnten während der Planungspha­ se im Bereich ihrer Wohnungen weitge­ hend mitgestalten. Im südwestlichen Teil des Gebäudes, der ehemaligen Kapelle, Bild 3.165: Obergeschoss Bild 3.166: Dachgeschoss Der neu gegründete Interessenverein der Bewohner brachte Ideen in die Ent­ wicklung des Projekts ein und beglei­ tete die Planung und Realisierung. Auf diese Weise konnten die Bewohner ihre Grundrisse individuell mitgestalten. Das entwickelte Wohnkonzept und der Um­ bau unterstützen das gemeinschaftliche Zusammenleben und offerieren ein diffe­ renziertes Wohnungsangebot hinsicht­ lich der Ausstattung und Größe. 48 Bild 3.167: Gewölbegang Bild 3.168: Dachgeschoss sind ein öffentliches Café, zwei Büroein­ heiten und ein Gemeinschaftsraum un­ tergebracht. Ausnahme der Reihenhausgrundstücke, sind Gemeinschaftseigentum des Be­ wohnervereins, der folglich für die Pfle­ ge der Anlage verantwortlich ist. Um das Grundstück weitgehend autofrei zu hal­ ten und einen Konflikt um Parkraum in den angrenzenden Wohnquartieren zu begegnen, wurde unter dem Klostergar­ ten eine Parkgarage angelegt. Im zweiten Bauabschnitt erfolgte eine Nachverdichtung durch 16 neue Reihen­ häuser im nördlichen und einem Mehrfa­ milienhaus mit 21 individuellen Wohnun­ gen im südöstlichen Bereich des Kloster­ geländes. Die Gestaltung der Freiräume erfolgte nach der ursprünglichen Aufteilung der Klosteranlage innerhalb der historischen Klostermauern. Der Außenbereich mit altem Baumbestand wurde zu einer ge­ meinschaftlich genutzten und zusam­ menhängenden Gartenanlage umge­ staltet. Die Reihenhäuser verfügen über Privatgärten. Städtebaulich und architektonisch bildet die gesamte Anlage eine aufeinander bezogene Einheit. Die Freiflächen, mit Mit dem Gemeinschaftraum, dem Klo­ stercafé, dem Kinderhaus mit Spielplatz sowie der gemeinsamen Gartenanlage ist ein vielfältiges gemeinschaftliches Wohn­ projekt entstanden, das eine dorfähnliche Struktur innerhalb des Stadtteils besitzt und diese gleichzeitig mit dem umgeben­ den Quartier verknüpft. Die architektoni­ sche und städtebauliche Qualität sowie die Kontaktmöglichkeiten bieten den Be­ wohnern eine hohe Wohn- und Lebens­ qualität. [3-21],[3-22] Bild 3.169: Ansicht 49 3.8 Landwirtschaftliche Gebäude Durch die Umwandlung von land- und forstwirtschaftlich genutzter Bausubstanz wie Scheunen und Ställe können dörfliche Siedlungsstrukturen für die Zukunft erhalten werden. Landwirtschaftliche Gebäude eignen sich durch die Ensemblestruktur besonders für hausübergreifendes, gemeinschaftliches Wohnen mit eigenheimähnlichen Qualitäten. Dabei bietet eine hofähnliche Gebäudesituation Raum für Individualität und die Möglichkeit des so­ zialen Miteinanders – eventuell auch in Kombination der beiden Lebensberei­ che Wohnen und Arbeiten. Nachfolgend ist ein Beispiel für die Umnutzung einer Scheune mit einer geschützten Hof- und Gartensituation in einer gewachsenen Dorfstruktur. Umnutzung einer Scheune in Volkach Bauherr: Architekten: Standort: Ehemalige Nutzung: Baujahr: Fertigstellung Umbau: Grundstücksfläche: Wohnfläche: Geschosse: Baukosten: B. u. H. Maierhöfer Deppisch Architekten Volkach/ Gaibach Scheune ca.1920 2001 1.184 m² 1 WE ; 150 m² 2 679 €/m² BGF brutto Bild 3.170: Straßenansicht Bild 3.171: Lageplan Im Ortskern von Gaibach – einer gewachsenen fränkischen Dorfstruktur – wurde eine in den 20er Jahren erbaute Scheune aus Bruchsteinmauerwerk zu einem Wohnhaus umgebaut. Auf zwei Ebenen entstand eine 150 m² große flexibel gestaltbare Fläche, die zum Wohnen und Arbeiten genutzt wird. Die Umbau- und Sanierungsarbeiten umfassten den Hof, das Gebäude und den Garten. Das Gebäude und die umliegen50 den Hof- und Gartenbereiche sind zur Durchgangsstraße im Süden durch eine hohe Bruchsteinmauer aus Abbruchma­ terial der Scheune geschützt. Der Grundriss ist variabel organisiert und in Nutzungsbereiche untergliedert. An der südlichen Straßenseite liegen Bad und Küche. Der Kern des Gebäudes besteht aus einem großzügigen Raum, der viel­ fältig gestaltet werden kann. Die Geschossdecke ist teilweise entfernt worden, Bild 3.172: Nord-Westen Bild 3.173: Straßenfassade wodurch das gesamte Gebäudevolumen im Innenraum erlebbar wurde. Mit einer filigranen Stahltreppe ist das erste Ober­ geschoss erschlossen. Die angrenzenden Bereiche sind durch Schiebetüren von dem zentralen Raum abgetrennt. Der In­ nenraum ist geprägt durch den unbehan­ delten Pfettendachstuhl, das Kappenge­ wölbe zwischen den Stahlträgern und das raumprägende Bruchsteinmauerwerk. Das sparsame Raumprogramm und die ge­ ringe Erschließungsfläche ermöglichen einen großzügigen wandelbaren Wohn­ raum. Die raumhohen Verglasungen ver- binden diesen mit Garten und Hof. Die Fenster- und Türöffnungen wurden als filigrane, thermisch getrennte Stahlkon­ struktion ausgeführt. Bild 3.174: Detail Fenstertüren Bild 3.175: Terrasse auf der Westseite Bild 3.176: Nord-Osten Bild 3.177: Fassade Bestand Der Umbau der Scheune ist ein famili­ äres Projekt mit großem Anteil an Eigen­ leistung aller Haushaltsmitglieder. Die kostengünstige Umsetzung war der er­ ste Schritt zur Wiederbelebung der ge­ samten Hofanlage. In naher Zukunft ist die Sanierung des nebenstehenden ur­ sprünglichen Wohnhauses geplant. 51 Bild 3.178: Erdgeschoss Bestand 52 Bild 3.179: Wohnraum Erdgeschoss Bild 3.180: Wohnraum Dachgeschoss Die Umnutzung des ehemals landwirt­ schaftlich genutzten Gebäudes zu Wohn­ zwecken stellt im Umgang mit der Archi­ tektur und Geschichte eine herausragende Lösung dar. Die geplante Sanierung des ursprünglichen Hofes ergänzt die Wie­ derbelebung des Gutes. Die Kombination historischer Bestandteile mit dem kon­ trastreichen, aber zurückhaltenden Ein­ satz neuer Elemente im Innen- und Au­ ßenraum ist eine gelungene Mischung aus deutlich sichtbarer und vorsichtiger Ergänzung der bestehenden Architektur. Das Projekt wurde im Jahr 2004 mit dem 1. Preis des BDA-Preises „Gute Bauten in Unterfranken“ und einer Anerkennung durch den „Deutschen Bauherrenpreis Sanierung + Modernisierung 2005“ im Sinne einer Belebung des gewachsenen Dorfes und im Interesse des Erhaltes von wertvoller Bausubstanz ausgezeichnet. Bild 3.181: Erdgeschoss Bild 3.182: Obergeschoss Bild 3.183: Längsschnitt Bild 3.184: Querschnitt [3-23],[3-24] 4 Planungs- und Realisierungsaspekte Die Umnutzung von Nichtwohngebäu­ den ist häufig eine viel komplexere Bau­ aufgabe als der Wohnungsneubau und auch umfangreicher als der Umbau rei­ ner Wohngebäude. Sie kann jedoch bei entsprechend sensiblem Umgang und einem gutem Nutzungskonzept für das Wohnen zu außergewöhnlichen und qua­ litativ hochwertigen Ergebnissen führen. Für die architektonische und bauhisto­ rische Auseinandersetzung mit dem Bestand und die Entwicklung eines Raumkonzeptes, das den individuellen Anforderungen der zukünftigen Bewoh­ ner entspricht, bedarf es fachkompe­ tenter Planer, die Erfahrung nicht nur im Umbaubereich sondern auch in der Um­ nutzung mitbringen. Dabei ist die größt­ mögliche Erhaltung des historischen Charakters und ein behutsamer Umgang mit dem Bestand bei einem Eingriff in die bestehende Architektur oft erwünscht. 4.1 Nachfolgend sind Planungs- und Realisie­ rungsaspekte aufgeführt, die speziell die Umnutzung von Nichtwohngebäuden be­ treffen. Sie sind sowohl für einzelne priva­ te Bauherren als auch für gemeinschaft­ liche Umnutzungsvorhaben in Form von Baugemeinschaften oder Baugruppen relevant. Aber auch für Wohneigentums­ interessierte, die an Bauträgerprojekten teilnehmen, ist häufig eine frühzeitige Beteiligung am Bauprozess möglich, so­ fern Kaufoptionen vor der Fertigstellung bestehen. Eine ausführliche Beschreibung generel­ ler Faktoren für Bauaufgaben im Bestand finden Sie in der Informationsbroschüre „Modernisierung historisch wertvoller Wohngebäude“ in Kap. 3 Planungsstra­ tegie [4-1]. Diese treffen im Wesentlichen auch für die Umnutzung von Nichtwohn­ gebäuden zu. Grundlagenermittlung und Nutzungskonzept Das Vorhaben, ein Nichtwohngebäude zu Wohnzwecken umzunutzen, erfordert zwingend eine Grundlagenermittlung der baulichen Gegebenheiten sowie darauf aufbauend einen Abgleich mit dem ge­ wünschten Nutzungskonzept. Dies er­ möglicht eine Bewertung, inwieweit das ausgesuchte Objekt geeignet ist. Dabei ist zu beachten, dass das Nutzungs­ konzept – je nach Planungsstand – den wirtschaftlichen, bautechnischen und baurechtlichen Möglichkeiten anzupas­ sen ist. Der Planungsprozess einer Um­ nutzung ist meist eine Entwicklung, die aufgrund weiterer Erkenntnisse über Ge­ bäude, Bautechnik, genehmigungsrele­ vante Aspekte etc. das Planungsziel mo­ difiziert bzw. optimiert. Selten lässt sich nach einer ersten Begehung / Bestands­ aufnahme des Gebäudes eine abschlie­ ßende Aussage zum späteren Zuschnitt, insbesondere die zu erreichende Anzahl der Wohnungen und Räume treffen. 4.1.1 Grundlagenermittlung Für eine augenscheinliche Bestands­ aufnahme des ausgewählten Objekts ist es empfehlenswert, Begehungen zu unterschiedlichen Tageszeiten durchzu­ führen, um einen Eindruck von der Ori­ entierung des Gebäudes und der even­ tuellen Verschattung durch umliegende Gebäude oder Bepflanzungen zu er­ halten. Durch die Besichtigung an ver­ schiedenen Wochentagen lassen sich auch andere störende Einflüsse z.B. aus dem Berufsverkehr, von nahelie­ genden Gewerbeeinrichtungen, Schu­ len und Sportplätzen erkennen. [4-2] Für die Vor- und Nachbereitung einer Objektbesichtigung sollten nach Möglich­ keit alle verfügbaren Unterlagen – wie 53 Grundrisse, Ansichten, Fotos, Exposés etc. – vorliegen. Dabei ist zu beachten, dass leere Räume anders wirken und sich bauliche Veränderungen manchmal nur schwer vorstellen lassen. Häufig fallen Mängel oder Schwachstellen bei der ersten Begehung nicht auf. Hierzu ist eine Beurteilung durch Fachplaner unabding­ bar; weiteres Vorgehen s. Kap. 4.2 Pla nung. Zur Grundlagenermittlung, die der Bau­ herr zunächst teilweise selbst vornehmen kann, zählen vor allem folgende Kriterien: Gebäude/ Grundstück • Bestandsaufnahme des Gebäudes/ Grundstücks an Hand von bestehenden Plänen und durch eine Begehung und augenscheinliche Bewertung eines Fachplaners, • Vorhandene Erschließung der Versorgung (Wasser, Abwasser und ggf. Gas, Fernwärme etc.), • Erschließungsmöglichkeiten des Gebäudeinneren durch Zugänge und Treppen bzw. Treppenhäuser, • Baurechtliche Rahmenbedingungen (Bebauungsplan, Denkmalschutz, Grund-/ Trinkwasserschutz), • Eingetragene Altlasten, • Vorhandene Bodengutachten. Umgebung • Anbindung an den ÖPNV, kurze Wege und Fußläufigkeit zu zentralen Einkaufsmöglichkeiten, • Einbindung ins soziale städtische Umfeld, • begrünte Freiflächen, Naherholungsmöglichkeiten im Umfeld, • Schutz vor Verkehrslärm. 4.1.2 Nutzungskonzept Zur Realisierung der Wohnanforderungen und -bedürfnisse empfiehlt es sich ein Bedarfskonzept zu erstellen, das nicht nur die Anzahl der Wohnräume und deren Anforderungen enthält, sondern vielmehr auch Aspekte der derzeitigen und der sich • • • • • • Anforderungen an barrierearmes oder barrierefreies Wohnen, Kombinationsmöglichkeit von Wohnen und Arbeiten, Qualität der natürlichen Belichtung, Erweiterungs- bzw. Abtrennungsmöglichkeiten der Wohnbereiche, Möglichkeiten der Anpassung bei veränderten Wohnbedürfnissen, Einfache Lösungen für Umbauoptionen. Für das räumliche Konzept ist die Grund­ rissorganisation, die Raumaufteilung und die Erschließung entscheidend. Da das Wohnen vielfältigen und sich verändern­ den Lebensentwürfen gerecht werden soll, ist eines der wichtigsten Inhalte ei­ nes Wohnkonzeptes die flexible Raum­ gliederung und -organisation. Beispiels­ weise bietet die Gleichbehandlung aller Räume als Wohnräume die Möglichkeit, Nutzungen wie z.B. Schlafzimmer gegen 54 verändernden Lebenssituation berück­ sichtigt. Im besten Fall entsteht das Raum­ konzept aufgrund einer Nutzungsanalyse, die grundsätzliche Belange zum Thema Wohnen und Leben erörtert. Dazu zählen beispielsweise folgende Punkte: Arbeitszimmer auszutauschen. Schalt­ bare Grundrisse, d.h. die Addition von zusätzlichen Räumen als Option für eine Nutzungserweiterung ist eine weitere Möglichkeit, um auf veränderte Wohnbe­ dürfnisse zu reagieren. Bei der Erstellung eines räumlichen Wohnkonzepts sollte die unveränderte Erhaltung der tragenden Bestandteile oberste Priorität sein. Damit wird vermie­ den, dass die Identität des Bauwerks mit erheblichen Eingriffen in die bestehende Tragstruktur maßgeblich beeinflusst wird. Das Bewahren von wesentlichen und architektonisch wertvollen Bereichen in Kombination mit ausgleichenden Eingrif­ fen in Teilbereichen kann zu einer ausge­ wogenen Lösung führen. So kann z.B. ein Teil einer zu niedrigen Decke herausge­ nommen oder ein ohnedies stark beschä­ digtes Bauelement entfernt werden. Dem Wunsch nach einen großen Wohnraum kann ggf. durch die räumliche Kombina­ tion von zwei kleineren Räumen entspro­ chen werden. Für ausgleichende Maßnahmen gibt es vielfältige Lösungen, die einerseits den Charakter des Bauwerks auch in seinem Grundriss erhält und auf der anderen Sei­ ten durch gezielte Eingriffe die Attraktivität der Wohnnutzung gewährleistet. [2-3] 4.1.3 Kosten- und Finanzierungsaspekte Die Gesamtkosten für die Umnutzung einses Nichtwohngebäudes zu Wohn­ zwecken lassen sich zu Beginn des Vor­ habens häufig schwer abschätzen. Da­ bei spielt ein relativ günstiger Erwerb der bestehenden Immobilie je nach dem baulichen Aufwand eine wesentliche Rolle. Beim Erwerb eines Bestandobjek­ tes ist jedoch davon auszugehen, dass der Verkäufer die zukünftig zu erreichen­ den Wohnpotenziale und die Lage des Objekts mit einkalkuliert. Deshalb ist es für den Käufer/ Bauherrn um so wichti­ ger, das Verhältnis zwischen Erwerb und dem baulichen Aufwand abschätzen zu können. Dies kann in der Regel nicht ohne Fachberatung geschehen. Wertermittlung der bestehenden Immobilie Um zu ermitteln, welcher Preis für eine Immobilie angemessen ist, gibt es verschie­ dene Möglichkeiten: • Es können eigene Vergleiche auf Grundlage der angebotenen und besichtigten Objekte vorgenommen werden. Dazu kann es nützlich sein, einen Blick in den Mietspiegel zu werfen, um zu sehen, welche Mieten sich mit einem vergleichba­ ren Gebäude in dieser Lage erzielen lassen. • Einen Anhalt gibt der Bodenrichtwert aus dem Immobilienbericht des örtlichen Gutachterausschusses. Auf Nachfragen kann man auch Aussagen erhalten, ob dieser Wert in der Tendenz steigt oder sinkt oder über die Anzahl der Verkaufsfälle und damit über das aktuelle Verhältnis von Angebot und Nachfrage. • Eine grobe Einschätzung kann der Architekt, Ingenieur oder sonstige fachlich geeignete Begleiter bei der Objektbegehung vornehmen. • Ein Gutachter oder Sachverständiger erstellt ein Baugutachten 5 , das Angaben zum ermittelten Wert der Immobilie – getrennt nach Grundstück und Gebäude – enthält. [4-2] Durch eine Umnutzung mit gleichzeitiger Modernisierung, d.h. einer deutlichen Steigerung der Wohnqualität, die oft­ mals die Erfüllung grundlegender Wohn­ bedürfnisse bei Weitem übersteigt, kann eine langfristige Wertsteigerung des Ob­ jekts erreicht werden. Aspekte zu Baukosten Die Kosten eines Umnutzungsvorhabens, das im Wesentlichen aus der Modernisie­ rung des Gebäudes – unter größtmögli­ cher Beibehaltung der vorhandenen Ge­ bäudestruktur – besteht, kann je nach Zustand der Bausubstanz durchaus gün­ stiger oder kostenneutral im Vergleich zu einer neuen Wohnbebauung sein. Dies kann sich bei notwendigen größe­ ren Veränderungen aus der geforderten Wohnnutzung häufig anders darstellen. Sofern Abrissmaßnahmen erforderlich und ggf. Altlasten zu beseitigen sind, ist dies unbedingt frühzeitig in die Kosten­ planung einzubeziehen. 5 Mit dem Baugutachten liegt eine zuverlässige Unterlage vor, die jedoch nicht kosten­ los ist, aber gleichzeitig eine gute Verhandlungsbasis dar­ stellt. Auch bei der Zusam­ menstellung der notwendi­ gen Finanzierung und dem Abschluss der Darlehensver­ träge kann darauf zurückge­ griffen werden. [4-2] 55 Wirtschaftliches Planen und Bauen im Sinne der Nachhaltigkeit beruht auf einer Lebenszyklusbetrachtung. Hierbei werden alle Kosten betrachtet, die im gesamten Zeitablauf des Gebäudes ent­ stehen. Kurzfristige Einsparungen bei der Planung und Qualitätssicherung können sich im Laufe der Jahre durch erhöhte Betriebskosten sowie vorzeitige Instand­ haltungskosten zu einem vielfachen der vermeintlich eingesparten Kosten aufad­ dieren. Deshalb ist es unerlässlich, bereits bei der Planung einer Umnutzungsmaß­ nahme die Kosten der Bewirtschaftung und Instandhaltung zu berücksichtigen. Für die langfristige Kostensenkung wäh­ rend der Nutzung spielt die Verminderung des Ressourcenverbrauchs, insbesondere der Energie, eine wesentliche Rolle. Finanzierungshilfen und Fördermöglich­ keiten des Bundes Bei der Finanzierung von Umnutzungs­ projekten ist zu beachten, dass För­ derprogramme für Modernisierungen in Form von zinsverbilligten Darlehen durch die KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) in der Regel nicht gewährt werden, da es sich bei der Maßnahme nicht um eine Modernisierung sondern um eine Erstellung bzw. Schaffung von Wohnraum handelt. Dies betrifft folgende Programme: • KfW-CO2-Gebäudesanierungspro­ gramm, • KfW-Programm „Wohnraum Moder­ nisieren“. Es besteht jedoch die Möglichkeit für die Umnutzung zu Wohnzwecken ggf. folgende Förderprogramme in Form von zinsverbilligten Darlehen durch die KfW in Anspruch nehmen zu können. Gefördert werden dabei der Erwerb von Wohneigentum oder Genossenschafts­ anteilen und Maßnahmen zur Energie­ einsparung: • KfW-Programm zur Förderung des Wohneigentums, • KfW-Programm „Ökologisch Bauen“. 56 Darüber hinaus stehen generell Förderprogramme zur Solarstromerzeugung sowie die Nutzung von erneuerbaren Energien zur Verfügung: • KfW-Programm „Erneuerbare Ener­ gien“, • Programm zur Förderung erneuerba­ rer Energien (BAFA) sowie • Erneuerbare-Energien-Gesetz (Ver­ gütung von Stromeinspeisung ins Netz). Weitere Informationen erhalten Sie unter: • www.kfw.de, • www.bafa.de, • www.erneuerbare-energien.de. Unter bestimmten Umständen können zudem Fördermittel aus dem städtebaulichen Denkmalschutz eingesetzt werden. Darüber hinaus werden insbesondere für die Erhaltung und Modernisierung von denkmalgeschützten Gebäuden verschiedene Abschreibungsmöglichkei­ ten bei einzelnen Steuerarten gewährt. (Weitere Informationen s. Infoblatt 8.5 Denkmalgeschützte Gebäude [4-3].) Neben den staatlichen Fördermaßnah­ men auf Bundesebene stellen manche Länder und Kommunen Programme zur Unterstützung einzelner Maßnahmen zur Verfügung. Sie haben unterschiedliche Schwerpunkte, etwa im Anwendungsbe­ reich sowie der Art und Höhe der Förde­ rung, die in Form von Zuschüssen oder zinsgünstigen Darlehen gewährt wird. Nähere Bestimmungen über diese För­ dermaßnahmen sowie das Antragsverfahren enthalten die Richtlinien und Ver­ waltungsvorschriften der Länder. [4-3] 4.2 Planung Nach der ersten Erfassung des Bestands, können die eigenen Wohnbedürfnisse einfließen. Hierzu ensteht ein Vorentwurf, der auf Grundlage eines Aufmaßes und der Erfassung der baulichen Substanz – meist unter Hinzuziehung von weiteren Fachplanern wie z.B. Tragwerksplaner – von Bauherr und Architekt gemeinsam entwickelt wird. Dieser gleicht die bau­ rechtlichen, baukonstruktiven und haus­ technischen Möglichkeiten sowie die energieeinsparenden Maßnahmen mit der gewünschten Veränderung ab und stellt einen entsprechenden Lösungs­ vorschlag dar. Bei Umnutzungsvorhaben ist neben der Ermittlung der Grundlagen für die wei­ tere Planung eine systematische Erfas­ sung des Bestands und eine sukzessive Anpassung des Planungsziels unabding­ bar. Das beinhaltet die Berücksichtigung des vorhandenen Tragsystems genauso wie die räumlichen Veränderungsmög­ lichkeiten. Je nachdem aus welcher Bau­ zeit das bestehende Gebäude stammt und welche Nutzung es ehemals hatte, gibt es durchaus sehr unterschiedliche Schwerpunkte, die bei der Planung zu beachten sind. 4.2.1 Umgang mit dem Bestand Der besondere Reiz bei der Umnutzung von Nichtwohngebäuden liegt in der Spannung zwischen der Individualität des Bestandbaus mit seiner ablesbaren ehe­ maligen Funktion sowie seinem besonde­ ren architektonischen Erscheinungsbild und dem Anspruch die neue Nutzung ge­ stalterisch und funktional best möglichst zu integrieren. Dabei ist die Anpassung an die neue Nutzung eine Fortschreibung des Vorgefundenen. Das Ausmaß der Eingriffe und Veränderungen ergibt sich aus den Anpassungsmaßnahmen. Diese bestehen aus der Nutzungsanpassung und Modernisierung inkl. Instandhal­ tung, den Baulichen Ergänzungsmaß­ nahmen sowie dem Entfernen und Ersetzen. Diese Maßnahmen ergänzen sich in einem ausgewogenen Verhältnis zum Bestand. Nutzungsanpassung und Modernisierung Neben der reinen Instandsetzung des Bestands, bei dem die Gebäudeelemen­ te wiederhergestellt werden, die für die Wohnnutzung zweckmäßig und für die ar­ chitektonische Werterhaltung erforderlich sind, wird eine Modernisierung für den zeitgemäßen Wohngebrauch angestrebt. Diese besteht aus der Veränderung der räumlichen Bedürfnisse, der Schaffung eines individuellen Wohnkomforts und der nachhaltigen Energieeinsparung un­ ter Berücksichtigung aller baurechtlichen Rahmenbedingungen, die für den Woh­ nungsbau zu erfüllen sind. Zur baulichen Umsetzung gehören vor allem konstruktive und bautechnische Aspekte – wie im folgenden Kapitel 4.2.2 aufgeführt – aber auch das Herausar­ beiten von haptischen und optischen Materialqualitäten [2-3] und der behut­ same Umgang mit historisch wertvollen Bauteilen, die ggf. durch Installationen von neuen Elementen durchbrochen bzw. zerstört würden. Es geht um die Entscheidung, wo hinzugefügte Kompo­ nenten bestandsverträglich eingeplant werden können und ob dies sichtbar oder verdeckt geschehen soll. So führen beispielsweise Erneuerungen von Hei­ zungs-, Sanitär- und Elektroleitungen oft zu enormen Eingriffen, die mit einer ver­ änderten Trassenführung und Aufputzin­ stallation reduziert werden können [2-3]. Die geeignete Lösung muss im Einzel­ nen beurteilt werden. Häufig lassen sich für die vertikale Verteilung von techni­ schen Versorgungsleitungen ehemalige Schächte und Kamine und für die hori­ zontale Verteilung aufgrund der großen Raumhöhen abgehängte Decken oder doppelte Fußböden nutzen. 57 Bauliche Ergänzungsmaßnahmen Bild 4.1: Entkernungsmaß­ nahmen GardeKarree in Potsdam Bild 4.2: Entfernte Fassden­ elemente des um­ genutzten Büroge­ bäudes in Hamburg Bild 4.3: Anbau von „Raum­ boxen“ an ehema­ liges Bürogebäude in Hamburg Für die Neustrukturierung der Erschlie­ ßung ist häufig der Einbau eines neuen Treppenhauses und ggf. eines Aufzugs, entweder als im Gebäude integrierten Bestandteil oder als Anbau, erforderlich. Aber auch für die Erfüllung des Raum­ konzepts der neuen Nutzung kann eine bauliche Erweiterung sinnvoll sein. Die grundlegenden Möglichkeiten des Wei­ terbauens hängen von der bestehenden Baustruktur ab und können in der Regel durch den Einbau zusätzlicher Wände und Decken erfolgen. Die Ergänzung fügt für die Wohnnutzung Fehlendes in den Bestand ein und bildet mit der beste­ henden Struktur eine Einheit. Großvolu­ mige Bestandsgebäude bieten dabei die Möglichkeit mit relativ kleinen Eingriffen eine kostengünstige Umsetzung des zu integrierenden Wohnkonzepts mit neuen Raumteilungen. Bei kleineren Objekten bietet die Erweiterung ein Instrument den gewünschten Flächenbedarf zu er­ reichen. Bei allen räumlichen Ergänzungs- und Erweiterungsmaßnahmen stellt sich die Frage ob dies in Form einer Anpassung an das Vorgefundene durch die Fort­ schreibung mit gleichen oder ähnlichen Konstruktionen, Materialien, Farben und Formen umgesetzt werden soll oder ob eine bewusste formale Trennung zwi­ schen Alt und Neu gewünscht ist. Letz­ teres bietet die Chance, dass die ehe­ malige Funktion und Architektur des Gebäudes weitgehend sichtbar bleiben und die hinzugefügten Elemente einen Gegensatz dazu bilden. Die Möglichkei­ ten der Gestaltungsmittel dafür sind groß und ergeben vielfältigen Handlungsraum für individuelle und eigenständige Lö­ sungen. Dabei kann beispielsweise mit dem Aufgreifen und der Modifizierung handwerklicher und architektonischer Qualitäten des Bestands, wie z.B. die Verwendung traditioneller Techniken und Materialverwendungen sowie vorhan­ dener Proportionen, eine harmonische Symbiose mit dem Bestand entstehen. Entfernen und Ersetzen Bei der Anpassung an die Wohnnutzung ist oftmals die Entfernung von nicht wie­ derverwendbaren Gebäudeteilen oder das Ersetzen von nicht funktionstüchti­ gen Bauteilen erforderlich. Der Abbruch von Gebäudeteilen betrifft in der Regel Anbauten, die nicht bauzeitlich erstellt sondern aus Gründen erweiterten Nut­ zungsbedarfs später hinzugefügt wur­ den. Dabei handelt es sich häufig um reine Zweckbauten, die keine historische oder gestalterische Qualität haben. Es kann sich jedoch bei geplanten Ab­ rissmaßnahmen auch um größere Ent­ kernungen handeln, die zwar eine völlige Neugestaltung der Raumaufteilung oder bautechnischen Details ermöglichen aber ggf. dem Ziel der Nachhaltigkeit, dem notwendigen Respekt vor kulturel­ len und gestalterischen Werten sowie bauökonomischen Gesichtspunkten wi­ dersprechen [2-3]. Hierfür bedarf es der Prüfung, ob sich stattdessen alternative Lösungsansätze für den weitgehenden Erhalt finden lassen. Wo genau die Gren­ ze zur substanz- und identitätsvernich­ tenden Erneuerung liegt, muss jeder für sich entscheiden [2-3]. Dennoch ist eine Abwägung der Vor- und Nachteile emp­ fehlenswert, gerade auch im Hinblick auf die entstehenden Kosten. 4.2.2 Konstruktive und bautechnische Aspekte Tragsystem Bild 4.4: Ergänzende Ein­ bauten im Inneren des ehemaligen Bürogebäudes in Hamburg 58 Für die Anpassung des Gebäudes an die Wohnnutzung sind oftmals Eingriffe in das Tragsystem notwendig, wie z.B. der zusätzliche Einbau von Treppenhäusern, der Öffnungen in vorhandenen Decken­ konstruktionen erfordert. Auch bei Verän­ derungen von tragenden Wandelementen sind ergänzende Maßnahmen zur Erhal­ tung der Tragfähigkeit durch Unter- oder Überzüge notwendig. Bei baulichen Er­ gänzungen, wie dem Anbau von Balko­ nen oder Raumerweiterungen, müssen die statischen Aspekte der Tragstruktur geprüft werden. Auch Durchbrüche für Leitungsführungen stellen ggf. einen Ein­ griff in die Statik des Gebäudes dar. Der zusätzliche Einbau von Raumtei­ lungen ist meist problemlos zu verwirkli­ chen, da die berechneten Deckenlasten der ursprünglichen Funktion in der Regel genügend Spielraum für die neue Wohn­ nutzung bieten, die wesentlich geringere Lastannahmen erfordert als z.B. die vor­ herige Gewerbenutzung. Die Verantwortung für die Ausführung sol­ cher Maßnahmen liegt zwar in der Hand der Fachplaner, dem Bauherrn ist jedoch zu empfehlen, alle Möglichkeiten, die in der Ausnutzung und Konstruktion des Be­ stands liegen, zu nutzen. Denn maßgeb­ lich für wirtschaftliche Eingriffe in das Trag­ system ist immer das Verhältnis des not­ wendigen Aufwandes der beabsichtigten Maßnahmen zum gewünschten Ergebnis. Die Bewertung der Substanz des umzu­ nutzenden Gebäudes erfordert bautech­ nische und bauphysikalische Untersu­ chungen, die die Art und den Zustand der verwendeten Baumaterialien und Bauteile erfassen. Die Relevanz der dabei gewon­ nenen tragwerkstechnischen Ergebnisse, die nicht nur zukünftige Lasten sondern auch bereits bestehende Verformungen berücksichtigt, liegen auf der Hand. Die frühzeitige Erkennung von bestehenden Schadensursachen verhindert die Ge­ fahr, dass diese mit der baulichen Verän­ derung verdeckt werden und Spätfolgen umso kostenintensiver behoben werden müssen. Wesentliche mögliche Sanie­ rungsfelder sind im Folgenden aufgeli­ stet. Möglicher Sanierungsbedarf von Bauteilen Keller • Durchfeuchtete Kelleraußen- und Innenwände • Durchfeuchteter Kellerboden Außenwände • • • • • Risse und undichte Fugen Risse in tragenden Teilen Putz- und Betonabplatzungen Schadhafte Klinker bzw. Mörtelfugen Wärmebrücken Innenwände • Mangelhafter Wärme- und Schallschutz • Mangelnder Brandschutz durch zu dünne Treppenhauswände • Schadhafter Wandputz Fenster und Außentüren • • • • • Undichte und verzogene Holzfensterrahmen Verfaulte Holzteile an Fensterflügeln Einfachverglasung Schadhafte Fensterbeschläge Undichte und verzogene Außentüren Bild 4.5: Dachstuhl Suytermühle in Landsberg am Lech Dach • • • • Holzschäden durch Schädlingsbefall Morsche Dachgesimse Schadhafte Dachdeckung Fehlende Wärmedämmung der Decken im Dachraum • Schadhafte Dachentwässerung • Holzschutzmittelbelastung Fußböden, Innentüren • Mangelhafter Trittschallschutz • Verzogene Türen Treppen • Schadhafte Stufen • Schadhafte und /oder zu niedrige Treppen­ geländer Allgemein • Tritt- und Körperschallschutz der Bauteile Bild 4.6: Gewölbe Kloster Geistingen 59 Haustechnik Es ist in der Regel davon auszugehen, dass Elektro-, Sanitärinstallation sowie Heizung und Warmwasserbereitung auf­ grund der Überalterung und der Anpas­ sung an die Wohnnutzung generell zu erneuern sind. Auf die unterschiedlichen Heizungskonzepte soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden, da die­ se im Grunde denen eines Neubaus ent­ sprechen. (Weitere Informationen hierzu finden Sie im Überblick in der Broschüre Technologische Neuerungen im Bauen und Wohnen [4-4].) Energetische Modernisierung Für die Planung der energetischen Mo­ dernisierung muss zunächst eine ener­ getische Bewertung des Gebäudes erfol­ gen. Da Bestandsbauten – insbesonde­ re Nichtwohngebäude – den steigenden energetischen Anforderungen immer we­ niger gerecht werden und in jedem Fall verbesserungswürdig sind, wird bei Um­ nutzungsvorhaben eine best mögliche Optimierung der technischen Gebäu­ deausrüstung und des Wärmeschutzes angestrebt. Dabei ist auf zerstörungs­ freie und insbesondere beim Anbau neu­ er Bauteile auf wärmebrückenvermei­ dende Lösungen zu achten. Für die Umsetzung der technischen Möglichkeiten ist das Maß des baulichen Eingriffs in die alte Bausubstanz abzu­ wägen. Beispielsweise ist oftmals die Erhaltung des äußeren Erscheinungsbil­ des des Bestandsgebäudes eine zentra­ le Anforderung. Hierbei kommen häufig Innendämmungen zum Einsatz, die sich als bauphysikalische Herausforderung erweisen können. Dazu gibt es umsetz­ bare, bestandsvertägliche Konzepte, die in jedem Fall von Fachplanern zu planen und zu begleiten sind. 4.2.3 Behördenrelevante Aspekte Bild 4.7: Integration denkmalgeschützter Elemente im um­ gebauten GardeKarree in Potsdam Bild 4.8: Innenausbau der denkmalgeschütz­ ten Wasserburg in Aachen 60 Baurechtliche Belange Die Umnutzung von Gebäuden ist un­ abhängig von baulichen Maßnahmen in der Regel genehmigungspflichtig. (Über Art und Umfang des Verfahrens gibt die örtliche Baubehörde Auskunft.) Dabei werden die Zulässigkeit im Baugebiet und die räumlichen Anforderungen der neuen Nutzung geprüft. Zu Wohnzwe­ cken umgebaute Gebäude müssen den baurechtlichen Anforderungen des Woh­ nungsbaus entsprechen. Nicht immer können alle baurechtliche Auflagen zu einem vertretbaren Aufwand, der dem historischen Gebäude gerecht wird, er­ füllt werden. In diesem Fall kann ggf. die Möglichkeit einer Befreiung bei der ent­ sprechenden Behörde erwirkt werden. Häufig ist dabei der Brandschutz betrof­ fen, wie z.B. die Forderung, dass sämtli­ che Bauteile aus nicht brennbaren Mate­ rialien bestehen sollen, die bei Bauteilen aus Holz nur mit einer entsprechenden Verkleidung erreicht werden kann. Ist dies nicht sinnvoll oder möglich, reicht u.U. der Einbau einer Brandmeldeanla­ ge aus. Solche Lösungsalternativen sind mit der Behörde zu verhandeln. Denkmalpflegerische Belange Sind umzunutzende Gebäude eingetra­ gene Kulturdenkmäler, ist für jede Verän­ derung, die den Denkmalschutz betrifft, eine denkmalrechtliche Genehmigung erforderlich. Baudenkmale sind bauliche Anlagen (oder Teile davon) einschließ­ lich historischer Ausstattungsstücke, wie etwa Türen, Fenster und Böden. Auch bewegliche Sachen, wie beispielsweise Möbel, können historische Ausstattungs­ stücke sein, wenn sie mit dem Raum eine Einheit von Denkmalwert bilden. Schüt­ zenswerte Gartenanlagen werden eben­ falls zu den Denkmalen gezählt. Neben einzelnen Baudenkmalen können auch mehrere zusammenhängende bauliche Anlagen im Gesamten schützenswert sein. Dies ist dann der Fall, wenn die Ge­ bäude das Orts-, Platz- oder Straßenbild besonders prägen. Dabei muss nicht je­ des Einzelgebäude schützenswert sein. Diese Form des Baudenkmals wird als Ensemble bezeichnet. [4-3] Ziel des Denkmalschutzes ist es, die Iden­ tität, Authentizität und damit den Denk­ malwert unter Vermeidung des Verlustes von historischer Informationen zu wah­ ren. Dabei müssen schützenswerte Be­ standteile nicht unbedingt sichtbar blei­ ben. Wenn die bauliche Veränderung reversibel ist, gilt die Substanzwahrung als erfüllt. [2-3] Die denkmalrelevanten Details sind vor der baulichen Maßnahme mit der Denk­ malbehörde zu klären. Bei der Frage, 5 welche Lösung zur Ausführung kommt, ist ein intensiver Austausch zwischen Bauherr, Planer und Denkmalpfleger er­ forderlich, da es sich um Gestaltungsde­ tails handelt, die zudem meistens auch kostenrelevant sind. Ggf. sind auch hier Befreiungen im Einzelfall verhandelbar. Alle wichtigen Informationen zu diesem Thema finden Sie in dem Infoblatt 8.5 Denkmalgeschützte Gebäude [4-3]. Fazit Bei Umnutzungen hat das Wohnen voraussichtlich längerfristig die größte quantitative Bedeutung gegenüber an­ deren Nutzungsarten [2-1]. Dabei sind die qualitativen Voraussetzungen für die Anforderungen einer zeitgemäßen Wohnnutzung durchaus gegeben. Individuelle Wohnvorstellungen lassen sich meist bei entsprechender Planung in ehemaligen Nichtwohngebäuden her­ vorragend realisieren und gerade die dabei erforderlichen neuen Lösungsan­ sätze machen häufig den einzigartigen Charakter der Umnutzung aus. Selbst bei historisch wertvollen Gebäuden sind oft viele ergänzende Maßnahmen um­ setzbar, wie z.B. der Anbau oder Einbau von Aufzügen oder die Ergänzung von Balkonen, wie viele der dokumentierten Beispielprojekte zeigen. [4-2] Gerade in innerstädtischen Lagen kann die Umnutzung ein relativ erschwing­ liches Instrument zur Schaffung von Wohneigentum sein, das darüber hin­ aus häufig eine besondere Qualität und einen einzigartigen Charakter hat. Der damit verbundene Beitrag zum ressour­ censchonenden Bauen ist für Viele eine weitere Motivation für die Umsetzung solcher Vorhaben. Das Wiederbeleben ehemals gewerblich, militärisch oder verkehrlich genutzter Gebäude und die damit verbundene Durchmischung der räumlichen Strukturen stellt eine wesent­ liche Verbesserung der städtischen Le­ bensqualität für die Bewohner der nahen Umgebung dar. Die dokumentierten Beispielprojekte ver­ deutlichen die Vielzahl an Realisierungs­ möglichkeiten solcher Umnutzungsvor­ haben. In vielen Städten und Kommunen gibt es noch Entwicklungspotenziale, immer häufiger jedoch bei eher größe­ ren Objekten, die vor allem für Investoren interessant sind. Der derzeitige Trend für gemeinschaftliche Realisierungsvor­ haben in Form von Baugemeinschaf­ ten oder Baugruppen zeigt jedoch, dass Nichtwohngebäude in dieser Größenord­ nung durchaus für private Bauherren in­ teressant sein können. 61 Literaturnachweis Kap. 2 [2-1] Schütze Th., Willkomm W.: Planungskriterien für nutzungsvariable Gebäude – eine Auswertung durchgeführter und vorausschauend geplanter Nutzungs­ änderungen und ihrer Konsequenzen für den konstruktiven Entwurf; For­ schungsvorhaben der Fachhochschule Hamburg – Fachbereich Architektur; Abschlussbericht, Mai 2000; URL:http://www.solarchitect.de/pdf/planungskriterien_nutzungsvariable_ge­ baeude_2000.pdf; [Datum des letzten Zugriffs: 23.06.2008]. [2-2] Baurmeister, B.: Mein Denkmal setz ich mir selbst – Kirche, Kasernen oder alte Kraftwerke: Auch innerstädtisch werden individuelle Wohnformen immer stärker nachgefragt; in Tagesspiegel Online, Urban Media GmbH, 31.12.2005; URL:http://www.tagesspiegel.de/magazin/immobilien/;art875,2286977; [Datum des letzten Zugriffs: 23.06.2008]. [2-3] Cramer, J., Breitling, S.: Architektur im Bestand – Planung Entwurf Ausführung; Birkhäuser Verlag AG, 2007. Kap. 3 [3-1] ASTOC GmbH & Co.KG; Architects & Planners. [3-2] www.industriedenkmal-grube-carl.de [Datum des letzten Zugriffs: 18.04.08]. [3-3] Bauwert Objektgesellschaft Landau mbH & Co. KG. [3-4] Kaiser Schweitzer Architekten. [3-5] Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Informationsbroschüre: Umnutzung von alten Gebäuden zu Wohnzwecken – Neue Nutzungskonzepte zur Quartiersentwicklung; 2007. [3-6] Atelier Lüps. [3-7] Dietrich, D.: Die Kunstdenkmäler von Bayern – Stadt Landsberg am Lech, Band 1: Einführung – Bauten in öffentlicher Hand; Hrsg: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Verlag: Deutscher Kunstverlag, Oldenburg, 1995. [3-8] blauraum architekten., www.blauraum.eu. [3-9] Broschüre: Architektur Preis 2006 „Zukunft im Bestand“ der Initiative Arbeit und Klimaschutz (Hrsg.) + BDA + Freien und Hansestadt Hamburg e.V. [3-10] Naumann Architekten [3-11] Madako Architekten. [3-12] Bund Deutscher Architekten BDA, Deutscher Städtebautag (DST) und GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. (Hrsg.): Deutscher Bauherrenpreis Modernisierung 2003 der Aktion Hohe Qualität – Tragbare Kosten; Architektur Verlag Nord GmbH. [3-13] Luczak Architekten. [3-14] DBZ – Deutsche Bauzeitschrift: Wohnen im Bunker – Umbau eines Bunkers in Köln-Nippes, 02/2006, Bauverlag BV GmbH. 62 [3-15] Kondor Wessels Wohnen Berlin GmbH. [3-16] Ardguide.de – Internetführer für Architektur, Konradin Relations GmbH, URL:http://www.arcdesk.de/arcguide/hersteller/projekte/277362.html, [Datum des letzten Zugriffs: 21.05.08]. [3-17] Nattler Architekten. [3-18] BM+P Beucker Hesse Haselhoff Architekten Stadtplaner GbR. [3-19] BAU ٠ BLOCK Büro für Architektur und Stadtplanung [3-20] Tecklenburg GmbH. [3-21] Fischer von Kietzell Architekten. [3-22] Homepage des Vereins Gemeinsam Wohnen Karmelkloster e.V.: URL: http://www.wohnen-im-karmel.de,[Datum des letzten Zugriffs:23.05.08]. [3-23] Deppisch Architekten. [3-24] Bund Deutscher Architekten BDA, Deutscher Städtebautag (DST) und GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. (Hrsg.): Deutscher Bauherrenpreis Modernisierung 2005 der Aktion Hohe Qualität – Tragbare Kosten, Architektur Verlag Nord GmbH. Kap. 4 [4-1] Rietz, A.; Schütz, H.; u.a.: Modernisierung von historisch wertvollen Wohngebäuden; Kompetenzzentrum „kostengünstig qualitätsbewusst Bauen“ (Hrsg.); März 2007; erhältich als download unter: http://www.kompetenzzentrum-iemb.de/informationssystem/downloads/ fo_berichte/broschueren/070525-modernisierungdownload.pdf. [4-2] . [4-3] [4-4] Kompetenzzentrum „kostengünstig qualitätsbewusst Bauen“ (Hrsg.):Chan­ cen und Risiken des Erwerbs von Wohneigentum im Bestand; Juli 2005: http://www.kompetenzzentrum-iemb.de/informationssystem/down-loads/ fo_berichte/broschueren/050802-Chancen_Risiken-Druckfassung.pdf. Kompetenzzentrum „kostengünstig qualitätsbewusst Bauen“ (Hrsg.):Info­ blatt 8.5: Denkmalgeschützte Gebäude; Dez. 2006; erhältich als download unter: http://www.kompetenzzentrum-iemb.de/informationssystem/down loads/themen/0609-8-5.pdf. Rietz, A.; Schütz, H.; u.a.: Technologische Neuerungen im Bauen und Wohnen; Kompetenzzentrum „kostengünstig qualitätsbewusst Bauen“ (Hrsg.); Mai 2007; erhältich als download unter: http://www.kompetenzzentrum-iemb.de/informationssystem/downloads/ fo_berichte/broschueren/070525-technologischeneuerungen-download.pdf. Bildnachweis ASTOC GmbH & CO.KG Architects & Planners Bilder 2.1, 3.3, 3.5, 3.9, 3.10, 3.13 bis 3.16 Rheinbraun Zentralarchiv Bild 3.4 63 Christa Lachenmaier Photography Bilder 3.6, 3.7, 3.8, 3.11 und 3.12 Arbeitsgemeinschaft Eifelstraße Kaiser Schweitzer Architekten und Glashaus Architekten PSG Bilder 2.2, 2.10, 3.26, 3.28, 3,30, 3.31, 3.33, 3.34 Naumann Architekten Bilder 2.3, 3.67 bis 3.74 BM+P Beucker Hesse Haselhoff Architekten Stadtplaner GbR Bilder 2.4, 2.8, 2.9, 3.124, 3.126, 3.130, 3.131, 3.134, 3.136 Bauunternehmung Tecklenburg GmbH Bilder 2.5, 2.11, 3.153 bis 3.159 Deppisch Architekten Bilder 2.6, 3.2, 3.171, 3.176, 3.177 ,3.179 bis 3.182 Wohn+Stadt GmbH Bild 2.7 Hans Jürgen Landes Fotografie Bilder 3.1, 3.27, 3.29, 3.32, 3.35, 3.36 Bauwert Projektenwicklungs GmbH Bilder 3.17 bis 3.25 Atelier Lüps Bilder 3.37 bis 3.40, 3.42, 3.43, 3.48 bis 3.51 Hans Engels Bilder 3.41, 3.44 bis 3.47 Christian Schaulin Bilder 3.52, 3.56, 3.57, 3.59, 3.61 blauraum architekten Bilder 3.53 bis 3.55, 3.62 bis 3.66 Dominik Reipka Bilder 3.58, 3.60 Madako Architekten Bilder 3.75 bis 3.84 Luczak Architekten Bilder 3.85, 3.89, 3.91, 3.92 Constantin Meyer Bilder 3.86 bis 3.90, 3.93 bis 3.97 con-tura Architekten und Ingenieure GmbH Bilder 3.98, 3.106 bis 3.109 Kondor Wessels Mark Brandenburg GmbH Bilder 3.99 bis 3.105, 3.110, 3.111 Nattler Architekten Bilder 3.112, 3.113, 3.115 bis 3.123 Dr. -Ing. E. Stalschus-Stähler, Dr. J. Stalschus Bild 3.114 Tomas Riehle Bilder 3.125, 3.1267 bis 3.129, 3.132, 3.133, 3.135 BAU ٠ BLOCK Büro für Architektur und Stadtplanung Bilder 3.137 bis 3.142, 3.144 bis 3.151 ALIA Architektur und Denkmalpflege GmbH Bilder 3.152, 3.160 Fischer-von Kietzell Architekten BDA Bilder 3.161 bis 3.169 Simon und Sebastian Schels Bilder 3.170, 3.172 bis 3.176, 3.177, 3.178 Alle nicht aufgeführten Fotos und Grafiken: IEMB 64