Halsschmerzen Antibiotika: ja oder nein?

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Fortbildung
Leitlinien – praktisch umgesetzt
Halsschmerzen
Antibiotika: ja oder nein?
der Gruppe A (GAS) vorliegt, abgeschätzt
werden [2].
Eine 23-jährige Medizinstudentin
stellt sich mit seit zwei Tagen anhaltenden äußerst heftigen Halsschmerzen vor. Sie ist in einem
guten Allgemeinzustand und hat
kein Fieber. Der Rachen zeigt eine
ausgeprägte Rötung, die Tonsillen
sind fraglich belegt und nicht verzogen. Zwei druckschmerzhafte
Lymphknoten rechts sind tastbar.
Husten besteht nicht. Die Patientin drängt darauf, ein Antiobiotikum verordnet zu bekommen
– zum einen wegen der heftigen
Schmerzen, zum anderen, weil sie
Komplikationen befürchtet.
Fragestellungen:
•• Sollte ein Rachenabstrich
durchgeführt werden?
•• Sollte ein Antibiotikum verordnet werden und wenn ja
welches?
•• Welche Therapie ist ansonsten
zu empfehlen?
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Der Allgemeinarzt 5/2011
DocStock
Der Fall
Hannelore Wächtler,
Jean-François Chenot
Ätiologie und Klinik
Ca. 50 – 80 % der Pharyngitiden sind
durch Viren bedingt, bei einem Drittel
lässt sich gar kein Erreger nachweisen.
Nur in etwa 15 – 30 % werden beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe
A (GAS) isoliert. Es gibt aber asymptomatische Träger. Die GAS-Pharyngitis
hat einen Erkrankungsgipfel bei den
5- bis 15-Jährigen. Auch GAS-Pharyngitiden haben eine sehr hohe Spontanheilungstendenz [13].
Vorgehen in der Praxis
Für den Praxisalltag muss eine Entscheidungsregel möglichst einfach und prägnant sein. Mit dem Centor-Score (Abb. 1)
kann klinisch die Wahrscheinlichkeit,
dass eine Infektion mit Strepptokokken
Ein Rachenabstrich für einen Schnelltest oder eine Kultur sollte nur durchgeführt werden, wenn das Ergebnis die
Entscheidung für oder gegen eine Antibiotikatherapie beeinflusst. Schnelltests
auf GAS-Antigen haben gegenüber der
Kultur eine Spezifität von 95 %, während
die Sensitivität mit 70 – 90 % deutlich
niedriger ist [5]. Im oben genannten Fall
beträgt der Center-Score 2, d. h.die Wahrscheinlichkeit von GAS im Abstrich liegt
bei nur ca. 15 %.
Zur Frage „Antibiotikum: ja oder nein?“
schlägt die Leitlinie einen Algorithmus
Prädiktoren einer GAS-Pharyngitis bei
Pat. > 15J. (GAS-Prävalenz von 17 %)
4 Kriterien:
•• Fieber in Anamnese 1
•• Fehlen von Husten 1
•• Geschwollene vord.ere Hals­
lymphknoten 1
•• Tonsillenexsudate 1
Zahl der
Kriterien 4
3
2
1
0
Wahrscheinlichkeit
von GAS
im Rachenabstrich/
Likelihood Ratio
~ 50 – 60 %
~ 30 – 35 %
~ 15 %
~ 6 – 7 %
~ 2,5 %
LR
LR
LR
LR
LR
6,3
2,1
0,75
0,3
0,16
Abb. 1: Centor-Score zur Abschätzung der
Wahrscheinlichkeit, dass eine Pharyngitis mit
Gruppe-A-Streptokokken vorliegt.
www.allgemeinarzt-online.de
Fortbildung
vor (Abb. 2). Ein Rachenabstrich ist bei
einem solchen mittleren Score vertretbar. In unserem Fall fällt er negativ aus.
Wird ein Antibiotikum als klinisch nützlich eingeschätzt, was bei unserer Patientin nicht der Fall ist, wäre Penicillin
das Mittel der ersten Wahl und eine Behandlung über sieben Tage ausreichend
[19]. Bei der Medizinstudentin wird auf
Antibiotika verzichtet und Salbeipastillen und Paracetamol empfohlen
Bei vielen Patienten mit Antibiotikawunsch liegt ein Missverständnis
vor, sie wünschen sich eigentlich eine
Schmerztherapie [18]. Die Wirkung
von Antibiotika ist allenfalls moderat,
jedoch etwas ausgeprägter bei klini-
Merke
Halsschmerzen beruhen meist
auf einer akuten selbstlimitierenden Infektion. Die Wirkung
von Antibiotika auf Symptome
und Krankheitsdauer ist auch
bei Nachweis von Streptokokken
Gruppe A (GAS) nur moderat.
Eine routinemäßige Antibiotikaverordnung zur Prävention von
Komplikationen ist gegenwärtig
nicht indiziert. Ein Schnelltest
oder kultureller Nachweis von
GAS sollte nur bei Entscheidungsrelevanz durchgeführt werden.
schen Zeichen einer GAS-Pharyngitis.
Für Patienten mit Halsschmerzen und
drei Centor-Kriterien lässt sich für eine
orale Penicillinbehandlung eine NNT
(Anzahl der notwendigen Behandlungen) von 5 – 6 für Symptomfreiheit am 3.
Behandlungstag annehmen. Die Krankheitsdauer wird um 1 – 1½ Tage verkürzt
[13, 19]. Bei zusätzlichem Nachweis von
GAS lässt sich für eine orale Penicillinbehandlung eine NNT von 4 für Abklingen
der Halsschmerzen am 3. Behandlungstag annehmen.
Ist eine nicht antibiotisch behandelte
GAS-Pharyngitis risikoreich?
Nicht-eitrige Komplikationen sind das
Akute Rheumatische Fieber (ARF) und
www.allgemeinarzt-online.de Wird die Wirkung von Antibiotika als relevant eingeschätzt?
(abhängig vom Schweregrad der Erkrankung)
ja
nein
Gibt es klinische Zeichen einer GAS-Pharyngitis?
nein
ja
•• 0 bis 2 Centor-Kriterien
oder
•• –1 bis 2 McIsaac-Kriterien
•• kein Kontakt zu GAS-­
Pharyngitiden
•• 3 bis 4 Centor-Kriterien
oder
•• 3 bis 5 McIsaac-Kriterien
•• Kontakt zu GAS-Pharyngitiden
GAS-Pharyngitis eher
unwahrscheinlich
GAS-Pharyngitiseher
­wahrscheinlich
Nur bei Entscheidungsrelevanz(z.B.
mittlerer Score)Rachenabstrich oder
Schnelltest
Keine Untersuchung auf GAS
keine Antibiose
Je nach Klinik sofort oder nur bei
Verschlechterung Penicillin*
* bei Unverträglichkeit Erythromycin
Abb. 2. Algorithmus zur Entscheidungsfindung für die Therapie
die akute Poststreptokokkenglomerulonephritis (APSGN) [7]. Das ARF ist in Industrieländern extrem selten geworden,
so dass die Prävention des ARF gegenwärtig kein Argument für eine Antibiotikaverordnung ist. Es gibt keine Evidenz
für die Prävention einer APGSN durch
Antibiotika. Die meisten Fälle verlaufen
symptomarm mit einer Mikrohämaturie
und heilen unbemerkt aus. Daher wird
eine routinemäßige Untersuchung des
Urins nach Streptokokkeninfekten nicht
mehr empfohlen.
Welche symptomatische Therapie?
Paracetamol oder Ibuprofen lindern
Halsschmerzen [1, 15]. Für viele Hausund Naturheilmittel oder rezeptfreie
Medikamente gibt es keinen Nutzennachweis. Unspezifische Maßnahmen
Leitlinie im Netz
Patienteninfo, Kurzversion und
Langfassung der DEGAM-Leitlinie 14
Halsschmerzen finden Sie unter http://­
leitlinien.degam.de/index.php?id=280
wie viel Trinken, Gurgeln mit Salzwasser
oder Tee, Lutschen nicht-medizinischer
Bonbons oder Halswickel können mit
Einschränkung empfohlen werden. Medizinischen Lutschtabletten, Gurgellösungen und Rachensprays mit Lokalantiseptika und/oder Lokalanästhetika
werden nicht empfohlen. Lokalantiseptika wirken nur an der Oberfläche,
während sich die Infektion in der Tiefe
abspielt [16]. Pflanzliche und homöopathische Mittel können bei ausgeprägtem
Therapiewunsch oder unzureichender
Wirksamkeit besser belegter symptomatischer Maßnahmen mit Einschränkung
empfohlen werden. ▪
Literatur unter www.allgemeinarzt-online.de/downloads
Interessenkonflikte: keine deklariert
Prof. Dr. med.
Jean-François Chenot, MPH
Abteilung Allgemeinmedizin
Universitätsmedizin
Göttingen
37073 Göttingen
Der Allgemeinarzt 5/2011
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