Inhalt Vorwort 3 Besetzungsliste 4 Inhaltsangabe 5 Friedrich Schiller 6 Hintergründe des Stückes 7 Die Regisseurin 10 Über Marquis von Posa 11 Rolle und Körperlichkeiten 12 Vor-und Nachbereitung 20 Quellenangabe 25 Impressum 26 2 Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, mit diesem Begleitheft möchten wir Ihnen, neben Hintergrundinformationen zu Schillers Stück auch, über die Erfahrungen der Schauspieler mit dieser Produktion berichten. Des Weiteren werden über den Besuch der Inszenierung hinaus, spielerische Übungen vorgeschlagen, die Sie entweder zur Vor- oder zur Nachbereitung des Aufführungsbesuchs nutzen können. Diese können selbstverständlich von Ihnen nach Belieben variiert und verändert werden. Gerne kommen wir auch auf Anfrage zur Vor- oder Nachbereitung des Stückes zu Ihnen in die Schule. Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen, Dr. Manfred Jahnke Leiter Fachbereich; Theaterpädagogik und Ihre theaterpädagogische Abteilung der adk-ulm 3 Don Karlos Ein dramatisches Gedicht in 5 Akten von Friedrich Schiller (1783-1787) Textfassung: Mia Constantine Ensemble: König Philipp Simon Fleischhacker Königin Elisabeth Alma Gashi Don Karlos Philip Blom Marquis von Posa Henry Braun Prinzessin von Eboli Annegret Taube Claudia Steiner Domingo Marcus Prinzen Herzog von Alba Aron Keleta Graf Lerma Lukas Ruben Eickholl Gräfin von Olivarez Eva Koch Hofdame Katharina Binder Musikkomposition: Bühne/Kostüme: Supervision Sprechen Theaterpädagogik: Amal Das Ensemble Jim Seclaoui Friederike Hartung Regieassistenz: Regie: Anna-Lena Henkel Mia Constantine Premiere: 10.03.2010 4 Inhalt Der impulsive und sensible Don Karlos befindet sich im gleichnamigen dramatischen Gedicht in einer misslichen Lage. Er ist in eine Frau verliebt, die sein Vater aus politischen Gründen zur Ehefrau nahm und sie somit auch zu Karlos´ Stiefmutter machte. Die kurzweilige Beziehung zu Elisabeth, die Karlos vor dieser Pflichtheirat führte, kann er nicht vergessen. Seit acht Monaten ist er nun schon in einer melancholischen Stimmung, trotzt sturköpfig der höfischen Etikette und verwehrt jeglichen Kontakt zu seinen Mitmenschen. So scheint es doch ein Segen, dass plötzlich sein guter alter Freund Marquis von Posa wieder auftaucht, der Karlos sogleich aus seiner Depression reißen und mit in die Niederlande nehmen will, wo eine große und spannende Bürgerrevolution vorgeht. Der Marquis verspricht sich von seinem Besuch am spanischen Königshof Unterstützung von Karlos, der als Sprachrohr zwischen der Monarchie in Spanien und den Revolutionären in den Niederlanden einstehen soll. Karlos kann sich jedoch von seinem Liebeskummer nicht freisagen und sieht Marquis wiederum als Mittel zum Zweck, einen Kontakt zu Elisabeth zu knüpfen, um sie zu überreden die Liebesbeziehung wieder herzustellen. Der Marquis verspricht, Karlos zu helfen, um dieses Problem schnellst möglich zu klären und fortan den Revolutionären folgen zu können. Diese Entwicklungen bleiben am spanischen Hof, dessen Wände Ohren zu haben scheinen, nicht lange geheim. So ist es doch für Herzog von Alba und Beichtvater Domingo, denen der infantile und scheinbar nutzlose Karlos schon lange ein Dorn im Auge ist, ein gefundenes Fressen Karlos bei einem Regelverstoß zu erwischen. Sogleich gehen sie, gestärkt von Prinzessin von Eboli, die vergebens auf Karlos Liebe hofft und somit zur Rachsucht angestachelt ist, zum König, um ihm das geheime Bündnis zwischen Elisabeth und Karlos zu unterbreiten. Sie ahnen nicht, dass sich der König von diesem offenbar zu spät gelüfteten Geheimnis betrogen und belogen fühlt, woraufhin er Alba und Domingo den Vertrauensbruch unterstellt. Fortan ist der König auf der Suche nach einem ehrlichen Menschen am Hofe und stößt auf Marquis von Posa, der nun in der schwierigen Lage ist, Vertrauter vom König, Revolutionär und Freund von Karlos zu sein. Diese sich widersprechenden Aufgaben und Ideologien bringen den Marquis an den Rand seiner Handlungsmöglichkeiten, was für alle Beteiligten in einer vorhersehbaren und doch nicht abzuwendenden Katastrophe endet. 5 Friedrich Schiller 1759 10.November in Marbach am Neckar geboren; wächst als Sohn eines ehemaligen Wundarztes in einfachen Verhältnissen auf. 1773-80 wird auf Befehl des württembergischen Herzog in die Militärakademie Karlsschule aufgenommen. 1775 Beginn eines Medizinstudiums 1782 Uraufführung “Die Räuber” in Mannheim, die er trotz des herzoglichen Verbotes besuchte. Daraufhin warf Herzog Karl Eugen ihn für 14 Tage ins Gefängnis und erteilte ihm das Verbot Komödien zu schreiben. Schiller floh nach Mannheim 1784 “Die Verschwörung des Fiesco zu Genua” und “Kabale und Liebe” werden in Mannheim und Frankfurt aufgeführt. 1785-87 Schiller arbeitet an Don Karlos 1787 Uraufführung von Don Karlos in Hamburg 1787-88 Erster Kontakt zwischen Schiller und Goethe in Weimar 1790 Heirat mit Charlotte von Lengefeld 1791 Er erkrankt schwer, woraufhin in der Presse von seinem Tod berichtet wird. 1792 Schiller wird vom revolutionären Frankreich zum Ehrenbürger ernannt 1794 Beginn der Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen Schiller und Goethe 1799-1804 Vollendung der klassischen Dramen “Wallenstein”; “Maria Stuart”; “Die Jungfrau von Orleans”; “Die Braut von Messina” und “Wilhelm Tell” 1805 09.Mai; Schiller stirbt nach langer Krankheit in Weimar. 6 Hintergründe des Stückes Die Entstehung des Stückes zog sich über Jahre hin. Schiller begann sich 1782 ernsthaft für die Geschichte des Spanischen Hofes zu Regierungszeiten Philipps II. zu interessieren. Von 1785 bis 1787 erschienen in einer Zeitschrift der 1., 2. und 3. Akt. Zuerst nur als Familientragödie angelegt, waren in dieser Fassung schon deutlich mehr politische Themen eingebaut. Es erschien zudem 1787 eine Buchausgabe unter dem Titel “ Dom Karlos, Infant von Spanien“ - später in das spanische Don umgeändert-, die deutlich länger als die Theaterfassung und für ein gebildetes Lesepublikum geschrieben war. Die Uraufführung fand 1787 in Hamburg unter der Regie von Friedrich Ludwig Schröder statt. Es folgten weitere Überarbeitungen des Textes und eine Übersetzung ins Englische, bis dann 1805 die letzte Fassung erschien; etwas kürzer als die Erstausgabe und mit dem Untertitel “Ein dramatisches Gedicht”. Diese Fassung wird heute üblicherweise fürs Theater genutzt. In der langen Bearbeitungszeit des Stückes das Schillers “bestes” werden sollte - wie er in einem Brief an W.F.H Reinwald im Jahr 1783 äußerte brachte den Dichter, wie man so schön sagt, wohl an den Rand des Wahnsinns. Aus weiteren Briefen, wie aus dem an Christian Gottfried Körner aus dem Jahr 1794, geht deutlich hervor, dass “ein Machwerk wie der Carlos” ihn nur noch “ekelte”. Warum also schrieb Schiller solange und so besessen an diesem Stück und was faszinierte ihn letztlich daran? Dazu erst einmal ein paar geschichtliche Fakten, die sicher eine große Rolle dabei spielten, dass das Stück so wurde, wie wir es heute noch kennen. Alleine aus Schillers Biographie geht deutlich hervor, das auch er unter der Unterdrückung der Herrschenden litt. Er musste 1773 auf Befehl des württembergischen Herzogs Karl Eugen auf die Militärschule gehen. Das ist nur ein Beispiel. Bei der Uraufführung der Räuber durfte er ebenfalls auf Befehl des Herzogs nicht zugegen sein, als er sich sein Stück heimlich anschaute, wurde er verhaftet und durfte keine “Komödien” mehr schreiben. Es folgten lange Jahre eine ungesicherte Existenz für Schiller. Deutschland war zu Lebzeiten Schillers immer noch in hunderte kleine souveräne Teile zersplittert, Herzöge hatten die Macht über ihre Bürger und nahmen sich nur allzu oft ein Beispiel an der absolutistischen Herrschaft des so genannten Sonnenkönigs Ludwig XIV in Frankreich. Selbstverständlich regte sich Unmut im aufstrebenden Bürgertum, aber, wie man auch an Schillers Beispiel sieht, war es auch bekannten und beliebten Schriftstellern und Dramatikern oft kaum möglich Kritik zu üben. Als Schiller Don Karlos schrieb, erlebte die Welt zwei Revolutionen. In Nordamerika kämpfen die amerikanischen Kolonisten gegen das British Empire. Es ging um Freiheit, Gleichheit und Selbstbestimmung. Mit der Ablösung von der herrschenden Obrigkeit wurde erstmals 1776 ein Katalog an Grundrechten vorgestellt. 1787 trat dann in der Welt eine Verfassung in Kraft, in der die Grundsätze von Demokratie festgehalten wurden und in der es keine monarchischen und aristokratischen Elemente gab. Dann kam die französische Revolution 1789. Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit. Etwas Neues und Großes passierte und Schiller blieb davon nicht unberührt, auch wenn die Hinrichtung des französische Königs 1793 für ihn zu radikal war. Er 7 zog sich aus dem politischen Geschehen zurück und stellte für sich klar, dass die Prinzipien, die die Welt letztendlich ordnen würden, die Kunst und die Schönheit seien. Es scheint, dass ein Friedrich der “Große” von Preußen und der österreichische König Joseph II. beeindruckt haben, denn diese beiden Regenten lenkten ihre Länder unter der Vorstellung, dass sie die ersten Diener des Staates seien. Denn Marquis von Posa plädiert ja genau dafür, nicht für einen absoluten Umsturz der Monarchie, sondern für neue Ideen und Freiheiten in der Monarchie. So sagt er doch: “Geben sie, was sie uns nahmen, wieder! Lassen sie […] Menschenglück aus ihrem Füllhorn strömenGeister reifen/ Werden sie von Millionen Königen ein König. Gehen sie Europens Königen voran. Ein Federzug von ihrer Hand, und neu erschaffen wird die Erde. Geben sie Gedankenfreiheit.” Schillers Don Karlos enthält somit durchaus viele politische Elemente und Ideen aus seiner Zeit, die sich vor allem in der Figur des Marquis Posa äußern. Der Marquis von Posa, der in Schillers Hauptquelle “Histoire de Dom Carlos, fils de Philippe II”, eine romanhafte und erfundene Darstellung der Liebe zwischen Elisabeth und Karlos, von Abbe de Saint-Real (1672) geschrieben, auftaucht, ist die einzige nicht historische Figur des Stückes. In dem Roman wird er als Günstling des Prinzen dargestellt, der vom König auf Grund dieser Tatsachen umgebracht wird. Der Marquis in all seinen Charaktereigenschaften ist nur in Schillers Fantasie entstanden. Die anderen Personen sind historisch belegt. Don Karlos entstammt einer “Inzuchtehe“, denn sein Vater heiratete seine Cousine, die kurz nach der Geburt von Karlos starb. Diese Tatsache führt dazu, dass manche Historiker, den belegten Wahnsinn des historischen Karlos auf diese Ehe zurückführen. Auch in der Historie war der Vater wohl nie für seinen Sohn da, wobei man auch sagen muss, dass ein Prinz für seinen Vater zugleich Nachfolger und Erzfeind war, denn viele Prinzen stürzten ihre Väter, um an deren Macht zu gelangen. Diese Angst wird wohl auch Philipp sein Leben lang begleitet haben; der Hass, den sich Vater und Sohn entgegen brachten, war noch viel stärker, als Schiller es darstellt. Durch den offensichtlichen Wahnsinn und die Gewalttätigkeit seines Sohnes, erließ Philipp 1568 sogar den Befehl, das über Karlos am Hof nicht mehr gesprochen werden durfte. Schiller hat im Stück ein idealeres Bild des Prinzen gezeichnet, der letztendlich von seinem Vater als Sicherheitsrisiko ersten Ranges ins Gefängnis gesperrt wurde, wo er mit 23 Jahren starb. Für die Feindseligkeiten zwischen Vater und Sohn fand Schiller einen anderen Grund als Gewalttätigkeit und Wahnsinn - nämlich die Liebe, was historisch auch belegt ist. Karlos sollte mit der damals 15jährigen Elisabeth von Valois verheiratet werden. Sein Vater aber nahm, aus politischen Gründen, und da seine zweite Ehefrau Maria von England gestorben war, die Möglichkeit einer dritten, jungen Frau wohl nur zu gerne wahr. Auch die Aufstände der protestantischen Niederlande sind historisch belegt. Der Vater König Philipps mahnte seinen Sohn vor seinem Tod hart gegen Protestanten vorzugehen, Spanien war schließlich die stärkste katholische Macht in Europa und sollte es auch bleiben. 1568 verurteilte Philipp alle Niederländer, da Protestanten, zum Tode, was zu heftigen, blutigen Auseinandersetzungen führte, die mit der Unabhängigkeit der Niederlande endeten. Die Hintergründe des Stückes verführen dazu, in geschichtlichen Daten und 8 Ereignissen zu recherchieren, da selbst kleine Rollen, wie der Graf von Lerma, ein historisches Vorbild haben und in diesem Stück viel von den weltpolitischen Geschehnissen dieser Zeit verarbeitet sind. 9 Die Regisseurin Don Karlos liebt! An dem Stück Don Karlos hat mich vor allem die eingezwängte Situation der Figuren am Spanischen Hof interessiert. Sie können sich nie frei bewegen, weil immer die Etikette und das Protokoll eingehalten werden müssen. Das spanische Hofzeremoniell war – und ist es bis heute noch – eines der strengsten der europäischen Königshäuser und König Philip war ein großer Verfechter dieses Protokolls. Diese gefängnisartige Situation habe ich versucht mit einer abstrakten Körperlichkeit der einzelnen Figuren noch verstärkt darzustellen. Mit den Schauspielern zusammen haben wir nach Körperlichkeiten gesucht, die auf den ersten Blick unnatürlich und abstrakt wirken, mit denen aber die Situation der Figuren am Hof verschärft ausgedrückt werden sollte. Diesem Ensemble von abstrakten Figuren hab ich den Marquis von Posa gegenübergestellt, der diese abstrakte Ebene nicht hat und somit mehr über die Sprache wirkt, die gerade bei ihm besonders im Vordergrund steht. Er soll die Natürlichkeit und Menschlichkeit ausstrahlen, die für seine neue Form der Politik steht. Auch hat mich die Kommunikation an diesem Hof interessiert. Wann redet jemand, mit wem redet er, mit wem darf man reden, warum redet man nicht und warum sagt man nicht immer die Wahrheit. Dieser gestörten Kommunikation sind wir im Probenprozess auf die Spur gegangen. Wir haben diesen Punkt sehr genau unter die Lupe genommen und versucht heraus zu finden wie die Kommunikationsstruktur die Figuren in den einzelnen Szenen auszeichnet. Auch die Situation, dass keiner offen reden darf und jederzeit belauscht werden kann haben wir vor allem mit den Wänden aus Folienbahnen versucht zu verschärfen. Es liegt ein ungeheurer Druck auf jeder Szene, die kennzeichnend für die höfische Situation unter der Macht von König Philipp ist. Des Weiteren hat mich vor allem die Figur des Don Karlos interessiert. Der Kronprinz, der durch den Liebeskummer zu Beginn des Stücks absolut außer Gefecht gesetzt und durch die Ankunft seines Jugendfreundes Marquis von Posa aus diesem Kummer wach gerüttelt wird, soll mit ihm nach Flandern kommen. In Flandern soll er unter dem Deckmantel der spanischen Krone die Demokratie voran treiben. Doch dazu ist er im Moment nicht in der Lage, da er seine Stiefmutter liebt und weiterhin Hoffnungen auf ein Liebesglück mit ihr hegt. Ich habe versucht mit einer sehr engen Form, die einengende Situation am Spanischen Hof darzustellen und mit der Figur des Marquis von Posa, die sich dem strengen Hofprotokoll nicht unterwirft, ein bisschen Luft in das ganze rein zu bringen. (Mia Constantine) 10 Über MARQUIS VON POSA Die Figur des Marquis von Posa, die keine historische, sondern eine freie Erfindung von Schiller ist, beruht vor allem auf Schillers Affinität zu den Idealen der Französischen Revolution. Die Freiheit des Denkens und Handelns, Gleichheit, Brüderlichkeit und die Würde des Menschen sind Schlagworte, die der Marquis in Flandern kennen gelernt hat und die sein leidenschaftliches Handeln motivieren und beeinflussen. Insofern bringt der Marquis eine neue und ungeahnte Komponente an den von Etikette eingeschlossenen Hof, an dem ausschließlich Macht, Habgier und Intrigen das Tagesgeschehen bestimmen. Der beste Freund des Don Karlos zeigt sich auf den zweiten Blick jedoch auch kalkulierend, manipulierend, eigenmächtig und sturköpfig, womit Schiller einen vieldeutigen Charakter angelegt hat. Um seine Ziele und Ideale zu erreichen, geht der Marquis von Posa auch unmoralische Wege und achtet z.B. für einen Moment nicht die Freiheit von Don Karlos, als er ihn einsperren lässt, aus Angst, Karlos infantile Impulsivität könne des Marquis Pläne zerreißen. Auch ist ihm das Leben der Prinzessin von Eboli nichts wert, als er bemerkt, wie sie Karlos manipuliert und somit auch die Absichten des Marquis gefährdet. Dem König gegenüber verhält er sich ebenfalls mephistophelisch und wickelt den Herrscher mit rhetorisch ausgefeilten Reden um den Finger. Fast unbemerkt erhält der Marquis somit immer mehr Rechte am spanischen Hof, die ihn zwar einerseits näher an sein Hauptziel, mit Karlos die flandrische Revolution zu untermauern, bringen, ihn aber andererseits auch in eine moralische Zwickmühle drängen und ihm mehrere, teils ungewollte Rollen aufzwingen. So ist er denn Freund von Karlos, Berater des Königs, Feind der Intriganten und immer noch erbarmungsloser Idealist, der sein revolutionäres Ziel bis in den Opfertod hinein nicht aus dem Fokus verliert. Aus diesem Zwiespalt heraus, zettelt der Marquis gegen Ende des Stückes einige Verwirrung stiftende Manöver an, die er erst kurz vor seinem Tod aufklärt. Dadurch gefährdet er das unerschütterliche Vertrauen des Don Karlos, was dieser zu Beginn in ihn setzte. Letztendlich macht er den Weg nach Flandern für Karlos jedoch allein frei; indem er den Verdacht, Karlos sei in die Königin verliebt, auf sich selbst lenkt und somit auch den Unmut des Königs auf sich zieht, der sogleich den Mord am Marquis anordnet. Das Ideal des Marquis scheint also mit seiner Aufopferung zur Durchführung bereit – die Einsicht, dass das „Leben (…) doch schön“ sei, kommt trotzdem zu spät. 11 Rolle und Körperlichkeit Sicht und Erfahrungen der Schauspieler König Philipp: Zur Figur Ich bin Philipp II., König, eingesetzt von Gottes Gnaden. Ich heiße der reichste Mann in der getauften Welt; die Sonne geht in meinen Staaten nicht unter. Die schönste und tugendhafteste Königin gehört mir und meine Macht ist grenzenlos, denn ich besitze eine unschlagbare Armee. Doch etwas ist faul im spanischen Staate. Mein Sohn ist irgendwie nicht von dieser Welt. Ich fürchte fast, dass er wahnsinnig ist, er kriegt nichts auf die Reihe und ist gewiss nicht das, was man sich als Nachfolger wünscht. Auch meine Königin verhält sich merkwürdig. Manchmal sind ihre melancholischen Phasen dergestalt, dass ich fast schon an ihrer Liebe zweifeln könnte. Meine wichtigsten Berater Herzog Alba und Pater Domingo triefen beide vor Machtgier. Sie leisten gute Dienste, doch ist ihre Loyalität nicht über jeden Zweifel erhaben. Ich muss Vorsicht walten lassen. Zur Körperlichkeit Meine Grundhaltung am Hofe ist ziemlich verkrampft. Ich bin immer aufgerichtet und bewege mich ruhig. Dies soll meinen Status symbolisieren. Die zwei Finger auf dem Herzen und die Hand auf dem Rücken kommen dann zum Einsatz, wenn sich der König zusammennehmen muss oder Befehle erteilt. Es ist eine Art Regierungshaltung. Wenn der König fröhlich gestimmt ist, drehen sich die Hände in geführten Flamencoschlenkern. Im Verlauf des Stückes bricht meine Figur dieses Muster zunehmend, durch Ausbrüche aller Art. Der Wille, zu seiner offiziellen Form zurückzufinden, bleibt; kann jedoch in gewissen Momenten nicht gewahrt werden. Diese vorgefertigte körperliche Form scheint im ersten Moment unnatürlich, doch diese Art von Maske trägt fast jeder von uns. Der eine mehr, der andere weniger. Ausdrücke wie, die Haltung bewahren, tragen - losgelöst vom militärischen Sinne - eine tiefe Wahrheit. Wenn du in unserer Welt eine gewisse Form nicht halten kannst, also letztlich durchgehend ungefiltert ehrlich reagierst, wirst du nicht mehr ernst genommen oder gar als verrückt erklärt. Doch wie weit ist diese Form nötig um zu funktionieren und wo engt sie nur ein und unterdrückt die Persönlichkeit? Das ist eine Frage, die wir uns spätestens nach diesem Stück stellen sollten. (Simon Fleischhacker) 12 Königin Elisabeth: Königin Elisabeth von Spanien, ehemals Prinzessin von Frankreich. Sie verkörpert Wahrheit und Gerechtigkeit. Königin Elisabeth, eingeengt von der Etikette und den Ansichten des Königshofs, schafft ihre eigene Welt. Ich habe der Figur die Grundhaltung “Das Streben nach Freiheit“ gegeben, die im Konflikt zu der Haltung des Königshofes steht. Sie kann sich dem allerdings nicht widersetzen und akzeptiert ihre Rolle als Königin. Des Weiteren weiß sie, dass die Liebe zwischen ihr und dem Prinzen unmöglich geworden ist. Sie erträgt die Enge nicht und flüchtet in ihre eigene Welt, hier zeigt sich eine weitere Grundhaltung „Resignation“, da sie aber ihren moralischen Prinzipien treu bleibt, ist sie dennoch stark. Um aber ihren Schmerz zu zeigen, habe ich zunächst einen Menschen gebaut, der in Harmonie leben will, sich nach Freiheit sehnt, dies aber nicht ausleben darf. Ich habe den Schwerpunkt auf die Arme gelegt. Arme die nach etwas greifen wollen, was weit weg und unmöglich scheint. Sie benutzt ihre Arme um ihre Gefühle Karlos gegenüber zu unterdrücken und sich zu schützen vor der Außenwelt. Die Königin kennzeichnet weiche Bewegung, Bewegung die von Schmerz, Sehnsucht und Gefühlen geleitet werden. Die Arme bewegen sich vertikal, manchmal wie eine Blume die blüht, manchmal wie eine Tür, die sich schließt. Die Arme sind Ausdruck für ihre Emotionen, Stimmungen und Haltungen. Da das Regiekonzept ins „Abstrakte“ führt, haben wir durch Improvisationen, Bewegungsmuster für die jeweiligen Figuren gesucht. Gleich hatte ich bei meinem Stichwort „Freiheit“ mehrere Assoziationen. Die Arme wollten von alleine in Bewegung gesetzt werden. Durch die Enge und den Druck, die auf der Königin lasten, musste ich einen Ausgleich finden. So war es für mich sehr organisch die Arme einzusetzen und ihnen den Ausdruck der Freiheit, Harmonie und Gerechtigkeit zu geben. Probleme kamen mit der Zeit zum Vorschein: Damit die Figur mehr Farbe bekommt, musste ich die Arme bestimmten Situationen und Gefühlen anpassen, was mir sehr schwer fiel, da sich meine Arme immer nach dem Schema bewegten, wie ich es mir angewöhnt hatte. (Alma Gashi) 13 Don Karlos: Don Karlos ist der Kronprinz von Spanien, der einzige Sohn von König Philipp. Doch als Vater hat Karlos den Monarchen nie erlebt. Er kennt ihn nur, als denjenigen, der ihn für seine Vergehen bestraft und ihm seine große Liebe raubte. Karlos ist verliebt in die Königin Elisabeth, seine Stiefmutter. Die Liebe zu ihr treibt ihn an und gibt ihm Kraft, ist aber auch gleichzeitig das, was ihn verzweifeln lässt. Er ist gefangen in dieser Welt, der hoffnungslosen Liebe und der Missachtung seines Vaters. Hoffnung auf seine Liebe sieht Karlos in seinem Jugendfreund Marquis von Posa, der ihm ermöglicht mit Elisabeth zu sprechen und dadurch Karlos, im ersten Moment, aus seiner Verzweiflung befreit. Zur Körperlichkeit Karlos stampft mit seinem Fuß auf den Boden. Diese Bewegung habe ich gewählt, um die kindliche Trotzigkeit von Karlos zum Ausdruck zu bringen. Mit diesem Stampfen möchte Karlos Aufmerksamkeit, ebenso ist es Ausdruck seiner Wut. (Philip Blom) Marquis von Posa: Marquis von Posa ist ein junger Rebell. Er kommt direkt aus Flandern und den Niederlanden nach Spanien, um seinen alten Freund Don Karlos dazu zu bewegen mit ihm nach Flandern zu kommen, um dort die Rebellen zu unterstützen. Seine Methoden sind nicht immer ganz nachvollziehbar. Er agiert sehr zielstrebig und bedacht. Beim Erarbeiten des Charakters bin ich des Öfteren auf Schwierigkeiten gestoßen, da mir selbst nach mehrmaligem Lesen der Charakter nicht ganz klar geworden ist. Das ergibt, zum einen, die Schwierigkeit sich auf nichts beziehen zu können, zum anderen, die tolle Möglichkeit alles selbst zu erfinden. Die Regisseurin und ich haben den Marquis von Anfang an anders gesehen, als die Personen des Hofes. Er kommt von außerhalb und will mit den Strukturen am Hof nichts zu tun haben. Deshalb hat er auch keine körperlichen Abläufe. Er ist einfach er und bewegt sich auch so. Die Körperlichkeit, die wir ihm gegeben haben, beruht auf seiner inneren Haltung. Er will verändern und steht deshalb immer unter einer gewissen Anspannung, die er aber nicht immer zeigt. (Henry Braun) 14 Prinzessin von Eboli Zur Figur Die Prinzessin von Eboli ist an den Hof des König Phillip gekommen und genießt nach der Königin den höchsten Rang unter den Frauen. Diese Tatsache ist von großer Bedeutung für sie, denn sie ist sehr stolz, liebt es bewundert zu werden und strebt stets nach Ansehen. Kurz: Sie gibt sich mit nichts Geringerem zufrieden, als mit dem, was für sie selbst ideal ist. Das erklärt vielleicht auch ihre Abscheu gegenüber der absehbaren Heirat mit dem Grafen von Silva, Ruy Gomez. Viel mehr aber ihre Liebe zu Don Karlos. Denn für den Prinzen hegt sie warme, ehrliche Gefühle. In diesem verletzlichen Kern der Figur schlummern große leidenschaftliche Emotionen. Und durch die tiefe Verletzung, die sie im zweiten Akt erfährt, wird sie schließlich von eben diesen starken Emotionen getrieben und wandelt sich von der liebenden Fürstin zur hassenden Rivalin, die einen gefährlichen Racheplan schmiedet, der Don Karlos und Königin Elisabeth zu Grunde richten soll und bei dem die eigene Tugend keine Rolle mehr spielt. Zur Körperlichkeit Die Grundlage für die Körperlichkeit der Prinzessin von Eboli, ist eine konsequente und betont starre Aufrichtung, fast schon eine Steifheit, des ganzen Körpers. Diese Haltung drückt einerseits das allgemeine Problem aller Figuren aus: Zwang, Unfreiheit und das ständige Eingeengtsein durch die höfische Etikette. Andererseits zeigt es ihren Stolz und daher empfindet die Figur selbst diese Haltung als durchaus richtig und angenehm. Für den Ausdruck der individuellen Verfassung meiner Figur, liegt der Fokus bei mir zusätzlich auf Armen und Händen, bzw. Fingern. Ich bewege sie mit der Vorstellung die Arme seien zwei Schlangen, meine Hände deren Köpfe und die Finger ganz plötzlich die Zungen, die unerwartet heraus schnellen und zischen. Ich bewege sie wie losgelöst und unabhängig von meinem Körper, was das Gefühl unterstützt, die Schlangen seien Wirklichkeit und besäßen einen eigenen Willen. Natürlich aber vom Willen der Figur beherrscht, gehorchen und agieren die „Schlangenarme“ die meiste Zeit als Komplizen der Eboli. Sie haben in erster Linie beschützende Funktion und verteidigen den sensiblen, weichen Kern, den die Figur versteckt, in dem sie Härte, Schärfe und Bosheit nach außen zeigen. Sie sind misstrauische Beobachter, vielleicht sogar eine Gefahr und können ihr eine bedrohliche Wirkung geben. Ich kann, mit Hilfe verschiedener technischer Mittel, jede beliebige Absicht und Emotion der Eboli in meine Arme übertragen. Ist sie ängstlich, bewegen sich die Schlangen schnell und unkoordiniert. Will sie Don Karlos verführen, malen ihre Arme geschmeidige Kurven. Bis dahin, dass sie die Gewalt über sich selbst verliert, die Schlangen nun sie steuern und sie bedrohlich umschlingen. Wenn die Figur sich hingegen so sicher fühlt, dass sie sich öffnen kann, dann lösen sich die Schlangenarme auf, denn das zerbrechliche Innere bedarf keines Schutzes mehr. Dann ist die Figur privat. 15 Erfahrungen/Schwierigkeiten mit der Arbeit Zu Beginn der Arbeit, hatte ich große Schwierigkeiten mit der abstrakten, in dieser Form für mich neuen Spielweise. Wo hört realistisches Spiel auf? Wo beginnt Abstraktes? Was ist eine abstrakte Bewegung/ Körperlichkeit? Wie etwas steigern, was schon extrem erscheint? Wie schaffe ich es, das Innere meiner Figur durch abstrakte Schemen, die das Publikum versteht, nach außen zu kehren? Vor allem aber, wie ist meine schauspielerische Herangehensweise? Diese Grenzen auszumachen und auszuloten, für mich dabei einen eigenen Weg zu finden, die gegebene Form zu bewältigen, stellte sich schon früh als ein größeres Problem heraus. Sehr schnell war mir die grundlegende steife Aufrichtung klar, an der sich bis jetzt nicht viel geändert hat. Aber eine sehr gerade Haltung hat schnell ihr Extrem erreicht, ist aber noch nicht besonders abstrakt. Immer wieder neue Bewegungsmuster und -abläufe und weiteres ausprobieren, zum Beispiel die Möglichkeiten beim Isolieren einzelner Körperpartien, brachten mich nicht wirklich weiter. Bis mir plötzlich das Bild der Schlange kam. Dieses Tier fand ich sehr passend für meine Rolle. Ich suchte Wege es in meine bereits gefundene Grundkörperlichkeit einzubauen. Alles weitere konnte ich durch Überlegungen und natürlich weiteres Ausprobieren herausfinden, und so für die Körperlichkeit ein zunehmend größeres Spektrum an Möglichkeiten zum abstrakten Ausdruck für die Figur, entwickeln. (Annegret Taube) Graf von Lerma Die wichtigste Eigenschaft des Grafen von Lerma ist seine Loyalität gegenüber König Philipp und Don Karlos. Graf von Lerma ist der Oberst der Leibgarde des Königs und somit für dessen Wohl zuständig. Don Karlos betrachtet er als den König seiner Kinder und dadurch ist er auch um dessen Wohl besorgt. Seine Loyalität macht ihn zu einem unwissenden Mitgestalter der Intrige, da er das Misstrauen gegen Marquis Posa sät. Zur Körperlichkeit Die Körperlichkeit fand ich, über den Versuch einen Begriff zur Rolle, wie z.B. „Zwänge“ oder „Loyalität“ in eine abstrakte Form zu bringen. Außerdem haben das Ausprobieren, von verschiedenen Bewegungsabfolgen und das Suchen nach dem Gefühl, bei dem die Bewegungen zur Rolle passen, dann zur Endversion geführt. (Lukas Ruben Eickholl) 16 Herzogin von Olivarez Pflicht und Ordnung sind bei ihr ganz groß geschrieben. Irgendjemand muss sich ja darum kümmern, dass Sitte und Etikette stets gewahrt werden. Da das an diesem Hof nicht immer der Fall ist, muss die Herzogin bei Zeiten auch mal hart durchgreifen. Vor allem die eigenwillige Königin bekommt das des Öfteren zu spüren und wird, wie auch die Prinzessin Eboli, mit der nötigen Höflichkeit und dem Ton, der einer Adeligen gebührt, zu Sitte und Ordnung aufgefordert. Wenn auch noch die Pagin, die letzte im Bund der Frauen, zur Zufriedenheit der Herzogin funktioniert, ist wirklich alles in bester Ordnung. Das Bewegungsmuster der Herzogin von Olivarez besteht aus klaren Linien und sorgfältig ausgewählten Wegen, die einer gewissen Ordnung entsprechen. Keine weichen Bewegungen, sondern alles eckig und kantig, eben streng. Während des Ganges hebt sich ein Bein und erinnert an den Stechschritts eines Soldaten im Dienst, denn selbst im Garten, dem Rückzugort der Frauen, hat die Herzogin die Rolle der Aufpasserin inne. Die ständige Kontrolle durch die Herzogin drückt sich in Blicken aus, die fast unaufhörlich über die Runde der Damen schweift. Ist dann tatsächlich alles zu ihrer Zufriedenheit wird schon mal ein übergroßes "Häckchen" gemacht. (Eva Koch) Domingo Domingo ist der Beichtvater am spanischen Hofe. Er ist die höchste geistliche Instanz im Königreich und von Rom gesandt. Domingo weiß, durch die Beichten, der am Hofe lebenden Herren und Damen, gut über sie und ihrer Geheimnisse Bescheid. Er weiß, sein Wissen für seine Zwecke zu nutzen und intrigiert, wenn es ihm nutzt. Durch eine intensive Beschäftigung mit dem Text von Don Karlos und verschiedenen Improvisationen entstand folgende Haltung der Figur: Eine gerade Körperhaltung. Beim Gang ein leichtes Mitschwingen der Oberkörpers. Schnelle Drehungen mit dem gesamten Körper. Scharfe starre beobachtende Augen. Ein manchmal leicht schräg nach hinten geneigter Kopf. Die Arme sind angewinkelt am Körper und die Finger sind zu einer Art Krallen verkrampft. Die klaren, starren Augen und die schnellen Drehungen mit dem Körper, zeigen die Beobachtungsgabe und die Intelligenz des Beichtvaters. Sein leicht schräg nach hinten liegender Kopf zeigt eine gewisse SelbstHerrlichkeit und Überschätzung. (Marcus Prinzen) 17 Herzog von Alba Herzog von Alba, Befehlshaber des spanischen Militärs und Vertrauter des Königs, nimmt die Rolle des Intriganten am Hofe ein. Im Zusammenspiel mit dem Beichtvater Domingo und der Prinzessin Eboli spinnt er eine folgenschwere Intrige gegen den Infanten Don Karlos. Alba kämpft für die Erhaltung seiner Rolle im menschenverachtenden Regime und unterstützt damit die höfischen Machthaber. Seine Feinde am Hofe sind der Infant Don Carlos und vor allem der neu dazu gestoßene Marquis von Posa, der für Albas Interessen eine ernstzunehmende Gefahr darstellt. Zur Körperlichkeit Er ist der Oberbefehlshaber der Armee und direkt dem König untergeordnet. Er ist ein Herzog und hat Dank seiner Verdienste auf militärischer Seite hohes Ansehen bei seinen Mitmenschen. Er besitzt eine sehr enge Form, was zur Etikette am Hof gehört. Durch seinen militärischen Hintergrund habe ich versucht, die Korrektheit und das Steife des Militärs in die Körperlichkeit zu bringen. Er besitzt sehr klare Linien und Konturen. Auf der anderen Seite ist er der Intrigant des Hofes. Nun musste ich eine Körperlichkeit finden, die eben diesen Teil seines Seins verdeutlicht. Da bin ich während des Arbeitsprozess auf eine interessante Entdeckung gestoßen. Die Etikette, die der Herzog darstellt, war nicht, wie ich anfangs dachte, sein wahres Ich, sondern seine intrigante Seite. Deshalb war es umso wichtiger, die andere Körperlichkeit auszuarbeiten und Brüche zwischen den zwei jeweiligen Körperlichkeiten einzubauen. Zu dieser Seite kann ich nur sagen, dass sie sich dementsprechend sehr extrem von der Etikette unterscheidet. Statt Linien und Konturen und sehr akkuraten Bewegungen habe ich nach weichen, ja fast tänzerischen Bewegungen gesucht. Es sollte den Spaß und die Freude an Intrigen versinnbildlichen (eine besondere Leichtigkeit im Gegensatz zu der Schwere der Etikette). (Aron Keleta) Hofdame Zu Beginn hatte ich ziemliche Schwierigkeiten eine körperliche Ausdrucksform für die Hofdame zu finden. Es gibt kaum Informationen zu ihr und so musste ich mir zunächst einmal selber eine Hintergrundgeschichte, eine Persönlichkeit und ihr größtes Bestreben ausdenken. Sie ist in der Hierarchie des Hofes die Letzte und muss immer gehorchen, das führte mich zunächst in eine Sackgasse. Ich lief auf Zehenspitzen, um ihre Unsicherheit darzustellen. Sie stand ständig unter großer Anspannung und verhielt sich sehr unterwürfig. Da mir aber nicht komplett klar war, was ihr Bestreben am Hofe ist, wirkte dies oft seltsam und war nicht gefüllt. Durch diese Unsicherheit wirkte die Figur sehr privat. Eine Woche vor der öffentlichen Probe im Januar, warf ich meine 18 Körperlichkeit noch einmal um. Mit Hilfe der Tänzerin und Dozentin Heidi Schnirch, entwickelte ich eine Körperhaltung, die zugleich gerade und trotzdem weich in der Bewegung war und somit auch ihre menschliche Seite zeigte. So hält sich die Hofdame aufrecht, läuft in geraden Strecken und wenn sie um eine Kurve geht, führt ihr Knie die Bewegung an. Da es ihr größtes Bestreben ist, immer besser zu werden, um am Hof aufzusteigen, beobachtet sie sehr viel, läuft deshalb langsam, um alles mitzubekommen und ahmt die Bewegungen der Frauen am Hofe, hauptsächlich die der Eboli und Olivarez, nach. (Katharina Binder) 19 Spielerische Vor- und Nachbereitung Warm - Up / Aufwärmspiele Ziele dieser Übungen: Aufwärmen des Körpers (Vorbeugung von Verletzungen) Ankommen im Raum Zusammenführen der Gruppe (Gruppendynamik) Gelenktanz (mit oder ohne Musik) - Alle Spieler verteilen sich im Raum. - Die Spieler bewegen (zu der Musik) zuerst nur die Füße, der Rest des Körpers bewegt sich nicht. - Zu den Füßen kommen nun die Knie dazu - Nacheinander setzen dann das Becken/Hüfte, die Finger, die Hände, die Arme und dann der Oberkörper ein. - Als letztes kommt der Kopf dazu. - Es bewegt sich nun der ganze Körper, die Bewegungen sind fließend und abstrakt. - Es kommt darauf an, dass sich die Teilnehmer permanent bewegen, der Fokus liegt dabei auf den genannten Körperteilen. - Die Spieler dürfen sich dabei durch den ganzen Raum bewegen. - Die Spieler gehen in der Bewegung zu zweit zusammen - Spieler A bewegt sich, Spieler B schaut zu und setzt sofort wieder ein, wenn Spieler A aufhört , er reagiert auf dessen Bewegungen - Es entsteht Kommunikation 20 Konzentrations-Übungen Ziele dieser Übungen: Aufmerksamkeit (Konzentration) aufbauen Kopf frei machen Arbeitsatmosphäre schaffen Standzentrierung Ziele dieser Übung: − Bei sich ankommen − Zur Ruhe kommen − Konzentration − Diese Übung wird Schritt für Schritt vom Spielleiter angeleitet − Die Spieler stehen, die Füße hüftbreit und parallel zueinander im Kreis (Überprüfung: wenn man in die Knie geht und diese dann genau über den großen Zehen sind, ist die Fußstellung richtig) − Die Knie sind durchlässig, das heißt, nicht durchgedrückt sondern locker. Dennoch sollte der Stand stabil sein − Das Becken zieht schwer nach unten (Kontrolle: Vor und Zurückkippen um den Schwerpunkt zu spüren) − Der Oberkörper ist aufgerichtet, die Arme hängen schwer und entspannt zu den Seiten herab − Nun stellen die Spieler sich vor, an ihrem Scheitelmittelpunkt ist ein unsichtbarer Faden befestigt, welcher den Kopf aufrichtet, das heißt nach oben zieht (Der Faden kann in der Vorstellung an der Decke festgeknotet werden) − Die Spieler schließen die Augen und spüren, wie sich ihre Füße mit dem Boden verwurzeln. Kein Wind kann sie mehr umwerfen − Mit jedem Ausatmen schicken sie mehr von ihrem (gefühlten) Gewicht durch die Beine in den Boden (darauf achten, dass die Aufrichtung des Körpers bleibt) − Nun verlagern sie das Gewicht ihres Oberkörpers (Füße bleiben fest verwurzelt) einen Millimeter nach vorn, nach ein paar Sekunden wieder in die Mitte zurück − Dann verlagern sie den Oberkörper einen Millimeter nach hinten, nach ein paar Sekunden wieder in die Mitte zurück − Und das Gleiche dann auch nach rechts und links − Wieder in der Mitte angekommen, geben sie mit der nächsten Ausatmung noch einmal alles Gewicht in den Boden ab − Nachspüren und in dieser Konzentration langsam die Augen öffnen 21 YOU-Kreis - Alle Spieler stehen im Kreis - Der Spielleiter beginnt, sagt "You" und gibt gleichzeitig das „You“ durch Blickkontakt und einer klaren Zeigebewegung (ein Ausstrecken des Armes und dabei leicht in die Knie gehen) zu einem im Kreis stehenden Spieler weiter - Hat ein Spieler das "You" einmal gehabt, so legt er sich die Hand auf den Kopf, damit jeder weiß, dass dieser Spieler schon dran war - So wird die erste Reihenfolge festgelegt, in der jeder Spieler einmal das "You" bekommt - Der Letzte gibt das „You“ wieder an den Spielleiter zurück und die Hand kann nun wieder vom Kopf genommen werden - Es sollte diese "You-Reihenfolge" einige Runden wiederholt werden, in denen die Geschwindigkeit immer schneller wird - Nach dem gleichen Prinzip wird eine neue, zweite Reihenfolge festgelegt, in der jeder Spieler z. Bsp. eine Stadt nennt (wichtig: es sollten nicht dieselben Personen wie in der ersten Reihenfolge hintereinander sein und keine Wiederholung eines Städtenamens erfolgen!) - Auch diese zweite „Stadt-Reihenfolge“ sollte einige Runden durchlaufen, bis sie schnell weitergegeben werden kann - Dann gibt der Spielleiter beide Reihenfolgen kurz nacheinander in den Kreis, so dass beide gleichzeitig durchlaufen - Funktioniert dies ganz gut, kann man auf die selbe Vorgehensweise eine dritte Reihenfolge z. Bsp. mit Tieren oder Obst dazu nehmen - Wichtig: Ist ein Spieler nicht aufmerksam, sollte das Kommando nicht ständig wiederholt und das Spiel damit abgebrochen werden, sondern diese Reihenfolge geht dann einfach verloren und wird vom Spielleiter neu eingesetzt Gemeinsames Klatschen - Alle Spieler stehen im Kreis - Der Spielleiter sucht sich per Blickkontakt jemanden aus, dem er zuklatschen möchte - Der ausgewählte Spieler und der Spielleiter müssen gemeinsam klatschen - Nun sucht sich der Spieler einen neuen Klatschpartner und so weiter - Man sollte darauf bestehen, dass die beiden Personen, die an der Reihe sind, wirklich gemeinsam und nicht versetzt klatschen - Während der ganzen Übung darf nicht gesprochen werden 22 Wahrnehmungs- und Vertrauens Übungen Ziele dieser Übungen: neues erfahren/kennen lernen der Umgebung bzw. Mitspieler aufeinander einlassen Führen und Folgen - Es werden zweier Paare gebildet und ausgemacht wer A und wer B ist - A legt die Unterseite seines Zeigefingers auf die Unterseite des Zeigefingers von B. - Die beiden Finger dürfen nicht miteinander verhakt werden. - B schließt die Augen - A führt B durch den Raum. - A lässt B Gegenstände und den Raum ertasten. - Dann werden die Rollen getauscht. - Es sollte während der ganzen Übung nicht gesprochen werden - Anschließend bietet sich eine Reflektion mit der Gruppe an. Hände wieder finden - Es werden zweier Paare gebildet und ausgemacht wer A und wer B ist - Beide schließen die Augen und ertasten die Hände des anderen - Man sollte sich genügend Zeit nehmen, um sich die Merkmale der Hand gut einzuprägen - Anschließend öffnet A die Augen (B lässt sie weiterhin geschlossen) und stellt sich an einen anderen Platz im Raum - B muss nun versuchen seinen Partner wieder zu finden - Haben sich A und B gefunden, halten sie sich solange an den Händen, bis alle Paare wieder vereint sind 23 Zur Vor- und/oder Nachbereitung Höfische Etikette - Alle Spieler laufen durch den Raum, so, wie sie immer laufen - Der Spielleiter klatscht und alle bleiben genau in ihrer jetzigen Position stehen; sie frieren ein - Alle laufen weiter, wenn der Spielleiter erneut klatscht - Die Spieler dürfen ausprobieren, wie man an einem Königshof läuft, je nach ausgewählter Position (König, Hofdame usw.) - Der Spielleiter kann nach Belieben verschiedene Situationen am Hofe erfinden, in denen die Spieler in ihrer entsprechenden Position reagieren müssen: − begegnet und begrüßt eich − der König hat zum Hofball geladen usw. - Zwischendurch kann der Spielleiter immer wieder klatschen und die Spieler müssen einfrieren oder ein Standbild zur gegebenen Situation am Hofe finden Statuenbau - Die Gruppe wird aufgeteilt - Es gibt einen Statuenbauer, der Rest der Gruppe sind Statuen - Der Statuenbauer baut eine ausgewählte Szene nach, in dem er mit den restlichen Personen ein Standbild erzeugt, dass den Inhalt der Szene widerspiegelt - Der Statuenbauer muss sehr vorsichtig mit seinem Material umgehen, damit sich niemand verletzt - Wenn das Standbild fertig ist, können, wenn nötig, die Zuschauer korrigieren, wenn sie glauben, dass dadurch die Szene noch deutlicher wird - Sobald das Standbild fertig ist, klatscht der Statuenbauer und das Standbild wird zum Leben erweckt - Die Statuen dürfen, ohne dass sie sich an original Text halten, oder alles genau wissen, die Szene improvisieren - Eventuell muss man zwischendurch nochmal unterbrechen, um kurz Situation und Rolle zu besprechen -Wichtig ist hierbei die Reflektion am Ende: erst nach dem gesehenen fragen dann auf den Inhalt eingehen diejenigen, die gerade gespielt haben, sowie der Stautenbauer, dürfen sich am Schluss dazu äußern 24 Quellen Literaturhinweise (knappe Auswahl) N.,N. (Hg.): Deutsch Interpretationshilfe. Stark, Freising 2000 N.,N. (Hg.): Mentor Lektüre Durchblick, Don Karlos. Mentor Verlag, München 2009 N.,N. (Hg.): Königs Erläuterung. C.Bange Verlag, Hollfeld 2005 N.,N. (Hg.): Erläuterungen und Dokumente, Friedrich Schiller, Don Karlos. Reclam Verlag, Stuttgart N.,N. (Hg.): Schiller für Eilige. Aufbau Verlag, Berlin 2009 N.,N. (Hg.): Friedrich Schiller. UTB-Verlag, Stuttgart 2005 Wolfgang Beutin (Hg.): Deutsche Literaturgeschichte, Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Metzler Verlag, Stuttgart 2001 N.,N. (Hg.): Deutsch Interpretation, Don Karlos. Oldenbourg R. Verlag, München 2008 N.,N. (Hg.): Lektüreschlüssel Friedrich Schiller, Don Karlos. Reclam Verlag Berlin 2004 Matthias Luserke-Jaqui(Hg.): Schiller Handbuch. Metzler Verlag, Stuttgart 2005 Kant, Immanuel; Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung. http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=1366&kapitel=1#gb_found Stand: 15.09.2009 Schiller, Friedrich; Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=2399&kapitel=1#gb_found Stand: 15.09.2009 25 Impressum junges akademietheater ulm akademie für darstellende kunst adk-ulm gemGmbH Intendant: Ralf Rainer Reimann Künstlerische Leitung des jungen akademietheaters: Dr. Manfred Jahnke Fort unterer Kuhberg 12 89077 Ulm Tel.: 0731 – 387531 Fax: 0731 – 3885185 www.adk-ulm.de [email protected] theaterpä[email protected] Spielzeit 2009/2010 Redaktion und Layout Friederike Hartung Katharina Binder Anna-Lena Henkel Mit Beiträgen von: Mia Constantine Simon Fleischhacker Alma Gashi Philip Blom Henry Braun Annegret Taube Aron Keleta Lukas Ruben Eickholl Marcus Prinzen Eva Koch Plakatlayout Mia Constantine Philip Blom v.i.s.d.p. Ralf Rainer Reimann 26