Grundsätzliches Das magische Dreieck: Leistung, Preis, Werterlebnis Von Otto Belz Im Tagesgeschäft ist es oft schwierig, die grossen Zusam­ menhänge im Auge zu behalten. Nirgends gilt dies so sehr wie im magischen Dreieck zwischen Preis, Leistung und dem Werterlebnis des Kunden. Einkäufer verleiten uns, in Verhandlungen den Preis zu fokussieren. Dagegen rücken die steigenden Kosten, das eigene Engagement und das Wissen um alles, was wir für den Kunden tun, die Leistung in den Vordergrund. Doch wird es nicht gelingen, die beiden Grössen zur Übereinstimmung zu bringen, wenn wir nicht beachten, was in der Wahrnehmung des Kunden geschieht. Preis, Leistung und Wert­erlebnis sind stets eng miteinander verbunden und beeinflussen einander wechselweise. Nur wenn es gelingt, sie min­ destens langfristig zur Übereinstimmung zu bringen, ist eine nachhaltig erfolgreiche Geschäftstätigkeit möglich. Hier einige Gedanken dazu. Das Dreieck Leistung Blindleistung Preis index 3 | 2006 10 Werterlebnis Der Begriff «Preis» hat zweierlei Bedeutung: Er meint das Entgelt, das der Kunde für die Leistung aufzubringen hat, er kann sich aber auch auf die Anstrengung beziehen, derer es bedarf, um eine Angebotsleistung zu erbringen. Wir sprechen vom Preis der Qualität oder dem Preis der Freiheit und meinen damit die Opfer, die Zeit und die Energie, die eingesetzt wurden, um Hochwertiges, Kostbares zu schaffen oder zu erhalten. Im Folgenden bezeichnen wir als «Preis» das, was der Kunde für eine Leistung als Gegenleistung entrichtet, meistens in Form von Geld. Die Leistung erbringt der Anbieter, gemessen wird sie am Nutzen des Kunden, seiner Zufriedenheit, die sich bis zur Begeisterung steigern kann. Das Werterlebnis umschreibt die Wahrnehmung des Kunden, der den Nutzen erkennt und sich gewinnen lässt. Die Leistung und ihr Preis Nur wer die für eine Leistung notwendigen Aufwendungen bezahlt bekommt, kann diese Leistung auch über längere Zeit erbringen. Dabei trägt nicht alles, was aufwendig gemacht wird, zur Leistungssteigerung bei, sondern nur das, was dem Kunden zusätzlichen Nutzen bringt. Je länger, desto mehr beschränkt sich dieser Nutzen nicht nur auf das Produkt, sondern auch auf die es begleitenden Dienstleistungen, die Sicherheit einer zuverlässigen Leistungserbringung, den Namen des Absenders, der im Sinne einer Marke zum integrierenden Bestandteil des Produktenutzens wird. Ob eine hohe Leistung bezahlt wird durch einen hohen Preis, ist nicht zuletzt eine Frage der Haltung, mit der diese Leistung erbracht wird. Wer zu sehr preis- und damit gewinnorientiert arbeitet, wird sich unweigerlich in einer Preisspirale wiederfinden und in zunehmendem Masse Handlungsspielraum verlieren. Trotz vorübergehender Erfolge wird seine Leistung sinken durch die ewige Frage, ob einzelne Leistungselemente auch wirklich nötig seien. Die Frage nach dem Minimum, durch die Kosten gedrückt werden können, zerstört die Kultur der Leistungsfähigkeit. Nur wer sich der Leistung verpflichtet und diese damit in den Mittelpunkt stellt, wird langfristig eine herausragende Leistung erbringen können, durch die sich der Gewinn ergibt. Herausragende Künstler wie beispielsweise Karajan oder auch Rubinstein waren in erster Linie leistungsorientiert und haben gerade deshalb so ungeheure Gagen eingestrichen. Das Werterlebnis des Kunden Das Besessensein von einer Sache, die kompromisslose Hinwendung zur Qualität, lässt den Funken springen, der die Leistung in das Erlebnis des Kunden überträgt: Die Leistung schlägt sich im Werterlebnis nieder. eine Zeitung abonniert, kriegt noch einen Radio­ wecker, und bei einem Einkauf von über 100 Euro kann man noch den mit der Post erhaltenen Gutschein anrechnen lassen. Diese verdeckten Preisnachlässe funktionieren natürlich, aber auch sie beschädigen das Werterlebnis (und sortieren übrigens gerade die anspruchsvolleren Käufer aus). Merke: Speck gratis gibt es nur in der Mausefalle. Dabei ist offensichtlich: Je höher das Werterlebnis, desto höher ist die Erwartung an eine bestimmte Qualität. Eine Qualität, die ganzheitlich wahrgenommen wird. Kleine Unachtsamkeiten wie schlechte Bilder in Prospekten, Fehler im Text, ein schludrig geschriebener Brief, die patzige Antwort des Verkäufers können den Eindruck einer hohen Qualität schnell mindern. Das befriedigende Erlebnis, etwas Perfektem begegnet zu sein, schlägt um in Enttäuschung. Das Werterlebnis bestimmt den erzielbaren Preis. Ein besseres Erlebnis erhöht den Preis, aber verkleinert auch die Käuferschaft. Denn selbstverständlich lässt sich eine Leistung nicht unbeschränkt übersetzen. Nur ein kleiner Teil der potenziellen Käuferschaft kann den Unterschied zur nächstbesseren Leistung wahrnehmen und noch ein kleinerer Teil ist in der Lage und bereit, für die kleine, aber meist teure Mehrleistung die nötigen Mittel aufzubringen. Werterlebnis und Preis Das Werterlebnis bestimmt nicht nur den erzielbaren Preis, sondern umgekehrt stabilisiert ein hoher Preis auch ein hohes Werterlebnis. Wer behauptet, die beste Leistung zu erbringen und diese zu einem niedrigen Preis ver­ kauft, sät Misstrauen. Er muss seinen Preis fast noch mehr rechtfertigen, als wenn dieser über dem der Konkurrenz liegen würde. Und wer ein Schnäppchen anbietet, wird zwar gut verkaufen, weil das Werterlebnis besser ist, als es der Preis erwarten liesse, er stabilisiert aber vor allem das Erlebnis des Schnäppchens und dämpft damit das Werterlebnis. Zum Schluss noch: Zum Thema Preis gehören natürlich auch die in Mode gekommenen Gratisgeschenke. Wer Wein bestellt, nimmt an der Verlosung von einem Goldbarren teil, wer 11 index 3|2006