Liebe Patienteneltern, von Impfberatungen ist mir die große Unsicherheit von Eltern bekannt und dass Impfen - zumal des eigenen Kindes - möglicherweise sehr zwiespältig erlebt wird. Ich möchte Ihnen mit diesem Schreiben Informationen an die Hand geben, damit Sie sich bewusst für die Impfungen Ihres Kindes entscheiden und auch an Ihren eigenen Impfschutz denken. Vorab: es gibt in Deutschland keine Impfpflicht sondern Impfempfehlungen gegen z.T. lebensgefährliche Krankheiten, die Sie und Ihr Kind - aber auch die Gemeinschaft - davor schützen werden. Die ständige Impfkommission (STIKO) gibt Impfempfehlungen womit ein Versorgungsanspruch im Falle eines Impfschadens besteht. Der gemeinsame Bewertungsausschuss entscheidet dann über die Finanzierung durch die Krankenkassen. Natürlich können Impfungen auch Nebenwirkungen hervorrufen, jedoch überwiegen immer die Vorteile, die wir durch das Impfen haben: Ich habe während meiner Ausbildung zum Kinder- und Jugendarzt diese Krankheiten - beispielhaft genannt seien: HiB-Meninigitis/ Hirnhautentzündung, Epiglottitis/ bakterielle Entzündung des Kehldeckels, Masernkrupp mit Beatmungspflichtigkeit oder Keuchhusten mit sauerstoffpflichtigen schwersten Atemnotzuständen noch erlebt und möchte nicht, dass Ihr Kind diese durch Impfen vermeidbaren Krankheiten erleidet. Auch die Poliomyelitis (Kinderlähmung) wird durch nicht Geimpfte „importiert“, so dass ein NICHT geimpftes Kind daran möglicherweise erkranken kann. Zum Glück sind das aber alles Erkrankungen, die man hier nicht mehr sieht Dank der Impfungen! Für mich als homöopathisch tätiger Schulmediziner ist das Impfen auch kein Widerspruch: zu Hannemann’s Zeit - vor ca. 250 Jahren grassierten hier die Pocken und er befürwortete die Impfung gegen diese fast immer tödlich verlaufende Erkrankung sehr. Wie sieht nun das Impfen konkret aus? Nach unserem PraxisQualitätsmanagement läuft unser Impfregime mit einer klar getakteten Vorgabe: Bei der Vorsorgeuntersuchung U3 erhalten Sie zu lesendes Informationsmaterial über das Impfen nach den Impfempfehlungen der STIKO. In dieser Broschüre werden die Krankheiten gegen die geimpft wird und die Impfnebenwirkungen beschrieben. Die STIKO empfiehlt das sogenannte Komplettpaket: Sechsfachimpfstoff und Pneumokokkenimpfung (parallel in beide Oberschenkel an einem Tag) und die ROTA-Virus-Schluckimpfung. Hier in Deutschland erhalten fast alle Kinder mit Beginn der 9. Lebenswoche diese Impfungen und natürlich können Sie diese Impfungen hier durchführen lassen. Ich empfehle Ihnen ein anderes Impfschema, das an die STIKO Empfehlungen angelehnt ist, aber mit Blick auf die Impfnebenwirkungen deutlich verträglicher ist. Sechsfachimpfung - zunächst ohne Pneumokokkenimpfung: Bei dieser ersten Impfung kommt es manchmal zu Fieber und Unruhe, gelegentlich auch zu einer Hautrötung im Impfbereich über ein bis zwei Tage, was ggf. die Gabe eines Viburcol-Zäpfchens erforderlich macht. Pneumokokkenimpfung (Prevenar) neues 2+1-Schema: Die Impfung gegen Pneumokokken, die z. B. schwere Krankheitsbilder wie Hirnhautentzündung, Sepsis oder Lungenentzündung hervorrufen können, empfehle ich ab dem vierten Lebensmonat bei der Vorsorge U4 zeitgleich mit der zweiten Sechsfachimpfung durchzuführen. Die Impfung gegen Pneumokokken war bis vor einigen Jahren eine sogenannte Indikationsimpfung - vorgesehen z. B. für Frühgeborene oder chronisch kranke Kinder. Jetzt wird diese Impfung für alle Kinder empfohlen. Die zweite Pneumokokkenimpfung erhält Ihr Kind acht Wochen später bei der Vorsorgeuntersuchung U5 mit der dritten Sechsfachimpfung. Rota-Virus-Schluckimpfung: Diese Impfung schützt vor einer durch diesen Virus ausgelösten Durchfallerkrankung - aber nicht vor den vielen anderen viralen Krankheitserregern wie z.B. die deutlich häufigeren Noro-Viren. Sicherlich gibt es sehr seltene schwere Rotavirus-Durchfall-Verläufe mit einer z.B. krankenhauspflichtigen Infusiontherapie. Aber diese Impfung hat zwei entscheidende Nebenwirkungen: der Virus wird über den Stuhl ausgeschieden, so dass eine Ansteckungsmöglichkeit mit Erkrankung der Kontaktpersonen besteht und - falls Sie Stillen - ist eine zweistündige Stillpause nach der Schluckimpfung empfohlen, da Inhaltsstoffe der Muttermilch den Impfvirus abtöten könnten. Zudem weiß man bei dieser neuen Impfung nicht, wie lange der Impfschutz besteht. Aktuell (Stand Mai 2015) wird von dieser Impfung in Frankreich wegen Verdachtsfällen von Darminvaginationen (Darmverschlingungen) nach vorangegangener Rotavirusschluckimpfung abgeraten. MMR (Masern, Mumps, Röteln): Diese Impfung ist meinerseits unbedingt (s.o.) angeraten. Um einen möglichst frühen Schutz wegen der aktuellen Häufigkeitszunahme von Masernerkrankungen zu erzielen, empfehle ich die gut verträgliche MMR-Kombinationsimpfung mit Zusatz von Windpockenimpfstoff in der selben Spritze bereits zu Beginn des zehnten Lebensmonats. Die zweite Impfung zur Komplettierung des Impfschutzes erfolgt dann im zweiten Lebensjahr. Meningokokken Typ B Seit Kurzem (Stand Mai 2015) wird mit dem neuen Impfstoff Bexsero gegen diesen Erreger der bakteriellen Hirnhautentzündung auch in Deutschland geimpft. Die STIKO (ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut) gibt zum jetzigen Zeitpunkt (August 2015) keine generelle Empfehlung für diesen neuen Impfstoff, sondern nur bei Personen mit spezifischen Grunderkrankungen als s.g. Indikationsimpfung. Meningokokken Typ C: Diese sehr wichtige und von mir empfohlene Impfung wird laut STIKO nach dem ersten Geburtstag (bei der Vorsorge U6) durchgeführt und schützt gegen eine Form der bakteriellen Hirnhautentzündung. Mit diesen individuellen Impfempfehlungen hoffe ich Ihnen die Entscheidung für das Impfen Ihres Kindes zu erleichtern. Vor der Impfung erhalten Sie die Gelegenheit im persönlichen Gespräch mit dem Arzt weitere Fragen zu stellen und erklären danach mit Ihrer Unterschrift Ihr Einverständnis. Ihr Dr. Thomas Kuske