Sich festhalten am Dollar

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Die Ordnung der Wirtschaft
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Samstag, 8. März 2003, Nr. 57 / Seite 13
Sich festhalten am Dollar
Plädoyer für eine einheitliche Währungspolitik in Ostasien / Von Ronald McKinnon und Gunther Schnabl
In Japan geht der Kampf gegen die Deflation in eine neue Runde. Ministerpräsident Junichiro Koizumi hat Toshihiko Fukui zum neuen Präsidenten der Bank of Japan berufen; dieser tritt sein Amt Ende März an.
Fukui soll eine weitere Lockerung der Geldpolitik mittragen. Damit soll
Japan endlich den Weg aus der Misere finden, die das Land seit gut zehn
Jahren drückt, mit sinkenden Preisen, geringem Wachstum, steigender
Arbeitslosigkeit, Unternehmenszusammenbrüchen und maroden Großbanken. Ob eine expansive Geldpolitik da hilft, ist angesichts der Liquiditätsfalle, in der das Land steckt, allerdings zweifelhaft. Auch die oft empfohlene Yen-Abwertung könnte ein Fehler sein. Sie würde die Erholung
der Nachbarstaaten nach der Asien-Krise gefährden und somit auch negativ auf Japan zurückwirken, warnen Ronald McKinnon und Gunther
Schnabl. Sie präsentieren hier einen ungewöhnlichen Vorschlag: Der
Yen sollte auf lange Sicht an den Dollar gebunden werden. (orn.)
ie Wogen der Asien-Krise haben
sich geglättet. In den kleinen Staaten Ostasiens ist die Talsohle
durchschritten, man versucht, an
den Mythos des ostasiatischen Wirtschaftswunders anzuknüpfen. Mit Erfolg: Die Exporte wachsen wieder, das Wachstum stabilisiert sich. Doch längst sind nicht alle Probleme bewältigt. Politische und wirtschaftliche Reformen werden nur zögernd durchgesetzt. Das gilt wohl auch für die Währungspolitik. Trotz deutlicher Mahnungen kehrt
die Region zum Dollarstandard zurück.
Ostasien (außer Japan) ist traditionell
eine Dollarzone. Seit Beginn der exportorientierten Industrialisierung ist der Dollar
die dominierende Transaktions-, Interventions- und Reservewährung. Vor der AsienKrise gab es zwar ein großes Spektrum von
Währungssystemen, aber der Anteil der
amerikanischen Währung an den sogenannten Währungskörben reichte von etwa 80
Prozent in Singapur bis zu nahezu 100 Prozent in Indonesien und Taiwan. Die faktische Dollarbindung der gesamten Region
(außer Japan) schuf einen informellen Dollarstandard, dem selbst die Volksrepublik
China 1994 mit einem Festkurs von 8,3
Yuan je Dollar beitrat.
Der informelle Dollarstandard brachte
Stabilität. Zu Beginn der neunziger Jahre
lobte die Weltbank in einer weit beachteten
Studie die makroökonomische Disziplin
der späteren Krisenregion. Die Inflationsraten waren gering, da der Festkurs die Zentralbanken zwang, die Geldpolitik am Leitwährungsland, den Vereinigten Staaten,
auszurichten. Selbst den Philippinen und Indonesien, die eine kontinuierliche, aber
kontrollierte Abwertung ihrer Währungen
erlaubten, blieben die galoppierenden Inflationsraten vieler südamerikanischer Staaten erspart. Die stabilen Preise und Dollarkurse garantierten zudem geringe Transaktionskosten im Handel, weil der Dollar als
Fakturierungswährung dominiert. Das
Währungsrisiko sank nicht nur für den Handel mit den Vereinigten Staaten; die stabilen Kurse garantierten auch Währungssicherheit für den intraregionalen Handel,
der überwiegend in Dollar abgewickelt
wird und zum wichtigsten Markt aller ostasiatischen Staaten herangewachsen ist.
Schließlich trug die gemeinsame Ausrichtung der Währungspolitik zur wirtschaftlichen Stabilität der gesamten Region bei,
weil kompetitive Abwertungen vermieden
wurden. Die kleinen Staaten Ostasiens sind
wirtschaftlich eng miteinander verbunden
und konkurrieren in den gleichen Exportmärkten. Würde ein Land flexible Wechselkurse oder sogar eine deutliche Abwertung
seiner Währung zulassen, so würde dies die
Wettbewerbsfähigkeit der Nachbarstaaten
beeinträchtigen. Je stärker das Wachstum
im Nachbarland betroffen ist, desto größer
ist der Anreiz, der Abwertung des Außenseiters zu folgen. Dieser „beggar-thyneighbor“-Effekt wurde mit der Asien-Krise besonders deutlich, als die rapide Abwertung des thailändischen Baht den Fall der
D
Die Autoren:
Ronald McKinnon und
Gunther Schnabl (r.)
Der 67jährige Kanadier Ronald McKinnon lehrt seit 1961 in Stanford. Seine
Spezialgebiete sind Währung, Kapitalmärkte, Geldpolitik und Entwicklungsökonomie. Derzeit gilt sein besonderes
Interesse dem Währungssystem Ostasiens und der japanischen Liquiditätsfalle sowie der Weltwährungsordnung.
McKinnon hat wesentlich zur Fortentwicklung der Theorie der optimalen
Währungsräume beigetragen. Nach seiner Auffassung sollten Währungsräume
groß sein und können sehr heterogene
Lander umfassen, wie derzeit in Europa
oder in Zukunft in Asien.
Gunther Schnabl hat in Montpellier, Tokio, Tübingen und Seattle Sprachen
und Ökonomie studiert; er wurde in Tübingen promoviert. Seine Spezialgebiete sind Währung, Kapitalmärkte und Japans Volkswirtschaft. Dieser Aufsatz ist
hervorgegangen aus einem Forschungsprojekt mit McKinnon in Stanford. Derzeit schreibt der 36jährige in Tübingen
an seiner Habilitation über den Yen und
ist Visiting Scholar an der Katholischen
Universität Leuven. (orn./Fotos: Archiv)
asiens vom Yen-Kurs ab. Die Direktinvestitionen Japans beschleunigen sich bei einer
Yen-Aufwertung, weil Investition und Produktion in Japan relativ teurer werden. Der
Zufluß von japanischem langfristigen Kapital und Know-how in die Nachbarländer
wächst und begünstigt dort das Wachstum.
Das Gegenteil ist zu beobachten, wenn –
wie nach 1995 – der Yen schwach ist.
Die Auswirkungen der Yen-Abwertung
auf das Wachstum in den kleinen ostasiatischen Staaten sind so ausgeprägt, daß
selbst ein gleichzeitiger Aufschwung in Japan – und die damit verbundene steigende
Importnachfrage Japans – die negativen
Auswirkungen der Yen-Abwertung nicht
kompensieren kann. Ebenso hat eine Rezession in Japan für die Nachbarstaaten keinen negativen Einfluß, wenn diese mit einer Yen-Aufwertung verbunden ist. Beispielsweise ging in den frühen neunziger
Jahren der starke Yen mit einer tiefen Rezession in Japan einher, die als Hoch-YenRezession (endaka fukyô) bezeichnet wurde. Während die japanische Rezession die
Importe aus den kleinen asiatischen Volkswirtschaften sinken ließ, heizte die YenAufwertung das Wachstum in den Nachbarländern an. Der Wechselkurseffekt dominierte, und die kleinen ostasiatischen Staaten hatten hohe Wachstumsraten.
indonesischen Rupiah, des philippinischen
Peso, des malayischen Ringgit und des koreanischen Won nach sich zog. China,
Hongkong, Singapur und Taiwan konnten
zwar ihren Festkurs verteidigen, waren
aber von Rezession und Deflation betroffen, da ihre Exporte gegenüber den Krisenländern an Wettbewerbsfähigkeit verloren.
Der informelle Dollarstandard zerbrach,
als die Krisenstaaten ihre Wechselkursbindungen aufgeben mußten. Zudem gerieten
die einseitigen Dollarbindungen in die Kritik. Der IWF fordert (mehr) Wechselkursflexibilität. Die neunziger Jahre hätten bewiesen, meint Stanley Fischer, daß in den
Schwellenländern (Emerging Markets), die
sich dem internationalen Kapitalverkehr geöffnet hätten, sogenannte Soft Pegs krisenanfällig seien. In allen großen Krisen der
neunziger Jahre – zum Beispiel in Mexiko
(1994), Asien (1997), Rußland (1998) und
Argentinien (2000) – seien Festkurse im
Spiel gewesen. Nach Fischer sind damit
zwar in einigen wenigen Emerging Markets
wie Hongkong „Hard Pegs“ denkbar, doch
empfiehlt er besonders den Krisenländern
ein Inflationsziel und damit flexible Kurse.
Andere Beobachter wie Masahiro Kawai
vom japanischen Finanzministerium setzen
zwar weiterhin auf Wechselkursstabilisierung, doch raten sie zu einer Veränderung
der Währungskörbe gemäß der Außenhandelsstruktur. Da die kleinen ostasiatischen
Staaten wirtschaftlich nicht nur eng mit der
Dollarzone, sondern auch mit Japan und
Europa verflochten sind, sollten der Euro
und (vor allem) der Yen in den Währungskörben eine größere Gewichtung erhalten.
Das Währungsrisiko für den internationalen Handel würde diversifiziert.
Die Konjunkturzyklen
im Gleichschritt
Die Erbsünde von
Inflation und Abwertung
Doch während die Debatte über mehr
Wechselkursflexibilität und Währungskörbe kontrovers geführt wird, kehrt Ostasien
(außer Japan) zum Dollarstandard zurück.
Bereits im Jahr 2000 fürchtete der IWF,
daß die ostasiatischen Krisenstaaten seine
Empfehlungen ignorieren könnten. Malaysia hält bereits seit September 1998 – gestützt von Kapitalverkehrskontrollen – an
einem Kurs von 3,8 Ringgit je Dollar fest.
Auch bei anderen Währungen sinkt die tägliche Volatilität gegenüber dem Dollar stetig. Ebenso ist die Zusammensetzung der
Währungskörbe weitgehend unverändert.
Warum ist der Drang zum Dollarstandard so stark? Neben den Argumenten der
Stabilisierung und des geringeren Währungsrisikos im dollar-fakturierten Handel
ist die Motivation auch auf den unterentwikkelten Kapitalmärkten zu finden. Barry Eichengreen und Ricardo Hausmann sprechen von einer „Erbsünde“ (original sin):
Emerging Markets haben eine lange Tradition von Inflation und Abwertung. Das Vertrauen zur Stabilität von Preisen und Wechselkursen ist gering, so daß ganze Kapitalmarktsegmente unterentwickelt sind oder
fehlen, etwa der Markt für langfristige (festverzinsliche) Wertpapiere oder der internationale Handel inländischer Bonds.
Ausländische Investoren akzeptieren keine Wertpapiere, die in der Währung der
Emerging Markets denominiert sind, weil
durch Inflation und Abwertung deren realer Wert ausgehöhlt werden kann. Statt dessen sind Verbindlichkeiten in Dollar, Yen
oder Euro denominiert. Das Währungsrisiko der internationalen Verschuldung und
des Kapitalverkehrs wird auf die Emerging
Markets überwälzt. Die Folge sind sogenannte Mismatchs: Langfristige Investitionsprojekte werden mit kurzfristigen Krediten finanziert (Maturity Mismatch), oder
Projekte, die Gewinne in inländischer Währung abwerfen, werden in ausländischer
Währung finanziert (Currency Mismatch).
Aus den unterentwickelten Kapitalmärkten lassen sich damit zwei wesentliche
Gründe für die Wechselkursstabilisierung
gegenüber dem Dollar ableiten. Zum einen
fürchten die Regierungen der Emerging
Markets Abwertungen, da die Auslandsverbindlichkeiten in Dollar denominiert sind.
Läßt eine Regierung eine Abwertung gegenüber dem Dollar zu, dann steigen aufgrund des Currency Mismatch die Verbindlichkeiten in inländischer Währung. Die Bilanzen der Finanzinstitute geraten in Schieflage. Ebenso führt der Maturity Mismatch
dazu, daß allein Abwertungsdruck die Banken in Schwierigkeiten bringen kann.
Wenn die Zentralbank die Zinsen erhöht,
um die Dollarbindung zu verteidigen, dann
schrumpft das Kreditvolumen. Das Finanzgewerbe ist zwar zunächst von steigenden
Zinsen nicht betroffen, da bei kurzen Kreditlaufzeiten die höheren Zinsen auf die
Unternehmen überwälzt werden. Doch werden langfristige Investitionsprojekte unprofitabel, die mit kurzfristigen Krediten finanziert wurden. Das Währungsrisiko wird in
Kreditausfallrisiko umgewandelt. Das Finanzgewerbe ist wieder in Gefahr.
Nur nicht immer abwärts: Der Poet Li Po am Wasserfall von Lo-Shan. Holzschnitt von Hokusai (1833).
Die negativen Folgen einer Abwertung
gegenüber dem Dollar auf die Bilanzen
von Finanzinstituten und Unternehmen
sind um so größer, je größer der Anteil der
Dollarkredite an der Auslandsverschuldung eines Landes ist. Zudem ist das Währungsrisiko im kurzfristigen internationalen Zahlungsverkehr nicht abgesichert, der
überwiegend in Fremdwährung (Dollar) abgewickelt wird. In den hochentwickelten
Kapitalmärkten der Industrieländer kann
ein Investor eine offene Position in ausländischer Währung durch Derivate (Forwards) zu geringen Kosten sichern. Die unvollkommenen Kapitalmärkte der Emerging Markets lassen dies hingegen nicht zu.
Da ausländische Investoren keine Wertpapiere in der Währung der Emerging Markets akzeptieren, bleiben auch die kurzfristigen ausländischen Verbindlichkeiten gegen
Währungsrisiken ungesichert.
Um Banken und Unternehmen einen Ersatz für die fehlende Sicherung zur Verfügung zu stellen, kann die Regierung selbst
„Forwards“ (Terminprodukte) emittieren,
wenn sie über ausreichende Devisenreserven verfügt. Welcher Kurs dem Währungsrisiko entspricht, ist jedoch unklar, weil der
inländische Kapitalmarkt keine ausreichend tiefe Zinsstruktur aufweist, die zur
Kursbestimmung nötig wäre. Hinzu kommt
Korruption. Die Versuchung für die Regierung ist groß, wie in Thailand vor der Krise,
„befreundeten“ Banken und Unternehmen
günstige Konditionen zu gewähren.
Eine umfassendere Möglichkeit zur Absicherung des Währungsrisikos ist daher, den
Wechselkurs kurzfristig, auf Tages- oder
Wochenbasis, zu stabilisieren. Viele Transaktionen auf den Güter- oder Kapitalmärkten haben Zahlungsfristen von wenigen Tagen. Bleibt der Wechselkurs in dieser Zeit
nahezu konstant, kommt das einer informellen Versicherung gegen kurzfristige Wechselkursrisiken gleich. Banken und Unternehmen können ihre kurzfristigen, zumeist
in Dollar denominierten Auslandsschulden
mit minimalem Risiko zurückzahlen. Währungsrisiken gegenüber Yen und Euro können am Dollar-Yen- oder Dollar-Euro-Terminmarkt günstig gesichert werden.
Ein Beitrag zur
Stabilisierung der Region
Auf langfristige Sicht trägt der Dollar als
gemeinsamer Anker zur makroökonomischen Stabilität der gesamten Region bei.
Und auf Tages- und Wochenbasis reduziert
die Dollarbindung das Risiko für den internationalen Zahlungsverkehr. Da derzeit keine Änderung dieser Anreizstruktur erkennbar ist, wird auch – trotz der Warnungen
des IWF – der informelle Dollarstandard
Ostasiens bestehenbleiben. Doch es bleibt
ein Wermutstropfen: Die einseitigen Dollarbindungen setzen die Währungen Ostasiens starken Schwankungen gegenüber
dem Yen aus. Als einziges Land in Ostasien
Foto Archiv
hat Japan einen flexiblen Wechselkurs gegenüber dem Dollar. Seit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems in den
frühen siebziger Jahren schwankt der Yen
frei. Dadurch, daß die kleinen ostasiatischen Staaten ihre Wechselkurse gegenüber dem Dollar stabil halten, wirkt der
Yen-Dollar-Kurs über zwei Kanäle auf deren Konjunkturzyklen. Zum einen beeinflussen die Schwankungen des Yen-DollarKurses den Außenhandel. Zwar bleiben
die Wettbewerbsbedingungen für den intraregionalen Handel gleich, doch ist der Handel mit Japan und Drittmärkten (Amerika,
Europa) betroffen. Während eine Yen-Aufwertung, wie sie von Beginn der siebziger
bis Mitte der neunziger Jahre dominierte –
die Exporte der kleinen ostasiatischen
Volkswirtschaften begünstigt, bedroht eine
Yen-Abwertung das Wachstum der Region.
So beendete die Mitte 1995 einsetzende
Yen-Abwertung das Wirtschaftswunder:
Die Nachfrage der japanischen Unternehmen ging in allen Nachbarstaaten zurück.
Zudem wurden die Exporte der hochentwickelten „Newly Industrialized Economies“ (NIE, Hongkong, Korea, Singapur
und Taiwan) von der japanischen Konkurrenz aus den Drittmärkten verdrängt. Die
weniger entwickelten Volkswirtschaften Indonesien, Malaysia, Philippinen und Thailand waren mit Verzögerung vom Drittmarkteffekt betroffen, da sie als Zulieferer
der NIE fungieren. Zum anderen hängen
Japans Direktinvestitionen im Rest Ost-
Im Gegensatz dazu war die nachhaltige
Yen-Abwertung von 1995 an von einer Expansion des japanischen Output begleitet.
Der Wechselkurseffekt dominierte, und
der fallende Yen ließ die Leistungsbilanzdefizite steigen. Das Vertrauen zum Wirtschaftswunder sank, der Überinvestition
wurde der Nährboden entzogen, und die
Asien-Krise nahm ihren Lauf. Somit hat
der Yen-Dollar-Kurs die Konjunkturzyklen
der kleinen ostasiatischen Staaten nicht nur
synchronisiert, sondern auch verstärkt. Dieses Ergebnis ist zu beachten, wenn über die
künftige Währungspolitik in Ostasien nachgedacht wird.
Namhafte Ökonomen wie Allan Meltzer
oder auch der IWF haben sich dafür ausgesprochen, die kränkelnde japanische Wirtschaft durch eine expansive Geldpolitik
und eine Yen-Abwertung in Schwung zu
bringen. Es wird betont, daß die negativen
Auswirkungen, die eine Abwertung des
Yen auf das restliche Ostasien hätte, durch
den in Japan bewirkten Aufschwung – und
die damit verbundenen zusätzlichen Importe Japans – kompensiert würden.
Unsere ökonometrischen Messungen
indes kommen zum gegenteiligen Ergebnis. Eine nachhaltige Yen-Abwertung gefährdet die wirtschaftliche Erholung in
den kleinen ostasiatischen Volkswirtschaften und hat, wie die Asien-Krise gezeigt hat, auch negative Rückwirkungen
auf Japan selbst. Der Rückgang japanischer Exporte, neue uneinbringbare Außenstände im Auslandsgeschäft des maroden Bankgewerbes sowie sinkende Renditen japanischer Produktionsstätten in
der Region würden – wie während der
Asien-Krise – den Verfall der japanischen Aktienpreise weiter vorantreiben.
Statt über eine Yen-Abwertung, welche
die Region weiter destabilisieren würde,
ist daher über eine einheitliche Währungspolitik in Ostasien nachzudenken.
Die kleinen ostasiatischen Staaten einschließlich Chinas könnten ihre Währungen an den Yen binden. Die von Japan gewünschte Yen-Zone wäre damit verwirklicht. Die oben angeführten Argumente
für eine Dollarbindung sprechen jedoch
gegen eine stärkere Yen-Bindung. Hinzu
kommen starke politische Ressentiments
gegen Japan, die japanische Deflation sowie eine Geldpolitik der Bank of Japan,
die den Yen kaum die Kriterien einer Leitwährung erfüllen läßt. Deshalb wäre vielmehr über einen Kurswechsel in der japanischen Währungspolitik nachzudenken:
Der Yen könnte gegenüber dem Dollar fixiert werden. In der Vergangenheit haben
die Schwankungen des Yen nicht nur in
Ostasien, sondern auch in Japan selbst
Turbulenzen verursacht. In Japan hat die
gefürchtete und immer wiederkehrende
„endaka“ – der hohe Yen – die Wettbewerbsfähigkeit der wichtigen Exportwirtschaft untergraben. Die Angst Japans vor
dem hohen Yen spiegelt sich in massiven
Devisenmarktinterventionen und den
weltgrößten Dollarreserven wider.
Japans und Ostasiens makroökonomische Probleme könnten deshalb gelöst werden, wenn der Yen auf lange Sicht an den
Dollar gebunden würde. Würde Japan seine Geldpolitik an den Vereinigten Staaten
ausrichten, wäre der Aufwertungsdruck
vom Yen genommen. Die Inflationsrate Japans würde sich der amerikanischen angleichen; die Deflation käme zu einem Ende.
In den kleinen Staaten Ostasiens wären die
Konjunkturzyklen von weniger großen
Schwankungen geprägt. Die gesamte Region würde von der Stabilität der erweiterten
informellen Dollarzone profitieren.
Ob dies derzeit politisch machbar ist,
bleibt jedoch fraglich. Japan müßte seine
geldpolitische Autonomie aufgeben, die
Vereinigten Staaten müßten ihre Kooperation zusagen, um dem Festkurs Glaubwürdigkeit zu verleihen. Vor allem in Japan ist
derzeit eine Abkehr von einer eigenständigen Geldpolitik nicht in Sicht. Dies könnte sich jedoch ändern, wenn sich die wirtschaftliche Misere weiter vertieft und die
Kritik an dem geldpolitischen Kurs der japanischen Notenbank weiter zunimmt.
Beides scheint derzeit wahrscheinlicher
als ein Ende der Deflation. Die Folge
wäre ein grundlegender Umbruch im Weltwährungssystem. Aus der tripolaren Welt
würde ein bipolare, in welcher der Dollar
und der erstarkende Euro als Leitwährungen konkurrierten.
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