Jetzt Aktien kaufen? Ein Artikel von Ottmar Beck (Alltrust AG) Die meisten Anleger neigen dazu, nach einem langen Anstieg (wie jetzt) Geld in Aktien zu investieren, um dann in der Krise (wie 2008/2009) zu verkaufen. Noch schlimmer: Sie kaufen Aktien bei Höchststand auf Kredit. Im Moment sind an der New Yorker Börse Aktienkäufe in Höhe von 380 Milliarden US-Dollar über Kredite finanziert. Damit haben wir wieder das Niveau vom Juli 2007 – kurz vor dem Marktzusammenbruch – erreicht. Da sorgt der Kursrückschlag von Ende Mai nach der monatelangen Rekordjagd an den Börsen natürlich zusätzlich für Verunsicherung. Allein der japanische Aktienindex Nikkei musste an einem Tag einen Kursrückgang von 7,3 Prozent hinnehmen: ein Warnzeichen. Denn in Japan ist eingetreten, was sich die Regierung gewünscht hat: Die Währung sinkt und die Börse steigt. Aber dieser Höhenflug ist vor allem dem aus dem Ausland kommenden Geld zuzuschreiben. Es ist ein reines Ponzi-Schema, da die Börse nicht den Zustand der japanischen Wirtschaft reflektiert. Erschwerend kommt hinzu: Addiert man die Schulden der lokalen Regierungen, der Unternehmen und der privaten Haushalte zu den Schulden des Staatshaushalts, ist Japan mit 600 Prozent seiner Jahreswirtschaftskraft verschuldet. Bis vor Kurzem konnte der Staat seine Schulden mit 0,6 Prozent Zinsen finanzieren – was ihn bereits heute fast die Hälfte seiner Einnahmen kostet. Hinter dem schwachen Yen steht vor allem ein Ziel: Er soll den Export ankurbeln. Was die Regierung allerdings verschweigt: Der größte Teil der erhofften Profitsteigerungen der japanischen Unternehmen wird nicht auf höhere Exporte, sondern auf höhere Auslandsgewinne zurückzuführen sein, da die repatriierten Gewinne in Yen plötzlich viel mehr wert sind. Denn die Absatzprognosen für Japan auf dem USAutomobilmarkt sehen eher düster aus und die Elektronikindustrie steckt in ihrer bisher tiefsten Krise. Die Exporte machen außerdem nur 16 Prozent der japanischen Wirtschaftsleistung aus. Und obwohl die Kassen voll sind, investiert die Industrie bisher kaum im eigenen Land. Auch die Löhne steigen bisher nicht. Dafür werden aber Benzin, Beton und Nahrungsmittel teurer. Die Einzigen, die im Moment investieren, sind die Privathaushalte, da Japan in den nächsten Jahren die Mehrwertsteuer drastisch erhöhen will. Für den Börsensturz werden einige Gründe angeführt. Am einleuchtendsten ist jedoch die Erklärung, dass US-Notenbank Chef Ben Bernanke die Anleger verschreckt hat. Der Chef der Federal Reserve (FED) hat am 22. Mai vor dem US-Kongress zwar bekräftigt, die lockere Geldpolitik fortzusetzen. Er ließ jedoch auch die Bemerkung fallen, die FED könnte schon auf einer der nächsten Sitzungen beschließen, ihr Programm zum Ankauf von Anleihen langsam zurückzufahren, sofern sich der US-Arbeitsmarkt stabilisiert. Wenn schon eine solche Andeutung reicht, die Börsen weltweit auf Talfahrt zu schicken, gibt das einen bitteren Vorgeschmack auf die Zeit, wenn die Notenbanken die Geldschleusen tatsächlich wieder zudrehen. Ist die Rallye vorbei? Trotz des Anlagenotstands aufgrund der niedrigen Zinsen und der überreichlichen Liquidität sollte man sich nicht verleiten lassen, unkalkulierbare Risiken einzugehen. Die bisherigen Erfahrungen mit einer wirtschaftlichen Besserung sind – vor allem in der Eurozone – ernüchternd. 9.06.2013