Wettstreit der Metaphern - CommuniGate Pro uni

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H i r n fo rsc h u n g
n e u ro ph i lo s o p h i e
Wettstreit
der ­Metaphern
Ob Rechenmaschine, Netzwerk oder Datenwolke: Je nach ­aktuellem
Stand der Technik beschreiben wir die Arbeitsweise des Gehirns m
­ it
unterschiedlichen Metaphern. Die bildhaften V
­ ergleiche ­helfen,
seine Komplexität zu erfassen, bleiben aber doch immer vorläufig.
Text: Gu n n a r Gra h u n d A rvi n d Kuma r ]I l lustratio n en: jan n eu ffer
Au f ei n en B lic k
Sprachbilder
fürs Gehirn
1
Mit bildhaften Ver­
gleichen versuchen
Philosophen und Wissen­
schaftler seit der Antike,
die Arbeits­weise des
menschlichen Gehirns zu
beschreiben.
2
Diese Metaphern sind
Kinder ihrer jewei­
ligen Zeit. Sie spiegeln
den aktuellen Stand der
Technik wider und prägen
somit die Vorstellung
vom menschlichen Geist.
3
Die Begriffsschablo­
nen können helfen,
die Komplexität des
Gehirns besser zu verste­
hen. Indem sie eine
bestimmte Eigenschaft
hervorheben, unter­
schlagen sie allerdings
andere Aspekte, die für
das Verständnis ebenso
wichtig sein könnten.
60
D
as Gehirn besitzt eine erstaun­
eine der ersten technischen Metaphern für das
liche Fähigkeit: Es kann Paral­
Gehirn: Seine stark gefaltete Oberfläche erinner­
lelen zwischen völlig verschie­
te die Menschen damals an die als Abfall­produkt
denen Dingen aufspüren. Das ist
der Metallverhüttung entstehende Schlacke –
überlebenswichtig, um von einer
und ähnlich nutzlos schien ihnen auch dieses
Situation auf eine andere zu schließen und sich
Gewebe zu sein. Man schrieb stattdessen den
unter wechselnden Bedingungen zurechtzufin­
Hirnhäuten größere Bedeutung zu, möglicher­
den. So versucht das Gehirn, durch Analogie­
weise auf Grund von Erfahrungen bei einfachen
schlüsse ein Phänomen zu verstehen und einzu­
Gehirnoperationen. Wie der Blick in den Schädel
ordnen.
offenbarte, blieben Verformungen der Hirnhäu­
Mit dieser simplen Aussage verwenden wir
te etwa nach einer Verletzung zurück.
eine in den Neurowissenschaften höchst ge­
Die Wissenschaft entwickelte sich weiter, und
bräuchliche Metapher: Wir sprechen vom Ge­
neue, passender erscheinende Metaphern ka­
hirn als Person, die Absichten, Wünsche und
men auf. Die Schule des griechischen Arztes und
­Pläne hat.
Gelehrten Hippokrates (um 460 – 370 v. Chr.)
Metaphern sind im täglichen Gespräch eben­
­betrachtete den Körper als ein von Flüssigkeiten
so wie im philosophischen und wissenschaft­
gesteuertes System, in dem sich schwarze und
lichen Denken tief verwurzelt. Mit ihrer Hilfe
gelbe Galle, Schleim und Blut mischten. Gerate
­zeigen wir Parallelen auf, die ein schwer zu erfas­
das Verhältnis dieser Körpersäfte aus dem Lot,
sendes Konzept leichter »be-greifbar« machen.
führe dies zu Erkrankungen von Körper und
So sucht mancher die »Nadel im Heuhaufen«,
Geist.
ein anderer hat mit einer Bemerkung vielleicht
Parallel dazu konstruierten Techniker ausge­
den »Nagel auf den Kopf getroffen«, während ein
feilte hydraulische Apparate, die Hohlräume
dritter etwas für »Schnee von gestern« hält.
­besaßen. Den Griechen schien daher wie schon
Auch bei dem Versuch, das Gehirn zu er­grün­
den Ägyptern die Hirnmasse uninteressant – sie
den, haben sich Metaphern als wertvolle Hilfs­
maßen den flüssigkeitsgefüllten Kammern im
mittel bewährt. Im Lauf der Jahrhunderte dien­
Innern des Gehirns, den Ventrikeln, eine größere
ten menschengemachte Systeme, mitunter aber
Rolle für die geistigen Funktionen zu.
auch natür­­liche Phänomene oft als Anschau­
Das technische Wissen der alten Griechen
ungsmaterial. So entstand im antiken Ägyp­ten
kam mit der Renaissance in Mitteleuropa wieder
GuG 7_2014
Neuffer-Design
Technik im Kopf
Computer, Uhrwerk, elektrischer Schaltplan oder Internet (im Uhr­zeigersinn von links oben nach links unten) –
die Arbeitsweise des Gehirns lässt sich auf verschiedene Weise versinnbild­lichen.
www.gehirn-und-geist.de
61
Ku rz er kl ärt
in Umlauf, und ihre Hirnmetaphern domi­
lichkeit und allen geistigen Fähigkeiten mit einer
Eine Metapher (von
griechisch metaphora =
Übertragung) ist ein Ausdruck, der nicht in seiner
wörtlichen Bedeutung,
sondern bildhaft verwen­
det wird, um etwas zu
veranschaulichen.
nierten noch zu Beginn der Neuzeit. So sah auch
Technik von gestern beschreiben?
Kybernetik (von griechisch
kybernetike = Steuer­
mannskunst) nannte der
US-Mathe­matiker Norbert
Wiener (1894 – 1964) die
von ihm begründete
Wissenschaft von der
Steuerung und Regelung
von Systemen. Sie lässt
sich auf Ma­schinen wie
auch auf lebende Orga­
nismen oder soziale Organisatio­nen anwenden.
Der englische Mathe­
matiker und presbyteria­
nische Pfarrer Thomas
Bayes (1701 – 1761) stellte
einen mathematischen
Satz auf, der die Berech­
nung bedingter Wahr­
scheinlichkeiten erlaubt.
Das bayessche Theorem
lieferte eine wesentliche
Grundlage der Statistik.
der französische Philosoph und Mathematiker
Nicht nur mit technischen Metaphern ließen
René Descartes (1596 – 1650) in den efferenten
sich das Gehirn und seine Funktionen veran­
Nerven, die Befehle vom Hirn zu den Muskeln
schaulichen. Die Abstammungslehre von Charles
leiten, eine Hydraulik am Werk, während er die
Darwin (1809 – 1882) und Alfred Wallace (1823 –
afferenten, sensorischen Nervenbahnen als Fä­
1913) erlaubte es, einfache und hoch entwickelte
den beschrieb, über deren Zugspannung Sinnes­
Organismen in einen Zusammenhang zu stellen.
reize zum Gehirn gelangten. Die kognitiven Vor­
Nachdem in embryonalem Gewebe bewegliche
gänge siedelte er ebenfalls in den Ventrikeln an,
Nervenzellen entdeckt worden waren, bot die
ergänzt durch von ihm postulierte Ventile sowie
Vorstellung von individuellen, Verknüpfungen
die Zirbeldrüse als Steuerorgan der Seele. Ob­
bildenden und lösenden Einheiten eine organi­
wohl Descartes auf eine alte Metapher aufbaute,
sche Basis, um Erinnerung und Vergessen, Krea­
läutete er eine neue Ära ein: Sein Vergleich des
tivität und geistige Regheit zu erklären. So sah
menschlichen Körpers mit menschengemach­
der Hirnforscher und Kybernetiker Valentin von
ten Maschinen prägte die Vorstellung bis in un­
Braitenberg (1926 – 2011) im Verhalten einfachs­
sere heutige Zeit.
ter Organismen die Grundlage komplexerer
Im 17. Jahrhundert herrschten Beschreibun­
Hirnfunktionen. Er stand damit in einer Meta­
gen des Gehirns als mechanisches System vor.
pherntradition, die im 19. Jahrhundert ihre Blü­
Demnach bildeten kleinste Bewegungen und Vi­
tezeit erlebte: Polyp und Qualle mit ihren Fang­
brationen von Partikeln die Grundlage der Denk­
armen lieferten ein anschauliches Bild für das im
prozesse, das Zusammenspiel unterschiedlicher
wechselseitigen Austausch mit seiner Umwelt
Vibrationen führe zu Assoziationen und neuen
stehende Gehirn.
Ideen. Diese Vorstellung vertrat noch im 19. Jahr­
Diese Metaphern traten keineswegs als Kon­
hundert der britische Philosoph Herbert Spencer
kurrenz zu technischen Vorstellungen auf. Sie
(1820 – 1903). Er verglich die Nerven mit Klavier­
koexistierten vielmehr, denn sie verdeutlichten
saiten, die durch den Geist in Schwingung ver­
jeweils unterschiedliche Aspekte des Nerven­
setzt werden. Diese Vorstellung ist im Prinzip
systems. Es entstand somit ein ganz neuer Zweig
auch unter heutigen Neurowissenschaftlern po­
von Metaphern, und jede von ihnen erzeugte
pulär – wobei sie inzwischen eher an Schwin­
­detaillierte Annahmen über die Arbeitsweise des
gungen in der elektrischen Aktivität von Nerven­
Gehirns.
zellen denken.
Ein verzauberter Webstuhl
62
Eine wichtige und heute noch oft gebrauchte
Hirnmetapher ist der Computer. Bereits der
deutsche Philosoph und Mathematiker Gott­
Bis ins 20. Jahrhundert blieben Metaphern von
fried Wilhelm Leibniz (1646 – 1716) ging davon
mechanischen Systemen inspiriert: Der britische
aus, dass alle Wahrheiten der Vernunft auf eine
Neurophysiologe und Medizinnobelpreisträger
Form mathematischer Berechnung zurückge­
Charles Sherrington (1857 – 1952) verglich die Ar­
führt werden könnten. 250 Jahre später hatten
beitsweise des Gehirns mit der eines verzau­
Technik und Ingenieurskunst zu den Ideen des
berten Webstuhls, »in dem Millionen blitzender
Philosophen aufgeschlossen: Elektronische Re­
Schiffchen ein sich auflösendes Muster weben«.
chenmaschinen beherrschten nun die Geheim­
Geräte sind von jeher eine ergiebige Quelle
nisse der Logik. Die Computermetapher profi­
für Metaphern. Durch den technischen Fort­
tierte auch von Ähnlichkeiten in der Funktion
schritt müssen sie allerdings in regelmäßigen
der »Bauteile«, also zwischen Transistoren und
Abständen aktualisiert werden. Der 1932 gebore­
Synapsen: Beide nutzen elektrische Signale. Dass
ne Philosoph John Searle stellte einmal fest: »In
man sich das Gehirn als Rechenmaschine vor­
meiner Kindheit wurde uns immer versichert,
stellte, lag damit quasi auf der Hand.
das Gehirn sei ein Telefonschaltbrett.« Doch wer
Neben der Informatik inspirierte vor allem
wollte heute noch den Hort von Wissen, Persön­
die Kybernetik die Hirnforschung. Sie erforscht
GuG 7_2014
Flexibel verdrahtet
Neuffer-Design
Im Gehirn fließen elektrische Ströme. Es liegt
daher nahe, sich die
­Verbindungen der Hirn­
zellen als elektrischen
Schaltplan vorzustellen.
Allerdings kann unser
Denkorgan diese Verschaltungen nach Bedarf auch
wieder verändern.
die Regelung von Systemen, die sich aus Auto­
Daher kann das Gehirn keine völlig gesicher­
maten, Organismen oder auch Gruppen von
ten Aussagen über die Welt treffen, sondern nur
­Individuen zusammensetzen können. Kyber­
begründete Vermutungen anstellen, um Voraus­
netiker liefern mathematische Methoden, um
sagen zu machen und Entscheidungen zu fällen.
die Zusammenhänge zwischen einem Reiz, der
Statistische Methoden wie das bayessche Theo­
Reaktion darauf sowie den vermittelnden kog­
rem liefern in solchen Fällen einen Wahrschein­
nitiven Prozessen zu verstehen. Gemäß dieser
lichkeitswert, um eine Beobachtung auf eine
Sichtweise erscheint das Gehirn als dynamisches
­bestimmte Tatsache zurückzuführen (siehe GuG
System, das mit den klassischen Methoden der
1-2/2014, S. 54).
Thermodynamik, der newtonschen Mechanik
Informatik, Kybernetik und Neurowissen­
und der Theorie der Regelkreise studiert werden
schaft waren im 20. Jahrhundert zwar nicht da­
kann. Diesem Ansatz zufolge basiert die Arbeit
bei, sich zu vereinen, aber immerhin stieß man
des Denkorgans auf dem Zusammenspiel von
auf eine gewisse Verwandtschaft. Alle drei Wis­
verschiedenen Hirnbereichen.
senschaften versuchen, Prinzipien der Infor­
Die Statistik trug ebenfalls dazu bei, Prin­
mationsverarbeitung aufzudecken. Hierdurch
zipien der Informationsverarbeitung im Gehirn
entstand ein ganz neuer Zweig von Metaphern,
aufzudecken. So steht es täglich vor dem Pro­
und jede erzeugte detaillierte Annahmen über
blem, dass es sich nicht hundertprozentig auf die
die Arbeitsweise des Gehirns. Damit erhielten
Informationen der Sinnesorgane verlassen kann.
die Hirnmetaphern eine neue Rolle: Sie dienten
Die Reize aus der Umwelt treffen nicht immer
nicht nur als ein Art Krücke, um über etwas Un­
wohlgeordnet ein, sie können sich gegenseitig
greifbares zu sprechen, sondern lieferten auch
überlagern oder unvollständig sein, und die Sin­
Ideen für spezifische Experimente.
nesorgane selbst mischen statistisches Rauschen
in die Signale.
www.gehirn-und-geist.de
Der Siegeszug des Computers ließ eine Meta­
pher zwischenzeitlich fast untergehen: das Ge­
M eh r zum Th e ma
Innenansichten
des Seelenorgans
Eine Bilderreise durch
fünf Jahrhunderte Hirn­
forschung (GuG 10/2011,
S. 62)
Forscher beim
Wort-TÜV
Sprachkritiker äußern
Bedenken über verkürzte
Redeweisen von Hirnfor­
schern (GuG 5/2014, S. 58)
63
In der Wolke
Neuffer-Design
Per »Cloud Computing«
können zahlreiche
Rechner im Internet
miteinander verknüpft
werden. Eine ähnlich
flexible Verteilung von
Rechner- und Speicher­
leistung findet auch im
Gehirn statt.
Quellen
Goschler, J.: Metaphern für
das Gehirn. Eine kognitiv-­
linguistische Untersuchung.
Frank & Timme, Berlin 2008
Slaney, K. L., Maraun, M. D.:
Analogy and Metaphor
Running Amok: An Examination of the Use of Explanatory Devices in Neuroscience.
In: Journal of Theoretical and
Philosophical Psychology 25,
S. 153 – 172, 2005
Smith, C. U. M.: The Use
and Abuse of Metaphors in
the History of Brain Science.
In: Journal of the History of
the Neurosciences: Basic
and ­Clinical Perspectives 2,
S. 283 – 301, 1993
Weitere Quellen im Internet:
www.gehirn-und-geist.de/
artikel/1284578
64
hirn als Netzwerk. Schon Ende des 19. Jahrhun­
Informationen von den Sinnesorganen schnell
derts, als der spanische Neurowissenschaftler
und effizient an verschiedene Regionen verteilt
und Medizinnobelpreisträger Santiago Ramón y
und nach ihrer Verarbeitung wieder zusammen­
Cajal (1852 – 1934) die Feinstruktur des Gehirns
geführt werden.
analysierte, wurde klar, dass es sich um ein Sys­
Der Neurowissenschaftler Karl Pribram von
tem verknüpfter Nervenzellen handelt. Zur glei­
der Georgetown University entwickelte bereits
chen Zeit breiteten sich die Telegrafenleitungen
1969 ein weiteres, mutiges Bild: das hologra­
wie ein Geflecht über die Kontinente aus. Doch
fische Gehirn. Hologramme sind Interferenz­
die Rechnermetapher wurde so mächtig – auch
muster, die aus mehreren Lichtwellen unter­
wenn sie einen Großteil der biologischen Kom­
schiedlicher Phasen und Frequenzen bestehen.
plexität des Gehirns ignorierte –, dass das Bild
Sie besitzen eine große Kapazität, Informationen
des Netzwerks bis zum Beginn des 21. Jahrhun­
zu speichern. Gehirn und Hologramm ähneln
derts kaum eine Rolle spielte.
sich in ihren Speicher- und Abruffähigkeiten
Erst im vergangenen Jahrzehnt hat sich das
sowie in der Robustheit gegenüber Beschädi­
geändert; das Netzwerkkonzept eroberte Wis­
gungen. Pribrams Metapher des Hologramms
sensbereiche von der Quantenmechanik bis hin
setzte sich allerdings kaum durch.
zur Soziologie. Der Erfolg des Internets dürfte
die Popularität dieser Metapher vorangetrieben
Amoklauf der Sinnbilder
haben. Diese Betrachtungsweise inspiriert vor
Und heute? Die Germanistin Juliana Goschler
allem Methoden, mit denen sich die Zusammen­
von der Universität Oldenburg hat in ihrer Dis­
hänge zwischen der Aktivität von Nervenzellen
sertation die Metaphernverwendung in zwei
und den feinen Netzwerkstrukturen des Gehirns
kompletten GuG-Jahrgängen untersucht. Sie
untersuchen lassen (siehe GuG 1-2/2014, S. 36).
zeigte, dass dem Gehirn häufig Eigenschaften
Allerdings könnte das Interesse am »Cloud
­einer Person zugeschrieben werden, gleichzeitig
Computing«, also an der Verteilung von Rechen-
aber die technischen Metaphern als gebräuch­
und Speicherleistung auf eine ganze »Wolke«
liche Formulierungen dominieren (»feuernde«
von Computern, die Netzwerkmetapher bald
Neurone, »Kurzschlüsse«, »Schaltkreise«).
wieder verblassen lassen. Dann wird das Augen­
Die Geschichte der Hirnforschung legt nahe,
merk darauf liegen, dass kein Areal des Gehirns
dass auch die Netzwerk- und Computermeta­
für sich allein eine kognitive Leistung erbringt –
phern neuen Bildern Platz machen werden. Wel­
und es somit zwecklos ist, Fähigkeiten und Eigen­
che das sein werden, können wir heute noch
schaften ausschließlich bestimmten Bereichen
nicht erahnen. Doch eines ist sicher: Auch dann
unseres Denkorgans zuzuordnen. Neurowissen­
werden wieder Metaphern dazu beitragen, dass
schaftler werden sich dann vor allem fragen, wie
wir uns das Gehirn begreiflich machen.
GuG 7_2014
Hierin liegt aber auch eine Gefahr: Indem
mente anstoßen. Sie sind somit mehr als men­
­Metaphern stets nur einen Aspekt hervorheben,
tale Krücken, die wir benötigen, solange wir
lenken sie die Aufmerksamkeit fort von anderen,
­etwas nicht vollständig verstanden haben. Vor
die vielleicht ebenso wichtig sind. Kathleen Sla­
­diesem Hintergrund sollten wir das Beste aus
ney und Michael Maraun von der Simon Fraser
der Fülle der sprachlichen Bilder machen und
University in Burnaby (Kanada) sprechen sogar
mit ihrer Hilfe über das Gehirn in all seiner Viel­
von einem »Amoklauf« der Metaphern. Die Psy­
falt sprechen. Ÿ
chologen kritisieren, dass manche sprachliche
Analogien grundsätzlich unlogisch sind, die
Grenze zwischen dem Gehirn und seinem Besit­
zer verwischen oder in ihrer Bildhaftigkeit mehr
Verwirrung als Klarheit schaffen. Wenn Forscher
von Karten, Kodes und Repräsentationen sprä­
chen, umgingen sie die zentrale Frage, wer denn
hier eigentlich denkt und handelt. Slaney und
Maraun befürchten, dass damit, wenn auch un­
absichtlich, die Idee eines »kleinen Männchens«
im Kopf, des Homunkulus, am Leben bleibt.
Bewusst eingesetzte Metaphern können je­
doch die Diskussion über ein schwer fassbares
Phänomen bereichern und sogar neue Experi­
Gunnar Grah (oben) ist promovierter
Biologe und für die Öffentlichkeits­
arbeit des Bernstein Center Freiburg
sowie des Exzellenzclusters BrainLinksBrainTools an der Universität Freiburg
verantwortlich. Arvind Kumar hat
Elektrotechnik, Neurobiologie, Biophy­
sik und theoretische Neurowissen­
schaften studiert und ist seit 2008
Arbeitsgruppenleiter am Bernstein
Center Freiburg. In GuG 5/2013
beschrieben die Autoren ein Compu­
termodell der Parkinsonkrankheit. Das
Thema Hirnmetaphern spielt, auf
ganz unterschiedliche Weise, in der täglichen Arbeit der
beiden eine zentrale Rolle.
Videotipp
Ist das Gehirn ein
­Computer? Ist der Computer
ein Gehirn?
Fünf Mitglieder des Frei­
burger Exzellenzclusters
BrainLinks-BrainTools und
fünf Forscher anderer
Disziplinen diskutieren über
Hirnmetaphern:
www.gehirn-und-geist.de/
artikel/1284578
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