Erscheint in Wegener, Heide (Hrsg.). Deutsch - kontrastiv. Tübingen. Beatrice Primus Rektionsprinzipien 1. Einleitung Der folgende Beitrag1 befaßt sich mit Prinzipien der verbalen Rektion im Deutschen und im Sprachvergleich. Bei der verbalen Rektion im hier vertretenen traditionellen Sinn handelt es sich um die Determination der Form eines syntaktischen Arguments durch sein verbales Regens, wobei diese Determination direkt vom Verblexem oder von einer das Verblexem inkludierenden verbalen Phrase ausgeht (vgl. zu letzterem Wegener 1985: 138f., Jacobs 1994a: 25). Der gewählte theoretische Rahmen ist präferenztheoretisch und erfreut sich in neueren Arbeiten unter der Bezeichnung 'Optimalitätstheorie' größerer Popularität (vgl. Prince/Smolensky 1993). Die Regeln bzw. Prinzipien eines solchen Modells stellen keine strikten Restriktionen dar. Sie dürfen verletzt werden. Außerdem konkurrieren sie miteinander in einer Art Wettbewerbsmodell: einige Prinzipien sind stärker als andere (vgl. Reis 1987, Bates/MacWhinney 1989). Diese Eigenschaften scheinen damit zusammenzuhängen, daß Optimalitätsprinzipien relativ zu genau einer sprachlichen Eigenschaft gelten. Was zum Beispiel bezüglich der semantischen Funktion der Kasus optimal ist, nämlich ihre Distinktheit, ist nicht notwendigerweise auch rein formal optimal. Es gibt Kasusmuster, die formal und funktional optimal sind, aber auch Kasusmuster, die nur formal oder nur funktional optimal sind. Was es äußerst selten zu geben scheint, sind Kasusmuster, die weder formal noch funktional optimal sind. Solange die Verletzung eines solchen Prinzips durch die Befolgung eines damit konkurrierenden Prinzips erklärt werden kann, handelt es sich streng genommen nicht um eine Ausnahme, weil dieser Fall in einem solchen Modell explizit zugelassen ist (vgl. Vennemann 1983). Damit stellt sich die Frage nach der empirischen Verifizierbarkeit bzw. Falsifizierbarkeit solcher Prinzipien. Eine einfache, in der Universalienforschung bevorzugte Methode bedient sich statistischer Verfahren, wodurch sich auch der Name statistischer Universalien ableitet. Diese Methode ist jedoch nicht sicher genug angesichts des soeben erwähnten Prinzipienwettbewerbs. Es gibt nämlich optimale Eigenschaften von Sprachen (z. B. die konsistente rechts- oder linksperiphere Plazierung des Kopfes einer Phrase), die nicht in allen Ausprägungen statistisch dominant sind. So sind z. B. Komplementierer auch in ansonsten kopffinalen Sprachen 1 Für wertvolle Hinweise bei der Fertigstellung dieser Arbeit bedanke ich mich bei Heide Wegener und einem anonymen Gutachter dieses Sammelbandes. oft linksperipher plaziert (vgl. Hawkins 1990: 256f.). Ein Prinzip kann nur dann statistisch belegt werden, wenn es im System der konkurrierenden Prinzipien besonders stark ist oder wenn man Daten findet, die von der Auswirkung der konkurrierenden Prinzipien nicht betroffen sind. Eine sichere empirische Überprüfung eines Optimalitätsprinzips kann also nur bei ausreichender Kenntnis der konkurrierenden Prinzipien gewährleistet werden. Diese Voraussetzung erfüllt der hier präsentierte Ansatz. Es gibt zwei Gründe für die präferenztheoretische Ausrichtung dieser Arbeit. Der erste Grund kommt von der sprachkontrastiven Perspektive und liegt in der Tatsache, daß viele linguistisch interessante, erklärungsstarke universale Prinzipien Optimalitätsprinzipien sind. Der zweite zwingende Grund liegt in der lexikalischen Natur des Untersuchungsgegenstandes. Valenz ist eine lexikalisch gesteuerte Erscheinung, die lexikalischen Regeln unterliegt. Lexikalische Regeln erlauben 'Ausnahmen', was für viele Linguisten eine charakteristische Eigenschaft solcher Regeln darstellt. Diese Ausführungen weisen darauf hin, daß in diesem Beitrag eine Auffassung über das Lexikon vertreten wird, die solchen Regeln eine empirische Realität und eine Funktion zugesteht. Lexikalische Regeln garantieren eine optimale Lernbarkeit und Speicherung lexikalischen Wissens. 2. Das formale Rektionsprinzip Die Kasus-Subkategorien einer Sprache mit einem syntaktisch relevanten Kasussystem bilden keine ungeordnete Menge, sondern eine Hierarchie, die nicht von anderen syntaktischen oder semantischen Hierarchien abgeleitet werden kann. Es hat sich eingebürgert, die Kasus-Subkategorien verschiedener Sprachen einheitlich zu benennen, so daß man aufgrund dieser terminologischen Vereinheitlichung von der allgemeinen Hierarchie in (1) ausgehen kann. (1) Nominativ-/Absolutivargument <m Akkusativ-/Ergativargument <m Dativargument <m andere oblique (z. B. adpositionale) Argumente Dieser Hierarchie von Formfunktionen liegt die entsprechende Hierarchie der KasusSubkategorien (NOM <m AKK <m DAT usf.) zugrunde. Ich betrachte NominativAbsolutiv einerseits und Akkusativ-Ergativ andererseits als terminologische Varianten (vgl. auch Blake 1994: 158). Auf eine eingehendere Behandlung der Ergativsprachen wird hier jedoch verzichtet (vgl. dazu Primus 1994, 1995). 2 Die Relevanz der Hierarchie (1) bzw. der zugrundeliegenden Kasushierarchie für das Deutsche und andere Sprachen ist u. a. für folgende Phänomene gut belegbar: Allomorphieasymmetrien (vgl. Hawkins 1996, Fries 1997), Reflexivierung (vgl. Primus 1991, Kiss 1987: 176f.), Wortstellung (Primus 1996, 1998), diachronischer Kasusabbau und Synkretismus (vgl. Primus 1987: 180f., Blake 1994: 172, Hawkins 1996), Kasuserwerb (vgl. die Angaben am Ende dieses Abschnitts). Das in Primus (1994, Kap. 2, 1995: 1085) vorgeschlagene universale formale Rektionsprinzip lautet wie folgt: (2) Für beliebige Sprachen S, beliebige Hierarchien von Rektionssubkategorien (z. B. Kasus-Subkategorien) gilt im optimalen Fall: (a) Die Selektion einer rangniedrigeren Rektionssubkategorie impliziert asymmetrisch die Selektion (mindestens) einer ranghöheren Rektionssubkategorie. (b) Je höher die Rektionssubkategorie auf der Hierarchie von S rangiert, um so eher wird sie selegiert. (2a) und (2b) greifen auf die lexemgesteuerte Selektion von Rektionssubkategorien durch ein verbales Regens R (lexikalische Rektion) und auf syntaktische Zuweisungsregel, die von R bzw. von einem funktionalen Kopf, der mit R assoziiert wird, ausgehen. Das Prinzip ist nicht nur für die verblexemgesteuerte Rektion bestimmt, sondern auch für Rektionssubkategorien, deren Zuweisung von der strukturellen Position des verbalen Regens oder von einem funktionalen Kopf, der mit diesem verbalen Regens assoziiert wird, ausgeht (strukturelle Rektion oder Default-Zuweisung). Kandidaten für diese zweite Art der Zuweisung sind der Subjektsnominativ und der Objektiv im Englischen (vgl. die Ausführungen zu (14) weiter unten). Dem Prinzip folgen auch komplexe Prädikate wie z. B. bei A.c.I.-Konstruktionen (er läßt das Kind zuviel arbeiten), die sich bezüglich der Kasusrektion wie einfache Prädikate verhalten (vgl. Jacobs 1992). Die Prognosen des Prinzips (2) werden in (3) an den Kasusrektionsmustern des Deutschen anhand der Verbliste in Mater (1971) veranschaulicht. Die Muster sind nach der Stelligkeit der Verben (d. h. nach der Zahl der Verbargumente) geordnet. Mehrstellige Verben mit vier oder mehr regierten Argumenten wurden nicht berücksichtigt, weil sie zu selten sind, um statistische Aussagen zu erlauben. Die Abfolge der Kasusargumente spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Die Zeichen "*", "*?" und "?" zeigen an, daß das Muster gar nicht, sehr selten bzw. selten 3 vorkommt. (3) (a) Einstellige Verben: Optimal ist NOM (bei Mater alle einstelligen Verben). Weniger optimal mit nach rechts fallender Optimalität sind *?AKK (z. B. mich friert), *?DAT (z. B. mir ist kalt), *GEN. (b) Zweistellige Verben: Optimal ist NOM/AKK (ca. 4560 Verben). Weniger optimal mit nach rechts fallender Optimalität sind NOM/DAT (ca. 360 Verben), ?NOM/GEN (14 Verben), *DAT/AKK und *DAT/GEN. (c) Dreistellige Verben: Optimal ist NOM/AKK/DAT (ca. 5100 Verben). Weniger optimal mit nach rechts fallender Optimalität sind ?NOM/AKK/GEN (26 Verben) und *?NOM/DAT/GEN (kein Verb, vgl. aber ich bin mir dessen bewußt/sicher). Zusammenfassend kann man festhalten, daß bei einstelligen Verben das Rektionsmuster NOM, bei zweistelligen Verben das Rektionsmuster NOM/AKK und bei dreistelligen Verben das Muster NOM/AKK/DAT formal - d. h. relativ zu (2a) oder (2b) - optimal sind. (2a, b) und die Kasushierarchie (1) erlauben weitere feiner abgestimmte Optimalitätsbewertungen, die in (3) angegeben sind. Man kann die Daten in (3) hinsichtlich der von (2a) geforderten Selektionsasymmetrien zwischen Nominativ, Akkusativ und Dativ genauer betrachten. Da bei Mater alle ca. 17.500 Verben einen Nominativ regieren, ist (2a) in diesem Korpus für die nicht-nominativischen Kasus relativ zum Nominativ zu 100% erfüllt. Von den ca. 5.460 Verben, die einen Dativ selegieren, selegieren ca. 5.100 auch einen Akkusativ (und Nominativ). Damit ist (2a) in diesem Korpus auch für den Akkusativ relativ zum Dativ zu 93% erfüllt. Von der Präsenz eines Akkusativarguments kann man kein Koargument im Dativ erwarten: von den ca. 9.740 Verben, die einen Akkusativ regieren, regieren nur ca. 5.100 auch einen Dativ (52%). Die Tatsache, daß eine verbale Dativrektion eine verbale Akkusativrektion voraussetzt, ist als empirische Generalisierung seit längerem bekannt (z. B. Wilmanns 1909: 635). Eine Erklärung dafür bietet Wegener (1985: 82, 138f.). Der bei zugrundeliegender satzfinaler Verbstellung verbnah plazierte Akkusativ wird direkt vom Verb regiert, während der verbfernere Dativ durch eine komplexere Einheit bestehend aus Verb und Akkusativargument regiert wird. Diese Analyse ist für die meisten Dativobjekte bei ditransitiven Verben korrekt, sie kann jedoch nicht für alle Daten in (3) als Erklärung dienen, weil sie sich zu sehr an topologisch-strukturelle Gegebenheiten anlehnt und sich dadurch den Weg zur Erklärung der weiteren 4 Rektionsasymmetrien zwischen Akkusativ und Nominativ, Dativ und Nominativ sowie Akkusativ und Genitiv versperrt. Diese sind bei der Grundwortstellung des Deutschen (NOM-DAT-AKK-GEN-Verb) nicht über die verbnähere oder verbfernere Plazierung der Argumente erklärbar. Die Subprinzipien in (2) weisen einige doppelte Kasusselektionen als formal optimal aus. Optimal sind NOM/NOM und NOM/AKK/AKK, nicht optimal und im Deutschen nicht attestiert sind u. a. AKK/AKK, DAT/DAT und NOM/DAT/DAT. Das Muster NOM/NOM kommt im Deutschen nur bei Konstruktionen mit Prädikativ und Kopulaverb vor (z. B. Sie ist/wird/bleibt Lehrerin), wo man den Prädikativnominativ als Defaultkasus werten kann. Auch das Muster NOM/AKK/AKK ist im Deutschen relativ selten (z. B. der Lehrer fragt den Schüler die Vokabeln ab). Die Seltenheit dieser Muster ist semantisch über das Distinktheitsgebot für Rektionskasus zu erklären (vgl. (12) weiter unten). Im Deutschen und in anderen Sprachen zählen auch verbal regierte Adpositionen z. B. Präpositionen wie in denkt an Paula, schwört auf Rache - zu den Rektionssubkategorien. Schwierig zu bestimmen ist der Hierarchiestatus dieser Rektionssubkategorien. Es gibt Hinweise, daß die einzelnen verbal regierten Präpositionen, wie in (1) angedeutet, tiefer rangieren als der Dativ. Ein erster Hinweis kommt von der niedrigen Selektionshäufigkeit der einzelnen verbregierten Präpositionen. So ist das Kasusmuster NOM/DAT (ca. 360 Verben bei Mater 1971) häufiger als zum Beispiel das Rektionsmuster NOM/AUF (116 Verben bei Bouillon 1984), wobei auf eine besonders häufig regierte Präposition ist. Für die tiefe Hierarchieposition der verbregierten Präpositionen spricht auch, daß es kein einstelliges verbales Regens gibt, bei dem das einzige Argument präpositional realisiert ist. Einen weiteren Hinweis liefern die dreistelligen Verben, bei denen das Kasusmuster NOM/DAT/PRÄP (3 Verben bei Mater 1971) viel seltener vorkommt als das Kasusmuster NOM/AKK/PRÄP (über tausend Verben bei Mater 1971). Funktional betrachtet (vgl. Abschnitt 5 weiter unten) geben einige wenige verbregierte Präpositionen ein anderes Bild ab. Sie greifen in die Funktionsdomäne des Akkusativs ein und müßten somit höher eingestuft werden als der Dativ. Kasusforderungen, die durch das Prinzip (2) motiviert sind, können in bestimmten Flexionsformen oder Diathesen blockiert werden. In infiniten und imperativischen Verbformen ist die Nominativrektion und die syntaktische Realisierung des entsprechenden Arguments unterdrückt. In Passivformen ist die Akkusativrektion blockiert, so daß das entsprechende Argument einen anderen Kasus erhalten muß. Da 5 im Passiv auch das agentivische Argument nicht mehr regiert wird, steht für das Akkusativargument der Aktivform der Nominativ zur Verfügung und wird aufgrund des Prinzips (2) als Default-Kasus gewählt (vgl. Er sah den Mann/Der Mann wurde gesehen, aber: Er half dem Mann/Dem Mann wurde geholfen). Blockierungsmechanismen wie die soeben besprochenen sind am Verb morphologisch markiert. Verbformen ohne Rektionsblockierung haben voll realisierte Rektionsforderungen. Das Prinzip (2) ist bewußt sehr allgemein gehalten, weil es in erster Linie dazu dient, den allgemeinen Rahmen abzustecken, in welchem sich Sprachvariation abspielt. Es ist also damit zu rechnen, daß es einzelsprachlich spezifischere ('stärkere') Restriktionen gibt, die unter dieses Prinzip fallen. So zum Beispiel läßt sich (2b) für die Nominativzuweisung im Gegenwartsdeutschen wie in (4) verstärken: (4) Jedes Prädikat mit voll realisierten Rektionsforderungen seines lexikalischen verbalen Kopfes hat ein ggf. fakultatives Nominativargument. (4) erfaßt die Tatsache, daß auch Konstruktionen wie mich friert oder mir ist kalt die Variante es friert mich und mir ist es kalt aufweisen. Bei der Hierarchie (1) und beim Prinzip (2) handelt es sich nicht nur um empirische Generalisierungen, die von den zu beschreibenden Daten abgeleitet wurden, sondern um eine von vielen Manifestationen einer grundlegenderen Eigenschaft von Sprachsystemen (vgl. Fries 1997). Kategoriensysteme sind hierarchisch angeordnet, und es gibt viele allgemeine Prinzipien, die solche Hierarchien voraussetzen (vgl. Keenan/Comrie 1977). Eine weiterführende Erklärung dafür bietet der Spracherwerb. Dies kann man am Beispiel des Deutschen in einem fiktiven Szenario illustrieren. Bei der ersten Strategie versucht ein Kind X, kontra-ikonisch zur Hierarchie (1) vorzugehen und den Dativ vor dem Akkusativ und erst dann den Nominativ zu erwerben. Bei der zweiten Strategie versucht ein Kind Y, ikonisch zu (1) vorzugehen. Das Kind X ist mit folgenden den Erwerbsprozeß erschwerenden Bedingungen konfrontiert. So wird X beim Erwerb der Rektionsmuster des Deutschen sehr viel mehr Rektionsfehler machen als Y. Das liegt daran, daß die einzigen Rektionsmuster, über die X zunächst verfügt, nämlich DAT und DAT/DAT, äußerst selten bzw. gar nicht vorkommen. Dasselbe gilt für die anschließend verfügbaren Muster AKK, DAT/AKK und AKK/AKK. Zudem ist der Dativ im Paradigma bestimmter Nomina morphologisch komplexer als der Nominativ oder Akkusativ (vgl. der Bär - dem Bären, die Kinder den Kindern). Somit wird der Erwerbsprozeß von X schon aus morphologischen 6 Gründen langwieriger sein als bei Y. Daß die erfolgreichere Strategie des Kindes Y wirklichkeitsnah ist, belegen mehrere Untersuchungen zum Kasuserwerb im Deutschen und in anderen Sprachen. So lernen Kinder beim Erstspracherwerb die Kasusformen in der in (1) angegebenen Reihenfolge und neigen eher dazu, bei Rektionsfehlern einen ranghöheren Kasus anstatt eines rangniedrigeren Kasus zu verwenden als umgekehrt einen rangniedrigeren Kasus anstatt eines ranghöheren (vgl. zum Deutschen Clahsen 1984, Tracy 1986, Eisenbeiß 1994, zum Ungarischen MacWhinney 1976, zum Samoanischen Ochs 1982). Es ist daher plausibel anzunehmen, daß ein hierarchisches Kasussystem mit entsprechenden Allomorphie- und Rektionsasymmetrien den Erstspracherwerb optimiert. 3. Rollensemantische Basisprädikate und Proto-Rollen Im folgenden möchte ich das semantische Rektionsprinzip mit einer Einführung der wichtigsten rollensemantischen Begriffe und Annahmen vorbereiten. Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen bildet der Ansatz von Dowty (1991), der sich dadurch charakterisieren läßt, daß er mit genau zwei multifaktoriellen Prototypenbegriffen, Proto-Agens und Proto-Patiens, auskommt. Diese definiert Dowty durch zwei verschiedene Mengen von grundlegenderen semantischen Relationen, die im folgenden Basisprädikate genannt werden und wie in (5) repräsentiert werden. Eine durch ein solches Basisprädikat eingeführte grundlegendere semantische Rolle wird im folgenden Basisrolle genannt. Die Basisrollen, die die Proto-Agens-Rolle charakterisieren, sind in (5) aufgelistet: (5a) (5b) (5c) CONTROL(x, ...) CAUSE(x, ...) MOVE(x, ...) x kontrolliert/Kontrolleur x verursacht/Verursacher x ist physisch aktiv/Bewegungsträger (5d) EXPER(x, ...) x nimmt wahr bzw. hat eine psychische Einstellung/Experiencer (5e) POSSESS(x, ...) x verfügt über etwas/Besitzer Die linke Spalte führt die agentivischen Basisprädikate ein, während in der rechten Spalte die Bezeichnungen für die entsprechenden Basisrollen erscheinen. (5a)-(5d) enthalten Basisprädikate und Basisrollen, die bei Dowty (1991: 572) und in vielen anderen Ansätzen im Zusammenhang mit dem Agensbegriff diskutiert werden. Statt Volitionalität oder Intentionalität habe ich Kontrolle gewählt, weil dieses 7 Basisprädikat mehr als Volitionalität umfassen soll. Kontrolle impliziert auch bestimmte Fähigkeiten oder Verantwortung von seiten des Handelnden. Bewegung wird ebenfalls sehr allgemein aufgefaßt und soll jede Form von physischer Aktivität und nicht nur den Ortswechsel eines Mitspielers erfassen. EXPER gilt nicht nur für sensorische oder geistige Zustände wie bei sehen und denken, sondern auch für evaluative Einstellungen wie bei gefallen, mißfallen, nützen oder schaden. Das Besitzprädikat in (5e) kommt bei Dowty nicht vor und soll nicht nur Besitz im engeren Sinn, sondern jede Form von Verfügbarkeit erfassen. Die Einführung von Experiencer und Besitzer als agentivische Rollen findet man seltener in der Literatur und muß deshalb besonders hervorgehoben werden. Die Liste der Basisprädikate in (5) ist nicht vollständig, worauf einige im Abschnitt 5 behandelte Rektionsmuster hinweisen werden. Es ist jedoch wichtig festzuhalten, daß sich die Formulierung der folgenden Prinzipien und Definitionen nicht ändert, wenn man zusätzliche Basisprädikate einführt. Die in (5) aufgeführten Basisprädikate sind semantisch unabhängig in dem Sinn, daß es keine bidirektionale Implikationsrelation zwischen ihnen gibt. Dowty hat aber meiner Ansicht nach übersehen, daß es unidirektionale Implikationen zwischen einigen Basisprädikationen gibt. Vgl. (6): (6a) (6b) (6c) (6d) CONTROL(x, ...) & CAUSE(x, ...) P-CONTROL(x, ...) & EXPER(x, ...) EXPER(x, ...) & ANIMATE(x, ...) P-CONTROL(x, ...) & ANIMATE(x, ...) P-CONTROL: prototypische (6e) P-CONTROL(x, ...) & MOVE(x, ...) Kontrolle (6a) besagt, daß Kontrolle eine bestimmte Art von Verursachung ist, eine Annahme, die man in mehreren sprachphilosophischen Handlungstheorien findet (z. B. Chisholm 1977: 360, von Wright 1974: 114f.). Auch die Implikation (6b), die das Handlungsbewußtsein des kontrolliert Handelnden erfaßt, ist in der sprachphilosophischen Tradition eine gängige Annahme (z. B. Thalberg 1972: 186f.). Einige Implikationen gelten nur für den Begriffskern der Kontrolle, d. h. für prototypische Kontrolle (P-CONTROL). (6) erfaßt die Tatsache, daß prototypische Kontrolle die begrifflich stärkste Agenseigenschaft ist. Im Begriffskern von Kontrolle sind fast alle anderen Agenseigenschaften inkludiert: Kausalität, Aktivität, Wahrnehmung und Belebtheit. Das ist meiner Meinung nach der Grund, warum in der Fachliteratur oft nur Kontrolle 8 und verwandte Begriffe wie Volitionalität und Intention im Zusammenhang mit dem Agensbegriff ins Spiel gebracht werden. Ähnlich wie in Dowtys Arbeiten (z. B. Dowty 1979) werden auch hier Basisprädikate im Rahmen von Bedeutungspostulaten eingesetzt. Bedeutungspostulate geben Bestandteile von Lexembedeutungen wieder und stellen keine Paraphrasen von Lexembedeutungen dar, was durch eine unilaterale Implikationsrelation zum Ausdruck gebracht wird. Vgl. die Beispiele in (7), zu denen nur eine rudimentäre, alle irrelevanten Details vernachlässigende Repräsentation angeboten wird: (7a) Peter gab dem Kind den Apfel. (7b) ∀x∀y∀z[GEB(x, y, z) & CONTROL(x, BECOME(POSSESS(y, z)) & BECOME(¬POSSESS(x, z) & MOVE(x, z))] Peter nahm dem Kind den Apfel. ∀x∀y∀z[NEHM(x, y, z) & CONTROL(x, BECOME(¬POSSESS(y, z)) & BECOME(POSSESS(x, z)) & MOVE(x, z))] (7c) (7d) (7e) (7f) (7g) Peter erzählte dem Kind ein Märchen. ∀x∀y∀z[ERZÄHL(x, y, z) & CONTROL(x, BECOME(EXPER(y, z)) & MOVE(x))] Peter zeigte dem Kind sein neues Auto. ∀x∀y∀z[ZEIG(x, y, z) & CONTROL(x, BECOME(EXPER(y, z)) & MOVE(x))] Der Junge tötete den Vogel. ∀x∀y[TÖT(x, y) & CAUSE(x, BECOME(DEAD(y)) & MOVE(x, y))] Dem Jungen gefiel der Film. ∀x∀y[GEFALL(x, y) & EXPER(x, y)] Peter hat ein neues Auto. ∀x∀y[HAB(x, y) & POSSESS(x, y)] BECOME wird wie bei Dowty (1979) verwendet und besagt, daß der vom unmittelbar folgenden Prädikat bezeichnete Sachverhalt erst am Ende des vom Verblexem bezeichneten Vorgangs zutrifft. Die Basisrollen aller semantischen Argumente, die in (7) mit x bezeichnet werden, fallen unter Proto-Agens, obwohl ein Verb wie geben, erzählen oder zeigen der Argumentstelle x mehr Agens-Basisrollen zuweist als gefallen und haben. Die bisherigen Ausführungen bewegen sich trotz geringfügiger Modifikationen noch im Rahmen, den Dowty (1991) abgesteckt hat. Das ändert sich mit der 9 Rekonstruktion der Unterscheidung zwischen Proto-Agens und Proto-Patiens. Dowty versucht, den Unterschied zwischen Proto-Agens und Proto-Patiens dadurch zu erfassen, daß er dem Proto-Patiens Basisprädikate zuordnet, die möglichst verschieden sind von denen des Proto-Agens. Aber schon bei Dowtys kausaler Affiziertheit und der Zustandsveränderung durch Bewegung zeigt es sich, daß der Unterschied zwischen Agens und Patiens im Grunde genommen nicht durch den Inhalt der Basisprädikate entsteht, denn Kausalität und Bewegung kommen auch agentivischen Rollen zu. Der grundlegende Unterschied zwischen Proto-Agens und Proto-Patiens muß daher woanders liegen. Bei der Rekonstruktion des Unterschieds zwischen Agens und Patiens muß man beachten, daß es zwei Typen von rollensemantischer Information gibt: zum einen den Inhalt und die Zahl der einer Argumentstelle zugewiesenen Basisprädikate, zum anderen die Strukturposition der Argumente in der Rollenstruktur eines Verbs oder Satzes. Ich gehe davon aus, daß der Unterschied zwischen Agens und Patiens durch ihre Position in der rollensemantischen Struktur eines Prädikats entsteht und nicht dadurch, daß sie Argumente verschiedener rollensemantischer Basisprädikate sind. Vgl. (8): (8) Ein beliebiges semantisches Argument x fungiert als Proto-Patiens eines rollensemantischen Basisprädikats P genau dann, wenn P eine von x verschiedene Argumentposition hat, die x vorangeht (bzw. x rollenstrukturell ckommandiert), sonst fällt die Rolle von x unter Proto-Agens. Die Reihenfolge der Argumente in einem in (7) illustrierten Darstellungsformat bildet die relativen rollensemantischen Abhängigkeiten zwischen den semantischen Argumenten eines Prädikats ab (vgl. dazu eingehender Primus 1996). Die cKommando-Beschränkung in Klammern garantiert die Anwendbarkeit dieser Definition auch für andere Standardnotationen von Prädikat-Argument-Strukturen als die in (7) vorgestellte, z. B. PRED (y) (x), was auch ohne weitere Klammern wie folgt interpretiert wird: (PRED (y)) (x). In einer solchen Struktur c-kommandiert x y, ohne daß x y auch vorangeht. Semantische Abhängigkeiten im weiteren Sinn entstehen nicht nur bei den in (5) eingeführten Basisprädikaten. Eine Abhängigkeit besteht auch zwischen den Argumenten von ähneln. Obwohl ähneln ein symmetrisches Verb ist (vgl. ∀x∀yÄHNEL(x, y) & ÄHNEL(y, x)), so ist das Nominativargument immer referentiell zu interpretieren, während das Dativargument nicht-referentiell sein kann. Referentiell (de re) vs. nicht-referentiell (de dicto) gehören bei Dowty (1991: 572f.) zu den agens- 10 bzw. patiensrelevanten Eigenschaften. Semantisch intransitive Verben haben kein zweites Argument, wenn man leere Argumentpositionen ausschließt (vgl. jedoch Grimshaw 1990: 38f.). Bei Verbot leerer Argumentstellen lassen sich intransitive Verben nicht durch die Besetzung verschiedener Argumentstellen rollensemantisch voneinander unterscheiden, aber z. B. durch den Inhalt bzw. die Zahl der Basisprädikate. Semantische Abhängigkeiten sind transitiv. Bei dreistelligen Verben wie in (7a)(7d) entsteht eine Hierarchie von Abhängigkeiten. Das mittlere Argument y hat hybride Eigenschaften, eine Option, die bei der hier vertretenen dekompositionalen, prototypensemantischen Konzeption von semantischen Rollen explizit zugelassen ist. Einerseits ist y das erste Argument von POSSESS oder EXPER und fungiert somit relativ zu diesen Basisprädikaten als Proto-Agens. Andererseits ist y in der CONTROL-Prädikation ein zweites Argument relativ zu x und somit ein Proto-Patiens. Dies ist die wesentliche Eigenschaft von Rezipienten, Adressaten u. ä. Rollen, die Dowty völlig vernachlässigt hat. Für sie wird hier der Begriff des Proto-Rezipient wie folgt eingeführt: (9) Ein beliebiges semantisches Argument x fungiert als Proto-Rezipient genau dann, wenn x sowohl als Proto-Agens als auch als Proto-Patiens fungiert. Auch Benefaktive wie seiner Frau in Peter strickt seiner Frau einen Pulli fallen unter diese Proto-Rolle. In diesem Beispiel intendiert Peter (x) durch sein Stricken, daß seine Frau (y) über einen Pulli (z) verfügt. Die relevante rollensemantische Teilstruktur ist CONTROL(x, ... POSSESS(y, z) ...). In der CONTROL-Prädikation fungiert y als Patiens, in der POSSESS-Prädikation als Agens (vgl. Dik 1978: 32f. für den Zusammenhang zwischen einem Benefaktiv und einem ggf. kontrollierenden Verursacher). Diese Bemerkungen über Proto-Rezipienten weisen darauf hin, daß Experiencer (bzw. Träger einer psychischen Einstellung) und Besitzer rollenstrukturell unterschiedlich eingebettet werden können. Bei Verben wie gefallen, gehören, besitzen oder mögen handelt es sich um erste Argumente. Die traditionelle Bezeichnung "Experiencer" oder "Besitzer" ist für solche Vorkommen reserviert. Bei Verben wie zeigen, erklären, sagen, geben oder schenken handelt es sich um zweite Argumente, die rollenstrukturell hybride, d. h. Agens- und Patiens-Eigenschaften aufweisen. Solche Vorkommen werden im Folgenden auch "sekundäre Experiencer" oder "sekundäre Besitzer" genannt. 4. Rollensemantisch determinierte Rektion 11 Im folgenden Abschnitt soll nun auf der Grundlage der Kasushierarchie und der eingeführten rollensemantischen Begriffe das semantische Rektionsprinzip vorgestellt werden. Es ist Dowtys Verdienst, die Idee angeregt zu haben, daß sich die formale Kodierung der Argumente nach der Anzahl der semantischen Basisrollen, die ein Argument akkumuliert, richtet. Dowtys Prinzip lautet wie folgt (1991: 576): "In predicates with grammatical subject and object, the argument for which the predicate entails the greatest number of Proto-Agent properties will be lexicalized as the subject of the predicate; the argument having the greatest number of Proto-Patient entailments will be lexicalized as the direct object." Das in der vorliegenden Arbeit angenommene Prinzip, das auf sprachtypologischen Untersuchungen (Primus 1994, 1995) beruht, unterscheidet sich von Dowtys Prinzip in mehreren Punkten. Im vorliegenden Ansatz werden zwei Typen von rollensemantischer Information (die relativen rollensemantischen Abhängigkeiten, die sich in der rollenstrukturellen Position der Argumente niederschlagen, und der Inhalt bzw. die Zahl der einem Argument zugewiesenen Basisprädikate) und zwei Typen von Formfunktionen (strukturell-topologische vs. morphologisch-adpositionale) unterschieden. Dowty hat weder die Autonomie der beiden rollensemantischen Parameter noch die Autonomie der beiden Formsysteme erkannt. Sein Argumentselektionsprinzip basiert auf der unterschiedlichen Zahl der Basisprädikate, die einer Argumentstelle zugewiesen werden. Deshalb trifft sein Prinzip für die nichtstrukturelle Kodierung weitaus bessere Prognosen als für die strukturelle. Die Autonomie der beiden Typen von Formfunktionen und die Probleme, die die Annahme von grammatischen Relationen des akkusativischen Sprachtyps für Ergativsprachen und Aktivsprachen aufwerfen, verdeutlichen, daß Rektionsprinzipien nicht mit Hilfe von konglomeraten Begriffen wie Subjekt und Objekt formuliert werden können. Ein weiterer Unterschied zu Dowty ist, daß das Prinzip auch auf einstellige und passivische Verben Anwendung findet, während Dowtys Prinzip nur für Verben mit Subjekt und Objekt konzipiert ist. Ein anderer wichtiger Unterschied zu Dowtys Ansatz besteht darin, daß im vorliegenden Modell dem semantischen Rektionsprinzip ein stärkeres formales Rektionsprinzip zur Seite gestellt wird. Die Interaktion dieser Prinzipien erklärt viele Daten, die in Dowtys Ansatz nicht erfaßt werden können. Das in Primus (1994, Kap. 4, 1995: 1100) vorgeschlagene universale Prinzip lautet bei Fixierung des Ergativparameters auf Nominativsprachen (A = NOM und B = AKK) wie folgt: 12 (10) Für beliebige Sprachen S mit Nominativ/Akkusativ-Konstruktionen, für beliebige Argumente, die als verbal regierte syntaktische Argumente realisiert werden, und für beliebige Rektionssubkategorien A, B, C, wobei diese distinkt sein sollen und A und B die ranghöchsten Kategorien in S sind, gilt: (a) Je mehr Proto-Agens-Basisrollen einem Argument aufgrund der unmarkierten Lesart eines Verbs (bzw. Satzes) zugewiesen werden, um so eher erhält dieses Argument die Rektionssubkategorie A = NOM, und (b) je mehr Proto-Patiens-Basisrollen einem Argument aufgrund der unmarkierten Lesart eines Verbs (bzw. Satzes) zugewiesen werden, um so eher erhält dieses Argument die Rektionssubkategorie B = AKK. (10) gilt für lexikalisch regierte syntaktische Argumente. Die Formfunktionen sollen distinkt sein, wobei A und B die ranghöchsten Formfunktionen sein sollen, die für Nominativsprachen wie folgt spezifiziert sind: A = NOM und B = AKK. Die für (10) relevanten Rektionssubkategorien sind Kasus, Adpositionen und Verbkongruenzmarker, die im Lexikon zugewiesen werden. Ich fasse ähnlich wie Dowty (10) als lexikalisches Prinzip auf. Das Prinzip soll unter anderem dazu dienen, lexikalische Defaults bzw. die Absenz solcher Defaults in einer Einzelsprache zu erklären. Dabei ist zu beachten, daß Kasusmuster, die durch grammatische Regeln entstehen, im allgemeinen den lexikalischen Defaults der Sprache folgen. Anders ausgedrückt: lexikalisch nicht optimale Kasusmuster werden nicht grammatikalisiert, wie am Beispiel der A.c.I.-Konstruktion im Deutschen im Abschnitt 5 weiter unten gezeigt wird. Der Bezug auf die unmarkierte Lesart eines Satzes läßt zu, daß im Rahmen der vom Verblexem zugelassenen Interpretationsmöglichkeiten auch andere Elemente des Satzes die Kasusselektion mitbestimmen, z. B. die Belebtheit und Definitheit eines Arguments wie in einigen romanischen Sprachen, Modalverben oder der Verbmodus wie im Malayalam und im Georgischen oder die negative Polarität des Satzes wie beim Genitiv im Mittelhochdeutschen, Polnischen und Russischen. Das Prinzip besagt, daß die verbale Rektion nicht nur auf die Unterscheidung zwischen Agens und Patiens reagiert, sondern auch auf die Quantität rollensemantischer Information, die ein Argument akkumuliert. Um die Prognosen des Prinzips (10) für Nominativsprachen leichter überprüfen zu können, sollen einige der wichtigsten Korollare explizit formuliert werden. 1. Korollar von (10a): Je weniger Proto-Agens-Basisrollen einem Argument zugewiesen werden, um so eher kann dieses Argument eine vom Nominativ verschiedene Rektions- 13 subkategorie (z. B. Akkusativ oder Dativ) erhalten. 2. Korollar von (10a): Von zwei Koargumenten mit Proto-Agens-Basisrollen erscheint dasjenige eher im Nominativ, das mehr Proto-Agens-Basisrollen akkumuliert. 1. Korollar von (10b): Je weniger Proto-Patiens-Basisrollen einem Argument zugewiesen werden, um so eher kann dieses Argument eine vom Akkusativ verschiedene Rektionssubkategorie (z. B. Nominativ oder Dativ) erhalten. 2. Korollar von (10b): Von zwei Koargumenten mit Proto-Patiens-Basisrollen erscheint dasjenige eher im Akkusativ, das mehr Proto-Patiens-Basisrollen akkumuliert. Korollar von (10a) und (10b): Wenn von zwei Koargumenten, Ki und Kj, Ki eine hohe Zahl von Proto-Agens-Basisrollen und Kj eine hohe Zahl von Proto-Patiens-Basisrollen akkumuliert, dann ist so gut wie ausgeschlossen, daß Ki im Akkusativ und Kj im Nominativ erscheint. Das Prinzip (10) beinhaltet verletzbare Beschränkungen. Die Tendenzaussage "um so eher" macht für eine Einzelsprache u. a. zwei Voraussagen. Zum einen besagt sie, daß bei Argumenten mit einer hohen Zahl von konsistenten Proto-Agens- bzw. Proto-Patiens-Basisrollen eher mit sprachspezifischen strikten Restriktionen, die (10) folgen, zu rechnen ist als bei Argumenten mit einer geringen Zahl von konsistenten Basisrollen. So ist zum Beispiel damit zu rechnen, daß in vielen Sprachen die 2. Korollare von (10a) und von (10b) sowie das Korollar von (10a) und (10b) strikte Beschränkungen darstellen (vgl. (11) im Deutschen). Zum anderen sagt das Prinzip bei Absenz strikter Beschränkungen voraus, daß für Argumente mit einer hohen Zahl von konsistenten Basisrollen die Häufigkeit der Verblexeme mit Rektionsmuster, die den genannten Korollaren folgen, sehr deutlich höher liegen muß als die der Verblexeme mit Rektionsmuster, die ihnen nicht folgen. (10) erfaßt somit die bekannte empirische Generalisierung, daß in Nominativsprachen im optimalen Fall ein kontrolliert handelndes Agens im Nominativ und ein stark affiziertes Patiens im Akkusativ erscheint. (10) trägt auch der Beobachtung Rechnung, daß der Dativ für rollensemantisch weniger affizierte Argumente in Frage kommt (vgl. schon Jakobson 1936: 73). (10) erklärt somit, warum zweistellige Verben wie töten und dreistellige Verben wie geben, nehmen, erzählen oder zeigen (vgl. (7a)-(7e) weiter oben) nicht nur im Deutschen, sondern auch in sehr vielen Nominativsprachen mit mindestens zwei bzw. drei verbregierten Kasus-Subkategorien dasselbe Rektionsmuster aufweisen. (10) erklärt darüber hinaus, warum Verben wie gefallen und ähneln, die ihren Argumenten eine geringere Anzahl von Agens- bzw. Patiens-Basisrollen zuweisen, eine größere sprachenübergreifende und sprachimmanente Rektionsvariation 14 aufweisen. Solche Verben werden weiter unten im 5. Abschnitt eingehender behandelt. Das Gegenwartsdeutsche hat einige strikte Beschränkungen, die gute Kandidaten für strikte Beschränkungen auch in anderen Sprachen darstellen und die - wie von (10) vorhergesagt - Argumente mit einer höheren Anzahl von konsistenten Agens- bzw. Patiens-Basisrollen betreffen: (11) Für syntaktische Argumente mit verbal regierten Kasus-Subkategorien gilt: (a) Wenn zwei Koargumente Proto-Agens-Basisrollen tragen, ist ausgeschlossen, daß dasjenige mit mehr Proto-Agens-Basisrollen in einem vom Nominativ verschiedenen Kasus erscheint und dasjenige mit weniger Proto-Agens-Basisrollen im Nominativ. (b) Wenn zwei Koargumente Proto-Patiens-Basisrollen tragen, ist ausgeschlossen, daß dasjenige mit mehr Proto-Patiens-Basisrollen in einem vom Akkusativ verschiedenen Kasus erscheint und dasjenige mit weniger Proto-Patiens-Basisrollen im Akkusativ. (c) Wenn von zwei Koargumenten, Ki und Kj, Ki eine hohe Zahl von ProtoAgens-Basisrollen und Kj eine hohe Zahl von Proto-Patiens-Basisrollen akkumuliert, so ist ausgeschlossen, daß Ki im Akkusativ und Kj im Nominativ erscheint. (d) Wenn ein Argument ein kontrollierendes physisch aktives Agens oder ein kontrolliert physisch manipuliertes Patiens ist, so kann es weder im DAT noch im GEN erscheinen. Die Wirkung dieser Beschränkungen wird im Abschnitt 5 eingehender besprochen. Ein scheinbares Gegenbeispiel für (10) ist die Passivkonstruktion. Die sprachenübergreifend konstanteste Valenzeigenschaft von Verben im Passiv ist, daß das Agens in einer obliquen Funktion erscheint (vgl. Keenan 1985: 254, Shibatani 1985: 839), was eine klare Verletzung des Prinzips (10) darstellen würde (vgl. Das Fenster wurde von Max eingeschlagen). Die meisten Linguisten haben wegen dieser Besonderheit des Passivs semantische Rektionsprinzipien konstruktionsabhängig formuliert und sie auf die Grunddiathese einer Sprache beschränkt. Das gilt auch für Dowty (1991), der sein Selektionsprinzip nur für Verben mit Subjekt und Objekt formuliert. Dies scheint eine voreilige Entscheidung gewesen zu sein. Das Agens im Passiv ist immer fakultativ (vgl. Haspelmath 1990) und seine Form ist nicht verblexemspezifisch. Unter der Annahme, daß das Agens im Passiv für die verbale Nominativrektion blockiert ist, fällt es nicht mehr unter Prinzip (10) und der Nominativ kann an ein Nicht-Agens aufgrund des 15 formalen Rektionsprinzips (2) und des darin enthaltenen Nominativgebots zugewiesen werden. 5. Die Interaktion der Rektionsprinzipien anhand der wichtigsten Rektionssubkategorien des Deutschen 5.1 Allgemeine Interaktionsbestimmungen Das rollensemantische Prinzip konkurriert mit dem im zweiten Abschnitt vorgestellten formalen Rektionsprinzip (2), das die Generalisierung einer ranghöheren Rektionssubkategorie auf Kosten einer rangniedrigeren voraussagt. Aus der Interaktion der beiden Prinzipien ergibt sich, daß Verblexeme mit einem Rektionsmuster, das weder durch (2) noch durch (10) motiviert ist, äußerst selten sind. Die verletzbaren Prinzipien bzw. Beschränkungen sind nach ihrer fallenden Wirkungsstärke im Deutschen und in vielen anderen Sprachen wie folgt angeordnet: (12) Das Distinktheitsgebot für Rektionssubkategorien und das Nominativgebot >> NOM/AKK-Präferenz für zweistellige Verben und semantische Defaults (12) ist durch folgende empirische Generalisierungen motiviert. Für die Stärke des Distinktheitsgebots (vgl. (10)) spricht, daß Muster mit doppeltem Kasus auch bei formal optimaler Verteilung (z. B. NOM/NOM, NOM/AKK/AKK) relativ selten sind.1 Hinsichtlich der Stärke des Nominativgebots (vgl. (2) und (4)) muß man zunächst beachten, daß es nicht für Verbkongruenzmarker zu gelten scheint, die in Sprachen mit gespaltener Intransitivität wie z. B. Guarani oder Lakhota im Lexikon zugewiesen werden, also Rektions-Subkategorien im traditionellen Sinne darstellen. Solche Systeme entbehren der Hierarchie-Voraussetzung für das Nominativgebot, vgl. Primus (1994, Kap. 4). Wenn man von solchen Systemen absieht, manifestiert sich die Stärke des Nominativgebots u. a. darin, daß der Nominativ in Nominativsprachen nicht auf kontrollierende oder kausierende Agens beschränkt ist, was sich besonders deutlich bei den einstelligen Verben zeigt. Die Wirkung und die Interaktion der hier vorgestellten Beschränkungen wird in den nächsten Abschnitten anhand der Analyse einiger Fallbeispiele mit Hilfe von optimalitätstheoretischen Tableaus klarer veranschaulicht. 5.2 Nominativrektion und Akkusativrektion 1 Etwas häufiger findet man NOM/NOM in Sprachen, in denen nur belebte und/oder definite Objekte den Akkusativ selegieren wie z. B. im Türkischen, im Hindi und in anderen indischen Sprachen. 16 Wie weiter oben erwähnt (vgl. (4)), kann im Gegenwartsdeutschen jedes flektierte Prädikat mit voll realisierten Rektionsforderungen seines lexikalischen verbalen Kopfes ein (ggf. fakultatives) Nominativargument zu sich nehmen. Die Selektion des Akkusativs ist im Gegensatz zur Selektion des Nominativs formal restringiert: im optimalen Fall muß er mit dem Nominativ kookkurieren. Dies erklärt, warum es im Deutschen und in anderen Sprachen kaum oder gar keine Rektionsmuster des Typs AKK, AKK/AKK, AKK/DAT u. ä. gibt. So z. B. findet man einstellige Verben mit AKK bei einer geringen Zahl von Verben u. a. im Alt- und Mittelhochdeutschen (mich friert, mich hungert), Gotischen (mik hungreiπ), Lateinischen (me pudet 'ich schäme mich', me taedet 'ich empfinde Ekel') oder im Imbambura Quechua (Juzi-ta (ACC) rupan 'Dem José ist warm', vgl. Cole 1982: 108). Solche Akkusativargumente sind in den genannten Sprachen auf Argumente mit einer sehr kleinen Zahl von Proto-AgensBasisrollen (z. B. Experiencer) beschränkt und somit semantisch erklärbar (vgl. das 1. Korollar zu (10a)). Weitere Rektionsmuster mit einem Akkusativ-Experiencer sind einerseits mich wundert/interessiert das und andererseits mich ärgert/nervt das, die weiter unten im Abschnitt 5.3 besprochen werden. Solche Muster sind in Einklang mit dem semantischen Prinzip (10), wie im 1. Korollar von (10a) und von (10b) festgehalten wird. Das Prinzip (10) und die strikte Beschränkung (11c) verbieten den Akkusativ für ein Argument mit einer hohen Zahl von Proto-Agens-Basisrollen und den Nominativ für ein Koargument mit einer hohen Zahl von Proto-Patiens-Basisrollen. Die Beobachtung, daß der Nominativ funktional am wenigsten restringiert ist und der Akkusativ bei mehrstelligen Verben funktional weniger restringiert ist als die tieferrangigen Kasus-Subkategorien, geht spätestens auf Jakobson (1936: 35) zurück. Allerdings findet man bei Jakobson dafür keine Erklärung. Seine funktional geführte Argumentation weist vielmehr in die falsche Richtung: die semantische Unrestringiertheit dieser Kasus geht nicht auf ihre inhärente funktionale Schwäche zurück, sondern auf die in der Kasushierarchie angelegte formale Unmarkiertheit. Diese Eigenschaft der beiden ranghöchsten Kasus wird im vorliegenden Ansatz in dem Sinne erklärt, daß sie von einer unabhängig motivierten Kasushierarchie und einem allgemeinen formalen Rektionsprinzip abgeleitet werden kann. Man kann den Nominativ und Akkusativ durchaus mit semantischen Rollen in Verbindung bringen, ein Verfahren, das in sprachkontrastiven Ansätzen für die Bestimmung dieser Kasus herangezogen wird. Der Nominativ wird als Subjektskasus mit dem Agens transitiver Sätze und der Akkusativ als Objektskasus mit dem Patiens transitiver Sätze identifiziert (z. B. Dixon 1979, Blake 1994: 132f.). Solche 17 Bestimmungen beruhen auf einer Übergeneralisierung, denn die Beziehung zwischen Kasus und rollensemantischer Funktion gilt beim Nominativ und Akkusativ wegen der Stärke des formalen Rektionsprinzips immer nur in einer Richtung: Aus der Präsenz einer hohen Anzahl von Agens- bzw. Patiens-Basisrollen für ein Argument läßt sich seine Nominativ- bzw. Akkusativrektion ableiten (aber nicht umgekehrt). Das ist auch die Ableitungsrichtung des allgemeinen semantischen Prinzips (10) und der sprachspezifischen Beschränkungen in (11). Dies scheint die wesentliche Eigenschaft eines 'syntaktischen' Kasus zu sein, die ihn von einem 'semantischen' Kasus unterscheidet (vgl. schon Kurylowicz (1964: 188)) und wie folgt eingeführt wird: (13) Eine Kasus-Subkategorie Kn ist 'syntaktisch' zugewiesen genau dann, wenn Kn bei dieser Zuweisung keine rollensemantische Funktion indiziert. Eine KasusSubkategorie Kn ist 'semantisch' zugewiesen genau dann, wenn Kn bei dieser Zuweisung eine rollensemantische Funktion indiziert. Eine Kasus-Subkategorie Kn indiziert eine rollensemantische Funktion genau dann, wenn von der Selektion von Kn für einen Verbbegleiter eine rollensemantische Restriktion für den entsprechenden semantischen Mitspieler abgeleitet werden kann. Bei Zuweisung unter verbaler Rektion erfüllen Nominativ und Akkusativ im Deutschen und in vielen anderen Sprachen die Bedingung für syntaktische Zuweisung. Im hier präsentierten Ansatz läßt sich dies durch ihren hohen Hierarchierang und die Stärke des formalen Rektionsprinzips erklären. Für den Dativ gibt es ein Default, das in der Ableitungsrichtung vom Kasus zur semantischen Rolle sehr stark ist (vgl. (15) weiter unten). Der verbregierte Dativ ist somit ein sehr guter rollensemantischer Indikator. Eine andere davon unabhängige Klassifizierung teilt die Kasus-Subkategorien in strukturelle und lexikalische bzw. inhärente Kasus ein (Chomsky 1981: 170f.). In vereinfachender, technische Details vernachlässigender Formulierung kann man diese Klassifikation wie in (14) einführen: (14) Eine Kasus-Subkategorie Kn ist strukturell zugewiesen genau dann, wenn Kn aufgrund struktureller Rektion zugewiesen wird. Eine Kasus-Subkategorie Kn ist lexikalisch zugewiesen genau dann, wenn Kn aufgrund lexikalischer Rektion zugewiesen wird. 18 Strukturelle Rektion für Kn liegt genau dann vor, wenn Kn an eine bestimmte strukturelle Position in Abhängigkeit von der strukturellen Position des Regens und seiner Kategorie zugewiesen wird. Die Lexemwahl des Regens spielt dabei keine Rolle. Es gibt im Gegensatz zur Mehrheitsmeinung in der generativen Grammatik sehr wenige Sprachen mit strukturell zugewiesenen Kasus. Im Englischen wird der Nominativ einer bestimmten präverbalen, VP-externen strukturellen Position durch die verbale Flexionskategorie INFL bzw. AGR-S zugewiesen und der Objektiv einer postverbalen, VP-internen strukturellen Position durch die verbale Kategorie V0 bzw. AGR-O (Objektkongruenz-Kategorie). Im Deutschen ist der adnominale Genitiv ein guter Kandidat für einen strukturell zugewiesenen Kasus. Einige empirische Probleme, mit denen generativ-grammatische Ansätze konfrontiert werden, resultieren daraus, daß sie die Klassifikation in (13) mit der in (14) gleichsetzen (Czepluch 1996: 74, Haider 1985: 80). So zum Beispiel findet man bei Haider (op. cit.) folgende Bestimmung für lexikalische Kasus "direct connection between morphological Case and thematic function". Ein erstes Problem rührt in Sprachen wie dem Deutschen daher, daß es im Bereich der verbalen Rektion zwar syntaktische, aber keine strukturelle Kasuszuweisung kennt. Im Deutschen ist die Kasusfunktion eines Verbarguments nicht von seiner strukturellen Position ableitbar. Ganz im Gegenteil, die strukturelle Position eines Arguments leitet sich unter anderem von seiner Kasusfunktion, genauer gesagt, von der Position seiner Kasusfunktion auf der Kasushierarchie (1) ab (vgl. Primus 1996). Ein anderes damit verwandtes Problem manifestiert sich beim Passiv im Deutschen. Im Passiv wird die Nominativ- und Akkusativrektion des Aktiv-Verbs von der entsprechenden semantischen Rolle entkoppelt. Vgl. Der Junge zerbrach den Zaun mit Der Zaun wurde vom Jungen zerbrochen. Das ist ein klarer Hinweis dafür, daß der Nominativ und der Akkusativ syntaktische Kasus sind. Diese Entkoppelung geht aber im deutschen Passiv nicht mit einer festen VP-externen strukturellen Position des Nominativarguments einher, was zu erwarten wäre, wenn die syntaktisch zugewiesenen Kasus auch strukturell zugewiesen wären. Vgl. die Grundwortstellung des folgenden Satzes, bei dem das Nominativargument verbnah plaziert wird, worauf schon die intonatorische Einheit zwischen Nominativargument und Verbkomplex hinweist: weil heute im Garten der Zaun zerbrochen wurde. Was in der generativen Grammatik als das zuverlässigste Indiz für das Vorliegen eines strukturellen Kasus gewertet wird, seine Alternationsfähigkeit bei Diathesen, ist offenbar eher ein Indiz für den syntaktischen Status dieses Kasus. 19 5.3 Dativrektion Mit rollensemantischen Restriktionen für den Dativ haben sich viele Arbeiten befaßt, die nicht eingehender referiert werden können. Ich möchte jedoch die neuere Arbeit von Wegener (1985) hervorheben. Wegener (1985: 25f.) setzt für den Dativ die Grundfunktion 'Betroffener' an und faßt diese Funktion als Oberbegriff für verschiedene Funktionen auf, die immer wieder in der Literatur für den Dativ in Anspruch genommen wurden: Benefaktiv, Experiencer, Rezipient, Korrespondent u. ä. Diesen Oberbegriff präzisiert Wegener mit Hilfe folgender Merkmale (1985: 321): "belebt, weniger involviert (als der OBJ), weniger agentisch (als der AG)", wobei mit OBJ und AG der traditionelle Patiens- und Agens-Begriff gemeint ist. Ein Vergleich mit dem vorliegenden Ansatz zeigt, daß Wegeners Charakterisierung des Betroffenen im wesentlichen die Auswirkungen des Prinzips (10) bzw. der Restriktionen (11a), (11b) und (11d) umschreibt. Ein wesentlicher Unterschied ist, daß (10) und (11) keine semantische Rolle isolieren, sondern allgemeinere rollenkonfigurationelle Beschränkungen darstellen. Außerdem verwendet Wegener keinen dekompositionalen, prototypentheoretischen Rahmen, der die o. g. Graduierungen "weniger involviert als" oder "weniger agentisch als" legitimieren könnte. Nichtdestotrotz ist Wegeners Vorschlag bemerkenswert durch die Hervorhebung der Agenskomponente bei der Grundfunktion des Dativs. Darin ist Wegeners Vorschlag denjenigen Ansätzen überlegen, die die rollensemantische Funktion des verbregierten Dativs auf die geringere Affiziertheit bzw. Betroffenheit im Sinne des Patiens-Begriffs beschränken (z. B. neuerdings Schöfer (1992)). Es ist der Verdienst von Blume (1994, 1996), im vorliegenden Modell nachgewiesen zu haben, daß es bei der rollensemantischen Grundfunktion des Dativs nicht auf Patienseigenschaften ankommt, sondern nur auf die Präsenz einer geringen Zahl von Proto-Agens-Basisrollen. Das Dativ-Default für das Deutsche und andere Sprachen kann somit wie in (15) formuliert werden: (15) Wenn einem syntaktischen Argument von einem verbalen Regens der DAT zugewiesen wird, dann weist im Default-Fall das entsprechende semantische Argument Proto-Agenseigenschaften in geringer Zahl auf. Das semantische Dativ-Default ist sehr viel stärker in der in (15) formulierten Anwendungsrichtung vom Kasus zur semantischen Rolle als in der umgekehrten Anwendungsrichtung. Es steht mit dem universalen Prinzip (10) in Einklang (vgl. das 1. Korollar 20 von (10a)) und interagiert mit den Beschränkungen in (11). Damit ist ausgeschlossen, daß das Dativargument einen kontrolliert und aktiv Handelnden oder eine physisch kontrolliert manipulierte Entität bezeichnet (vgl. (11d)). So zum Beispiel sind in der bekannten Lesart der entsprechenden Verben weder Der Junge putzt dem Schuh noch Dem Jungen putzt der Schuh mögliche Rektionsmuster des Gegenwartsdeutschen. Die Dativselektion für einen nicht kontrollierenden Verursacher ist aber möglich (vgl. (17) weiter unten): Dem Jungen zerbrach die Vase beim Putzen. Es ist auch ausgeschlossen, daß ein Dativargument mehr Agenseigenschaften aufweist als ein Koargument im Nominativ (vgl. (11a)) oder mehr Patienseigenschaften als ein Koargument im Akkusativ (vgl. (11b)). Die bevorzugte Belebtheit der Dativargumente im Deutschen und in anderen Sprachen muß im vorliegenden Ansatz nicht postuliert werden. Sie folgt aus den bevorzugten proto-agentivischen Eigenschaften der Dativobjekte, insbesondere aus ihrer Funktion als primäre oder sekundäre Experiencer (z. B. mir fällt etwas auf vs. er erklärt/zeigt mir etwas) oder Besitzer (z. B. mir gehört etwas vs. ich gebe/nehme dir etwas). Zur Illustration des Dativ-Defaults werden zunächst Verben mit Experiencer-Dativen besprochen. Einstellige Prädikate wie mir ist kalt oder mir ist mulmig zumute kommen bei einer kleinen Zahl von Prädikaten auch in anderen Sprachen vor: (16) Rumänisch: Mie (DAT) îmi este frig. 'Mir ist kalt.' Isländisch: πér (DAT) er kalt. 'Dir ist kalt.' Lasisch (Dumézil 1967: 22): k'ap'lanepe-s (DAT) askurnes. 'Den Tigern war angst.' Daß bei einstelligen Verben Experiencer im Nominativ statistisch dominieren, hat zwei Ursachen. Sie erfüllen das formale Nominativgebot und das allgemeine Prinzip der Nominativselektion für ein Proto-Agens (vgl. (10a)), das bei dieser Rollenkonfiguration allerdings sehr schwach ist und Konkurrenz bekommen kann (vgl. das 1. Korollar von (10a)). Im Deutschen ist der semantische Konkurrent das Dativ-Default. Um einen sekundären Experiencer im Dativ handelt es sich bei dreistelligen Verben wie zeigen oder demonstrieren und bei dreistelligen Verba dicendi wie erzählen, berichten oder versprechen. Zweistellige Verben mit Experiencer und Stimulus sollen im Folgenden eingehender diskutiert werden. Die Wirkung und Interaktion der vorgestellten universellen und sprachspezifischen Kasuszuweisungsbeschränkungen lassen sich im Rahmen der 21 Optimalitätstheorie1 in einem Tableau (vgl. Prince/Smolensky 1993, Archangeli/Langendoen 1997) besonders anschaulich darstellen. Input der hier diskutierten Beschränkungen sind rollensemantische Valenzstrukturen, die mit Stelligkeitsindikatoren in Form von Lambdapräfixen angereichert sind. Damit wird angezeigt, welche Mitspieler als syntaktische Argumente realisiert werden und ob ggf. ein Mitspieler syntaktisch 'unterdrückt' wird (wie z. B. im Passiv). In Tab. 1 wurde zur Verannschaulichung die einfache, aber für die Kasuszuweisung besonders interessante Rollenkonfiguration λyλxEXPER(x, y) gewählt. Als Kasus werden NOM, AKK und DAT berücksichtigt, wodurch sich bei einem zweistelligen Verb 9 theoretisch mögliche Kasusmuster ergeben. Der Genitiv und verbregierte Präpositionen wurden ausgeklammert, weil der verbregierte Genitiv nicht mehr produktiv ist und verbregierte Präpositionen besondere Probleme aufwerfen könnten, die einer eigenen Untersuchung bedürfen. Die Kasusbeschränkungen fungieren als Evaluatoren über die Menge der theoretisch möglichen Kasusmuster. In Tab. 1 werden nur die für die gewählte Rollenkonfiguration relevanten Beschränkungen berücksichtigt. Die Verletzung einer Beschränkung wird durch * angezeigt. Höherrangige Beschränkungen erscheinen links und durch eine Linie getrennt von tieferrangigen Beschränkungen, während zwischen gleichrangigen oder vorläufig nicht eindeutig abstufbaren Beschränkungen keine Trennungslinie erscheint. Die Schwäche des Dativ-Defaults ergibt sich in Tab. 1 durch die Anwendungsrichtung von der semantischer Rolle zum Kasus. Tab. 1 λyλxEXPER(x,y) Distinktheit NOMGebot sem. Dativ- NOM/AKK NOM für A x y Default (a) NOM AKK * (b) AKK NOM * (c) NOM DAT * (d) DAT NOM (e) NOM NOM Präferenz AKK für P * * * * * *! 1 Gegen die Anwendung der Optimalitätstheorie auf lexikalische Defaults könnte man einwenden, daß das Lexikon gar keine Kandidaten zur Wahl stellt, da das Kasusmuster für so gut wie jedes Verblexem fixiert ist (vgl. jedoch ich schaudere/mir schaudert). Dieser Einwand läßt außer acht, daß es Situationen gibt, wie z. B. beim Erstspracherwerb oder in der Jugendsprache (vgl. Wegener (in diesem Band)), in denen neue Kasusmuster für Verblexeme entstehen können. Nur über diese prinzipielle Wahlfreiheit läßt sich übrigens der diachrone Wandel von Kasusmustern erklären. 22 (f) AKK AKK *! (g) DAT DAT *! (h) DAT AKK *! (i) AKK DAT *! Die Kandidaten in (e)-(i) verletzen eine starke Beschränkung, wobei es andere Kandidaten gibt, die die betreffende Beschränkung nicht verletzen (sog. 'fatale' Verletzung *!). Aus diesem Grund muß nicht mehr angezeigt werden, daß die Kandidaten in (e)-(i) auch weitere schwächere Beschränkungen verletzen. Die Kandidaten in (a)-(d) erweisen sich als bessere Kandidaten, weil sie nur schwächere Defaults verletzen, wobei die in Tab. 1 vorgeschlagene Höherstufung des Dativ-Defaults tentativen Charakter hat und sicherlich sehr gering ist. Die Evaluation dieser Kandidaten erfolgt gewichtsbasiert, d.h. die Verletzungen werden kumuliert. Optimal scheinen die Kandidaten in (a) und (d) zu sein und folglich gibt es Lexikalisierungen für solche Muster in größerer Zahl. Die Verletzung des DativDefaults in (a) scheint durch die Befolgung der formalen NOM/AKK-Präferenz und des semantischen Defaults für die Nominativzuweisung an ein Proto-Agens und die Akkusativzuweisung an ein Proto-Patiens motiviert zu sein. Umgekehrt wird in (d) die Verletzung dieser beiden Defaults durch die Befolgung des Dativ-Defaults motiviert. Lexikalisierungen von (a) sind z. B. beachten, bedauern, beneiden, bereuen, bewundern, hassen, lieben, mögen, schätzen, wünschen. Lexikalisierungen von (d) sind z. B. auffallen, behagen, bekommen, belieben, einfallen, gefallen, imponieren, mißfallen, nützen, schaden, schmeicheln, schmecken, stinken, widerstreben in der hier diskutierten Lesart. Das Muster ist produktiv (vgl. Wegener 1985: 193): mir langt/stinkt/ reicht das. Zweistellige Verben mit Experiencer-Dativen sind auch in vielen anderen Sprachen anzutreffen (vgl. Shibatani 1983, Verma/Mohanan 1991). Das Muster in (c) verletzt drei schwächere Defaults. Dies erklärt, warum es Lexikalisierungen mit dem Experiencer im Nominativ und dem Stimulus im Dativ kaum gibt, vgl. jedoch er bangt/fiebert/sieht/strebt seiner ersten Bergtour entgegen. Dieses Rektionsmuster erklärt sich durch eine analogische Übertragung des semantisch gut motivierten Musters bei den Handlungsverben mit entgegen-, die weiter unten zur Sprache kommen (jemandem entgegeneilen, entgegenlaufen u. ä.). Das Muster in (b) verletzt zwei schwache semantische Defaults. Folglich gibt es eine relativ geringe Zahl 23 von Verblexemen mit diesem Kasusmuster: mich wundert/interessiert/kratzt das wenig. Das Muster in (b) darf nicht mit Konstruktionen wie Dieser Streit ärgert/nervt/beeindruckt ihn verwechselt werden. Deren rollensemantische Grobstruktur ist CAUSE(x, EXPER(y, z)), wobei x und z in einer engen semantischen Beziehung stehen, die bis zur Referenzidentität gehen kann: CAUSE(x, EXPER(y, x)). Bei belebten Verursachern kann P-Kontrolle hinzukommen: er will sie nur ärgern. Hier fungieren beide Argumente als Proto-Agens, das Akkusativargument als Experiencer und das Nominativargument als Verursacher und ggf. Kontrolleur der ExperienceSituation. Das Argument x könnte aufgrund des Dativ-Defaults im Dativ erscheinen, falls es nicht mehr Proto-Agens-Eigenschaften aufweist als das Argument y. Da es aber mehr Proto-Agens-Eigenschaften akkumulieren kann als y (P-Kontrolle und alle darin enthaltenen agentivischen Basisrollen), kann es aufgrund der strikten Beschränkung (11a) nicht im Dativ erscheinen. Zu beachten ist dabei, daß sich die Kasusselektion bei einer prinzipiell festen Kasuswahl (also keiner absolut variablen Kasusselektion wie bei bestimmten intransitiven Verben im Batsischen) immer nach der spezifischsten Lesart des Verblexems richtet, also in diesem Fall nach der Kontroll-Lesart. Natürlich stellt sich bei der Variation der Kasusmuster, die die Rollenstruktur λyλxEXPER(x,y) realisieren, die Frage, ob ihre Verteilung durch weitere hier nicht berücksichtigte semantische Beschränkungen erklärt werden kann. Die Beantwortung dieser Frage kann nur im Rahmen einer eingehenderen Spezialuntersuchung in Angriff genommen werden (vgl. Wegener (in diesem Band)). Zweistellige Verben mit Besitzern im Dativ sind ausgehen, fehlen, gehören, genügen, mangeln, zugehören in der hier diskutierten Lesart. Auch Pertinenzdative fallen in diese Klasse: Er trat ihm auf den Fuß. Hier besteht eine Besitzrelation im weitesten Sinn zwischen dem im Dativ kodierten Argument und dem präpositional kodierten Argument. Besitzverben mit einer zusätzlichen Vorgangskomponente sind z. B. das Vermögen ist ihr zugefallen/entglitten/entgangen. Verben mit dem Besitzer im Nominativ und dem Besitz im Akkusativ sind z. B. besitzen, brauchen, haben. Diese Verben folgen nicht dem Dativ-Default, sondern der formalen Präferenz für NOM/AKK bei zweistelligen Verben und dem allgemeinen semantischen Prinzip der Nominativzuweisung an ein Proto-Agens, das allerdings bei dieser Rollenkonfiguration eine schwache Wirkung hat. Sekundärer Besitzer ist das Dativargument bei dreistelligen Verben wie geben und nehmen (vgl. für eine semantische Analyse solcher Verben Kunze 1991) sowie bei Verben mit Pertinenzdativ (er schnitt dem Kunden das Haar). Auch Benefaktive wie in 24 Peter strickt seiner Frau einen Pulli erfüllen das Dativ-Default aufgrund der weiter oben besprochenen agentivischen Komponente des Benefaktiv-Begriffs. Darin, daß es sich bei den Benefaktivdativen um verbregierte Dative, d. h. Dativobjekte, handelt, folge ich Wegener (1985: 131f.). Eine weitere Klasse von Verben mit Dativrektion sind in Blumes Terminologie die Interaktionsverben (vgl. Blume 1996 und die Korrespondenzverben in Wegener 1985: 279f.). Unter den zweistelligen NOM/DAT-Verben bilden die Interaktionsverben eine umfangreiche, aufgrund einiger Wortbildungsmuster offene Klasse (vgl. entgegen-, dazwischen-, drein-, nach-). Die semantische Motivation für die Dativrektion rührt daher, daß eine Tätigkeit, eine Handlungsabsicht oder ein spezifischer Zustand des Mitspielers im Dativ eine Voraussetzung für die vom Verb denotierte Handlung ist. Diese Eigenschaft, die der Dativmitspieler selbständig, also unabhängig vom Mitspieler im Nominativ aufweist, ist nach der hier vertretenen Auffassung eine Agenseigenschaft. Der Zustand bzw. Status des Mitspielers im Dativ ist eine Voraussetzung für das vom Verb denotierte Geschehen z. B. bei dienen, huldigen, opfern (kirchl.). In einigen Fällen kann das Geschehen als Reaktion auf das Verhalten des Mitspielers im Dativ aufgefaßt werden: antworten, applaudieren, beipflichten, danken, widersprechen. In anderen Fällen sind beide Mitspieler in annähernd gleicher Weise am Geschehen beteiligt: assistieren, begegnen, beiliegen, helfen, dazwischenfunken, dreinreden, entgegeneilen, folgen, gegenübertreten, handlangern, heimleuchten, hineinquasseln, hinzukommen, hinterherlaufen, nacheilen, nachfahren, vorangehen, sekundieren. Dreistellige Interaktionsverben sind z. B. abgucken, ablauschen, aufdrängen, aufhalsen, genehmigen, verbieten, verweigern. So z. B. gilt für die Handlung des Abgukkens die Voraussetzung, daß der Mitspieler im Dativ unabhängig von der Funktion der anderen Mitspieler etwas tut. In dieser Aktivität ist das Dativargument selbständig als Agens beteiligt. Auch Prädikate, die vollständig symmetrisch oder bezüglich eines Basisprädikats symmetrisch sind, erfüllen die Bedingung des Dativ-Defaults. Zweistellig sind gleichen, ähneln oder entsprechen. Da jedes Argument wahlweise in Agens-Position auftritt, kann jedes der Argumente wahlweise im Dativ stehen: er ähnelt ihr oder sie ähnelt ihm. Dreistellig sind z. B. vorstellen, anpassen, angleichen, gleichstellen, vorziehen. So hat die Situation, die vorstellen denotiert, folgende relevante Merkmale: der Mitspieler im Nominativ bewirkt, daß y z wahrnimmt und z y wahrnimmt. Eine andere Gruppe von dativregierenden Verben selegiert belebte, aber nichtkontrollierende Verursacher im Dativ wie z. B. gelingen, mißlingen, glücken, 25 mißglücken, zustoßen. Diese Verbklasse ist aufgrund der in (17) gezeigten Valenzalternationen offen (vgl. Wegener 1985: 315f.): (17) Die Vase zerbrach. Ich zerbrach absichtlich/unabsichtlich die Vase. Mir zerbrach die Vase aus Versehen/*absichtlich. Die semantische Rolle der Dativargumente dreistelliger Verben erfüllt die Definition des Proto-Rezipienten: das Argument fungiert sowohl als Proto-Agens als auch als Proto-Patiens. Bei diesen Verben erscheint nämlich das Dativargument relativ zu mindestens einem Basisprädikat einmal in erster Position (= Proto-Agens-Position) und relativ zu mindestens einem Basisprädikat einmal in zweiter Position (= Proto-PatiensPosition). Auch in breitangelegten sprachvergleichenden Untersuchungen wurden die semantischen Funktionen, die im vorliegenden Ansatz unter Proto-Rezipient fallen, als Grundfunktionen der Dativobjekte anerkannt (vgl. Blansitt 1973, Faltz 1978, Dryer 1986, Van Belle/ Van Langendonck 1996). Kasusmuster für Proto-Patiens (P) und Proto-Rezipient (R), die weder formal noch semantisch optimal sind, findet man im Gegenwartsdeutschen nicht. Sie kommen auch in anderen Sprachen nur isoliert vor. Das sind u. a. folgende Muster: NOM/DATP/DATR (vgl. aber Isländisch Jón skila∂i Maríu (DAT) bókinni (DAT) 'Hans gab das Buch Maria zurück') oder NOM/DATP/GENR (das im Alt- und Mittelhochdeutschen anzutreffende Muster weist eine andere Rollenverteilung auf: NOM/DATR/GENP). Auch die formal optimale, aber rollensemantisch inverse KasusVerteilung NOM/DATP/AKKR ist äußerst selten, vgl. aber im Isländischen πeir leyndu Ólaf (ACC) sannleikanum (DAT) 'sie verschwiegen Olaf die Wahrheit'. Eine adpositionale Realisation des Proto-Patiens bei akkusativischer Realisation des ProtoRezipienten kommt etwas häufiger vor, vgl. im Englischen John supplied the child with toys oder im Deutschen Hans versorgte das Kind mit Nahrung. Abweichungen vom Dativ-Default, aber nicht vom allgemeinen Prinzip (10) oder von den Restriktionen in (11) stellen im Gegenwartsdeutschen verbregierte Lokativdative dar, z. B. dem Haus nähertreten, dem Gefängnis entkommen, einem Hindernis weichen. Dazu gehören auch Verbverwendungen wie z. B. einer Idee anhängen, einer Gefahr aussetzen, einer Schwierigkeit beikommen. Solche Verben stellen aufgrund ihrer geringen Zahl die Gültigkeit des Dativ-Defaults nicht in Frage. Keine Abweichung vom Dativ-Default und von der strikten Restriktion (11d) sind aufgrund ihrer Idiomatik Beispiele wie er haut ihr eine runter oder 26 Funktionsverbgefüge wie er gibt ihr einen Tritt als Streckform für er tritt sie. Die hier vorgestellten Prinzipien lassen auch andere Formfunktionen für ProtoRezipienten zu. Weit verbreitet ist ihre adpositionale Realisation wie in Peter nahm von ihm den Apfel oder Engl. Peter gave the apple to him. Sie findet sich für alle oder einige Proto-Rezipienten u. a. auch im Schwedischen, Isländischen, Irischen, Katalanischen, Maltesischen (vgl. Faltz 1978, Primus 1998). In vielen Sprachen ohne Kasus-Subkategorien oder ohne rektionsrelevante AKK-DAT-Distinktion werden Rezipient und Patiens morphologisch gleich kodiert, z. B. Hausa, Suahili, Kinyarwanda, Chinesisch, Vietnamesisch, Indonesisch, Niederländisch, Schwedisch, Friesisch oder Englisch (vgl. John gave Mary the book). In Sprachen mit verbal regiertem AKK und DAT wie im Deutschen ist dies nur marginal der Fall (Der Lehrer fragt die Schüler die Vokabeln ab; Sie lehrt ihn den Walzer), weil dieses Muster gegen das im semantischen Prinzip (10) verankerte Distinktheitsgebot für regierte Kasus-Subkategorien verstößt. In diesem Zusammenhang ist auch die Kasusselektion bei A.c.I.-Konstruktionen von Interesse. Wie oben erwähnt, verhalten sie sich bezüglich der Kasusrektion wie einfache Prädikate (vgl. Jacobs 1992). Auch unter der plausiblen Annahme, daß der Akkusativ für das Proto-Agens des Infinitivverbs ein Kasus ist, der nicht im Lexikon zugewiesen wird, sind die hier vorgestellten Kasusselektionsbeschränkungen einschlägig. Der Grund dafür ist, daß Kasusmuster, die durch grammatische Regeln determiniert werden, im allgemeinen den lexikalischen Defaults der Sprache folgen. M. a. W. werden lexikalisch nicht optimale Kasusmuster im allgemeinen nicht grammatikalisiert. Den Nachweis, daß dies auch für A.c.I.-Konstruktionen zutrifft, soll für die drei produktiven Kasus des Deutschen (NOM, AKK, DAT) eine optimalitätstheoretische Analyse erbringen. Als Input fungieren die Rollenstrukturen, die solche Konstruktionen aufweisen können. Das erste Argument x einer A.c.I.-Konstruktion kann ein kontrollierendes kausierendes Agens oder lediglich ein Experiencer sein (x läßt/hört ihn den Hund füttern). Es ist nicht ausgeschlossen, daß x die Kontrolle über die Situation durch eine Aktivität (z. B. eine Mitteilung an y) ausübt. Das zweite Argument y hat sowohl Patienseigenschaften (kontrolliert oder nur wahrgenommen) als auch Agenseigenschaften, die bei übergeordneten sentiendi Verben (x hört/sieht y z tun) eine maximale Zahl erreichen können. Dieses Argument ist fakultativ (x läßt den Wagen reparieren). Das dritte und ggf. vierte Argument ererbt die Kasusrektion vom Infinitivverb (x läßt y dem Kind helfen) und ist ebenfalls fakultativ (x läßt y arbeiten). Hier wird der für die Kasusselektion interessanteste Fall eines maximal affizierten 27 Proto-Patiens im Akkusativ getestet, weil diese Selektion zum doppelten Akkusativ führt (y läßt/sieht y einen Kuchen backen). Diese rollensemantische Analyse ergibt, daß jedes der drei getesteten Argumente eine annähernd maximale Zahl von Proto-Agensbzw. Proto-Patiens-Basisrollen akkumulieren kann. Insoweit greifen hier die strikten sprachspezifischen Beschränkungen in (11), abgekürzt Θmax. Diese strikten Restriktionen rangieren über dem verletzbaren Distinktheitsgebot. Daß etliche Kasusmuster auch andere Defaults verletzen, ist unerheblich, weil schon eine Verletzung der hier berücksichtigten sehr starken Restriktionen als 'fatal' einzustufen ist. Tab. 2 1-4 x y Θmax z DAT 5-8 *! DAT 9-12 *! DAT *! 13-18 2 DAT **! 19-21 3 identische Kasus ggf. *! 22-23 AKK 24-25 Distinkt NOM *! AKK NOM *! **! 26 NOM NOM AKK oft * 27 NOM AKK AKK seltener * Bei 3 Kasus und 3 Argumenten ergeben sich 27 theoretisch mögliche Kasuskombinationen, die in Tab. 2 durchnumeriert und ggf. durch Zellen ohne Kasusspezifikation zusammengefaßt werden. Ein DAT für x, y oder z würde mindestens eine Θmax-Beschränkung verletzen (Kandidaten 1-12). Das gilt erst recht für zwei Dative (Kandidaten 13-18). DAT für z ist bei einer anderen Rollenkonfiguration möglich (vgl. x läßt y dem Kind helfen). Es fällt auf, daß bei kausativen Konstruktionen in vielen Sprachen der DAT für y insbesondere bei der Kausativierung transitiver Verben gewählt wird (vgl. Comrie 1985: 338f.), wie z. B. im Französischen Paul fit manger les pommes à Pierre 'Paul ließ Pierre die Äpfel essen' oder im Türkischen Mehmet Hasan-i (AKK) Ali-ye (DAT) öldürttü 'Mehmet ließ Ali Hasan töten'. Bei kausativen (und auch permissiven) Matrixverben wäre der DAT 28 für y auch im Deutschen zugelassen, weil in dieser Rollenkonfiguration das Dativargument das Geschehen nicht uneingeschränkt unter Kontrolle hätte. Eine plausible Erklärung für das Dativverbot im Standarddeutschen ist darin zu finden, daß sich die A.c.I.Konstruktion nicht auf kausative oder permissive Matrixverben beschränkt, sondern ähnlich wie im Lateinischen, das ebenfalls den AKK für y vorsieht, auch sentiendi Matrixverben zuläßt. Bei sentiendi Matrixverben kann das Argument y die uneingeschränkte Kontrolle über das vom Infinitivverb denotierte Geschehen haben (vgl. Ich sehe ihn den Hund schlagen), und erst diese Rollenkonstellation (Kontrolle und aktive Beteiligung) wird vom Dativverbot des Deutschen erfaßt. Drei identische Kasus mißachten das Distinktheitsgebot zweimal und ggf. auch eine oder mehrere Θmax-Beschränkungen (19-21). Ab 22 kommt der DAT als Kandidat nicht mehr vor. Die Kandidaten 22-25 verletzen bei bestimmten Konfigurationen mindestens eine Θmax-Beschränkung. Unter 22-23 und 24-25 werden jeweils zwei Kandidaten zusammengefaßt: AKK für x, AKK oder NOM für y und NOM für z (= 2223) sowie NOM oder AKK für x, AKK für y und NOM für z (= 24-25). Die Konstellation AKK/AKK/NOM verletzt zum Beispiel bei sentiendi Matrixverben die Θmax-Beschränkung (11c), vgl. *x sieht ihn (= kontrollierendes aktives Agens) der Hund (= kontrolliert manipuliertes Patiens) schlagen. Die Konstellation AKK/NOM/NOM verletzt zum Beispiel bei kausativen Matrixverben die ΘmaxBeschränkung (11a), vgl. *mich (= kontrollierendes ggf. aktives Agens) läßt er (= Agens ohne Kontrolle) Wasser holen. Der optimale Kandidat ist 27, weil er keine Θmax-Beschränkung verletzt und das Distinktheitsgebot relativ selten mißachtet, nämlich nur dann, wenn das Infinitivverb einen Akkusativ regiert und dieses Akkusativargument auch erscheint (vgl. jedoch er läßt ihn arbeiten/er läßt ihm helfen/er läßt ihn im Garten lesen). Der Kandidat 26 fällt zurück, weil er das Distinktheitsgebot öfter verletzen würde, da das eingebettete logische 'Subjekt' des Infinitivverbs, das Argument y in Tab. 2, seltener wegfällt. Außerdem würde ein doppelter NOM auch bei der Anwendung der Verbkongruenzregel Probleme aufwerfen. Zusammenfassend kann man festhalten, daß für die A.c.I.Konstruktionen ein Kasusmuster grammatikalisiert wurde, das hinsichlich der lexikalischen Beschränkungen des Deutschen optimal ist. 5.4 Präpositionalrektion Aufgrund mehrerer weiter oben getroffener Beobachtungen zur adpositionalen Verbrektion muß man davon ausgehen, daß - mit gewissen Einschränkungen - auch die 29 verbregierten Adpositionen unter die hier formulierten Rektionsprinzipien fallen. Schwierig zu bestimmen ist der Hierarchierang der einzelnen verbregierten Präpositionen im Gegenwartsdeutschen. Tentativ wurde ihnen eine Position hinter dem Dativ zugewiesen (vgl. (1) weiter oben). Aufgrund dieser Annahme und des formalen Rektionsprinzips ist das Muster NOM/DAT/PRÄP formal weniger optimal als die Muster NOM/AKK/DAT oder NOM/AKK/PRÄP. Das läßt sich, wie bereits oben erwähnt, durch die Selektionshäufigkeit dieser Muster bestätigen. Ein weiterer Hinweis für diese Annahme ist, daß das Muster NOM/DAT/PRÄP, im Gegensatz zum Muster NOM/AKK/DAT, nicht als Output einer produktiven Valenzerweiterung mit einem Dativus commodi oder Pertinenzdativ dienen kann (Jacobs 1994b: 308). Vgl. (18): (18) Sie sucht nach dem Ball. Sie sucht ihm den Ball. ??Sie sucht ihm nach dem Ball. Die Tatsache, daß regierte Präpositionen tiefer rangieren als der Akkusativ, läßt sich auch dadurch motivieren, daß die überwältigende Mehrheit von ihnen der semantischen Restriktion (11d) unterliegt (vgl. auch Breindl 1989: Kap. 1). Ich beschränke mich zur Illustration auf das Rektionsmuster mit der Präposition auf. Von den 116 Verben, die Bouillon (1984) bespricht oder auflistet, gibt es kein einziges Verb, in welchem das Präpositionalobjekt mit auf eine physisch kontrolliert manipulierte Entität bezeichnet. NOM/DAT/AUF scheint es nicht zu geben. NOM/AUF-Verben sind z. B. folgende: es absehen, achten, ankommen, anspielen, anstoßen, antworten, anwachsen, anwenden, aufpassen, ausgehen, ausrichten, ausüben, ausweiten, basieren, bauen, beharren, beruhen, bestehen, brennen, es bringen, drängen, dringen, eingehen, einreden, enden, entscheiden, erkennen, fahnden, feuern, fußen, geben, halten, hereinfallen, hinarbeiten, hinausgehen, hinauslaufen, hindeuten, hinweisen, hoffen, horchen, hören, klagen, kürzen, lauern, losgehen, passen, pochen, prüfen, reagieren, rechnen, reflektieren, reimen, ruhen, schelten, schielen, schießen, schimpfen, schließen, schmähen, schwören, setzen, sinnen, spekulieren, spielen, sticheln, taufen, treffen, trinken, übergehen, übergreifen, umsatteln, umsteigen, untersuchen, verfallen, verlängern, vertrauen, verweisen, verzichten, warten, wechseln, weisen, wetten, zählen, zielen, zugehen, zurückgehen, zurückkommen. NOM/AKK/AUF-Verben sind z. B. folgende: richten, schätzen, schieben, übertragen, überweisen, vorbereiten, verteilen, zurückführen. Mit obligatorisch reflexivem 30 Akkusativ findet man folgende: sich ausdehnen, sich auswirken, sich belaufen, sich berufen, sich beschränken, sich besinnen, sich beziehen. Bouillon (1984) vernachlässigt einige Partikelverben mit ein-, deren Präpositionalobjekt eine physisch kontrolliert manipulierte Entität bezeichnet: eindreschen, einprügeln, einschlagen. Dieser Befund ist typisch für Präpositionalobjekte: die meisten befolgen die Restriktion (11d), es gibt jedoch eine kleine Zahl von Verben, die es nicht tun. Aus diesem Grund wurde (11d) als strikte Restriktion auf die Kasusrektion eingeschränkt. Vgl. auch (19)-(21): (19) (a) Peter aß den Kuchen. (b) *Peter aß des Kuchens/dem Kuchen. (c) Peter aß vom Kuchen. (20) (a) Peter lädt das Heu auf den Wagen. (b) Peter belädt den Wagen mit dem Heu. (21) (a) Peter warf die Steine gegen die Mauer. (b) Peter warf mit Steinen gegen die Mauer. Das Vorkommen präpositional realisierter Argumente, die eine physisch kontrolliert manipulierte Entität bezeichnen, wird dadurch entschärft, daß sie auch als Akkusativargumente realisiert werden können. Das formal weniger optimale Muster setzt somit die Präsenz eines formal und rollensemantisch optimalen Musters bei diesen Verben voraus. Die Tatsache, daß die präpositionale Rektion in (19c), (20b) und (21b) der semantischen Restriktion (11d) nicht folgt, heißt aber noch nicht, daß die gezeigte Rektionsalternation keine rollensemantische Motivation im Sinne des allgemeinen Prinzips (10) hat. Das Argument im Akkusativ impliziert eine zusätzliche semantische Eigenschaft, die das präpositional kodierte Argument nicht aufweist. Das Akkusativargument impliziert das sukzessive Erreichen eines bestimmten verbspezifischen Zielzustands, weshalb diese semantische Rolle von Krifka (1989: 158f.) sukzessiv affiziertes Patiens genannt wird (vgl. eingehender Dowty (1991: 587f.) und Ickler (1990: 2f.)). Diese Eigenschaft wurde zwar in dieser Arbeit nicht in die Liste der rollensemantischen Begriffe aufgenommen, aber es spricht nichts dagegen dies zu tun (vgl. Dowtys 'incremental theme'). Diese Beobachtungen deuten darauf hin, daß die hier eingeführte Liste von rollensemantischen Begriffen unvollständig ist und durch weitere semantische 31 Grundbegriffe, die die verbale Rektion steuern können, ergänzt werden muß. Auch agentivische Argumente können als Präpositionalobjekte realisiert werden. Weniger problematisch für die semantischen Rektionsprinzipien ist das Agens im Passiv, wie weiter oben im Abschnitt 4. festgehalten wurde. Um markierte Lexikalisierungen relativ zum Prinzip (10) handelt es sich jedoch beim Kasusmuster von bekommen, kriegen und erhalten, wenn man für sie die rollensemantische Struktur eines Verbs wie geben (vgl. (7a)) ansetzt und das Präpositionalargument als den ggf. kontrollierenden Verursacher x auffaßt (vgl. die semantische Analyse in Kunze 1991: 130f.). 5.5 Genitivrektion Was die Genitivrektion betrifft, so kann für das Gegenwartsdeutsche die strikte, diachronisch bedingte Regel aufgestellt werden, daß sie unproduktiv ist: es gibt weder neuere verbale Entlehnungen noch produktive verbale Wortbildungsmuster, die einen Genitiv fordern. Dies läßt sich durch den niedrigen Hierarchierang und durch das universale formale Rektionsprinzip (2b) erklären. Unter den wenigen noch vorhandenen Verben mit GEN wählen die meisten das formal relativ optimale Muster NOM/AKK/GEN, z. B. beschuldigen, berauben, bezichtigen, entwöhnen, unterziehen, zeihen, mit obligatorisch reflexivem AKK z. B. sich annehmen, sich bedienen, sich befleißigen, sich begeben, sich bemächtigen. NOM/GEN-Verben sind z. B. bedürfen, entbehren, ermangeln, gedenken, walten. Das nicht optimale Muster NOM/DAT/GEN gibt es nur bei zwei Adjektiven (ich war mir dessen nicht bewußt/sicher). Bei keinem der Verben verletzt das Genitivargument die Restriktion (11d), die die Genitiv- und Dativzuweisung an eine physisch kontrolliert manipulierte Entität ausschließt, oder die Restriktionen (11a, b), wonach ein Genitivargument nicht mehr Agenseigenschaften als ein Koargument im Nominativ und nicht mehr Patienseigenschaften als ein Koargument im Akkusativ aufweisen darf. 6. Zusammenfassung Der hier vorgestellte Ansatz zur Erklärung der Rektionsmuster im Gegenwartsdeutschen setzt ein hierarchisches System von Formfunktionen (verbregierten Kasus oder Adpositionen) voraus, das nicht von anderen syntaktischen oder semantischen Hierarchien abgeleitet wird. Insbesondere wird eine strikte Trennung zwischen dem System der strukturell-topologischen Formfunktionen und dem System der 32 morphologischen bzw. adpositionalen Formfunktionen vorgenommen. Einige rollensemantische Rektionsrestriktionen, die als strikte Restriktionen nur für die Kasusrektion im Gegenwartsdeutschen gelten, zeigen, daß es sinnvoll ist, auch zwischen Kasusrektion und adpositionaler Rektion zu unterscheiden. Auf der Grundlage eines hierarchischen Systems von Formfunktionen wurde zunächst ein sprachenübergreifendes formales Rektionsprinzip formuliert und anhand der Rektionsmuster des Gegenwartsdeutschen eingehender überprüft. Der erste Teil dieses Prinzips garantiert, daß die Selektion einer rangniedrigeren Rektionssubkategorie asymmetrisch die Selektion (mindestens) einer ranghöheren Rektionssubkategorie impliziert. Der zweite Teil besagt folgendes: je höher eine Rektionssubkategorie auf der Hierarchie von Formfunktionen rangiert, um so mehr verbale Regenten selegieren sie. Das hier vorgestellte rollensemantisch determinierte Rektionsprinzip hebt sich von alternativen Ansätzen dadurch ab, daß es ohne Hierarchie von semantischen Rollen auskommt. Voraussetzung für dieses Prinzip ist eine multifaktorielle Auffassung von semantischen Rollen, die zuläßt, daß sich Argumente nach der Anzahl rollensemantischer Basisrollen unterscheiden lassen. Das semantische Rektionsprinzip besagt nämlich, daß verbale Rektion nicht nur auf die Unterscheidung zwischen Agens und Patiens reagiert, sondern auch auf die Quantität rollensemantischer Information, die ein Argument akkumuliert. Was seine Reichweite betrifft, so ist das Prinzip konstruktionsunabhängig (d. h. es gilt für Aktiv und Passiv gleichermaßen) und sprachenübergreifend, was hier aus Platzgründen nur an Nominativsprachen und nur am Rande gezeigt werden konnte. Ein Rektionsmuster kann ein bestimmtes Rektionsprinzip verletzen, um damit einem konkurrierenden Rektionsprinzip zu folgen, wie an mehreren Beispielen gezeigt werden konnte. Die Besprechung mehrerer repräsentativer Rektionsmuster des Deutschen und die sprachvergleichenden Bemerkungen haben die Plausibilität der hier vorgestellten Prinzipien und Annahmen demonstriert. Einige Muster weisen eher auf die Unvollständigkeit des hier vorgestellten rollensemantischen Begriffsapparates als auf eine Schwäche der vorgestellten Prinzipien hin. Erst die sprachenübergreifende Gültigkeit dieser Prinzipien garantiert, daß sie als Erklärung für einzelsprachliche Erscheinungen dienen können. Zu diesen zählen auch einige hier vorgestellte strikte formale und rollensemantische Rektionsrestriktionen im Gegenwartsdeutschen. Zitierte Literatur 33 Archangeli, Diana/Langendoen, Terence (eds.) (1997): Optimality Theory. An Overview. Oxford: Blackwell. Bates, Elizabeth/MacWhinney, Brian (1989): "Functionalism and the competition model." In: MacWhinney, Brian/Bates, Elisabeth (eds.): The cross-linguistic study of sentence processsing. Cambridge: Cambridge University Press, 3-73. Blansitt, Edward (1973): "Bitransitive clauses." In: Working Papers on Language Universals 13, 1-26. Blake, Barry (1994): Case. Cambridge: Cambridge University Press. Blume, Kerstin (1994): Die semantische Transitivität von Verben mit /NOM/DAT-Kasusrahmen. Theorie des Lexikons Nr. 68 (Arbeiten des SFB 282). Düsseldorf. Blume, Kerstin (1996): "A contrastive analysis of interaction verbs with dative complements." In: Linguistics (i. E.). Bouillon, Henri (1984): Zur deutschen Präposition 'auf'. Tübingen: Narr. Breindl, Eva (1989): Präpositionalobjekte und Präpositionalobjektsätze im Deutschen. Tübingen: Niemeyer. Chomsky, Noam (1981): Lectures on government and binding. Dordrecht: Foris. Chisholm, Roderick (1977): "Freiheit und Handeln." In: Meggle, Georg (Hrsg.): Analytische Handlungstheorie. Bd. I. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 354-386. Clahsen, Harald (1984): "Der Erwerb der Kasusmarkierungen in der deutschen Kindersprache." In: Linguistische Berichte 89, 1-31. Cole, Peter (1982): Imbambura Quechua. Amsterdam: North Holland. Comrie, Bernard (1985): Causative verb formation and other verb-deriving morphology." In: Shopen, Timothy (ed.): Language typology and syntactic desription. Vol. III. Cambridge: Cambridge University Press, 309-348. Czepluch, Hartmut (1996): Kasus im Deutschen und im Englischen. Tübingen: Niemeyer. Dik, Simon (1978): Functional Grammar. Amsterdam: North-Holland. Dixon, Robert (1979): "Ergativity." In: Language 55, 59-138. Dowty, David (1979): Word meaning and Montague Grammar. Dordrecht: Kluwer. Dowty, David (1991): "Thematic proto-roles and argument selection." In: Language 67, 547-619. Dryer, Matthew (1986): "Primary objects, secondary objects, and antidative." In: Language 62, 808-845. Dumézil, Georges (1967): Documents anatoliens. Bd. IV. Paris: Presses universitaires de France. Eisenbeiß, Sonja (1994): "Kasus und Wortstellungsvariation im deutschen Mittelfeld. Theoretische Überlegungen und Untersuchungen zum Erstspracherwerb." In: Haftka, Brigitta (Hrsg.): Was determiniert Wortstellungsvariation? Berlin: Akademie Verlag, 277-298. Faltz, Leonard (1978): "On indirect objects in universal syntax." In: Papers from the 14th Regional Meeting of the Chicago Linguistic Society 14, 76-87. Fries, Norbert (1997): "Die hierarchische Organisation grammatischer Kategorien." In: Sprachtheorie und germanistische Linguistik 7 (Arbeitspapiere hrsg. von A. Kertész, Debrecen), 5-94. Grimshaw, Jane (1990): Argument Structure. Cambridge, Mass: MIT Press. Haider, Hubert (1985): "The case of German." In: Toman, Jindrich (ed.): Studies in German grammar. Dordrecht: Foris, 65-101. Haspelmath, Martin (1990): "The grammaticalization of passive morphology." In: Studies in Language 14, 25-72. Hawkins, John (1990): "A parsing theory of word order universals." In: Linguistic Inquiry 21, 223-261. Hawkins, John (1996): "Morphological hierarchies, frequency effects and grammaticalization." In: Linguistics (i. E.). Holisky, Dee Ann (1987): "The case of the intransitive subject in Tsova-Tush (Batsbi)." In: Lingua 71, 103-132. Ickler, Irene (1990): "Kasusrahmen und Perspektive." In: Deutsche Sprache 18, 1-37. Jacobs, Joachim (1992): "Bewegung als Valenzvererbung." In: Linguistische Berichte 138, 85-122. Jacobs, Joachim (1994a): Kontra Valenz. Trier: Wissenschaftlicher Verlag. Jacobs, Joachim (1994b): "Das lexikalische Fundament der Unterscheidung von obligatorischen und fakultativen Argumenten." In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 22, 284-319. Jakobson, Roman (1936): "Beitrag zur allgemeinen Kasuslehre." In: Travaux du Cercle Linguistique de Prague 6, 240-288. Keenan, Edward/Comrie, Bernard (1977): "Noun phrase accessibility and universal grammar." In: 34 Linguistic Inquiry 8, 63-99. Keenan, Edward (1985): "Passive in the world's languages." In: Shopen, Timothy (ed.): Language typology and syntactic description. Vol 1. Cambridge: Cambridge University Press, 243-281. Kiss, Katalin (1987): Configurationality in Hungarian. Dordrecht: Reidel. Krifka, Manfred (1989): Nominalreferenz und Zeitkonstitution: Zur Semantik von Massentermen, Pluraltermen und Aktionsarten. München: Fink. Kunze, Jürgen (1991): Kasusrelationen und semantische Emphase. Berlin: Akademie Verlag. Kurylowicz, Jerzy (1964): The inflectional categories of Indo-European. Heidelberg: Winter. MacWhinney, Brian (1976): "Hungarian research on the acquisition of morphology and syntax." In: Journal of Child Language 3, 397-410. Mater, Erich (1971): Deutsche Verben. Bd. 6. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut. Ochs, Elinor (1982): "Ergativity and word order in Samoan child language." In: Language 58, 646-671. Primus, Beatrice (1987): Grammatische Hierarchien. München: Fink. Primus, Beatrice (1994): Cases and thematic roles: ergative, accusative, active. Buch-Ms. München. Primus, Beatrice (1995): "Relational typology." In: Jacobs, Joachim/von Stechow, Arnim/Sternefeld, Wolfgang/Vennemann, Theo (Hrsg.): Syntax. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung. 2. Bd. Berlin: de Gruyter, 1076-1109. Primus, Beatrice (1996): "Dependenz und Serialisierung: das Deutsche im Sprachvergleich." In: Lang, Ewald/Zifonun, Gisela (Hrsg.): Deutsch - typologisch. Berlin: de Gruyter, 57-91. Primus, Beatrice (1998): "The relative order of recipient and patient in the languages of Europe." In: Siewierska, Anna (ed.): Consitituent order in the languages of Europe. Berlin: de Gruyter, 421-473. Prince, Alan/Smolensky, Paul (1993): Optimality Theory. Constraint interaction in Generative Grammar. Erscheint bei MIT Press. Reis, Marga (1987). "Die Stellung der Verbargumente im Deutschen. Stilübungen zum GrammatikPragmatik-Verhältnis." In: Rosengren, Inger (Hrsg.): Sprache und Pragmatik. Lundner Symposium 1986. Stockholm, 139-177. Schöfer, Göran (1992): Semantische Funktionen des deutschen Dativs. Münster: Nodus Publikationen. Shibatani, Masayoshi (1983): "Toward an understanding of the typology and function of case-marking." In: Hattori, S./Inoue, K. (eds.): Proceedings of the 13th International Congress of Linguists 1982, Tokyo. Tokyo, 42-58. Shibatani, Masayoshi (1985): "Passives and related constructions: a prototype analysis." In: Language 61, 821-848. Thalberg, Irving (1972): Enigmas of agency. London: George Allen. Tracy, Rosemarie (1986): "The acquisition of case morphology in German." In: Linguistics 24, 47-78. Van Belle, William/Van Langendonck, Willy (eds.) (1996): The Dative. Vol 1. Amsterdam: Benjamins. Vennemann, Theo (1983): "Causality in language change. Theories of linguistic preferences as a basis for linguistic explanations." In: Folia Linguistica Historica 6, 5-26. Verma, Manindra/Mohanan, K. P. (eds.) (1991): Experiencer subjects in South Asian languages. Menlo Park: CSLI Stanford University Press. Wegener, Heide (1985): Der Dativ im heutigen Deutsch. Tübingen: Narr. Wegener, Heide (in diesem Band): "Zum Bedeutungs- und Konstruktionswandel bei psychischen Verben." Wilmanns, Wilhelm (1909): Deutsche Grammatik. Bd. 3.2. Straßburg. Wright, Georg Henrik von (1974): Erklären und Verstehen. Frankfurt a. M.: Athenäum. 35