FOKUS Best of Beer Kreative Bierkultur ist weltweit im Kommen. Bereits jedes fünfte neue Bier in Deutschland nennt sich Craft Beer. Die NürnbergMesse hat es bei der BrauBeviale zum Trendthema gemacht und in China eine Craft Beer-Messe neu an den Start gebracht. Bier wird bunter, die Qualität bleibt. So lautet die Devise auch für viele Die fränkische Braukultur wird in mehr als 250 Brauereien gepflegt. Die kleinste unter ihnen befindet sich zwischen Nürnberg und Würzburg. In Schlüsselfeld, einer Stadt mit nicht mehr als 5.700 Einwohnern. Betrieben vom jüngsten Braumeister und Biersommelier Deutschlands. David Hertl, Mitte zwanzig, ist so etwas wie der „bunte Hund aus Franken“. 44 Sorten braut er jedes Jahr, jeweils nur 300 Liter. Vom Weizendoppelbock bis zum Black India Pale Ale (IPA), vom Marshmallow-Stout bis zum Kürbisbier. Für jeden Geschmack und jeden Anlass. Gemäß Bayerischem Reinheitsgebot von 1516, aber auch fernab davon. „Das Reinheitsgebot ist heute genauso aktuell wie vor 500 Jahren“, sagt Wolfgang Stempfl, „es bringt dem Bierkonsumenten die Sicherheit, dass das Produkt nur Wasser, Hefe, Hopfen, Malz und keinerlei Zusatzstoffe enthält, er es ohne Vorbehalte genießen kann.“ Stempfl ist Geschäftsführer der Doemens Akademie in Gräfelfing bei München, deren insgesamt über 3.000 Absolventen verantwortliche Positionen in Betrieben der Brau- und Getränkeindustrie in mehr als 80 Ländern innehaben. Doemens ist auch die erste und einzige Schule der Welt, die zum Biersommelier ausbildet. Wie auch David Hertl einer ist. „Foodpairing in der gehobenen Gastronomie“, erklärt er, „das heißt, man kann ein Mehr-Gänge-Menü mit verschiedensten guten Bieren in kleinen Gläsern begleiten“. Bier, das ist der neue Wein. Neue Biere sind für Hertl jedes Mal auch eine neue Herausforderung. Wie die Gurkengose, ein uralter deutscher Bierstil mit Gewürzgurken. „Nur, dass ich es nicht Bier nennen darf, wenn ich es 6 Messe+Co . 2 . 2016 Fotos: tm studios/Jürgen Rosenbusch (7), NürnbergMesse/Heiko Stahl, NürnbergMesse, privat Braumeister in Franken – die Bierregion mit der größten Brauereidichte Europas. Versteht sich aufs Beste mit edlen Bieren: David Hertl, fränkischer Brauer aus Leidenschaft. Messe+Co . 2 . 2016 7 FOKUS „Die BrauBeviale hat ihre ganz eigene Magie. Sie ist eine Fachmesse mit Herz. Es ist nicht übertrieben, wenn wir sagen, es ist der ,Stammtisch der Branche‘. Für uns ist es die Herausforderung, diesen Spirit zu bewahren – und das trotz Flächenwachstum im Lauf der Jahre.“ „Die BrauBeviale ist die Heimat für alle Bierbrauer und aller, die am Verkehr mit Bier beteiligt sind. Hier werden nicht nur die technischen Innovationen gezeigt und geordert, sondern neue Ideen mit nach Hause genommen und umgesetzt.“ Andrea Kalrait Geschäftsführer Doemens Akademie Wolfgang Stempfl Gesprächsbedarf: Andrea Kalrait entlockt Bierbrauer Hertl so manches Biergeheimnis. Veranstaltungsleiterin BrauBeviale in Bayern braue,“ so Hertl. Durch das Reinheitsgebot bleibe für ihn die kreative Vielfalt auf der Strecke. Dabei war die Verordnung 1987 eigentlich gekippt worden, seither dürfen Biere aus dem Ausland auch mit anderen Rohstoffen verkauft werden. Dennoch: Das Bayerische Reinheitsgebot wurde als Gütezeichen und das deutsche Bier als geschütztes traditionelles Lebensmittel anerkannt. Das Reinheitsgebot bleibt also ein Markenzeichen, steht jedoch in der Diskussion. Die Zulassung von Naturprodukten wie Obst, Gemüse, Gewürzen und Kräutern in einem modernen, zeitgemäßen Reinheitsgebot, ähnlich dem in Österreich praktizierten, schlägt der in Bitburg aufgewachsene Brauer und Blogger Günther Thömmes vor. Dass die Zeit reif ist für ein „neues, freiwilliges Reinheitsgebots-Siegel ohne Hintertürchen für nicht deklarierungspflichtige Zusatzstoffe“, glaubt Moritz Gretzschel. Der Hochschulprofessor und Hobbybrauer ist ein begeisterter Anhänger der Craft Brew-Bewegung. 8 Messe+Co . 2 . 2016 Die kreative Bierkultur nahm in den USA ihren Anfang und fasst immer mehr Fuß auch in Europa. Bereits 10.000 Craft-Brauereien gibt es laut einer Studie des US-Biochemie-Unternehmens Alltech heute weltweit. Deutschland liegt unter den Top-Ten Staaten derzeit auf Platz acht, hinter den USA, Großbritannien, Frankreich, Italien, Russland, Kanada und der Schweiz, noch vor Brasilien und Japan. Vielfältigere Bier-Geschmackserlebnisse, bevorzugt von regionalen Herstellern aus natürlichen Zutaten gebraut, wünschen sich auch immer mehr Bierkonsumenten, besonders in Deutschland. Während einer Umfrage des globalen Marktforschungsinstituts Mintel zufolge hierzulande 2012 nur ein Prozent der neu auf den Markt gebrachten Biere aus dem Craft Beer-Bereich kamen, waren es 2014 bereits 12 Prozent und 2015 schon fast 20 Prozent. Trendthema Craft Beer, auch bei der BrauBeviale Längst ist Craft Beer natürlich auch Trendthema bei der BrauBeviale in Nürnberg. Wo Fachbesucher aus Gastronomie und Handel am Craft Beer Corner ausgefallene Biere unter professioneller Anleitung verkosten können. Wo seit 2004 die Privaten Brauereien Bayern, ideeller Träger der Fachmesse, den European Beer Star verleihen. Eine Auszeichnung für Brauereien weltweit, die sich in besonderer Weise um traditionelle europäische Bierstile verdient machen. Wo sich beim European MicroBrew Symposium Geruchsempfinden: Die Nase Geschmackserlebnis: nimmt die unterschiedlichen Beim Trinken kann sich Nuancen kreativer Biere wahr. die Note voll entfalten. Wo Getränkeexperten aus aller Welt zusammenkommen Sie ist eine der wichtigsten Investitionsgütermessen der Getränkeindustrie weltweit – die BrauBeviale auf dem Messegelände in Nürnberg. Egal, ob Bier, Wein, Sekt, Spirituosen, alkoholfreie Getränke oder flüssige Molkereiprodukte – Produzenten, Vertrieb, Handel und Gastronomie finden hier unter einem Dach alles rund um die gesamte Prozesskette der Getränkewirtschaft: Von den geeigneten Rohstoffen bis zu speziellen Maschinen und Anlagen für die Getränkeherstellung sowie das Abfüllen und Verpacken des fertigen Produkts. Von konkreten Lösungen für passgenaue Logistik bis zu kreativen Ideen für eine zielgruppengerechte Vermarktung. Bier ist das Herzstück der Messe, weshalb sie sich auch als „Stammtisch der Branche“ versteht. Für Brauer wie den Franken David Hertl ist die BrauBeviale „immer wieder wie ein Riesen-Klassentreffen“. Craft Beer Corner, European Beer Star Award, Consumers‘ Favourites sowie das European MicroBrew Symposium und der Start zur Street Food Convention (SFC) sind die Highlights bei der diesjährigen Veranstaltung. Mit 42.940 Quadratmetern Fläche war die BrauBeviale 2015 die größte in ihrer über 50-jährigen Geschichte. 1.083 Aussteller trafen sich mit 37.137 Fachbesuchern. Die BrauBeviale 2016 in Nürnberg findet vom 8. bis 10. November statt. Spezielle Maschinen und Anlagen sind ein wichtiges Glied in der Prozesskette der Getränkewirtschaft. Messe+Co . 2 . 2016 9 FOKUS Gourmet-Biere: Bei deren Verkostung Die Qualität der Zutaten ist die kommen spezielle Gläser zum Einsatz. Basis für ein gehaltvolles Bier. Farbe und Geruch treten deutlicher hervor. Den Rest macht der Brauer. Anhänger der kreativen Bierkultur über Trends, Märkte und Technologien austauschen können. Und wo bei der After Show Party Craft-Biere frisch aus dem Hahn gezapft werden. Magische Momente beim Bierbrauen Bierkultur, wie sie nicht nur bei der Messe in Nürnberg, sondern in ganz Franken gelebt wird. Für David Hertl ist fränkisches Bier wie nach Hause kommen: „Man trinkt eines und ist glücklich. Man ist angekommen. Und es schmeckt nach einem g’scheiten Bier.“ Und was ist für ihn der magische Moment beim Brauen? „Am Ende, wenn man ein eigenes Bier aufmacht, nach acht Wochen Lagerung. Das ist ein Traum!“ Dieser Funke Magie ist beim Jung-Braumeister bereits in frühen Jahren übergesprungen. Mit 15 schon hat er das Handwerk ausprobiert. „Da hat mir Bier noch nicht einmal geschmeckt“, gibt Hertl zu. An langen Sonntagen wurde gewerkelt in Mama Veronikas Ikea-Küche. Bis sie ihn daraus verbannte, weil die Press- 10 Messe+Co . 2 . 2016 spanplatten begannen, sich aufzulösen. Was sich nicht in Luft aufgelöst hat, war Davids Leidenschaft für das Bierbrauen. Mitsamt seinen Brauutensilien übersiedelte er kurzerhand in den alten Schweinestall des elterlichen Hofes, wo er sich im Laufe der Jahre eine komplette Brauerei einrichtete – die heutige Braumanufaktur Hertl. Seine Mutter hat ihm das mit der Küche mittlerweile verziehen, unterstützt Sohnemanns Ambitionen, indem sie ebenso viel Engagement an den Tag legt. Etwa, wenn sie in so mancher Nachtschicht Flaschenhälse ummantelt und in Handarbeit Etiketten verziert. Papa Hertl ist eigentlich Weinsommelier. Von Davids Bier-Eifer wurde aber auch er infiziert. „Seit 18 Monaten ist er mein Mitarbeiter des Monats“, sagt Hertl Junior stolz. „Aber ab dem Herbst wird er entlastet, da bekommen wir einen Azubi.“ Nicht nur die Ausbildung von Fachkräften und Brautechnologen bewegt sich hierzulande auf hohem Niveau. „Deutschland ist auch der Standort für technische Entwicklungen im Anlagenbau“, weiß Doemens-Geschäftsführer Stempfl. „Als Bierland hatten und haben wir im internationalen Kontext immer schon eine Ausnahmestellung.“ Diese Stellung kann und soll durch die Vielfalt und Qualität der hier produzierten Biere gefestigt werden. Oder wie David Hertl es ausdrücken würde: „Die Bierszene nimmt Gestalt an, da kommt auf jeden Fall noch was – das ist noch nicht das Ende“. n