8 - Augenarztpraxis Dr. Koller

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II
Refraktive
Hornhautchirurgie
Kapitel 8
Technische Prinzipien – 83
H. Lubatschowski, D. Kook, M. Mrochen, S. Schumacher, G. Grabner, T. Seiler, T. Neuhann
Kapitel 9
Oberflächenbehandlung – 121
S. Pieh
Kapitel 10
Lamelläre Excimerlaserchirurgie
(LASIK, Femto-LASIK) – 137
T. Kohnen, O. Klaproth
Kapitel 11
Therapeutische Excimerchirurgie – 153
G. Duncker
Kapitel 12
Komplikationen der Excimerchirurgie – 000
T. Knorz
Kapitel 13
Inzisionale Techniken – 000
E. Fabian, M. Maier, U. Mester
Kapitel 14
Intrakorneale Implantate – 000
J. Ruckhofer, G. Grabner
Kapitel 15
Thermokeratoplastik – 000
T. Kohnen
8
Technische Prinzipien
8.1
Grundlagen – 84
H. Lubatschowski
8.1.1 Laser-Gewebe-Wechselwirkung – 84
8.1.2 Photoablation – 84
8.1.3 Literatur – 87
8.2
Excimerlaser – 87
H. Lubatschowski
8.2.1 Laserprinzip – 87
8.2.2 Aufbau eines Excimerlasers – 88
8.2.3 Literatur – 90
8.3
Femtosekundenlaser – 90
D. Kook, M. Mrochen, S. Schumacher, G. Grabner
8.3.1
8.3.2
8.3.3
8.3.4
8.3.5
8.3.6
8.3.7
Hintergrund – 90
Physikalisches Prinzip – 90
Photodisruption – 91
Femtosekundenlasersysteme – 93
Interfaces – 93
Applikationsmöglichkeiten des Femtosekundenlasers – 94
Literatur – 97
8.4
Ablationsprofile – 98
M. Mrochen, T. Koller, T. Seiler
8.4.1
8.4.2
8.4.3
8.4.4
8.4.5
8.4.6
8.4.7
8.4.8
8.4.9
Technisches Prinzip – 98
Munnerlyn-Profil – 98
Wellenfront-optimiertes Ablationsprofil – 99
Q-Wert angepasstes Ablationsprofil – 102
Topographie-geführtes Ablationsprofil – 105
Wellenfront-geführtes Ablationsprofil – 108
Ray-tracing-Ablationsprofile – 111
Presbyopie-Ablationsprofil – 111
Literatur – 113
8.5
Zentrierung bei Refraktionskorrekturen
mit dem Excimerlaser – 114
T. Neuhann
8.5.1 Einleitung – 114
8.5.2 Die Achsen des optischen Systems des menschlichen Auges – Begriffsbestimmung – 114
8.5.3 Zentrierungsachse und Referenzachse – 115
8.5.4 Literatur – 119
84 Kapitel 8 · Technische Prinzipien
8.1
Grundlagen
H. Lubatschowski
8.1.1
Laser-Gewebe-Wechselwirkung
Beim Laser (»light amplification by stimulated emission of
radiation«) handelt es sich um eine Lichtquelle, die aufgrund der guten Fokussierbarkeit und der Möglichkeit
sehr kurze Pulse zu erzeugen, nicht nur hohe Leistungen
sondern auch extrem hohe Intensitäten (Leistungsdichten)
generieren kann (. Tab. 8.1). Je nach Laserparameter können unterschiedliche Arten von Wechselwirkungen auftreten und das Gewebe bei der Bestrahlung gezielt verändern
(. Abb. 8.1). Zu den Wechselwirkungsprozessen gehören:
photochemische Wechselwirkungen, Koagulation und Vaporisation sowie die Photoablation und Photodisruption.
8
> Sowohl die Photoablation wie auch die Photodisruption spielen in der refraktiven Chirurgie eine
entscheidende Rolle.
8.1.2
Photoablation
Anfang der 1980er Jahre beschrieben Srinivasan und Mitarbeiter erstmalig ein Verfahren zur Bearbeitung organischer Polymere mit Hilfe von ultravioletter Excimerlaserstrahlung [4, 5]. Kennzeichnend für den neuartigen
Prozess der Materialabtragung war die Verwendung von
gepulster, energiereicher UV-Strahlung. Aufgrund der geringen Eindringtiefe der UV-Strahlung in die zu bearbeitenden Materialproben war es möglich, Strukturen im
Sub-Mikrometerbereich in die organische Matrix zu ätzen.
Srinivasan bezeichnete dieses Phänomen als »ablative
. Tab. 8.1 Lichtleistung und Leistungsdichte verschiedener
Lichtquellen
Lichtquelle
Lichtleistung
Leistungsdichte
Sonne
1026 Watt
5×10–2 W/cm2 (auf der Erde)
100 Watt Glühlampe
3 Watt
10–2 W/cm2
Laserpointer
1 mWatt
4×104 W/cm2
CO2 Laser
60 Watt
5×106 W/cm2
Gepulster Laser
1 GWatt
1014 W/cm2
Photodekomposition«. Den Abtragprozess erklärte man
sich durch ein direktes Aufbrechen der Molekülbindungen
der organischen Polymere, das durch die Absorption der
energiereichen UV-Photonen hervorgerufen wurde.
Wenig später wurde der Prozess der Materialabtragung
mit Hilfe von gepulster Laserstrahlung allgemein unter
dem Begriff der »Photoablation« auch von anderen Autoren beschrieben. Dabei beschränkte man sich nicht mehr
allein auf die Materialbearbeitung mit UV-Laserstrahlung.
Wolbarsht [8] erkannte 1984, dass auch mit gepulsten Infrarotlasern gerade biologisches Gewebe leicht und schonend zu bearbeiten war. Trotz vergleichbarer Effekte am
bestrahlten Gewebe unterscheidet sich jedoch der Wechselwirkungsprozess der Photoablation im mittleren und
fernen Infrarot deutlich von dem der UV-Photoablation
bei 193 nm Wellenlänge.
Nimmt man heute an, dass es sich bei der Abtragung
von organischen Polymeren mit Laserlicht im tiefen UV
um einen vorwiegend photochemisch induzierten Prozess handelt (direktes Aufbrechen der Molekülbindungen durch die energiereichen UV-Photonen) [6, 7], so
. Abb. 8.1 Wechselwirkungsmechanismen von Laserstrahlung mit biologischem Gewebe
8.1 · Grundlagen
85
. Abb. 8.2 Absorptionsverhalten einiger im Organismus vorherrschender Chromophore zusammen mit den heute zur Verfügung stehenden wichtigsten Laserwellenlängen
geht man bei der Verwendung von Laserstrahlung im
mittleren und fernen Infrarot davon aus, dass eine explosionsartige Verdampfung des Wassers zu dem gewünschten Abtragungseffekt führt [9–11]. Bei der UV-Photo­
ablation von biologischem Gewebe liegt eine Mischform
der Mechanismen vor. Einerseits brechen die energiereichen UV-Photonen die Bindungen der Biomoleküle auf,
andererseits werden die Photonen auch vom Gewebe­
wasser absorbiert, was zu dessen explosionsartigen Verdampfung führt.
Die ursprüngliche von Srinivasan eingeführte Definition der Photoablation im Sinne einer reinen Photolyse hat
seither an Bedeutung verloren. Eine Definition des Begriffes Photoablation lässt sich daher weniger über den
ihm zugrunde liegenden Wechselwirkungsmechanismus,
als vielmehr über die Beschreibung des mit dem Laser erzielten Ergebnisses und die dafür notwendigen Laserstrahlparameter (Wellenlänge, Pulsdauer, Pulsenergie)
festlegen.
> Ziel der photoablativen Materialbearbeitung,
insbesondere in der Medizin, ist eine Abtragung
von Gewebe, bei der die Dimension der lateralen
Schädigung in der zurückbleibenden Probe
durch thermische und mechanische Einflüsse der
Laserstrahlung im Vergleich zum abgetragenen
Volumen möglichst gering ist.
Dies steht im Gegensatz zur Vaporisation und Koagulation, bei der ein größerer, koagulierter und karbonisierter
Bereich des bestrahlten Gewebes durchaus erwünscht ist
(beispielsweise zur Blutstillung).
Das Ausmaß an thermischer Schädigung ist direkt abhängig von der optischen Eindringtiefe des Laserlichtes in
das zu bearbeitende Gewebe. . Abb. 8.2 zeigt das Absorptionsverhalten einiger im Organismus vorherrschender
Chromophore zusammen mit den heute zur Verfügung
stehenden wichtigsten Laserwellenlängen.
Für die meisten Anwendungsbereiche der Photoablation sollte die vom Laser verursachte thermische Nekrosezone eine Ausdehnung im Bereich von 1–10 μm nicht
überschreiten. Aus dem Diagramm wird leicht ersichtlich,
dass für die photoablative Gewebeabtragung daher nur Laser in Frage kommen, die entweder unterhalb von ca.
250 nm im tiefen UV emittieren; dort wird die starke Absorption von Melanin, dem Blutfarbstoff Hämoglobin,
aber auch von den Proteinen und den im Wasser gelösten
Salzen verursacht. Oder aber man verwendet Infrarotlaser,
die bei einer Wellenlänge um 3 μm bzw. oberhalb von ca.
6 μm emittieren. Hier kann die starke Absorption des Wassers nutzbar gemacht werden. Der Wasseranteil im biologischen Weichgewebe liegt in der Regel zwischen 70% und
90%. Zur photoablativen Bearbeitung der Kornea hat sich
die Verwendung von UV-Licht mittels ArF-Excimerlaser
als optimal herausgestellt.
8
86 Kapitel 8 · Technische Prinzipien
. Abb. 8.3 Wellenlänge und Photonenenergie, im Vergleich zu typischen Bindungsenergien organischer Polymere
8
Ein weiterer wichtiger Parameter zur Minimierung
kollateraler thermischer Schädigungen ist die Wechselwirkungsdauer des Laserlichtes mit dem bestrahlten Gewebe.
Bei der Photoablation ist die Bestrahlungszeit so kurz zu
wählen, dass die hervorgerufene thermische Schädigung in
erster Linie allein durch die optische Eindringtiefe der Laserstrahlung in das Gewebe verursacht wird. Die Bestrahlungszeit t muss kürzer sein als die sog. thermische Relaxationszeit τR [1].
Die thermische Relaxationszeit ist die Zeit, bei der die
charakteristische optische Eindringtiefe µ–1 der Laserstrahlung gleich der thermischen Diffusionslänge L der Wärme
in der Bestrahlungszeit t ist. Die thermische Diffusions­
länge L ist ein Maß für die Geschwindigkeit der Wärmeausbreitung. Sie ist charakterisiert durch die Beziehung:
L = √4κt
wobei κ die Wärmediffusionskonstante des bestrahlten
Gewebes darstellt.
Eine für die photoablative Gewebeabtragung wichtige
Abschätzung hinsichtlich der maximalen Dauer der einwirkenden Laserpulse ergibt sich damit zu:
1
τ=9
4μ2 κ
Toleriert man eine thermische Nekrosezone im Bereich um
1 μm und geht man davon aus, dass das zu bearbeitende
Gewebe zum überwiegenden Teil aus Wasser besteht, erhält
man mit der Wärmediffusionskonstanten von Wasser
(κ=1,5 ⋅ 10–7 m2/s) eine thermische Relaxationszeit und damit für die Photoablation typische Laserpulsdauer von:
tLaser ≤1..10 μs
Die für die Ablation notwendigen Laserenergiedichten lassen sich für die Infrarot-Photoablation leicht aus der Verdampfungswärme des Wassers abschätzen. Bei einer typischen Abtragrate von 10 μm pro Puls und einer Verdampfungswärme des Wassers von 2600 J/cm3 muss am
Bestrahlungsort eine Energiedichte von mindestens 2,6 J/
cm2, entsprechend einer Leistungsdichte von 26–2600 kW/
cm2, aufgebracht werden.
Vergleichbare Energiedichten zur Abtragung von Gewebe erwartet man bei der UV-Photoablation, wenn man
davon ausgeht, dass der Abtragmechanismus ein überwiegend photochemischer Prozess ist, bei dem die energiereichen UV-Photonen (6,4 eV bei 193 nm) die intramolekularen Bindungen der Biopolymere direkt aufbrechen (5–
7 eV Bindungsenergie, . Abb. 8.3). Der Absorptionsquerschnitt organischer Polymere liegt für UV-Strahlung
(λ≤200 nm) in der Größenordnung von σ≈10–18 cm2 [1, 2].
Daraus ergibt sich eine Chromophorendichte von ρ = α/
σ = 1000 cm–1/10–18 cm2 = 1021 cm–3. Will man diese organischen Verbindungen durch Anregung mit Laserlicht der
Wellenlänge von 193 nm (ArF-Excimerlaser) in einen repulsiven Zustand überführen, ist dazu eine Laserpulsenergiedichte von weniger als 100 mJ/cm2 erforderlich, wenn
man von einer, für die 193-nm-Photoablation typische Abtragtiefe unter 1 μm ausgeht. Charakteristische Rekombinationszeiten der angeregten Polymere liegen in der Größenordnung von ca. 100 ns [3]. Folglich muss auch die
Laserpulsenergie in dieser kurzen Zeit zur Verfügung gestellt werden, das bedeutet man benötigt Lichtintensitäten
in der Größenordnung von MW/cm2.
Im Bereich höherer Leistungsdichten und kürzeren
Pulsdauern (I ≥10–10 W/cm2, t≤10 ns) gelangt man in den
Bereich der Photodisruption, bei der die Laserpulsenergie
über ein durch einen optischen Durchbruch gezündetes
Plasma in die bestrahlte Probe eingekoppelt wird. Der Ab-
87
8.2 · Excimerlaser
tragmechanismus bei der Photodisruption ist daher ein
von der Photoablation völlig verschiedener Wechselwirkungsprozess. Die Wellenlänge des verwendeten Laserlichtes spielt hier eine untergeordnete Rolle. Darüber
­hi­naus unterscheidet sich die Photodisruption von der
Photoablation auch darin, dass hier nie großflächig, sondern immer nur punktförmig, d. h. im Fokus des Laserstrahls, Gewebe bearbeitet werden kann.
8.1.3
Literatur
1. Boulnois JL (1986) Photophysical processes in recent medical
­laser developments: a review; Lasers in Medical Science 1: 47–66
2. Oraevsky AA, Jacques SL, Pettit GH, Saidi IS, Tittel FK, Henry PD
(1992) XeCl laser ablation of atherosclerotic aorta: optical properties and energy pathways. Lasers Surg Med 12: 585–597
3. Phillips D, Roberts JA (Hrsg) (1982) Photophysics of Synthetic
­Polymers. The Royal Institution, Science Reviews
4. Srinivasan R, Mayne-Banton V (1982) Self-developing photo­
etching of poly(ethylene terephthalate) films by far-ultraviolet
excimer laser radiation. Appl Phys Lett 41(6): 576–578
5. Srinivasan R, Leigh WJ (1982) Ablative photodecomposition:
­action on far-ultraviolet (193 nm) laser radiation on poly(ethylene
terephthalate) films. J Am Chem Soc 104: 6784–6785
6. Srinivasan R, Braren B, Dreyfus RW (1987) Ultraviolet laser ablation
of polyimide films. J Appl Phys 61(1): 372–376
7. Srinivasan R (1990) Ablation of polymers and tissue by ultraviolet
lasers. Proc SPIE 1064: 77–82
8. Wolbarsht M (1984) Laser surgery: CO2 or HF. IEEE J Qant Electron
QE-20(12): 1427–1432
9. Walsh JT, Flotte TJ, Deutsch TF (1989) Er:YAG laser ablation of tissue: effect of pulse duration and tissue type on thermal damage.
Lasers Surg Med 9: 314–326
10. Zweig AD, Frenz M, Romano V, Weber HP (1988) A comparative
study of laser tissue interaction at 2.94μm and 10.6μm. Appl Phys
B 47: 259-265
11. Zweig AD (1991) A thermo-mechanical model for laser ablation.
J Appl Phys 70(3): 1684–1691
8.2
Excimerlaser
H. Lubatschowski
8.2.1
Laserprinzip
Atome oder Moleküle in einem energetisch tief liegenden
Zustand (z. B. Grundzustand) können durch sog. stimulierte Absorption von Licht in einen energetsich angeregten
Zustand überführt werden. Das Licht kann genau dann
absorbiert werden, wenn der Abstand zwischen oberem E2
und unterem Energieniveau E1 gerade der Photonenergie
E des eintreffenden Lichts entspricht (. Abb. 8.4 links). Die
sog. Resonanzbedingung muss erfüllt sein:
E = E2 – E1 = hv
wobei h das Planksche Wirkungsquantum und v die Frequenz des eintreffenden Lichts darstellt. Das angeregte
Atom strahlt die Anregungsenergie nach einer gewissen
Zeit, der mittleren Lebensdauer des angeregten Zustands,
bei der gleichen Frequenz wieder ab. Dieser Prozess, der
nicht von außen zu beeinflussen ist, wird spontane Emission genannt (. Abb. 8.4 Mitte).
Wird das Atom aber in einem Lichtfeld der gleichen
Frequenz v ausgesetzt, dann kommt es zur stimulierten
Emission und damit zur Verstärkung des einfallenden
Lichtfelds (. Abb. 8.4 rechts).
Die entscheidende Größe für das Absorptions- und
Emissionsverhalten eines Mediums ist die Besetzungszahldifferenz N=N2–N1 zwischen Grund- (N1) und angeregtem
Zustand N2. Im thermischen Gleichgewicht gilt für die Besetzung der einzelnen Niveaus die Boltzmann-Verteilung:
N2
E2 –E1
– 0
kT
6 =e
N1 Hierbei ist k=1,38×10–23J/K die Boltzmann-Konstante.
Man erkennt sofort, dass in einem Medium im thermischen
Gleichgewicht keine Besetzungsinversion N2>N1 möglich
ist (. Abb. 8.5). Folglich wird auch Licht, das in ein Medium im thermischen Gleichgewicht eingestrahlt wird überwiegend absorbiert. Eine Verstärkung wie in . Abb. 8.4
rechts kann ausschließlich bei einer Besetzungsinversion
stattfinden.
Um eine Besetzungsinversion zu erreichen, muss man
dem System Energie zuführen und es aus dem thermischen
Gleichgewicht bringen. Diesen Prozess bezeichnet man als
Pumpen. Für die Zuführung der zum Pumpen notwendigen Energie gibt es verschiedene optische, elektrische
oder chemische Anregungsmechanismen.
Allerdings muss man zur Erzeugung der Besetzungsinversion energetisch einen Umweg beschreiten. Betrachtet
. Abb. 8.4 Absorption (links), spontane (Mitte) und stimulierte Emission (rechts)
8
88 Kapitel 8 · Technische Prinzipien
serniveau noch leichter zu erreichen ist, da das untere
­Laserniveau grundsätzlich leer ist.
Man erzeugt Laserstrahlung meist in einem optischen
Resonator, in dem sich das Lasermedium befindet. Durch
eine geeignete Anordnung zweier Spiegel wird die erzeugte
Strahlung immer wieder durch das Gebiet, in dem Besetzungsinversion herrscht geleitet. Dabei wird die Laserstrahlung beim Hin- und Herlaufen zwischen den beiden
Spiegeln durch stimulierte Emission immer weiter verstärkt, bis der Leistungszuwachs innerhalb des Systems
durch die Abnahme der Besetzungsinversion und die immer stärker ansteigenden Verluste ausgeglichen wird. ­Einer
der beiden Spiegel ist teilweise durchlässig (Auskoppelspiegel), um Strahlung aus dem Laser auskoppeln zu können . Abb. 8.7).
8
. Abb. 8.5 Verteilung der Besetzungsdichten zweier Energie­
niveaus im thermodynamischen Gleichgewicht
man ausschließlich ein 2-Niveau-System, wird man feststellen, dass bei Energiezufuhr beispielsweise durch ein
Photon, für die Absorption sowie für die stimulierte Emission exakt die gleiche Wahrscheinlichkeit besteht. Damit
kann man mit optischem Pumpen also in einem 2-NiveauSystem keine Besetzungsinversion erreichen. Das optische
Pumpen führt maximal zu einer Gleichbesetzung von oberem und unterem Energieniveau.
Mit einem 3-Niveau- oder einem 4-Niveau-System wie
in . Abb. 8.6 lässt sich eine Besetzungsinversion erreichen.
Im 3-Niveau-System wird das Grundniveau 1 als unteres
Laserniveau genutzt, während das oberste Niveau 3 nur als
Hilfsniveau genutzt wird. Ein schneller Zerfall des oberen
Niveaus bewirkt eine Besetzung in das Niveau 2, das als
oberes Laserniveau dient, aber nicht durch die Pumpstrahlung mittels stimulierter Emission wieder entleert werden
kann. Ähnliches gilt für einen 4-Niveau-Laser, bei dem die
Besetzungsinversion zwischen oberem und unterem La-
8.2.2
Aufbau eines Excimerlasers
Der Excimerlaser ist ein gepulster Gasentladungslaser. Ein
Gasgemisch aus einem Edelgas (Ar, Kr, Xe), einem Halogen (Fluor, Chlor) und einem Puffergas (He, Ne) wird in
einer elektrischen Entladung zur Besetzungsinversion angeregt. Dabei entstehen ionisch gebundene Komplexe aus
Edelgas und Halogen, wie ArF, KrF, KrCl oder XeCl, im
elektronisch angeregten Zustand. Diese Edelgas-Halogenide können nur als angeregte Moleküle existieren. Unter
Abgabe von UV-Licht zerfallen diese Spezies, die im
Grundzustand nicht gebunden sind . Abb. 8.8). Die damit
fast automatisch gegebene Besetzungsinversion ermöglicht sehr effiziente, gepulste UV-Laser mit Wellenlängen
von 351–193 nm, bei Pulsdauern von wenigen Nanosekunden, Pulsenergien bis in den Joule-Bereich und mittleren Leistungen von einigen zehn Watt.
Prinzipiell können Excimerlaser nur gepulst betrieben
werden. Wiederholraten heutiger Excimerlaser liegen im
Bereich von bis zu einigen Kilohertz, bei Pulsenergien von
. Abb. 8.6 Beispiel für ein 3-Niveau-System (links) und ein 4-Niveau-System (rechts)
89
8.2 · Excimerlaser
. Tab. 8.2 Die Wellenlänge eines Excimerlasers ist durch das
bei der Anregung entstehende Molekül festgelegt
. Abb. 8.7 Schematischer Aufbau eines Lasers
. Abb. 8.8 Energieübergang beim ArF-Excimerlaser
wenigen Millijoule. Im industriellen Bereich werden Excimerlaser eingesetzt, die Pulsenergien von über 1 Joule
erreichen.
Entsprechend dem Lasermedium ist das Wort Excimer
ist eine Zusammenziehung von »excited« (angeregt) und
»dimer«. Ein Dimer besteht aus zwei gleichen Atomen
oder Molekülen, allerdings werden heute vorrangig Edel-
. Abb. 8.9 Schematischer Aufbau eines Excimerlasers
Molekül
Wellenlänge
H2
123 bzw. 116 nm
Ar2
126 nm
F2
157 nm
Xe2
172 nm
ArF
193 nm
KrF
248 nm
XeBr
282 nm
XeCl
308 nm
XeF
351 nm
gas-Halogenide als laseraktives Medium eingesetzt. Deshalb wird auch der Begriff Exciplex (für excited complex)
verwendet.
Die Wellenlänge eines Excimerlasers ist durch das bei
der Anregung entstehende Molekül festgelegt (. Tab. 8.2).
Die entsprechenden Ausgangsstoffe (Gase) werden z. B. in
Gasflaschen bereitgestellt. Das Gasgemisch in der Laserkavität, aus dem die laseraktiven Excimere bzw. Exciplexe
erzeugt werden, muss regelmäßig ersetzt werden, da sich
sowohl durch längere Standzeiten als auch durch den laufenden Betrieb die Eigenschaften des Gasgemisches derart
verändern, dass die Pulsenergie unter einen akzeptablen
Wert abfällt.
Den typischen Aufbau eines Excimerlasers zeigt . Abb.
8.9. Das Strahlprofil wird wesentlich von der Position der
anregenden Elektroden mitbestimmt und ist meistens
rechteckig. Da in den wenigen Nanosekunden der Anregung die Photonen im Resonator nur wenige Umläufe machen können, bildet sich kein homogenes Intensitätsprofil
8
90 Kapitel 8 · Technische Prinzipien
. Abb. 8.10 Typisches Strahlprofil eines Excimerlasers
8
aus (. Abb. 8.10). Das Strahlprofil muss deshalb für refraktivchirurgische Anwendungen nachträglich homogenisiert
werden.
Traditionell waren es große Excimerlaser mit hoher
Pulsenergie, die für industrielle Anwendungen herangezogen wurden. Kompakte Excimerlaser, die geringere Pulsenergie, aber aufgrund einer hohen Pulsfolgefrequenz eine
vergleichbare mittlere Leistung bieten, konnten sich in den
letzten Jahren mit wesentlich verbesserten Verbrauchs­
kosten, Service- und Standzeiten als Alternative etablieren
[1, 2].
Fazit für die Praxis
Der ArF-Excimerlaser erreicht mit seiner Wellenlänge von
193 nm und seiner kurzen Pulsdauer von wenigen Nanosekunden die beste Abtragqualität aller photoablativ arbeitenden Lasersysteme. Da es sich um einen Gaslaser handelt,
ist er vergleichsweise groß und wartungsintensiv. Jahrzehntelanger Einsatz in der Materialbearbeitung und refraktiven
Laserchirurgie haben ihn zu einer zuverlässigen Strahlquelle
heranreifen lassen. Eine Alternative ist nicht in Sicht.
8.2.3
Literatur
1. Basting D, Marowsky G (2005) Excimer Laser Technology. Springer, Berlin Heidelberg New York
2. Delmdahl R (2010) The excimer laser: Precision engineering. Nature Photonics 4: 286
8.3
Femtosekundenlaser
D. Kook, M. Mrochen, S. Schumacher, G. Grabner
8.3.1
Hintergrund
Erste Arbeiten über Anwendungen der Femtosekundenlasertechnologie in der Augenheilkunde stammen aus den
späten 1980er Jahren und beschreiben Ergebnisse der In-
teraktion des Femtosekundenlasers (fs-Lasers) mit Netzhautgewebe im Tierversuch [1]. Die Bearbeitung menschlicher Hornhaut in vitro wird erstmals 1994 berichtet [2].
Seit dem Jahr 2001 kamen klinisch einsetzbare Femtosekundenlasersysteme verschiedener Firmen auf den Markt
und setzten sich besonders als Ersatz des Mikrokeratoms
rasch durch, wobei bislang weltweit etwa 4 Millionen Femtosekundenlaser-assistierte Hornhaut­eingriffe durchgeführt wurden. Prinzipiell sind zahlreiche Anwendungen
des fs-Lasers in der Ophthalmochirurgie denkbar, wobei
sich viele Techniken noch in vorklinischer Prüfung befinden [3]. Dabei sind die Applikationen in zwei Bereichen
möglich: In der Hornhaut und Sklera »sub-surface«: Die
Wechselwirkung findet knapp unterhalb der Gewebeoberfläche (typischerweise einige 100 µm, bis in die Vorderkammer) statt und intraokular (die Therapieoptionen betreffen dabei Linse und Iris.
8.3.2
Physikalisches Prinzip
Die Erzeugung von Femtosekundenlaserpulsen (1 fs=10–
15 s) unterscheidet sich im grundsätzlichen physikalischen
Prinzip von der Erzeugung längerer Laserpulse (Pulsdauer
im Mikro-, Nanosekunden Bereich) und kontinuierlichen
Lasern (Bestrahlungsdauer im Sekunden und Minuten Bereich) [4]. Eine Veranschaulichung der unterschiedlichen
Pulserzeugung ist in . Abb. 8.11 dargestellt.
Kontinuierliche Laser emittieren ihre Strahlung basierend auf der im Lasermedium (z. B. Argongas) herrschenden Verstärkung in Abhängigkeit der kontinuierlichen Pumpleistung für das aktive Lasermedium (7 Abschn. 8.2). Wird die Pumpleistung für das aktive Medium
erhöht, wird auch entsprechend mehr kontinuierliches Laserlicht abgegeben. Die Erzeugung von Laserpulsen im
Nanosekundenbereich (1 ns=10–9 s) erfolgt in der Regel
über das Prinzip der Güteschaltung (Q-switch). Hierbei
wird die optische Verstärkung des aktiven Lasermediums
(z. B. Neodym:YAG) künstlich durch einen optischen
Schalter (Switch) im Resonator des Lasers erhöht (Reduktion der Güte des Resonators). Wird nun der optischen
Schalter geöffnet, entsteht durch die sehr hohe Inversion
(Verstärkung) im aktiven Medium ein »Riesenimpuls« mit
großer Energie – die gespeicherte Pumpleistung wird mit
einem Mal freigesetzt. Durch seine Ausbildung wird wiederum die Inversion des aktiven Mediums reduziert und
der Laserimpuls erlischt nach sehr kurzer Zeit. Durch
dieses Verfahren können je nach Lasertyp kurze Laserpulse im Zeitbereich von einigen Nanosekunden und Pulsenergien von einigen Millijoule bis Joule entstehen.
Für die Erzeugung ultrakurzer Femtosekundenpulse
wird das Verfahren der »Modenkopplung« genutzt. Hierbei
werden alle axialen Lasermoden (Lichtwellen unterschied-
91
8.3 · Femtosekundenlaser
a
b
c
. Abb. 8.11a–c Vergleich der Erzeugung von unterschiedlichen
L­ aserpulsen als hydrostatisches Modell. a Kontinuierliche Laserstrahlung, es wird durch kontinuierliches Pumpen (Wasserzulauf ) eine
Verstärkung im aktiven Medium erzeugt (Wasserstand im Becken).
Die erzeugte Laserstrahlung wird kontinuierlich über einen Auskoppelspiegel (hier als Auslass dargestellt) aus dem Laserresonator
­entnommen. Die ausgekoppelte Lichtleistung und die daraus entstehende Reduktion der Verstärkung des aktiven Mediums werden durch das kontinuierliche Pumpen wieder ausgeglichen. b Bei
einem gütegeschalteten Laser wird die Auskopplung der Strahlung
solange unterbrochen (Korken im hydrostatischen Modell) bis sich
eine deutlich höhere Verstärkung im aktiven Medium ausgebildet
hat (Wasserstand im Becken). Jetzt wird der optische Resonator
durch den Güteschalter freigegeben (Entfernen des Korken) und es
wird ein Riesenimpuls (Wasserstrahl mit hohem Druck) ausgesendet
bis die Verstärkung des aktiven Mediums nicht mehr ausreicht den
Laserstrahl zu verstärken oder der optischen Güteschalter wieder
geschlossen wird. c Modengekoppelte Laserpulse sind vergleichbar
mit einer Wasserwelle, welche in einem Becken zwischen den Beckenrändern (Resonator) hin- und her läuft. Trifft der Laserpuls auf
den Auskoppelspiegel des Resonators, wird ein Teil des Laserpulses
ausgekoppelt. Der Energieverlust wird durch optisches Pumpen
(Wasserzulauf ) wieder kompensiert. Es werden ultrakurze Laser­
pulse mit definiertem Zeitabstand (Resonatorumlaufzeit) ausgesendet. Die Pulsenergie von einigen Nanojoule ist in der Regel sehr gering und muss für ophthalmologische Anwendungen oft verstärkt
werden
licher Frequenz, die sich im Laserresonator ausbilden können) so moduliert, dass sie in fester Phasenbeziehung im
Resonator oszillieren. Dabei kommt es zu konstruktiven
und destruktiven Interferenz­erschei­nungen der einzelnen
Lasermoden (. Abb. 8.12). Durch eine geeignete Überlagerung dieser Lasermoden entstehen kurzen Intensitätsspitzen umgeben von Bereichen der vollständigen Auslöschung
der elektrischen Feldamplitude der Lichtwellen, die im Resonator umlaufen und aus­gekoppelt werden (. Abb. 8.11).
Dabei ist die Kürze der Intensitätsspitzen (Laserpulse) abhängig von der Anzahl der gekoppelten Moden, je mehr
Moden gekoppelt werden desto kürzer der Puls.
Theoretisch können in einem Laserresonator unendlich
viele Moden gekoppelt werden, in der Praxis ist die Anzahl
der Lasermoden jedoch durch die endliche spektrale Bandbreite des lichtverstärkenden Laserkristalls begrenzt. Je größer die spektrale Bandbreite des aktiven Lasermediums,
desto kürzere Intensitätsmaxima (Laserpulse) lassen sich
realisieren. Mit einigen Laserkristallen (z. B. Titan:Saphir)
werden Laserpulsdauern von nur einigen wenigen Femtosekunden erreicht. Geeignete breitbandige Laserkristalle, die
in ophthalmologischen Femtosekunden-Lasersystemen
verwendet werden, sind Kristalle aus Ytterbium:Wolframat
(Yb:KGW), Nd:YLF oder Nd:Glas-Verbindungen (emittierte Wellenlängen: 1030–1050 nm). Die Kristalle dieser
Lasersysteme haben eine Bandbreite von einigen Nanometern (ca. 4–10 nm), die Laserpuls­dauern von einigen 100
Femtosekunden (10–13 s) ermöglichen.
Der Wellenlängenbereich von 1030–1050 nm eignet
sich nun besonders für die Hornhautchirurgie, da in
­diesem spektralen Bereich praktisch keine Absorption
oder Lichtstreuung in ihr stattfindet. Diese aktiven Lasermedien lassen sich auch oft über kosteneffiziente und leistungsstarke Laserdioden optisch pumpen. . Abb. 8.13 zeigt
dabei schematisch einen typischen Aufbau eines Femto­
sekundenlasers. Es werden meist zwei Pumpquellen benötigt, eine für den Laseroszillator, der die Femtosekundenpulse erzeugt und eine weitere für die Verstärkerstufen des
Lasers, in denen die Laserpulse mehr Energie gewinnen.
Ein optischer Schalter wählt die für die Behandlung benötigten Pulse aus, die über eine computergesteuerte Scaneinheit im vorderen Augenabschnitt fokussiert eingebracht
werden.
Hinter dem schematischen Aufbau verbirgt sich eine
sehr hohe Komplexität der einzelnen Komponenten des
fs-Lasers, um die im klinischen Einsatz benötigten hohen
Anforderungen an Strahlqualität und Fokussierbarkeit zu
garantieren. Daher fordern einige Hersteller der Lasersysteme konstante und stabile Umgebungsbedingungen
(Temperatur und Luftfeuchtigkeit) mit geringer Toleranzbreite, da sonst eine Dejustierung des optischen Systems
auftreten kann, die zu Intensitätsschwankungen des Lasers
oder optischen Aberrationen führt und so die Laser-Gewebe Interaktion negativ beeinflusst.
8.3.3
Photodisruption
Ultrakurze Laserpulse unterscheiden sich in ihrer Wechselwirkung mit Materie wesentlich von Pulsen mit längerer
Dauer. Während die Wechselwirkung letzterer auf Grund
linearer Absorption (Lambert-Beer-Gesetz) an der Ober-
8
92 Kapitel 8 · Technische Prinzipien
9 . Abb. 8.12 Prinzip der Modenkopplung. Drei stehende Wellen
(rot) mit unterschiedlicher Frequenz werden überlagert (blau). Es
bildet sich ein Intereferenzbild mit neuen Minima und Maxima aus. Werden mehrere tausend (n) Wellen gekoppelt, verbleibt ein
deutliches Maxima umgeben von einer Auslöschung der Wellenamplitude (grün)
8
fläche der Materie stattfindet, basiert die sog. Photodisruption, der Effekt von ultrakurzen Laserpulsen, auf nicht-linearer Absorption; d. h. das Absorptionsverhalten der ultrakurzen Pulse hängt von der vorliegenden Intensität
(Leistung pro Fläche [W/cm2]) ab. So kann dieser transparentes Gewebe durchdringen und nur an jenem Punkt ein
Absorptionsprozess stattfinden, an dem der Lichtpuls
durch Optiken gebündelt (fokussiert) wird und die Intensität eine gewebespezifische Schwelle übersteigt [5]. Wird
diese Schwelle von etwa 1010–1011 W/cm2 überschritten,
dann tritt der sog. »laser induced optical breakdown«
(LIOB) auf [6]. Er ist der auslösende Wirkmechanismus
bei der Anwendung ultrakurzgepulster fs-Laser in der
Hornhautchirurgie.
Durch die hohe Photonendichte im Fokus treten zwei
nicht-lineare Absorptionsmechanismen, die sog. Multiphotonen- und Kaskadeninonisation auf. Sie erzeugen
ein Plasma bestehend aus freien Elektronen und Ionen,
welches auf das Fokusvolumen beschränkt ist. Durch die
schlagartige Aufheizung des Plasmas und der anschlie­
ßenden Rekombination der Ionen und Elektronen (Abkühlung) im Gewebe kommt es zur Abstrahlung einer
Schockwelle von mehreren 10 MPa aus dem Fokusvolumen, die jedoch schnell an Energie verliert [6]. Durch die
kurze Lebensdauer des Plasmas (einige Pikosekunden
(1 ps=10–12 s) wird keine thermische Energie an das umliegende Gewebe abgegeben. Zusätzlich zum Abstrahlen der
Schockwelle führen die auftreten mechanischen Kräfte
beim LIOB zur Bildung einer Kavitationsblase am Ort
des Fokusvolumens. Sie schwingt auf und kollabiert anschließend – dabei können auch mehrere Schwingungszyklen auftreten. Ihre Größe skaliert dabei mit der Energie
des Laserpulses und ist deutlich größer als das Fokusvolumen selbst. Je mehr Energie im Gewebe deponiert wird,
desto größer die entstehende Kavitationsblase und desto
stärker ihr gewebezerreißender Effekt. Nachdem die Kavitationsblase endgültig kollabiert ist, verbleibt im Fokusvolumen eine kleine Gasblase, die mit der Zeit in Lösung
übergeht [7].
Die Schnittwirkung durch die fs-Laserpulse wird erreicht indem (computergesteuert) einzelne Laserschüsse
nebeneinander platziert werden und somit ein kontinuierlicher Schnitt im Gewebe entsteht. Größtmögliche Präzision wird bei minimalem Volumen der Kavitationsblase erreicht. Da sie mit der Energie [Joule] skaliert und das Auslösen des LIOB von der Intensität (W/cm2) abhängt, steigt
die Präzision durch kürzere Pulse und durch das Erreichen
eines kleineren Fokusvolumens (stärkere Fokussierung).
Wenn sich andererseits das pro Laserschuss geschnittene
Gewebe verringert, wird eine höhere Pulszahl benötigt, um
die gleichen Schnittgröße zu erzielen. Ohne Steigerung der
Repetitionsrate des Lasersystems würde dies zu einem An-
93
8.3 · Femtosekundenlaser
. Abb. 8.13 Schematischer Aufbau eines ophthalmologischen fs-Lasersystems. Ein meist diodengepumpter Laseroszillator erzeugt vergleichsweise energiearme fs-Laserpulse, die in einem
Verstärkermodul an Energie gewinnen. Auch dieses wird optisch gepumpt. Ein optisches Schaltmodul wählt die für die ophthalmologische Anwendung benötigten Laserpulse aus und appliziert diese über einen computergesteuerten Laserscanner ins Zielgebiet des Auges
stieg der Behandlungsdauer führen. Die Schnittqualität ist
zudem abhängig vom räumlichen Abstand der Laserpulse
in Abhängigkeit ihrer Energie. Wird der Abstand zu klein
gewählt, führt dies zu einer starken Gasentwicklung, ist er
zu groß, verbleiben Gewebebrücken und die Schnittqualität sinkt [8].
Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Effekt des
LIOB ist es, dass nicht die gesamte Laserpulsenergie absorbiert, sondern ein signifikanter Anteil durch das Fokusvolumen hindurch propagiert wird. Im Falle der Hornhautchirurgie dringt es somit weiter ins Auge und trifft auf die
Netzhaut. Der Anteil des durch das Fokusvolumen transmittierten Lichts hängt dabei von der numerischen Apertur NA (Stärke der Fokussierung) ab und kann bei einer
typischen NA von 0,3, die in der Ophthalmologie verwendet wird, bis zu 30% betragen. Da der Strahl stark divergent
die Netzhaut erreicht, ist seine Intensität dort jedoch so
gering, dass kein LIOB ausgelöst werden kann, jedoch absorbieren die pigmentierte Iris, das retinale Pigmentepithel
(RPE) und die Aderhaut die Laserpulsenergie fast vollständig [9]. Ein einzelner Puls führt dabei keineswegs zu einer
für das Auge gefährlichen Temperaturerhöhung, jedoch
werden bei einer Operation mehrere Millionen Pulse innerhalb einer kurzen Zeitspanne appliziert, wodurch ihr
Temperaturanstieg kumuliert. Man kann dies als eine kontinuierliche Bestrahlung der Netzhaut ansehen.
! Cave
Die mittlere Leistung der Laserpulse darf nicht
zu hoch sein, da sonst thermische Schäden im
Bereich der Netzhaut auftreten könnten.
8.3.4
Femtosekundenlasersysteme
Derzeit existieren 5 kommerzielle FemtosekundenlaserSysteme für die Augenheilkunde, die sich in zahlreichen
Parametern voneinander unterscheiden (. Tab. 8.3). Ein
wesentlicher Aspekt, der das Lasersystem von Ziemer
(Femto LDV) von den vier anderen unterscheidet, ist der
Verzicht auf eine Verstärkerstufe im Lasersystem. Dadurch
besitzen die Laserpulse eine deutlich geringere Pulsenergie
im Vergleich zu den anderen fs-Lasern. Dies wird durch
eine viel höhere Repetitionsrate ausgeglichen. Durch das
Fehlen aufwändiger Verstärkerstufen ist der LDV-Laser im
Vergleich zu den anderen Geräten kleiner, mobil und gegenüber Umgebungseinflüssen robuster. Aufgrund seiner
speziellen Scantechnik ist der Anwendungsbereich derzeit
aber noch etwas eingeschränkt.
8.3.5
Interfaces
Die mechanische Ankoppelung der Systeme an den Bulbus des Patienten unterscheidet sich hinsichtlich der Ap­
pla­nation: planare »Patienten-Interfaces« (PI) stehen
­»Docking«-Systemen gegenüber, die versuchen durch eine
konkave Kontaktfläche die Hornhaut möglichst gering
zu verformen und damit eine Kompression des Gewebes mit Verformungen und einen Anstieg des intra­
okularen Druckes während des Schnittes möglichst gering
zu halten. Untersuchungen der Universitätsaugenklinik
Salzburg an humanen Spenderbulbi konnten mittels intravitrealer Augeninnendruckmessung (IOD) während des
8
94 Kapitel 8 · Technische Prinzipien
. Tab. 8.3 Überblick über die derzeit verfügbaren fs-Lasersysteme. Derzeit ist der Ultraflap Prototyp noch nicht kommerziell erhältlich
8
Lasersystem
IntraLase iFS
(AMO)
Femto LDV
(Ziemer)
FemTec
(Technolas
Perfect Vision
GmbH)
VisuMax
(Carl Zeiss
­Meditec)
UltraFlap Prototype
(Wavelight)
Lasertyp
Verstärker
Dioden-gepumpter
Ytterbium-Oszillator
Verstärker
Verstärker
Ytterbium-OszillatorVerstärker
Wellenlänge in nm
1053
1045
1053
1043
1045
Pulsdauer in fs
600–800
200–350
500–700
220–580
200
Pulsenergie in µJ
0,2–0,8
<0,1
4,6
0,05–0,38
0,6–0,7
Spotgröße in µm
<1,8
<2
2-3
1
3
Applanation
Planar
Planar
Sphärisch
Sphärisch (S, M, L Glas)
Planar modifiziert
Laser-Engine in kHz
150
>5 MHz
80
500
200
Visualisierung
Visuell und virtuell
Visuell bei Applanation;
virtuell bei Schnitt
Visuell
Visuell
Visuell und virtuell
Schnittmuster
Raster und Spirale
Zirkulär und Mäander
Spirale
Spirale
Raster
Mobilität
Nein
Ja
Nein
Nein
Nein
Verfügbare Verfahren
Flap, LKP, PKP,
AK, ICR, Pocket
Flap, LKP, ICR, Pocket
Flap, LKP, PKP,
AK, ICR, IntraCOR
Flap, FLEx,
SMILE, LKP, PKP
Flap, PKP, ICR
Applanationsvorgangs deutliche Unterschiede des IOD
in Abhängigkeit des applanierenden Lasersystems zeigen.
. Abb. 8.14 zeigt die Ergebnisse dieser Druckmessungen
für drei verschiedene Femtosekundenlasersysteme. Ob
­diese experimentell gemessenen Unterschiede für die Klinik relevant sind, ist noch nicht gezeigt worden: bislang
sind bereits mehrere Millionen Anwendungen mit dem
auf dem Markt am längsten vorhandenen fs-Lasersystem
(IntraLase) ohne Berichte über IOD-assoziierte Probleme
erfolgt.
8.3.6
Applikationsmöglichkeiten
des Femtosekundenlasers
LASIK
. Abb. 8.14 Daten zur experimentellen Intraokulardruckmessung
während der Applanation. IOP Intraokulardruck. »Low green« ­
und »high green« beziehen sich auf Kontrollleuchten während der
Applanation
Die LASIK stellt die weltweit mit großem Abstand häufigste Anwendung des Femtosekundenlasers in der refraktiven
Chirurgie dar. Einen Überblick über die technischen Unterschiede der einzelnen Lasersysteme beim Schnitt des
Lentikels (»flaps«) im Rahmen der Femto-LASIK zeigt Tabelle 2. Im Gegensatz zu den bei der mikrokeratomgeführten LASIK eingesetzten mechanischen, oszillierenden
Messern bietet der Femtosekundenlaser mehrere entscheidende Vorteile:
4 Zum einen ist der Lentikeldurchmesser frei wählbar.
Dadurch ist es möglich, durch Wahl eines kleinen
Durchmessers periphere korneale Vaskularisationen
nicht zu eröffnen oder auch größere Lentikeldurchmesser für große optische Abtragszonen zu pro­
grammieren. Auch elliptische Lentikel, deren »Hinge«
(Scharnier) somit weiter außerhalb der Behandlungszone liegen, können so den individuellen Erfordernissen angepasst werden.
95
8.3 · Femtosekundenlaser
. Tab. 8.4 Vergleich der fs-Lasersysteme beim Einsatz für die LASIK. Derzeit ist der Ultraflap-Prototyp noch nicht kommerziell erhältlich
Lasersystem
IntraLase iFS
(AMO)
Femto LDV (Ziemer)
FemTec
(Technolas Perfect
­Vision GmbH)
VisuMax
(Carl Zeiss
Meditec)
UltraFlap
Prototype
(Wavelight)
Winkel-Side-cut
30–150
30
30–90
45–135
30–150
Lentikeldurchmesser
in mm
3–9,5
8,5–10
Variabel
7–9,6
1–10
Ovaler Lentikel
Ja
Nein
Nein
Nein
Nein
Lentikeldicke
90–400
90–500 (Distanzfolien)
100–200
80–220
50–1000
Hinge-Breite
30–90°
K-Wert-abhängig
Beliebig
Beliebig
Beliebig
Hinge-Lokalisation
Nasal, superior,
temporal
Beliebig temporal
Nasal, superior,
­temporal
Beliebig
Beliebig
Behandlungszeit für 9 mm Lentikel in
Sekunden
8–20
<20
25–36
10–26
8–20
4 Die höhere Präzision der Schnitttiefe ermöglicht darüber hinaus auch das Schneiden sehr dünner Lentikel im
Bereich von 90–100 μm als sog. »Sub-Bowman-Keratomileusis« (SBK) mit einer hohen Reproduzierbarkeit [10]. Dadurch bleibt einerseits mehr Reststroma
erhalten, was die postoperative Stabilität der Hornhaut
steigert, andererseits werden etwas höhere Korrekturen
ermöglicht. Da auch weniger korneale Nervenfasern
durchtrennt werden, sollte die häufige postoperative
Sicca-Symptomatik verbessert werden.
4 Ein weiterer Vorteil ist die (fast) freie Auswahl der Inklination des »side-cut« (der Lentikelkante). Mechanische Mikrokeratome generieren einen solchen von
etwa 25–30°, der oft für mehrere Stunden nach dem
Eingriff etwas klaffen kann. Histologische Studien
konnten zeigen, dass in einem Drittel bis zur Hälfte der
Fälle in diese Schnitte Epithel einwächst und damit
eine Wunde generiert, die sich wieder leicht öffnen
lässt [11, 12]. Sog. »invertierte« side-cuts haben – wie
im Tierversuch gezeigt – eine bessere biomechanische
Stabilität [13], benötigen jedoch geringfügig mehr Zeit
(im Bereich von Sekunden beim iLase, AMO, Irvine,
CA). Gegenwärtig lassen sich mit den anderen Lasersystemen keine invertierten Seitschnitte applizieren
(. Tab. 8.4).
4 Ein entscheidendes Argument für den fs-Laser ist die
erhöhte Sicherheit des Schnittes. In einer eignen retrospektiven Analyse lentikelbedingter Komplikationen bei der Femto-LASIK konnten wir keine durch
den fs-Laser verursachten signifikanten Schnittkom-
plikationen finden, wobei auch bei Patienten mit prä­
operativ relativ steilen oder flachen Hornhäuten oder
solchen mit tief liegenden Augen ein präziser Schnitt
ohne Komplikationen entstand [14]. Diese Daten stehen in Einklang mit den bislang in der Literatur publizierten Ergebnissen. Eine vergleichende Untersuchung
hinsichtlich der Schnittarchitektur eines mechanischen
Lentikelschnittes mit einem Femto-Schnitt mittels optischer Kohärenztomographie konnte eine gleichmäßigere und präzisere Schnittarchitektur des FemtoSchnittes zeigen [10]. Dass sich dieser morphologische
Unterschied in der Schnittarchitektur auch in einem
funktionell besseren Ergebnis betreffend der optischen
Qualität abbildet, konnte allerdings bislang noch nicht
nachgewiesen werden.
Femtosecond lenticule extraction/small incision femtosecond lenticule extraction
Das »FLEx«-Verfahren (»femtosecond lenticule extraction«) ist eine Weiterentwicklung der LASIK, bei dem auf
einen Excimerlaser zum Gewebeabtrag nach dem Flapschnitt verzichtet wird. Die gesamte refraktive Prozedur,
im Prinzip vier Schnitte, wird mit dem fs-Laser durchgeführt. Mit den ersten drei Schnitten werden Rückfläche des
im Stroma liegenden refraktiven Lentikels, seitliche Lentikelbegrenzung und seine Vorderfläche generiert. Der letzte Schnitt erfolgt zentripetal mit anschließendem seitlichem Schnitt zur Bildung eines »Flaps«, der die Lentikelentfernung erlaubt. Nach Anheben dieses Flaps kann der
refraktive Lentikel nun mit einer Pinzette entfernt werden.
8
96 Kapitel 8 · Technische Prinzipien
Eine Excimerlaserabtragung ist bei dieser Operation daher
nicht mehr erforderlich. Das Verfahren eignet sich bislang
für Myopien oder myope Astigmatismen wenngleich auch
jüngst Daten zu hyperopen Behandlungen vorgestellt wurden. Erste publizierte Ergebnisse für mittelgradig myope
Behandlungen zeigen vielversprechende funktionelle Ergebnisse mit einer Vorhersagbarkeit von 98% innerhalb
+/–1 dpt [15].
Das »SMILE«-Verfahren ist eine Weiterentwicklung
der FLEx-Technik: Es wird auf den Flap ganz verzichtet
und der intrastromale refraktive Lentikel durch eine kleine
Inzision entfernt. Im Vergleich zum FLEx-Verfahren zeichnet sich »SMILE« durch eine (noch) komplexere Operationstechnik aus.
Keratoplastik
8
Im Gegensatz zu den mechanischen Trepansystemen ermöglicht die fs-Lasertechnologie Schnittprofile in allen
drei Dimensionen, sodass durch Kombination horizontaler, vertikaler und diagonaler Schnitte verschiedene Keratoplastik-Konfigurationen sowohl bei Spender als auch
beim Empfänger erzielt werden können (. Abb. 8.15). Eine
eigene histologische Aufarbeitung konnte die präzise
Schnittarchitektur darstellen [16]. Durch die Wahl solcher
Stufenprofile soll ein besserer Wundverschluss bei der perforierenden Keratoplastik mit weniger Nahtspannung
(und auch weniger Nähten) möglich werden. Durch ein
Stufenprofil entsteht eine deutlich größere Wundfläche mit
stabilerer, schnellerer Wundheilung, früher möglichen Fadenentfernung, was auf eine (noch unbestätigte) schnellere
visuelle Rehabilitation hoffen lässt. Erste Studien bestätigen diese theoretischen Überlegungen.
Die in Deutschland gebräuchlichsten Profile sind die
sog. »Top-hat«- und »Mushroom«-Profile. Das »Tophat«-Profil wird überwiegend bei Erkrankungen des Endothels wie z. B. bei der Fuchs-Endothel-Dystrophie eingesetzt, da hier der innere Durchmesser des Transplantats
größer ist als der äußere. Bei stromalen Erkrankungen wie
dem Keratokonus wird meist das »Mushroom«-Profil ein-
a
b
gesetzt um möglichst gesundes Endothel zu erhalten.
Schlüssige Ergebnisse größerer Serien mit ausreichend
langer Nachbeobachtung sind in Kürze zu erwarten. Neben den penetrierenden sind mit dem fs-Laser auch lamelläre Keratoplastiken möglich, da die horizontale
Schnitttiefe frei wählbar ist. Laut Angabe der Firma kann
mit dem Ziemer LDV bis 50 µm an das Hornhautendothel
heran geschnitten werden, ohne dass Endothelzellen geschädigt werden. Auch im Rahmen der »descemet stripping automatic endothelial keratoplasty« (DSAEK)
wurde er bereits eingesetzt – mit allerdings bislang enttäuschenden Ergebnissen [17].
Bei allen Vorteilen der fs-Laser-Keratoplatik bestehen
Einschränkungen: Sie kann nur bei überwiegend klaren
Hornhäuten verwendet werden, da signifikante Trübungen
den Laserstrahl blockieren. Die dann inkomplette Trepanation muss mit manuellem Nachschneiden komplettiert
werden, was zu weniger präzisen Schnitträndern führt. Die
Lasertrepanation des Empfängers dauert derzeit erheblich
länger als mit einem mechanischen Keratom, was in Zukunft keine Bedeutung mehr haben könnte, da sich die
Laserpulsfrequenzen aller Femtosekundenlasersysteme
stetig erhöhen.
Astigmatische Keratotomie
Die astigmatische Keratotomie (AK) wird zur Korrektur
hoher Astigmatismen orthogonal auf dem steilen Hornhautmeridian durchgeführt. Dadurch wird er abgeflacht,
und der flachere, 90° entfernte Meridian durch »coupling«
aufgesteilt. Die Schnitte konnten bislang entweder rein manuell (Diamantmesser mit kalibrierter Tiefeneinstellung)
oder mechanisch unterstützt (z. B. Hannah-Trepan) durchgeführt werden. Seit Einführung des fs-Lasers ist es nun
auch möglich, durch entsprechende Programmierung der
Lasersoftware exakt Schnittposition, -tiefe, -breite und
-winkel der Keratotomien festzulegen. Bislang ist diese
Software nur beim IntraLase- und beim FemTec-Lasersystem verfügbar. Eigene Daten zur fs-Laser-assistierten AK
zeigen eine hohe Sicherheit und trotz eingeschränkter Vorhersagbarkeit und Stabilität relativ gute funktionelle Ergebnisse (Kook et al. 2010). Laserspezifische Nomogramme
sind derzeit noch nicht erarbeitet und Gegenstand laufender Studien.
Intrakorneale Ringsegmente (ICRS)
c
d
e
f
. Abb. 8.15a–f Darstellung verschiedener Schnittprofile im Rahmen der fs-Laser-Keratoplastik. a »top-hat«; b »straight«; c »mush­
room«; d »dovetail«; e »zig-zag«; f »christmas tree«
Eine Alternative zur Keratoplastik bei Augen mit noch
nicht zu weit fortgeschrittenem Keratokonus, Keratotorus
oder iatrogener Keratektasie und bestehender Kontaktlinsenintoleranz ist die Implantation von ICRS. Mit dem Einsatz des fs-Lasers zur Präparation des intrastromalen Tunnels kann eine bis dato noch nicht gekannte Passgenauigkeit sowohl der Breite als auch der Höhe des Tunnels – bei
sehr simpler Operationstechnik – erzielt werden. Dies ist
97
8.3 · Femtosekundenlaser
mit Geräten verschiedener Firmen bereits realisiert. Eine
präzise präoperative Pachymetrie ist unerlässlich. Beide
Verfahren (mechanische und fs-Laser-assistierte Implantation von ICRS) zeigen vergleichbar gute funktionelle Ergebnisse hinsichtlich Visus und Refraktion. Komplikationen wie Explantation, Reposition, Hornhauteinschmelzung, Extrusion, Vaskularisation oder Infektion waren
statistisch nicht signifikant unterschiedlich [18]. Möglicherweise spielt bei der Zentrierung der Tunnel die Art der
Applanation (planar oder sphärisch) eine Rolle: Mit ersterem System (IntraLase) wurde eine häufigere Dezentrierung der Tunnelschnitte bei Augen mit Keratokonus beo­
bachtet [19].
Intrastromale Presbyopiekorrektur
(intraCOR)
Für presbyope Patienten mit geringer Hyperopie existiert
das intraCOR-Verfahren (mit seit April 2009 bestehender
CE-Zulassung) für den Technolas-fs-Laser. Hierbei handelt es sich um einen uni- (am nicht-dominanten Auge)
oder bilateralen, rein intrastromalen Eingriff ohne Einschnitt des Hornhautepithels. Es werden mehrere zylindrische konzentrische Ringschnitte in das Hornhautstroma
appliziert, welche in Folge zu einer Änderung der Hornhautkurvatur (welche derzeit jedoch topographisch noch
nicht nachgewiesen wurde) und zu einer Änderung der
Brechkraft führen. Erste positive Ergebnisse einer in
Deutschland gestarteten Multicenterstudie zeigen einen
Anstieg des unkorrigierten Nahvisus in einem Zeitraum
von 6 Monaten postoperativ. Über schwere Nebenwirkungen oder unerwünschte Effekte wurden bislang bei
diesem Verfahren nicht berichtet [20].
Fs-Laser-assistierte Kapsulorhexis
Eine jüngst publizierte Arbeit beschreibt erste Ergebnisse der intraokularen Anwendung des fs-Lasers zur
­Generierung einer laserassistierten Kapsulorhexis an
einer kleinen Serie menschlicher Augen, womit die prin­
zipielle Anwendbarkeit für diesen im Verlauf der Kata­
raktchirurgie wichtigen Schritt demonstriert wird – der
geplante Rhexisdurchmesser entsprach dem erzielten.
Eine zusätzliche manuelle Manipulation war nicht mehr
notwendig [21]. Zu den Parametern des für diese Studie
verwendeten Lasers (LenSx 550 Lasers Inc., Aliso Viejo,
CA, USA), der im September 2009 seine FDA-Zulassung
in den USA erhielt, lagen zum Zeitpunkt der Erstellung
dieses Kapitels noch keine detaillierten Angaben zur Verfügung.
Fs-Laser-assistierte Phakofragmentation
Die gleiche Arbeitsgruppe beschreibt erste Ergebnisse zur
Fs-Laser-assistierten Phakofragmentation (vor einer im
Anschluss durchgeführten Phakoemulsifikation) in einer
kleinen Fallserie, wobei eine deutliche Reduktion der Phakoenergie und eine Halbierung der effektiven Phakozeit
erreicht werden konnte [21]. Die Entfernung der Linse und
die nachfolgende Implantation der Intraokularlinse konnte in den beschriebenen Fällen problemlos durchgeführt
werden. Während des Nachbeobachtungszeitraumes
konnten keine nachteiligen Effekte dieser fs-Lasertechnik
beobachtet werden.
Fazit für die Praxis
Der Femtosekundenlaser hat seine Position in der refraktiven Chirurgie etabliert und dürfte aufgrund rasanter Software- und Hardwareentwicklungen und stetig wachsender
Applikationsmöglichkeiten im Bereich der Hornhaut – und
vielleicht bald auch der Linsenchirurgie – in zunehmenden
Maß Einzug in den Operationen auch des allgemeinen Ophthalmochirurgen finden.
8.3.7
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8.4
Ablationsprofile
M. Mrochen, T. Koller, T. Seiler
8.4.1
Technisches Prinzip
Die Vorhersagbarkeit und Qualität der Ergebnisse nach
kornealer refraktiver Laserchirurgie werden von einer Reihe von Faktoren bestimmt, unter denen die Berechnung
und Wahl des Ablationsprofils einen zentralen Stellenwert
einnimmt. Das in den letzten Jahren stetig wachsende Verständnis um die physiologisch-optischen Eigenschaften
des Auges hat zur Entwicklung verschiedener Strategien
bei der Berechnung von Ablationsprofilen geführt. In dieser Übersichtsarbeit werden die gängigen und gegenwärtig
gebräuchlichen Ablationsprofile mit ihren jeweiligen Vorund Nachteilen erläutert. Außerdem wird ein Ausblick auf
zukünftige Methoden zur Berechnung des optimalen Ablationsprofils gegeben.
Neben den physiologisch-optischen Parametern, wie
der Refraktion und den optischen Elementen des Auges,
der Hornhaut und Linse, hängen die Ergebnisse auch
von einer Reihe technischer Faktoren ab, wie der Be­
rechnung von Ablationsprofilen, der Berechnung der Laserpositionen, der Messung und Zentrierung der Behandlung sowie der Effizienz der Eye-tracking-Systeme. Für
die Berechnung des Ablationsprofils sind eine Reihe verschiedener Ansätze entwickelt worden, die alle zum Ziel
haben, optische Fehler des Auges effizient zu behandeln
und dabei die Qualität des Sehens zu erhalten oder diese
sogar zu verbessern. Heute unterscheidet man die auf
der Hornhautform basierenden Ablationsprofilen von
­solchen, die die gesamte Optik des Auges berücksich­
tigen. Allen Ablationsprofilen gemein ist die Verwendung
theoretischer Augenmodelle mit unterschiedlichen Annahmen und Messdaten. Ablationsprofile unterliegen
ständiger Weiterentwicklung mit einem zunehmenden
­Individualisierungsgrad bezüglich des jeweiligen Patientenauges und dem Ziel einer größeren Vorhersagbarkeit
bei bestmöglicher optischer Qualität des postoperativen
Auges.
8.4.2
Munnerlyn-Profil
Das auf der »Munnerlyn-Formel« basierende lentikelförmige Ablationsprofil stellt das erste und älteste Ablationsprofil in der refraktiven Laserchirurgie dar, das 1988 vorgeschlagen und bald bei der photorefraktiven Keratektomie (PRK) und auch der »laser in situ keratomileusis«
(LASIK) eingesetzt wurde [1]. Hierbei wird alleinig die
subjektive Refraktion des Patienten zugrunde gelegt. Es
handelt sich um ein seit Jahren etabliertes Ablationsprofil,
das für sphäro-zylindrische Korrekturen einfach zu berechnen ist, jedoch die asphärische Form der Hornhaut
nicht berücksichtigt und aufgrund der Natur der Näherung nur für den paraxialen Raum (Lichtbrechung bei
­kleinen Winkeln), also für kleine optische Zonen, geeignet ist.
Die Munnerlyn-Formel basiert auf der Annahme, dass
sich der Krümmungsradius einer sphärischen Hornhaut
entsprechend der angestrebten Refraktionskorrektur ∆D
und einer definierten optischen Zone (Radius r0) ändert
(. Abb. 8.16). Die zentrale Abtragstiefe a0 lässt sich somit
über
berechnen. Hierbei steht n=1,337 für den Brechungsindex
des Tränenfilms – der ersten brechenden Fläche der Hornhaut. Die Abtragsform, die sich durch die Munnerlyn-Formel ergibt, folgt einem parabolischen Verlauf. Bei der Myo­
piekorrektur nimmt somit die Abtragstiefe vom Zentrum
a(r) = a0 zum Rand des Ablationsprofils a(r0) = 0 mit dem
Quadrat des Radius r2 ab.
99
8.4 · Ablationsprofile
. Abb. 8.16 Das Munnerlyn-Ablationsprofil ergibt sich aus der Differenz der Hornhautkrümmungen vor (Rpre) und nach (Rpost) der
Operation für eine definierte optische Zone (Durchmesser = 2*r0).
Dieses Ablationsprofil erzeugt bei Myopiekorrekturen einen parap-
Vorteile des Munnerlyn-Profils
4 Einfache Berechnung
4 Direkter Vergleich mit sphärischer Korrektur (Defokus) aus Wellenfront möglich
4 Geringe zentrale Abtragstiefe
4 Etablierte Nomogramme
Nachteile des Munnerlyn-Profils
4 Kleine residuelle optische Zonen
4 Keine Berücksichtigung von optischen Aberrationen höherer Ordnung
4 Keine Berücksichtigung der kornealen Asphärizität
4 Einsatz auf Myopie- und Hyperopiekorrekturen
sowie regulären Astigmatismus beschränkt
Indikationen Das Munnerlyn-Profil lässt sich sowohl für
Myopien, Hyperopien als auch für myopen und hyperopen Astigmatismus berechnen. In der Regel werden bei
solchen Ablationsprofilen die sphärischen Anteile und astigmatischen Anteile in zwei Schritten auf die Hornhaut
appliziert. Die Annahmen beim Ablationsprofil beziehen
sich auf kleine optische Zonen, weshalb es bei der Anwendung von Ablationszonen von 5,0 mm oder mehr im
Durchmesser zu signifikanten sphärischen Aberrationen
kommt.
Präoperative Untersuchungen und Messungen Die Be-
rechnung der Munnerlyn-Formel beinhaltet lediglich die
Refraktion des Patienten. Unter Berücksichtigung des
Hornhautscheitelabstands d lässt sich die subjektive Re-
oblischen Gewebeabtrag mit einer definierten zentralen Abtragstiefe a0. Die typische asphärische Form der menschlichen Hornhaut
wird nicht berücksichtigt. Das Beispiel zeigt das Abtragsprofil für
eine –2,0 dpt Myopiekorrektur bei einer optischen Zone von 7,0 mm
fraktion von der Brillenebene REFS in die Hornhautebene
REFC umrechnen.
REFS
REFC = 00
1 – d · REFS
Die optische Zone 2*r0 sollte in der Regel größer gewählt
werden als der mesopische Pupillendurchmesser des individuellen Patientenauges.
Ergebnisse Die klassische Munnerlyn-Formel wird heute
praktische nicht mehr eingesetzt. Dies ist im Wesentlichen
dadurch begründet, dass die klinischen Ergebnisse zu sig­
nifikanten optischen Aberrationen führten. Solche Abbildungsfehler höherer Ordnung können zu Diplopie, Halos
oder gesteigerter Blendempfindlichkeit führen.
8.4.3
Wellenfront-optimiertes
­Ablationsprofil
In der Folge der visuellen Symptome nach Eingriffen
mit dem Excimerlaser wurden die optischen Eigenschaften der Patientenaugen vor und nach den Behandlungen von unterschiedlichen Forschungsgruppen untersucht. Bereits zu Beginn der 1990er Jahre wurde er­
kannt, dass der Einsatz von Munnerlyn-Profilen zu signifikanten postoperativen optischen Fehler führten. Zur
Reduktion der primär induzierten sphärischen Aberra­
tion führten Seiler und Mitarbeiter [20] asphärische Ablationsprofile ein. Hierbei wurden die Ablationsprofile im
parazentralen Bereich der optischen Zone modifiziert,
8
100 Kapitel 8 · Technische Prinzipien
. Abb. 8.17 Querschnitt des Wellenfront-optimierten Ablationsprofils (links) und die Differenz zum »klassischen« Munnerlyn-Ablationsprofil (rechts)
8
um die induzierten sphärischen Aberrationen der Hornhaut zu reduzieren.
Die optischen Eigenschaften (Wellenfrontfehler höherer Ordnung oder optische Aberrationen) des Auges
lassen sich heute dank Wellenfrontanalyse mit hoher Genauigkeit und Reproduzierbarkeit bestimmen. Mierdel
[21] und Applegate [22] berichteten bereits Ende der
1990er Jahre über die deutliche Zunahme der optischen
Aberrationen (Wellenfrontfehler), vor allem der sphärischen Aberration, nach refraktiver Laserchirurgie oder
nach Kataraktchirurgie. Kohnen und Mitarbeiter [2] untersuchten die optischen Aberrationen nach myopen und
hyperopen LASIK-Behandlungen und zeigten, dass es bei
myopen Korrekturen primär positive sphärische Aberrationen und bei Hyperopenbehandlungen primär negative
sphärische Aberrationen induziert werden. Neben den
sphärischen Aberrationen kommt es aber auch zu einer
Zunahme des Astigmatismus höherer Ordnung (4. Zernike-Ordnung) wiederum mit einem negativen Vorzeichen
bei der Myopiekorrektur und mit einem positiven Vor­
zeichen bei der Hyperopiebehandlung. Beide Formen haben einen signifikanten Einfluss auf den Kontrast beim
Sehen [3].
Wellenfront-optimierte Ablationsprofile wurden eingeführt, um eine Zunahme der optischen Aberrationen
höherer Ordnung zu kompensieren, die ansonsten durch
den refraktiven Eingriff induziert würden.
> Zielsetzung des Wellenfront-optimierten Ablationsprofils ist es, den natürlichen physiologischen
Zustand der optischen Aberrationen des zu operierenden Auges zu erhalten und durch einen refraktiven Eingriff für sphäro-zylindrische Korrekturen nicht zu verändern.
Bei allen Laserherstellern hat ein solches optimiertes Ablationsprofil mittlerweile das »klassische«, auf der Munnerlyn-Formel basierende Ablationsprofil abgelöst, wobei die
Unterschiede vor allem dort liegen, wo auch die sphärische
Aberration zum Wirken kommt, nämlich in der Peripherie
der behandelten Zone (. Abb. 8.17). Gegenüber anderen
Verfahren bietet die Wellenfront-optimierte Behandlung
den Vorteil, dass die aufwändige Messungen (z. B. Wellenfrontmessung) und deren Interpretation nicht notwendig
sind.
Die zugrundeliegende Überlegung ist, dass vor allem
die induzierte sphärische Aberration maßgeblich für die
verminderte Qualität der optischen Abbildung verantwortlich ist und dass die bei diesem Ablationsprofil nicht
berücksichtigten übrigen Aberrationen in ihrer Gesamtheit weniger ins Gewicht fallen als die sphärische Aberration alleine. Dies bedeutet, dass das Ziel der Wellenfrontoptimierten Behandlung darin besteht, die präoperativ
vorhandenen optischen Verhältnisse des zu operierenden
Auges zu belassen. Ausgang für die Berechnung des Wellenfront-optimierten Ablationsprofils sind die mathematischen Beschreibungen des Defokus und der sphärischen
Aberration nach Zermike-Polynomen. Klinische Unter­
suchungen haben gezeigt, dass mit der »klassischen«
Munnerlyn-Formel typischerweise ein Wert von ca.
0,1 µm sphärische Aberration Z12 pro Dioptrien induziert wird [4].
8.4 · Ablationsprofile
Vorteile des Wellenfront-optimierten Ablationsprofils
4 Etablierte Nomogramme
4 Große optische Zone
4 Geringe induzierte optische Aberrationen höherer
Ordnung
Nachteile des Wellenfront-optimierten Ablationsprofils
4 Keine Berücksichtigung von optischen Aberrationen höherer Ordnung
4 Keine Berücksichtigung der Hornhautform (z. B.
korneale Asphärizität)
4 Einsatz auf Myopie- und Hyperopiekorrekturen
sowie regulären Astigmatismus beschränkt
Indikationen und Patientenselektion Mit dem Wellenfront-optimierten Ablationsprofil lassen sich ca. 80% der
für die refraktive Laserchirurgie geeigneten primären Patienten behandeln. Die Eignung eines Patienten für das
Wellenfront-optimierte Ablationsprofil lässt sich im einfachsten Fall durch die Beantwortung von drei präoperativen Fragen klären:
4 Ist der Visus 1,0 oder besser?
4 Ist die korneale Topographie unauffällig (regulärer
Astigmatismus)?
4 Beschreibt der Patient keine wesentlichen visuellen
Symptome wie Halos oder Blendempfindlichkeit?
101
werden, so ist eine weitere Abklärung der optischen Qualität der Patientenaugen durch Wellenfrontanalyse empfehlenswert und ggf. ein Wellenfront-geführtes oder Topographie-geführtes Ablationsprofil zu bevorzugen.
Präoperative Untersuchungen und Messungen Die prä­
operativen Untersuchungsmethoden beschränken sich
wie bei der Munnerlyn-Formel auf die Bestimmung der
subjektiven Refraktion sowie auf den mesopischen Pupillendurchmesser zur Bestimmung der optischen Zone.
Grundsätzlich ist die Angabe von Sphäre, Zylinder, Achsenlage sowie optische Zone ausreichend für die Berechnung von Wellenfront-optimierten Ablationsprofilen. Die
zu kompensierende sphärische Aberration ist typisch für
die jeweilige Laserplattform und wird vom Hersteller bereits in das Ablationsprofil eingerechnet.
Ergebnisse Klinische Daten, die die Vorteile dieses Ablati­
Falls alle diese Fragen mit »Ja« beantwortet werden können, so stehen dem Einsatz des Wellenfront-optimierten
Ablationsprofils keine wesentlichen Einschränkungen entgegen. Sollte eine dieser Fragen mit »Nein« beantwortet
onsprofils bei der Myopiekorrektur dokumentieren, gehen
auf eine von der FDA-kontrollierten Studie zurück [5]. Die
refraktive Erfolgsrate, definiert über den Prozentsatz der
ope­rierten Augen, die 6 Monate nach der Operation sich im
Intervall von ±0,5 dpt um die Zielrefraktion befinden, liegt
bei über 80% bei Myopiekorrekturen, was heute als Standard angesehen wird. Bemerkenswert ist ein Anstieg des
postoperativen Visus um eine Snellen-Linie oder mehr gegenüber präoperativ in über 60% der operierten Augen.
Auch das mesopische Sehen verbesserte sich signifikant,
was über eine Patientenbefragung eruiert wurde. Untersuchungen zur Veränderung der optischen Aberrationen höherer Ordnungen zeigten, dass nach Wellenfront-optimierten Behandlungen diese Zunahme zwar mit dem präoperativen sphärischen Äquivalent korreliert, jedoch ist die
absolute Zunahme als gering einzustufen (. Abb. 8.18).
. Abb. 8.18 Änderung der optischen Aberrationen höherer Ordnung nach der Behandlung mit Wellenfront-optimierten Ablationsprofilen. Es ergibt sich im Bereich bis zu –7 dpt sphärisches Äquivalent eine geringfügige Zunahme der optischen Aberrationen höhe­
rer Ordnung (rmsh – root mean square Wellenfrontfehler höherer
Ordnung) mit einem Korrelationskoeffizienten von R=0,67. Trotz der
Zunahme der optischen Aberrationen sind jedoch die meisten postoperativen Augen im Bereich der physiologischen Grenzen von unbehandelten Augen. (Mit freundlicher Genehmigung von Guy Kezi­
rian, Surgivision, USA)
8
102 Kapitel 8 · Technische Prinzipien
8.4.4
Q-Wert angepasstes Ablationsprofil
Die physiologische Form der äußeren Oberfläche der
menschlichen Hornhaut ist nicht sphärisch, sondern gleicht
eher einem Konoid. Hierbei weist der zentrale Bereich der
Hornhaut einen kleineren Krümmungsradius (höhere
Brechkraft) auf als der periphere Bereich der Hornhaut
(. Abb. 8.19a). In anderen Worten nimmt die zentrale
Brechkraft der Hornhaut zur Peripherie am Limbus deut-
lich ab. Für diese Form hat sich gerade im englischen
Sprachgebrauch der Begriff »prolate cornea« etabliert, während eine Hornhaut mit einer Zunahme der Brechkraft vom
Zentrum zur Peripherie als »oblate cornea« bezeichnet
wird. Optisch brechende Flächen mit einem Verlauf der
Brechkraft oder des Krümmungsradius zur Peripherie werden allgemein als asphärische Optiken bezeichnet.
Charakteristisch für asphärische Linsen ist somit der
sich vom Zentrum zum Rand der Linse in radiärer Rich-
8
a
b
. Abb. 8.19 Asphärizität. a Beispiel für die Topographie einer prolaten Hornhaut mit einer negativen Asphärizität. b Schematische Darstellung der Lichtbrechung an einer sphärischen (blau) und asphärischen Hornhautoberfläche mit negativer Asphärizität Q. Bei der
sphärischen Oberfläche werden Lichtstrahlen, die nahe an der optischen Achse verlaufen (paraxiale Strahlen), weniger stark gebrochen als Lichtstrahlen, welche in einem größeren Abstand von der
optischen Achse (periphere Strahlen) durch die optisch brechende
Fläche gebrochen werden. Der Fokuspunkt bzw. die Fokusebene,
welcher durch die zentralen Strahlen (paraxialen Strahlen) gebildet
wird, liegt bei der sphärischen Oberfläche hinter den Fokuslagen der
peripheren Strahlen. Somit bilden die peripheren Strahlen eine Fokuslage in Abhängigkeit vom Abstand zur optischen Achse. Diese
optische Situation wird als longitudinale sphärische Aberration bezeichnet. Bei einer asphärischen Oberfläche wird die Änderung des
Krümmungsradius Ri so angepasst, dass jeder Lichtstrahl an der asphärischen Oberfläche in die paraxiale Fokusebene gebrochen wird
103
8.4 · Ablationsprofile
tung verändernde Krümmungsradius (. Abb. 8.19b). Hierbei wird die Oberflächenform so gewählt, dass die typische
sphärische Aberration einer Linse mit asphärischen Oberflächen optimal kompensiert werden kann. Die Herausforderung besteht darin, den Oberflächen der optischen Linsen den »richtigen« Schliff (idealer Verlauf der Krümmungsradien über die Linsenoberfläche) zu geben, um
mögliche optische Fehler des gesamten optischen Systems
zu minimieren.
Ein sphärische Oberfläche mit positiver Brechkraft
(Strahlen treffen parallel auf und konvergieren nach der
Oberfläche) oder eine einzelne Linse mit positiver Brechkraft und sphärischen Flächen besitzt eine positive sphärische Aberration, d. h. je weiter außen die Strahlen die
Pupille passieren, desto stärker werden sie gebrochen und
schneiden die optische Achse vor dem Paraxial-Fokus –
dem Fokus der zentralen Strahlen (. Abb. 8.19b). Der Aberrationslevel steigt mit der Brechkraft und mit dem Abstand von der optischen Achse.
Die positive sphärische Aberration von rein sphärischen Oberflächen kann reduziert werden, indem der
Krümmungsradius der Oberfläche mit zunehmender Distanz vom Apex vergrößert wird. Dadurch entsteht eine sog.
asphärische Oberfläche, die durch folgende Formel (Asphärenformel) beschrieben wird [6]:
(X 2 + Y 2) + (1 + Q ) · Z 2 – 2ZR0 = 0
Z: Koordinaten entlang der optischen Achse; R0: zentraler
Krümmungsradius der Asphäre; X, Y: Koordinaten in Ebene senkrecht zur optischen Achse Z; Q: Asphärizität oder
Asphärizitätsfaktor
Verschiedene Werte von Q definieren Spezialfälle der
Asphäre:
4 Q<–1 Hyperboloid
4 Q=–1 Paraboloid
4 –1<Q<0 Ellipsoid mit Hauptachse Richtung der optischen Achse Z
4 Q=0 Sphäre
4 Q>0 Ellipsoid mit Hauptachse senkrecht zur optischen
Achse Z
Die Fälle Q<0 beschreiben »prolate« Oberflächen. Dies bedeutet, dass der Polar-Durchmesser (Richtung Z) größer ist
als der Äquatorialdurchmesser (in X,Y-Ebene) und sich somit der Krümmungsradius der Oberfläche in der Peripherie
der Hornhaut erhöhen muss – die Brechkraft nimmt ab. Die
Fälle Q>0 beschreiben »oblate« Flächen. Dies bedeutet,
dass der Polardurchmesser (Richtung Z) kleiner ist als der
Äquatorialdurchmesser (in X,Y-Ebene) und sich somit der
Krümmungsradius der Oberfläche in der Peripherie der
Hornhaut reduzieren muss – die Brechkraft nimmt zu.
Gemessene Asphärizitäten der menschlichen Hornhautvorderfläche sind in der Regel negativ, d. h. die Kornea
wird nach außen hin flacher und ist somit »prolate«. Im
Mittel wurden Asphärizitäten von –0,15 bis –0,3 gemessen.
Vereinzelt können auch leicht positive Asphärizitäten auftreten. . Tab. 8.5 fasst gemessene Asphärizitäten aus verschiedenen Studien zusammen.
Über den Grund für die im Mittel »prolate« Form der
Hornhautvorderfläche wird spekuliert. Es kann argumentiert werden, dass sich das negative Q zur Reduzierung der
sphärischen Aberration im Auge ergeben hat. Jedoch wäre
für eine vollständige Eliminierung der sphärischen Aberration im Mittel eine noch stärker negative Asphärizität
von Q=–0,58 (bei refraktivem Index der Kornea von 1,376)
erforderlich. Möglicherweise hat sich die »prolate« Form
der Hornhaut hauptsächlich daraus ergeben, dass ein
glatter Übergang zur Sklera gewährleistet sein muss. Falls
optische Gründe die Ursache sind, so könnte es sein, dass
das menschliche Auge im Mittel ein gewisses Mass an
sphärischer Rest-Aberration bevorzugt.
. Tab. 8.5 Zusammenfassung der gemessenen Asphärizität der Hornhautvorderfläche aus verschiedenen Studien [3]
Anzahl
Probanden/Augen
Lotmar 1971
Q
Standardabweichungen oder Range
–0,286
El Hage u. Berry 1973
1/1
0,16
Mandell u. St. Helen 1971
8/8
–0,23
0,04 bis –0,72
Kiely et al. 1982
88/176
–0,26
0,18
Edmund u. Sjontoft 1985
40/80
–0,28
0,13
Guillon et al. 1986
110/220
–0,18
0,15
Patel et al. 1993
20/20
–0,01
0,25
Larm u. Douthwaite 1997
60/60
–0,3
0,13
8
104 8
Kapitel 8 · Technische Prinzipien
. Abb. 8.20a,b Zusammenhang zwischen sphärischer Aberration
und kornealer Asphärizität. a Abhängigkeit der präoperativen sphärischen Aberration von der präoperativen Hornhautasphärizität. b Abhängigkeit der postoperativen sphärischen Aberration von der
postoperativen Hornhautasphärizität
Die physiologische Asphärizität der menschlichen
Hornhaut variiert im Bereich von –0,8 bis +0,3 (. Tab. 8.5).
Theoretische Betrachtungen zeigen, dass die Abtragstiefe
und die Form des Ablationsprofils durch die gegebene präoperative und die angestrebte postoperative Asphärizität
signifikant beeinflusst werden. Basierend auf theoretischen
Augenmodellen lässt sich eine »mittlere« postoperative
Asphärizität berechnen, die zu einer Minimierung der
sphärischen Aberration des gesamten Auges führt. Manns
und Mitarbeiter [7] berechneten hierfür einen Wert von
Q=–0,4.
Diese theoretischen Betrachtungen lassen sich anhand
von Patientendaten überprüfen. . Abb. 8.20 zeigt für alle
Augen die sphärische Aberration des Gesamtauges über
dem kornealen Q-Wert. Es besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen kornealer Asphärizität und der
sphärischen Aberration des Gesamtauges. Aus dem linearen Fit wird sichtbar, dass je positiver der Q-Wert, desto
höher der Z12-Wert. Augen mit praktisch null sphärischer
Aberration weisen fast ohne Ausnahmen negative Q-Werte auf.
Die linearen Ausgleichsgeraden können genutzt werden, um zu bestimmen, welche Q-Werte im Mittel ein
Z12=0 bewirken. Die präoperativen Daten schlagen im
Mittel eine optimale Asphärizität von Q=–0,37 vor, während die Betrachtung von postoperativen Daten (Myopiekorrekturen) auf eine optimale Asphäre von Q=–0,7 verweist. Beide Werte stimmen mit dem Wertbereich der
Resultate aus theoretischen Untersuchungen zur idealen
Asphärizität sowie mit den Berechnungen an individualisierten Modellen realer Augen überein. Es ist jedoch zu
berücksichtigen, dass die Patientendaten relativ stark
streuen. Augen mit einem kornealen Q-Wert von –0,2 kön-
nen Z12-Werte zwischen –0,1 µm und 0,35 µm (Pupillendurchmesser 6,0 mm) aufweisen. Diese Variationen rühren mit großer Wahrscheinlichkeit von den optischen Eigenschaften der intraokularen Strukturen her, die sich
auch in theoretischen Untersuchungen als einflussreiche
Parameter erwiesen haben. Weitere Gründe sind Variationen in anderen geometrischen und optischen Parametern
zwischen verschiedenen Augen.
Diese Resultate zeigen, dass kein einzelner idealer Asphärizitätswert Q der Hornhaut für alle Augen einer Population existiert. Die ideale korneale Asphärizität Q
hängt von verschiedenen Parametern wie der Hornhautbrechkraft, der Linsenbrechkraft und vor allem von der
Linsenasphärizität ab. Hieraus lässt sich schlussfolgern,
dass eine refraktive Korrektur an der Hornhautoberfläche
mit dem Ziel, eine »mittlere« postoperative Asphärizität
zu erzielen, sicherlich nur bei einem »mittleren« Auge zu
einer Minimierung der sphärischen Aberration führen
kann.
Aufgrund der großen individuellen Schwankungen der
geometrischen und optischen Eigenschaften der Patientenaugen ist der Ansatz, die asphärische Form der Hornhautfläche zu optimieren, nur dann erfolgreich bei der
Minimierung der gesamten optischen Aberrationen des
menschlichen Auges, wenn die optischen Eigenschaften
der intraokulären Strukturen bekannt sind. Somit ist die
messtechnische Erfassung der Eigenschaften der Hornhautrückfläche und der Augenlinse zwingend erforderlich,
um die »ideale« postoperative Asphärizität zu bestimmen.
105
8.4 · Ablationsprofile
Vorteile des Q-Wert angepassten Ablationsprofils
4 Große optische Zone
4 Berücksichtigung der Hornhautform (korneale Asphärizität)
4 Minimierung der sphärischen Aberration durch
Anpassen der Zielasphärizität
Nachteile des Q-Wert angepassten Ablations­
profils
4 Keine Berücksichtigung von optischen Aberrationen höherer Ordnung
4 Einsatz auf Myopie- und Hyperopiekorrekturen
und Astigmatismus beschränkt
4 Beschränkung auf eine mittlere Zielasphärizität
Indikationen und Patientenselektion Q-Wert angepasste
Ablationsprofile eignen sich für Myopie-, Hyperopie- und
Astigmatismuskorrekturen. Diese Profile berücksichtigen
nur reguläre Formen der menschlichen Hornhaut, die sich
durch die Bestimmung der Asphärizität in unterschiedliche Meridiane bestimmen lassen. Irreguläre Hornhautformen werden durch diese Ablationsprofile nicht adressiert und lassen sich nicht behandeln. Die weiteren Einschlusskriterien unterscheiden sich nicht von denen der
Wellenfront-optimierten Ablationsprofile.
Präoperative Untersuchungen und Messungen Neben der
Sphäre, dem Zylinder und der Achsenlage wird die korneale Asphärizität in den beiden Hauptmeridianen der kornealen Topographie benötigt. Q-Wert Ablationsprofile
ermöglichen eine gewisse Individualisierung der Behandlung ohne eine aufwändige Wellenfrontanalyse durchführen zu müssen.
Ergebnisse Villa und Mitarbeiter [8] untersuchten die
Sehqualität bei Patienten nach LASIK mit Q-Wert basierten Ablationsprofilen und Ablationsprofilen nach Munnerlyn. Die Sehqualität der 102 Patienten wurde über
Aberrometrie, monookulare und biokuläre Kontrastsensitivität und einer subjektiven Beurteilung des Sehempfindens durch den Patienten überprüft. Die Untersuchungen
zeigten bei beiden Ablationsprofilen eine Reduktion der
Sehqualität. Im Vergleich zu den Patienten, welche mit der
Munnerlyn-Formel behandelt wurden, war diese Reduktion der Sehqualität jedoch signifikant geringer als bei den
Patienten, welche mit Q-Wert angepassten Ablationsprofilen behandelt wurden. Koller und Mitarbeiter [9] ver­
glichen die Ergebnisse von Q-Wert angepassten Ablations­
profilen und Wellenfront-geführten Ablationsprofilen bei
35 Patienten. Es ergaben sich keine signifikanten Unterschiede bei Myopiekorrekturen bis –9 dpt zwischen den
beiden Gruppen. Eine Ausnahme stellten jedoch Patienten
mit präoperativer Koma dar, bei denen sich signifikant geringere optische Aberrationen nach der Behandlung mit
Wellenfront-geführten Ablationsprofilen ergaben.
8.4.5
Topographie-geführtes Ablations­
profil
Topographie-geführte Ablationsprofile werden bereits seit
mehreren Jahren von verschiedenen Laser-Herstellern angeboten und mit wechselndem Erfolg angewendet [10–
12]. Die Ursprünge der Topographie-geführten Behandlung sind auf die Ansätze von Gibralter und Trokel [23]
zurückzuführen. Basierend auf einer topographischen
Messung der Hornhaut wird eine Höhenkarte berechnet
und bezogen auf eine Referenzasphäre die Differenzhöhen bestimmt; diese Differenzkarte wird in der Regel mittels Polynomen approximiert und daraus oder auch direkt
aus der Differenzkarte das Ablationsprofil berechnet, das
zusammen mit Refraktionsdaten angewendet wird. Es
handelt sich also um ein auf die individuelle Hornhautkontur angepasstes Profil, das auch die optischen Fehler
(korneale Wellenfront), die von der Hornhaut-Vorderfläche herrühren, mit einbezieht. Vereinzelt wird auch von
»kornealer Wellenfront« gesprochen, was eher irreführend ist und nur die Informationen der Höhenkarte der
Hornhaut beinhaltet.
Vorteile des Topographie-geführten Ablationsprofils
4 Große optische Zone
4 Berücksichtigung der Hornhautform (korneale
­Asphärizität und Irregularitäten)
4 Minimierung der sphärischen Aberration durch
Anpassen der Zielasphärizität möglich
Nachteile des Topographie-geführten Ablationsprofils
4 Berücksichtigt nur die optischen Aberrationen
­höherer Ordnung der Hornhaut
4 Vorhersagbarkeit des refraktiven Ergebnisses
­begrenzt
4 Beschränkung auf eine mittlere Zielasphärizität
Indikationen und Patientenselektion Das Topographiegeführte Profil ist von Vorteil bei der Reduktion starker
Irregularitäten der Hornhautvorderfläche, zum Beispiel
bei Narbenzuständen, irregulärem Astigmatismus nach
Ke­ra­toplastiken und Kataraktoperationen, bei dezentrier­
ter Ablation, kleiner optischen Zone oder »central steep
8
106 Kapitel 8 · Technische Prinzipien
8
. Abb. 8.21 Beispiele unterschiedlicher kornealer Topographien für die Behandlung mit Topographie-geführten Behandlungen. OZ optische Zone, RK radiale Keratotomie, PKP penetrierende Keratoplastik
islands« nach refraktiver Chirurgie, aber auch bei einfachem asymmetrischem Astigmatismus [13, 14]. Hier
reduziert sie die zum Teil massiven Irregularitäten und
Aberrationen (. Abb. 8.21 und . Abb. 8.22). Für primäre
Behandlungen ist ein Topographie-geführtes Ablationsprofil nur in Ausnahmefällen geeignet, da die ideale Form
der Hornhaut im Einzelfall eben nicht nur von den Aberrationen und Irregularitäten der Hornhautvorderfläche
abhängt, sondern oft ein Gleichgewicht von Hornhaut
und Linse vorliegt, bei dem sich die jeweiligen Aberrationen ausgleichen. Die einseitige Reduktion kornealer Aberrationen kann manchmal also zur Zunahme der Gesamtaberrationen führen.
Präoperative Untersuchungen und Messungen Die Durch­
führung von Topgraphie-geführten Behandlungen basieren heute in der Regel auf Messungen von Placido- oder
Scheimpflug-Topographiesystemen. Entscheidend für die
Eignung des Patientenauges sind im Wesentlichen die
Messbarkeit und Reproduzierbarkeit der kornealen Topographie. Die Messbarkeit lässt sich über die Betrachtung
der Detektion der Placido-Ringe durch das Messsystem
beurteilen. Fehlende oder falsche Ringerkennung führt zu
Unsicherheiten in der Berechnung der Höhendaten für
die individuelle Hornhaut und dies könnte Fehlbehandlungen zur Folge haben. In . Abb. 8.23 sind einige Beispiele für gute und schlechte Ringdetektionen aufgeführt.
Solche »Rohdaten« sind bei der Planung eines refraktiven
Eingriffes basierend auf der kornealen Topgraphie zu über­
prüfen und zu bewerten.
Ergebnisse Eine große Herausforderung bei der Topogra-
phie-geführten Behandlung ist die Vorhersagbarkeit des
refraktiven Ergebnisses. Grundsätzlich lassen sich mit Topographie-geführten Ablationsprofilen drei unterschiedliche Behandlungsoptionen anwenden:
4 Korneale Regularisierung mit Korrektur des refraktiven Fehlers
4 Korneale Regularisierung ohne Korrektur des refraktiven Fehlers
4 Korneale Regularisierung mit minimalem Gewebe­
abtrag
8.4 · Ablationsprofile
. Abb. 8.22 Beispiel einer Topographie-geführten Behandlung bei
kleiner optischer Zone (Durchmesser ca. 2 mm). Die Patientin unterzog sich vor ca. 18 Jahren einer radialen Keratotometrie für eine Myopiekorrektur von ca. –6,0 dpt; der Refraktion von der Topographiegeführten Behandlung betrug +1,0/–1,75×40° mit einem Visus von
0,8. Die Patientin berichtet über Halos und Blendempfindlichkeit.
Die Topographie-geführte Behandlung erfolgte für eine optische
a
. Abb. 8.23a,b Beispiele für die Detektion der Placido-Ringe bei
der kornealen Topographie mit möglichen Fehlern. Die rot markierten Bereiche zeigen entsprechende fehlende Messdaten in den
­Messungen auf. Diese Fehlmessungen sind einerseits durch eine
8
107
Zone von 6,5 mm im Durchmesser mit einer angestrebten Hornhaut­
asphärizität von Q=–0,5. Postoperativ betrug der unkorrigierte Visus
0,7 und der Visus 1,0 bei einer Refraktion von +0,50/–2,00×25º. Bemerkenswert ist, dass die Patientin sich nicht mehr von den visuel­
len Symptomen gestört fühlte. (Mit freundlicher Genehmigung von
Dr. Mirko Jankov, Belgrad, Serbien)
b
schlechte Oberflächenqualität, konkave Oberflächenformen, den
Tränenfilm oder durch Schattenbildung der Nase oder der Augenlider begründet
108 8
Kapitel 8 · Technische Prinzipien
Gerade bei stark irregulären Hornhäuten stellt sich die Frage nach der »idealen« postoperativen Hornhautform für
das individuelle Patientenauge. Im ersten Schritt gilt es, bei
irregulären Hornhäuten nach einem vorhergehenden
komplizierten refraktiven Eingriff, zu unterscheiden, ob
Informationen über die ursprüngliche physiologische
Hornhaut und Refraktion vorliegen. In diesem Falle lassen
sich relativ einfach Annahmen für eine angestrebte Hornhautform treffen: Physiologische Hornhautbrechkraft +
initiale angestrebte Korrektur in Dioptrien = angestrebte
Hornhautbrechkraft für die Topographie-geführte Behandlung.
Für die Hornhautasphärizität kann im einfachsten Fall
die initiale Hornhautasphärizität angenommen werden.
Die verbleibende Hornhautdicke kann jedoch aufgrund
der resultierenden Abtragstiefe zu einer notwendigen Reduktion der gewünschten Refraktionskorrektur führen.
Somit ist eine Regularisierung ohne Korrektur des refraktiven Fehlers hilfreich, den Visus zu verbessern sowie Halos oder monokuläre Diplopien zu minimieren. Der Patient hatte ursprünglich die Erwartungshaltung, auf zusätzliche Sehhilfen wie Brille oder Kontaktlinsen verzichten zu
können, was ihm jedoch bei zu geringer Hornhautdicke
verwehrt bleibt.
Falls die klinischen Voraussetzungen gegeben sind,
kann die Topographie-geführte Behandlung mit linsenchirurgischen Verfahren (z. B. refraktiver Linsenaustausch
oder phake Linsen) kombiniert werden. In diesem Fall
lässt sich der Großteil der sphärischen Korrektur über die
Linsenimplantation erreichen und die Regularisierung der
Hornhaut mittels Topographie-geführter Behandlung mit
einem minimalen Gewebeabtrag durchführen. Diese
Kombination sollte in zwei Schritten erfolgen, um das refraktive Ergebnis nach der Linsenimplantation im Abtragsprofil der Topographie-geführten Behandlung berücksichtigen zu können.
Es ist anzumerken, dass oft die Information über die
initiale Hornhautform eines Patientenauges nicht vorliegt.
In diesem Fall müssen weitere Annahmen für die anzustrebende Hornhautform getroffen werden. Als anzustrebende
Hornhautasphärizität kann man auf Werte für ein »mittleres« Auge aus der Literatur zurückgreifen. Hier bieten sich
Q-Werte für eine prolate Form im Bereich von 0,0 bis etwa
–0,6 an. Der zentrale Radius der anzustrebenden Hornhautoberfläche lässt sich aus der mittleren zentralen Krümmung (Durchmesser 2 mm) der gemessenen Hornhaut
sowie aus der subjektiven Refraktion ableiten. Es sei an
dieser Stelle darauf hingewiesen, dass sowohl die Messung
des zentralen Radius als auch die Bestimmung der subjektiven Refraktion bei irregulären Hornhäuten sehr fehlerbehaftet sein kann. Aus diesem Grunde ist die Vorhersagbarkeit der Topographie-geführten Behandlungen oft deutlich
reduziert im Vergleich zu rein sphäro-zylindrischen Kor-
rekturen. Dennoch bietet diese Behandlungsmethode die
Möglichkeit der Visusverbesserung, um Patienten mit irregulären Hornhäuten ein funktionelles Sehvermögen zu
gewährleisten.
8.4.6
Wellenfront-geführtes Ablationsprofil
Seit der ersten Wellenfront-geführten Behandlung im Jahre 1999 durch Seiler und Mitarbeiter rückt das Wellenfront-geführte Ablationsprofil zunehmend als »Goldstandard« für die Erstbehandlung in den Vordergrund [15–17].
Die Wellenfront-geführte Behandlung ist, ähnlich wie die
Topographie-geführte Behandlung, auf die individuellen
Fehler des Auges zugeschnitten, berücksichtigt aber im
Gegensatz zu letzterer die Fehler der gesamten Optik des
Auges.
Obwohl in den ersten Jahren der Einführung dieses
Ablationsprofil die Qualität des retinalen Bildes insbesondere unter mesopischen Bedingungen im Vordergrund
stand, wurde von verschiedener Seite propagiert, nun
­einen Weg gefunden zu haben, die Optik des Auges so
zu verfeinern, dass das Auflösungsvermögen des Auges
nahe an die Schwelle geführt werden kann, die die Natur
über den Photorezeptor-Abstand definiert hatte (»Adlerauge«).
In den folgenden Jahren jedoch wurde erkannt, dass
dieser Zustand nur bei einem Bruchteil der Patienten eintrat. Die Gründe hierfür sind vielfältiger Natur und liegen
unter anderem in Laser-Gewebe-Wechselwirkung, im individuellen Heilungsverlauf der Hornhaut, in den durch
den LASIK-Schnitt induzierten Aberrationen und in Mikro-Dezentrierungen bei der Ablation von Sphäre und
Zylinder (z. B. Zyklorotation) begründet. Auch ist einfach
die Tatsache, dass »Sehen« ein Verarbeitungsresultat höherer Zentren ist, verantwortlich für die Begrenzung des
Auflösungsvermögens. Ungeachtet dieser Unwägbarkeiten
bietet die Wellenfront-geführte Behandlung heute einen
deutlichen Vorteil: Die in den frühen 1990er Jahren häufig
beobachteten unerwünschten Nebenwirkungen von Halos
und Blendung unter mesopischen Bedingungen können
heute zumindest auf dem präoperativen Niveau gehalten
und in vielen Fällen sogar verbessert werden.
Die kritische Frage des Wellenfront-geführten Ablationsprofiles besteht darin herauszufinden, welche Augen
vorhersehbar von dieser Behandlung profitieren. Bisherige Studien [5] weisen darauf hin, dass Augen, die einen
mittleren Wellenfrontfehler höherer Ordnung von mehr
als 0,3 µm haben (rmsh, »root mean square of higher
­order aberrations«, OSA-Notation, 6-mm-Pupille) bei
Verwendung des Wellenfront-geführten Profils am ehesten mit einer Verbesserung der Optik rechnen können
(. Tab. 8.6).
109
8.4 · Ablationsprofile
. Tab. 8.6 Gültigkeitsbereiche der Wellenfront-optimierten und der Wellenfront-geführten Behandlungen in Abhängigkeit des prä­
operativen sphärischen Äquivalents und des rmsh-Wertes für die optischen Aberrationen höherer Ordnung bei einem Pupillendurchmesser von 6 mm. WG wavefront guided treatments; WO wavefront optimized treatments. (Mit freundlicher Genehmigung von WaveLight AG, Erlangen, Deutschland)
Präoperativer rmsh
Behandlungsbereich sphärischen Äquivalents (dpt)
–1 bis –2
–2 bis –3
–3 bis –4
–4 bis –5
–5 bis –6
–6 bis –7
≤0,2 µm
WG/WO
WG/WO
WG/WO
WG/WO
WG/WO
WG/WO
0,2 bis 0,3 µm
WG/WO
WG/WO
WG/WO
WG/WO
WG/WO
WG/WO
0,3 bis 0,4 µm
WG
WG
WG
WG/WO
WG/WO
WG/WO
>0,4 µm
WG
WG
WG
WG
WG
WG
Die optischen Aberrationen nehmen stark mit dem
Durchmesser des Strahlengangs durch das Auge zu und
spielen erst ab Durchmessern von 4–5 mm eine wesentliche Rolle. Im zentralen Bereich wird auch bei Wellenfront-geführten Profilen nur der sphärisch-zylindrische
Refraktionsfehler korrigiert, basierend auf dem »klassischen« Profil.
> Dies bedeutet, dass die Behandlung der zentralen Hornhaut die postoperative Refraktion festlegt, während die Behandlung der mittleren Peripherie der Hornhaut die Qualität des postoperativen Sehens bestimmt.
Vorteile des Wellenfront-geführten Ablations­
profils
4 Große optische Zone
4 Berücksichtigt die optischen Aberrationen höherer Ordnung des gesamten Auges
4 Minimierung der optischen Aberrationen (Wellenfrontfehler höherer Ordnung) bei Augen mit bestehenden optischen Aberrationen (rmsh >0,3 µm
bei 6,0-mm-Pupille)
4 Automatische Zentrierung durch objektive Messung mit Topographiesystemen möglich
4 Hohe Vorhersagbarkeit des refraktiven Ergebnisses
Nachteile des Wellenfront-geführten Ablationsprofils
4 Aufwändige Messung bei dilatierter Pupille
4 Messungen können durch Dilatation beeinflusst
sein
4 Messungen können durch lichtstreuende Bereiche
im Auge fehlerhaft sein
4 Messbarkeit stark aberrierter Augen
4 Gelegentliche fehlende Übereinstimmung der Wel­
lenfrontrefraktion und der subjektiven Refraktion
Indikationen und Patientenselektion Den größten Nutzen
von Wellenfront-geführten Behandlungen haben Patien­
ten mit signifikanten optischen Aberrationen von rmsh
>0,3 µm bei 6,0-mm-Pupille. Die Mehrheit (ca. 80%) der
für die refraktive Chirurgie geeigneten Patienten liegt
­jedoch nicht in diesem Bereich. Somit bietet sich die
­Wellenfront-geführte Behandlung nur für ca. 20% der
­Patienten an, kann jedoch ohne Einschränkung auf alle
Patienten angewendet werden. Eine grundlegende Einschränkung ergibt sich im Wesentlichen nur aus der Messbarkeit des individuellen Patientenauges sowie die für den
operativen Eingriff allgemein gültigen Beschränkungen
(z. B. verbleibende Hornhautdicke).
Präoperative Untersuchungen und Messungen Die ge-
bräuchlichsten Messsysteme für die Bestimmung der Wellenfrontfehler sind der Hartmann-Shack-Sensor und das
Tscherning-Aberrometer. Beiden gemein ist, dass Laserstrahlen durch die Optik des Auges geführt werden und
deren durch die individuelle Optik bedingte Ablenkung
gemessen wird. Im Falle des Hartmann-Shack-Sensors
wird der von der Netzhaut gestreute Lichtstrahl über eine
Mikrolinsenstruktur als Punktmuster abgebildet, beim
Tscherning-Aberrometer wird ein Punktmuster auf die
Netzhaut projiziert; die entstandene Matrix wird jeweils
von Kameras festgehalten. In einem nächsten Schritt wird
die dadurch erhaltene individuelle Wellenfront aus den
gemessenen Punktverschiebungen im Vergleich zu den
idealen Punktpositionen berechnet. Das Ablationsprofil
ergibt sich direkt aus der Wellenfront unter Berücksichtigung des Brechungsindexübergangs von Luft zu Hornhaut
und der Tatsache, dass der Excimerlaser nur Gewebe entfernen kann.
Voraussetzung für die Wellenfront-geführte Behandlung ist genau wie bei der Topographie-geführten Behandlung eine valide und reproduzierbare Messung der Wellenfront. Eine Validierung der Einzelmessung lässt sich zunächst durch visuelle Kontrolle der Spotdetektion beim
8
110 Kapitel 8 · Technische Prinzipien
. Abb. 8.24 Änderung der optischen Aberrationen höherer Ordnung nach der Behandlung mit Wellenfront-geführten Ablationsprofilen. Es ergibt sich im Bereich bis zu –4 dpt sphärisches Equivalent
eine geringfügige Reduktion der optischen Aberrationen höherer
Ordnung (rmsh – root mean square Wellenfrontfehler höherer Ord-
nung). Im Bereich von –4 bis zu –7 dpt sphärisches Äquivalent eine
geringfügige Zunahme der optischen Aberrationen höherer Ordnung. (Mit freundlicher Genehmigung von Guy Kezirian, Surgivision,
USA
Wellenfront-Sensor erreichen. Sollten mehrere Messpunkte von der Software nicht erkannt werden oder falsch
zugeordnet sein, so kann dies zu Fehlberechnungen bei der
Wellenfront führen. Weiterhin kann die Wellenfrontrefraktion mit anderen Refraktionsmessungen wie die subjektive Refraktion und oder die Refraktion eines Autorefraktors verglichen werden. Hierbei sollte beachtet werden,
dass die Pupillengrößen jeweils für den Vergleich angepasst wurden, insbesondere im Vergleich zur subjektiven
Refraktion. Bei stark irregulären Augen kann es zu Abweichungen von mehr als 1 Dioptrie zwischen der subjektiven
und der Wellenfrontrefraktion kommen. Ursache für diese
Unterschiede sind die angewendeten Berechnungsmethoden für die Wellenfrontrefraktion basierend auf ZernikeKoeffizienten.
Es ist zu berücksichtigen, dass die Zernike-Koeffizienten vom Pupillendurchmesser abhängen. Ein Vergleich
der Wellenfrontrefraktion mit der subjektiven Refraktion
sollte deshalb bei kleiner Pupille erfolgen. Grund hierfür
ist, dass mit größer werdenden Pupille die optischen Aberrationen höherer Ordnung einer deutliche größeren Einfluss auf die Wellenfrontrefraktion nehmen.
Ergebnisse Die klinischen Ergebnisse der Wellenfront-
8
> Als einfache Regel kann man davon ausge
he­n, dass der zentrale Bereich der Wellenfront
(Pupillendurchmesser 3–4 mm) die subjekt­ive
Refraktion besser beschreibt als die Wellen­
frontrefraktion bei dilatierter Pupille (6–7 mm
Durchmesser).
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Wellenfrontanalyse findet in der Regel ihre Grenzen bei stark irregulären
Hornhäuten oder bei trüben Medien im Augen (z. B. Katarakt). Hier steht als Alternative die Topographie-geführte Behandlung zur Verfügung.
geführten Behandlungen sind im Verhältnis zu den Ergebnissen der Wellenfront-optimierten Behandlungen zu
bewerten. Stonesipher und Kezirian [5] berichten über die
Ergebnisse der Vergleichsstudie zwischen Wellenfrontoptimierten und Wellenfront-geführten Behandlungen
bei 374 myopen Augen in den USA die mit der gleichen
Laserplattform behandelt wurden. In dieser prospektiven
Studie ergab sich 3 Monate postoperativ für beide Gruppen in 93% der Augen ein unkorrigierter Visus von 1,0
oder besser. Es zeigten sich weiterhin keine Unterschiede
bei der Sicherheit oder beim prä- und postoperativen Vergleich der Visuswerte. Entscheidend ist jedoch, dass
die meisten Patienten mit einem sphärischen Äquivalent
von unter –4 dpt eine Reduktion bei den höheren Ordnungen nach Wellenfront-geführter Behandlung aufweisen (. Abb. 8.24). Im Vergleich hierzu ist bei den Wellenfront-optimierten Behandlungen keine signifikante Veränderung bei den optischen Aberrationen höherer Ordnung zu verzeichnen (. Abb. 8.17).
Padmanabhan und Kollegen fanden in ihrer bilateralen
Vergleichsstudie zwischen Wellenfront-optimierten und
Wellenfront-geführten Behandlungen vor allem Unterschiede bei den optischen Aberrationen höherer Ordnung
als auch beim postoperativen Kontrastsehen. Während
sich das Kontrastsehvermögen bei den geringeren und
mittleren Frequenzen nicht veränderte, reduzierte sich der
Kontrast bei den höheren Frequenzen nach Wellenfrontgeführten Behandlungen signifikant. Demgegenüber
zeigte sich eine signifikante Reduktion der Kontrastwerte
auf allen Frequenzbereichen nach Wellenfront-optimierten Behandlungen.
111
8.4 · Ablationsprofile
8.4.7
Ray-tracing-Ablationsprofile
Beim »Ray-tracing-Profil« handelt es sich um ein Ablationsprofil, das sowohl hornhauttopographische Daten als
auch Aberrometrie- und Biometrie-Messwerte berücksichtigt [18]. Unter »ray tracing« versteht man die Verfolgung (Berechnung) von Lichtstrahlen durch ein optisches
System wie dem Auge. Basierend auf dem »ray tracing«
lassen sich bestimmte optische Anordnungen optimieren,
um eine bessere Qualität im gesamten optischen System zu
erzielen. Die Besonderheit des ray tracings liegt vor allem
darin begründet, dass im Gegensatz zu allen bisher verwendeten Ablationsprofilen kein »allgemeines« Augenmodell als Grundlage für die Berechnung des Ablationsprofils
verwendet wird, sondern dass die individuellen biometrischen und topographischen Daten herangezogen werden, um ein »individualisiertes« Augenmodell zu erstellen,
das auf den jeweiligen Patienten zugeschnitten ist. Ein solches Augenmodell kann für unterschiedliche Behandlungsplanungen genutzt werden. Einerseits lassen sich sowohl Ablationsprofile, intraokulare Linsen als auch Kombinationen daraus berechnen. Alle diese Berechnungen
erfolgen iterativ bis die gewünschte Qualität erreicht ist
und es ist dieses iterative Vorgehen, das eine verbesserte
Berechnung im Vergleich zu anderen Verfahren ermög­
licht.
Für die Planung von Ablationsprofilen wird das individuelle Augenmodell genutzt, um die optimale Form der
Hornhautvorderfläche für die gewünschte optische Qualität zu berechnen. Diese Berechnung erfolgt in zwei grundlegenden Schritten:
4 Dreidimensionales »ray tracing« von der Netzhaut zur
Hornhaut
4 Iterative Veränderung der idealen Hornhautform, bis
die optische Qualität des Gesamtauges erreicht ist
Das Ray-tracing-Ablationsprofil erhält man nun aus der
Differenz zwischen der ursprünglichen Hornhautform
und der optimierten Hornhautform. Im Gegensatz zu den
anderen Ansätzen für die Berechnungen von Ablationsprofilen berücksichtigen Ray-tracing-Ablationsprofile bereits die Multi-Linseneffekte des menschlichen Auges.
Neben der Möglichkeit, eine perfekte optische Korrektur
anzustreben, die vollständige Korrektur der optischen Aberrationen höherer Ordnung, bietet dieses Vorgehen den
Vorteil, bestimmte optische Aberrationen nach der Behandlung anzustreben. Solche Ansätze sind für die Realisierung von Ablationsprofilen für die Presbyopie-Behandlung von Interesse, um eine definierte Zunahme der Tiefenschärfe des postoperativen Auges zu erzeugen. Die
Ray-tracing-Ablationsprofile sind bisher noch in der klinischen Erprobung, auf die Ergebnisse von diesen prospektiven klinischen Studien darf man gespannt sein.
Vorteile des Ray-tracing-Ablationsprofils
4 Große optische Zone
4 Berücksichtigt die optischen Aberrationen höhe­
rer Ordnung des gesamten Auges
4 Berücksichtigung der Hornhautform (korneale
­Asphärizität und Irregularitäten)
4 Minimierung der optischen Aberrationen (Wellenfrontfehler höherer Ordnung) bei Augen mit bestehenden optischen Aberrationen
4 Automatische Zentrierung durch objektive Messung mit Topographiesystemen möglich
4 Hohe Vorhersagbarkeit des refraktiven Ergebnisses.
Nachteile des Ray-tracing-Ablationsprofils
4 Messungen können durch unterschiedliche Zentrierungen bei unterschiedlichen Messverfahren
beeinflusst sein
4 Verfahren erst in der klinischen Erprobung
8.4.8
Presbyopie-Ablationsprofil
Optische Konzepte für die Korrektur der Presbyopie (d. h.
Alterssichtigkeit) sind Lesebrillen, Monovision, multifokale Kontaktlinsen und Intraokularlinsen (IOL) sowie akkommodierende IOL. Keines dieser Verfahren kann jedoch
die Akkommodation wirklich wiederherstellen. Alle Verfahren sind vielmehr Kompromisse, die eine relativ gute
Qualität im Nahvisus auf Kosten der Qualität des Fernvisus
erzeugen. Selbst ein kleiner Anteil von Astigmatismus ermöglicht eine geringe Pseudoakkommodation bei pseudophaken Patienten. Es wurden in der Vergangenheit mehrere Verfahren zur Wiederherstellung der Akkommodation
mit skleraler Expansion in der Nähe des Ziliarkörpers entwickelt, jedoch hat sich keines dieser Verfahren bisher als
wirksam erwiesen.
Die ersten Presbyopie-Korrekturen in der refraktiven
Laserchirurgie stammen aus den frühen 1990er Jahren, haben noch keine klinische Akzeptanz gewonnen. Unterschiedliche anspruchsvollere Presbyopie-Ablationsprofile
sind bereits vorgeschlagen worden, einschließlich eines induzierten »central steep island« (CSI), einem dezentrierten
central steep island sowie einer Zone für die Nahsicht in der
mittleren Peripherie von der Hornhaut. Ein weiterer Ansatz
ergibt sich aus der Erzeugung einer »prolaten« Hornhautform (»global optimum«, GO), die zu einer sphärischen
Aberration führt und somit in einer Zunahme der Tiefenschärfe resultiert (. Abb. 8.25). Obwohl die Ansätze verschieden sind, sehen die Berichte über ­erste klinische Ergebnisse oft vielversprechend aus. Selten wird aber über
den zu erwartenden Verlust der Qua­lität des Sehens durch
diese multifokale Behandlung berichtet [19].
8
112 Kapitel 8 · Technische Prinzipien
a
b
. Abb. 8.25a,b Beispiel für korneale Topographien beim global optimum (a) und beim central steep island (b)
8
Somit stellt sich die grundlegende Frage, welche Konfiguration der Hornhautform einen klinisch bedeutungsvollen Kompromiss von geringen Verlusten im Fernvisus,
kombiniert mit der Verbesserung im Nahvisus, ergibt. Koller und Seiler untersuchten die vier Optionen und identifizierten die zwei vielversprechenden Ansätze:
4 Das CSI kombiniert mit passender Krümmung und
Asphärizität im Rest der Hornhaut
4 GO für die Krümmung und Asphärizität
Während der erste Vorschlag eine multifokale Hornhaut
mit zwei Hauptfoki entspricht, ist der zweite Vorschlag eine
rein asphärische hyperprolate Form, die eine geringe Kurzsichtigkeit mit vermehrter Tiefenschärfe bietet. Beide
Hornhautformen erzeugen eine stärkere Brechkraft für die
Nähe im zentralen Gebiet der Hornhaut, das durch eine
mittlere Peripherie mit geringerer Brechkraft umgeben ist.
Die wichtigste treibende Kraft bei beiden Ansätzen ist die
Größe der Pupille, die während der Fokussierung naher
Objekte (Pupillenreaktion als Teil des Nahreflexes) abnimmt und so die Tiefenschärfe erhöht. Mit dem Nahreflex
der Pupille als eine treibende Hauptkraft, und angesichts
der hohen Variation im Pupillendurchmesser zwischen
einzelnen Personen, ist es offensichtlich, dass die Pupillendynamik eine außerordentliche Bedeutung bei der Behandlung der Presbyopie hat.
Die CSI-Konfiguration ist ein Hornhautanalogon zu
den künstlichen bifokale IOL mit all ihren bekannten Vorund Nachteilen, wie der Verlust im Gegenlichtvisus, Halos,
Blendung und reduzierte Zufriedenheit mit dem Sehvermögen. Im Gegensatz dazu enthält die asphärische GO
auch ein natürlich vorkommende Hornhaut Asphärizität,
die eine variable Pseudoakkommodation je nach Asphärizitätkonstante Q anbietet. Ein wesentlicher Nachteil jeder
multifokalen Optik des Auges ist jedoch der Verlust im
mesopischen Sehen und in der Kontrastempfindlichkeit.
Obwohl dieses Argument vor allem für eine Hornhaut gilt,
die eine deutliche multifokale Form wie das CSI hat, ist
eine ähnliche Reduktion in der Kontrastempfindlichkeit
auch bei stark asphärischen Hornhäuten zu erwarten.
Die am häufigsten angewendete Presbyopie-Korrektur
ist die Monovision, mit der das dominante Auge für Emmetropie korrigiert und das nicht-dominante Auge in
leichter Kurzsichtigkeit (–0,5 bis –2 dpt) gehalten wird. In
der klinischen Praxis lässt sich die optimale Konfiguration
für die Monovision mit Kontaktlinsen testen und der Pa­
tient kann sich nach ein paar Tagen für eine permanente
Korrektur entscheiden. Es sei angemerkt, dass der Test der
Monovision mit Kontaktlinsen nicht zwangsläufig ein
guter Indikator für die postoperative Zufriedenheit der Patienten ist, jedoch ermöglich dieses Vorgehen die Erwartungshaltung des Patienten besser zu erfassen und zu berücksichtigen.
Vorteile des Presbyopie-Ablationsprofils
4 Nah- und Fernvisus ermöglichen Brillenunabhängigkeit im Alltag
4 Patientenakzeptanz von GO vor der Operation
durch Kontaktlinsen überprüfbar
Nachteile des Presbyopie-Ablationsprofils
4 Einschränkungen im Kontrastsehen
4 Zentrierung der ablativen Zone ist kritisch für das
Ergebnis
4 Reduzierte Vorhersagbarkeit des refraktiven Ergebnisses durch die sphärische Aberration
4 Abhängig vom Nahreflex der Pupille (Pupillen­
dynamik)
4 Patientenakzeptanz von CSI nicht vor der Opera­
tion durch Kontaktlinsen überprüfbar
8.4 · Ablationsprofile
Ergebnisse Der letzte und meist kritische Punkt ist, dass
jede Presbyopiekorrektur zwangsläufig eine Art Kompromiss bezüglich der Sehqualität ist. Was man im Nahvisus
gewinnt, verliert man im Fernvisus und umgekehrt. Vor
diesem Hintergrund und angesichts der Abhängigkeit des
optischen Ergebnisses von der Pupillengröße sowie unter
Berücksichtigung des Einflusses der Zentrierung ist es offensichtlich, dass jede Presbyopiekorrektur als eine individuelle Behandlung angesehen werden muss. Einer der
stärksten Prädiktoren für ein befriedigendes Ergebnis der
refraktiven Chirurgie ist die Erwartung des Patienten. Gerade bei Presbyopiekorrekturen muss das Gleichgewicht
zwischen dem optisch Möglichen und dem Wunsch des
Patienten gehalten werden. In diesem Zusammenhang ist
die Reversibilität der Maßnahme wichtig: Einfache Monovision und GO sind einfach mit einer Re-Operation zu
korrigieren, aber das CSI-Profil kann nur schwer rückgängig gemacht werden.
Fazit für die Praxis
In den letzten Jahren wurden Ablationsprofile in der refaktiven Laserchirurgie bedeutend weiterentwickelt. Ausgehend vom »klassischen«, auf der Munnerlyn-Formel basierenden Ablationsprofil der ersten Jahre, kommen heute
­verschiedene, auf die individuelle Situation zugeschnittene
Ablationsprofile zum Zuge: Wellenfront-geführte und Wellenfront-optimierte Ablationsprofile stellen mittlerweile
Standards bei der Erstbehandlung dar, während Topographie-geführte Ablationsprofile vorwiegend bei irregulärem
Astigmatismus verschiedenster Ursache eingesetzt werden.
In jüngster Zeit entwickelt wurden Ablationsprofile, die die
Asphärizität der Hornhaut stärker berücksichtigen (Q-Faktor
basiert), wobei diese sich noch in der klinischen Erprobung
befinden. Als zukunftsweisend kann sich ein »ray tracing«
der Optik erweisen. Ablationsprofile für die Presbyopiekorrektur können immer nur als Kompromisslösung angesehen
werden. Der Vorteil einer Brillenunabhängigkeit im Alltag
geht mit einem Verlust im Kontrastsehen einher. Es gilt die
Patientenerwartungen und die optischen Möglichkeiten mit
Ablationsprofilen in Übereinstimmung zu bringen.
8.4.9
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8
8
114 Kapitel 8 · Technische Prinzipien
8.5
Zentrierung bei Refraktions­
korrekturen mit dem Excimerlaser
T. Neuhann
8.5.1
Einleitung
Die Qualität optischer Abbildung hängt neben vielen anderen Faktoren auch davon ab, wie gut die einzelnen refraktiv wirksamen Komponenten und die Blende(n) des
abbildenden optischen Systems in sich symmetrisch und
zueinander zentriert sind, idealerweise eine gemeinsame
Symmetrieachse, die optische Achse, besitzen (konzentrisches optisches System). Dezentrierte optische Abbildung führt zusätzliche Abbildungsfehler, namentlich
Koma, Verkippung (»tilt«) und Astigmatismus (schiefer
Bündel) ein.
Die brechenden Komponenten des menschlichen Auges, nämlich Hornhaut-Vorderfläche, Hornhaut-Rückfläche, Linsen-Vorderfläche und Linsen-Rückfläche, sowie
die Blende des Systems, nämlich die Pupille, sind jedoch
nicht konzentrisch angeordnet und in sich nicht wölbungssymmetrisch. Die Symmetrieachse der Eintrittspupille ist
zudem örtlich variabel je nach Pupillenweite. Deshalb ist
die Frage, wie, bzw. im Bezug auf welche Referenzachse,
Veränderungen am optischen System des Auges – sei es
durch Veränderung bestehender oder die Einführung neuer brechender Komponenten – zu zentrieren sind.
In einem konzentrischen Abbildungssystem – wie etwa
in der technischen Optik – wird das von einem im Unendlichen auf der optischen Achse gelegenen Punkt ausgehende Lichtbündel aus Strahlen, die parallel zur optischen
Achse verlaufen, von der Eintrittspupille begrenzt wieder
im auf der optischen Achse gelegenen Brennpunkt abgebildet. Die Abbildungsgüte (MTF) wird dabei durch die optischen Aberrationen des Systems begrenzt. Der – ungebrochene – Zentralstrahl des Bündels entspricht dabei exakt der optischen Achse. Hier ist die Zentrierung höchst
einfach: Sie erfolgt zur Referenz der optischen Achse, die
durch die – definitionsgemäß dazu konzentrische – Mitte
der Eintrittspupille technisch einfach und eindeutig bestimmbar ist.
Im menschlichen Auge dagegen ist das Abbildungssystem nicht konzentrisch-symmetrisch: Hier hat jede brechende Oberfläche, ebenso wie die Eintrittspupille, ihre
eigene optische bzw. refraktive Symmetrieachse. Deren
Lage ist erkennbar an den »Purkinje«-Bildern: Diese sind
die Reflexe der fixierten Lichtquelle an den jeweils brechenden und reflektierenden Oberflächen nach den Gesetzen der Reflexion an konvexen bzw. konkaven Spiegeln
bzw. an (ggf. umgekehrten) Hohlspiegeln. Der ungebrochene Zentralstrahl des abgebildeten, von der Eintrittspupille begrenzten Strahlenbündels verläuft – bei Fixation
des Auges – so dass das Fixationsobjekt in möglichst guter
Qualität in der Fovea centralis abgebildet wird. Man könnte
es auch so ausdrücken, dass das Auge sich – sein optisches
Mehrflächensystem – bei Fixation so ausrichtet, dass eine
bestmögliche Abbildung in der Fovea centralis entsteht;
dies bedeutet, dass die Ausrichtung bei Fixation zum
besterreichbaren »Zentrierungskompromiss« der brechenden Komponenten zueinander führt. Die Lage der
Aperturblende – die (Eintritts-)Pupille – ist dabei nicht
relevant für die Ausrichtung, nur insoweit von Bedeutung,
als das abgebildete Strahlenbündel durch sie begrenzt wird.
Anschaulich wird dies durch die Erfahrung mit Korektopien: Sie verändern die Ausrichtung des Auges – und die
Schärfe der Abbildung – nicht, wie extrem sie auch immer
seien.
Verändert man – wie bei der Excimerlaserkorrektur
von Brechkraftfehlern an der Hornhautoberfläche – die
Wölbung und damit die lichtbrechenden Eigenschaften
einer der refraktiven Komponenten, muss, um die bisherige Abbildungsgüte beizubehalten, die veränderte Fläche
ebenso zentriert sein, wie sie es zuvor war. Das (Symmetrie-)Zentrum des Abtrags an der Hornhautoberfläche
muss also dort liegen, wo bei Fixationsausrichtung des Auges der Zentralstrahl des abgebildeten Strahlenbündels
durch die Hornhautoberfläche tritt. Diesen Punkt gilt es so
genau wie möglich zu bestimmen.
> Das Auge ist ein nicht-konzentrisches optisches
System.
8.5.2
Die Achsen des optischen Systems
des menschlichen Auges –Begriffs­
bestimmung
In der refraktiv-chirurgischen wissenschaftlichen Literatur
findet sich eine Reihe unterschiedlicher Bezeichnungen
für die Achsen des Auges, die unglücklicherweise nicht
selten mit unterschiedlicher Bedeutung bzw. ohne definitorische Klarstellung verwendet werden (. Abb. 8.26). Eine
ausgezeichnete Zusammenfassung findet sich bei Pande
und Hillman (1993) und bei Büeler (2004).
Die optische Achse ist technisch definiert als die Symmetrieachse des optischen Systems, auf welcher das (Fixations-)Objekt, alle Apices der symmetrischen brechenden
Flächen, das Zentrum der Eintrittspupille und der Brennpunkt liegen. Da es im menschlichen Auge die dafür erforderliche Voraussetzung der Symmetrie nicht gibt, kann im
menschlichen Auge eine wirklich optische Achse nicht definiert werden: Für das menschliche Auge könnte man eine
optische Achse definieren als eine Art »best passender«
(»best fit«) Gerade durch die Zentren der »Best-fit«-Sphären für die jeweiligen brechenden Oberflächen. Dann
115
8.5 · Zentrierung bei Refraktions­korrekturen mit dem Excimerlaser
8.5.3
. Abb. 8.26 Die Achsen des optischen Systems. OA optische Achse,
LOS »line of sight«, VA »visual axis«, LCCR Linie des koaxial betrachteten Hornhautreflexes, PA Pupillenachse, V Hornhautscheitel, EPC
Zentrum der Eintrittspupille, N, N‘ Knotenpunkte, CC Zentrum der
Hornhautkurvatur
bleibt aber immer noch die Tatsache, dass die Fovea centralis etwas temporal einer solchen Linie läge und auch das
Pupillenzentrum nicht nur individuell, sondern auch je
nach Pupillenweite unterschiedlich weit von dieser Gerade
entfernt liegt.
Die »line of sight« ist diejenige Gerade, die den Fixationspunkt mit dem Zentrum der Eintrittspupille (d. h. das
virtuelle Abbild der Pupille durch die Hornhaut) verbindet. Dieser Referenzgeraden wird von einigen Autoren die
wichtigste Rolle für die Abbildung zugeschrieben, weil sie
das Zentrum des in das Auge gelangenden Lichtbündels
sei. Sie ist aber örtlich nicht fix definiert, weil sich das Pupillenzentrum mit unterschiedlicher Pupillenweite verschiebt.
Die »visual axis« ist die Verbindungsgerade durch Fixationspunkt und seinem Abbild in der Fovea centralis
durch die beiden Knotenpunkte (N, N’). Dies wäre offensichtlich die bestgeeignete Zentrierungsachse – sie ist nur
unter klinischen Bedingungen schwierig zu ermitteln (bzw.
ihr Schnittpunkt mit der Hornhautoberfläche), weil sie
nicht notwendig senkrecht zur Hornhautoberfläche ist.
Schließlich ist die Linie des koaxial betrachteten
Hornhautreflexes (»coaxially sighted corneal reflex«) die
Verbindungslinie zwischen Fixationsobjekt (als Licht) und
dem Wölbungsmittelpunkt der Hornhautoberfläche, erkennbar am 1. Purkinje-Bild. Sie ist deshalb senkrecht zur
Hornhautoberfläche.
> 4Optische Achse: Symmetrieachse des optischen
Systems
4 Line of sight: Verbindungsgerade Fixationspunkt – Zentrum der Eintrittspupille
4 Visual axis: Verbindungsgerade Fixationspunkt – Abbild des Fixationspunktes in der
Foveola, geht durch die Kotenpunkte des Systems
Zentrierungsachse und Referenzachse
Die optisch richtige Zentrierung einer refraktiven Korrektur auf der Hornhaut-Oberfläche muss zu derjenigen Achse erfolgen, die das Minimum an dezentrierungsabhängigen Aberrationen – Verkippung (»tilt«), Koma und
Astigmatismus schiefer Bündel – verursacht. Diese Achse
bzw. ihr Schnittpunkt mit der Hornhautoberfläche ist
möglicherweise aber in der klinischen Behandlungssituation nicht einfach zu lokalisieren.
Eine Referenzachse dagegen muss einfach und reproduzierbar lokalisierbar sein und eine möglichst exakt definierbare Korrelation zur Zentrierungsachse haben.
Die ideale Zentrierungsachse
In der wissenschaftlichen Literatur ist die Kontroverse zwischen den Befürwortern der »visual axis« und der »line of
sight« unverändert ungelöst. Uozato und Guyton argumentieren, ebenso wie Trokel und Büeler, für die »line of
sight«. Ihr Argument ist im Wesentlichen, dass der Zentralstrahl (»chief ray«) des ins Auge gelangenden Lichtbündels durch das Zentrum der Eintrittspupille gehe.
Pande und Hillman können als die Exponenten der
Vertreter der »visual axis« als optisch richtiger Zentrierungsachse gelten. Sie argumentieren, dass der Zentralstrahl (»chief ray«) des von der Hornhautoberfläche – und
damit der mit Abstand refraktiv höchst wirksamen brechenden Komponente des Auges – gebrochenen/abgebildeten Lichtbündels durch deren Schnittpunkt mit der
Hornhautoberfläche gehe.
Eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Argumenten der beiden »Schulen« würde den Rahmen dieses
Beitrages sprengen. Die Gründe und Anhaltspunkte, wa­
rum wir konsequent die Zentrierung auf die »visual axis«
anstreben, seien deshalb stichwortartig und thesenhaft gegeben:
4 Die Eintrittspupille begrenzt den Ausschnitt aus dem
Bild, das die brechenden Medien – zu etwa zwei Dritteln von der Hornhaut dominiert – auf der Netzhaut
abbilden; mit der Abbildungsgüte hat die Aperturblende naturgemäß nichts zu tun.
4 Das Konzept des Zentralstrahls in der geometrischen
Optik bezieht sich auf denjenigen Strahl, der ungebrochen durch das System geht und Gegenstand und Bild
verbindet, also die »refraktive Symmetrieachse«. In
einem konzentrischen optischen System fällt er mit optischer Achse und Zentrum der Aperturblende zusammen. Daraus kann aber naturgemäß nicht geschlossen
werden, dass in einem nicht konzentrischen System,
wie dem Auge, der Zentralstrahl durch die Blendenmitte definiert sei. Vielmehr entspricht dem, jedenfalls auf
die Hornhautoberfläche bezogen, der Schnittpunkt von
visual axis und Hornhautober­fläche.
8
116 Kapitel 8 · Technische Prinzipien
4 Die optische Achse des nicht-konzentrischen optischen
Apparates des Auges, wie sie oben als denkbar definierbar definiert worden ist, ist für die tatsächliche Abbildung gänzlich irrelevant: Der tatsächliche Strahlverlauf
hat mit dieser Achse nichts zu tun; weder Fixationspunkt noch Bildpunkt liegen auf ihr. Sie enthält so viele
Näherungen, dass sie für eine Optimierung der tatsächlichen Abbildungsqualität gänzlich unbrauchbar
ist und sie berücksichtigt nirgends den höchst unterschiedlichen Beitrag der Einzelflächen zur Gesamtrefraktion. Anschaulich werden diese Erwägungen durch
folgende Versuchsanordnungen:
5 Bewegt man in einem abbildenden optischen System eine Aperturblende, so ändert sich der sichtbare
Ausschnitt, nicht aber die Abbildungsqualität in
diesem Ausschnitt.
5 Bewegt man in einem solchen System dagegen eine
der abbildenden refraktiven Komponenten aus der
optischen Achse, verändert sich die Abbildungsqualität.
4 Die »visual axis« ist diejenige Achse, in die das Auge
sich bei Fixation so ausrichtet, dass Gegenstandspunkt
und Bildpunkt in der Foveola centralis auf ihr liegen.
Sie ist die Achse, zu der das Strahlenbündel, das vom
fixierten Gegenstandspunkt ausgeht und in der Foveola abgebildet wird, zentriert ist. Ihr Schnittpunkt mit
der Hornhautoberfläche ist also das Symmetriezentrum des von ihr in der Foveola abgebildeten Strahlenbündels (aus welchem eine nicht dazu konzentrische
Pupille lediglich einen lage- und durchmesserabhängigen unterschiedlichen Ausschnitt ausblendet). Dieser Schnittpunkt ist zwar praktisch schwierig in der
8
a
b
c
. Abb. 8.27 Dezentrierung der optischen Zone bei Pupillenzentrierung. a Bei diesem Auge mit ausgeprägtem Winkel κ war die myopische Korrekturzone auf die Pupillenmitte zentriert worden. b Die
Topographie zeigt die Dezentrierung, die zu entsprechender Symptomatik geführt hat. c Projiziert man Topographie und Auge übereinander, erkennt man, dass die Zone tatsächlich zur Pupille zentriert ist
117
8.5 · Zentrierung bei Refraktions­korrekturen mit dem Excimerlaser
. Abb. 8.28 Die apparente Dezentrierung wird durch die Projektion auf die gewölbte, durch die relativ nasale »visual axis« etwas
nach temporal gedrehte, Hornhautoberfläche nach temporal vergrößert. Wird der gerade rote Strich rechts zentriert zur exzentrischen Pupille auf die gewölbte Fläche der Hornhaut projiziert, ist
die Projektionsfläche der peripheren Fläche größer als diejenige der
zentralen Hälfte: Die periphere Projektionshälfte ist zur Veranschaulichung über die zentrale gelegt
. Abb. 8.29a–c Zentrierte optische Zone bei Zentrierung auf die
»visual axis«/1. Purkinje-Bild. a Bei diesem Auge besteht wieder ein
ausgeprägter Winkel κ (Aufnahme bei Fixation auf das Fixationslicht
des Excimerlasers). Korrigiert wurde der Refraktionsfehler von +4,0
cyl –3,25 A 5° (Visus mit Korektur 1,25). b Präoperative Placido-Topographie. Die Pupillenkontur ist gelb markiert: Die Abweichung der
»visual axis« von der »line of sight« ist deutlich erkennbar. c Postoperative Placido-Topographie. Es ist der perfekt zentrierte, verzerrungsfreie Abtrag erkennbar. Die Pupillenkontur ist violett markiert: Die
zur präoperativen Situation identische Abweichung der »visual axis«
von der »line of sight« ist klar sichtbar. Visus unkorrigiert 1,25
a
b
c
8
118 Kapitel 8 · Technische Prinzipien
8
. Abb. 8.30 Topographien eines Patienten mit bilateralem Winkel κ nach hyperoper LASIK. Der Laser
wurde auf das Zentrum der Eintrittspupille am rechten Auge zentriert und auf den kornealen Lichtreflex
(1. Purkinje-Bild) am linken Auge. Man beachte die Dezentrierung des Abtrags auf dem rechten Auge.
(Mit freundlicher Genehmigung von Nepomuceno et al. 2004)
Behandlungssituation zu lokalisieren; sie hat aber eine
enge örtliche Korrelation zu Linie des 1. Purkinje-Bildes (»coaxially sighted corneal reflex«). Diese Referenzachse bzw. ihr Schnittpunkt mit der Hornhaut­
oberfläche ist am Laser bei Fixation stets exakt und
unzweifelhaft lokalisierbar und kann deshalb für alle
praktischen Belange als Referenzachse dienen.
4 Die praktischen Ergebnisse mit der Zentrierung auf
das erste Purkinje-Bild sind tatsächlich bei entsprechend großem Winkel κ besser als bei Zentrierung auf
die »line of sight«, wie an den folgenden Beispielen dargestellt wird.
… und die Pupille?
Wir haben gesehen, dass die Pupille für die optische Zentrierung der Abtragszone keine Rolle spielt. Da die Zone
der optischen Korrektur auf der Hornhaut (»optische
Zone«) aber in ihrem Durchmesser ja immer limitiert ist,
muss Vorkehrung getroffen werden, dass auch bei Erweiterung der Pupille unter mesopischen und skotopischen
Beleuchtungsverhältnissen möglichst nur Strahlen aus
dem korrigierten Anteil auf die Netzhaut gelangen. Dazu
muss die optische Zone so groß gewählt werden, dass die
Eintrittspupille auch bei solchen Beleuchtungsverhältnissen von ihr »abgedeckt« wird. Die Abtragszonen müssen
also keineswegs zur (Eintritts-)Pupille zentriert sein, sie
müssen sie aber unter allen praktisch relevanten Beleuchtungsbedingungen vollständig abdecken, um unerwünschte Lichterscheinungen (Halos, Streuung, Blendung)
zu vermeiden.
Zur Veranschaulichung sollen die . Abb. 8.27 bis
. Abb. 8.30 dienen.
Fazit für die Praxis
Die Zentrierung von Abtragszonen auf der Hornhautoberfläche zur Veränderung ihrer Wölbung und damit ihrer refraktiven Wirkung muss zur tatsächlich bei Fixation bestehenden visuellen Achse erfolgen. Weil diese »visual axis« in der
Behandlungssituation schwierig genau aufzufinden ist, kann
die Zentrierung mit vernachlässigbarem Fehler zur Achse
des koaxial betrachteten Hornhautreflexes des Fixationsobjektes als Referenzachse vorgenommen werden.
Als Referenzachse eignet sich am besten die Achse zum
1. Purkinje-Bild (»axis of the coaxially sighted corneal reflex«).
Die Eintrittspupille ist für die optische Zentrierung irrelevant; sie muss jedoch unter allen Beleuchtungsbedingungen, d. h. für alle praktisch relevanten Durchmesser, von
der optischen Zone abgedeckt sein.
6
8.5 · Zentrierung bei Refraktions­korrekturen mit dem Excimerlaser
In Fällen geringer myopischer Korrekturen und/oder geringfügigem Winkel κ induziert eine Zentrierung zur »line of
sight« Aberrationen (insbesondere Koma), die nicht selten
unterhalb der Schwelle klinischer Symptomatik bleiben. Bei
höheren Abtragsbeträgen, hyperopischen Abtragsprofilen
und/oder größerem Winkel kappa induziert eine Zentrierung zur »line of sight« Aberrationen, die zu symptomatischer Funktionsverschlechterung führen; insbesondere bei
Kombinationen der genannten Faktoren können solche Verschlechterung nicht nur ein massives Ausmaß annehmen,
sondern sind, wenn überhaupt, nur teilweise korrigierbar.
8.5.4
Literatur
1. Fay AM, Trokel SL, Myers JA /1992) Pupil diameter and the principal ray. J Cataract Refract Surg 18(4):348–51
2. Pande M, Hillman JS (1993) Optical zone centration in keratorefractive surgery. Entrance pupil center, visual axis, coaxially sighted corneal reflex, or geometric corneal center? Ophthalmology
100(8):1230–7
3. Uozato H, Guyton DL (1987) Centering corneal surgical procedures. Am J Ophthalmol 103(3 Pt 1):264–75. Erratum in: Am J
Ophthalmol 103(6):852
4. Nepomuceno RL, Boxer BS, Wachler, Kim JM, Scruggs R, Sato M
(2004) Laser in situ keratomileusis for hyperopia with the LADARVision 4000 with centration on the coaxially sighted corneal light
reflex. J Cataract Refract Surg 30(6):1281–6
5. Bueler M (1974) Optical zone and single pulse centration in corneal refractive laser surgery. Dissertation, Swiss Federal Institute
of Technology, Zürich
119
8
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