Kapitel 1

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Kapitel 1
Einleitung
Längenskala in Meter
In dieser Vorlesung werden wir uns mit den physikalischen Eigenschaften von Festkörpern beschäftigen, genauer mit Systemen, die in einer kondensierten Phase vorliegen. Man spricht deswegen auch von Physik der kondensierten Materie. Was sind die grundlegenden Fragen
in diesem Forschungsgebiet? Hier sollen zunächst einige
grundsätzliche Überlegungen angestellt werden. Warum
ist ein bestimmter Körper "fest“? Was sind seine physikalischen Eigenschaften, d.h. wie ist seine elektrische und
thermische Leitfähigkeit? Wie verhält er sich bei sehr tiefen Temperaturen, bei sehr hohen Drücken, in sehr hohen Magnetfeldern? Unter welchen Voraussetzungen ist
ein Festkörper magnetisch oder supraleitend? Wie verhält
sich ein Festkörper unter Bestrahlung mit elektromagnetischer Strahlung? Wann wird die Strahlung absorbiert bzw.
reflektiert?
Man kann den Themenkomplex auch von einer anderen Perspektive aus angehen. Die Physik der kleinen und
kleinsten Strukturen ist die Domäne der Elementarteilchenphysik. Auf der anderen Seite steht die Astrophysik,
die sich mit sehr grossen Strukturen unseres Universums
beschäftigt. Was passiert im Zwischenbereich, der mehr
unserem täglichen Leben entspricht? Welche neue Physik
spielt hier eine Rolle? Beginnen wir beim theoretischen
Konzept. Wie beschreibt man in der Quantenmechanik ein
System, das aus vielen einzelnen Teilchen besteht?
1015
10
10
1 Lichtjahr
Abstand Pluto-Sonne
Abstand Erde-Sonne
Sonne (700 000 km)
105
10-10
Erde (12 000 km)
Berge und Seen
Mensch
Brokkoli
Kristalle Ameise
Haar
Störstellen-Abstand
Viren Transistoren
DNA, grosse Moleküle
Wasserstoffatom
10-15
Kerndurchmesser
100
-5
10
}
Festkörperphysik
Der Hamiltonoperator eines wechselwirkenden VielteilchenDie Quantenmechanik gibt uns einen Lösungsweg des Problems.
systems sieht wie folgt aus:
p2
+ ∑ V (ri ) +
H= ∑ i
∑ V (ri , rj )
i
i,j
i 2mi
´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹¸¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶
´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¸ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶
´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¸ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶
kinetische Energie
potentielle Energie im
externen Potential
1.1
potentielle Energie aufgrund
der Wechselwirkung der
Teilchen untereinander
Kapitel 1. Einleitung
Die verschiedene Beiträge zu diesem Hamiltonoperator sind im Prinzip bekannt. Die potentielle Energie im externen Potential
V (ri ) könnte z.B. die Energie der Elektronen in einem periodischen Kristallgitter sein. Die relativen potentiellen Energien der
Teilchen untereinander können z.B. im Falle eines Coulombgases beschrieben werden durch:
V (ri , rj ) = V (ri − rj ) =
1
e2
4πε0 ∣ri − rj ∣
Manchmal wird von "the theory of everything"gesprochen. Gemeint ist damit eine Theorie, die in einem gewissen Parameterbereich alle bekannten Phänomene richtig beschreibt. Für die Festkörperphysik existiert im Prinzip eine solche Theorie, die
durch obigen Hamiltonoperator beschrieben wird. Nur in wenigen Fällen müssen auch relativistische Effekte mit Hilfe der DiracGleichung einbezogen werden. Trotzdem ist dieser Ansatz im Allgemeinen wenig hilfreich. Schon bei einer Teilchenzahl von
10 ist die Viel-Teilchen-Schrödingergleichung praktisch kaum mit numerischen Methoden zu lösen. Analytische Ansätze haben
abgesehen von wenigen Ausnahmen natürlich noch weniger Aussicht auf Erfolg.
Die Festkörperphysik ist damit ein echtes Arbeitsfeld für die Quantenmechanik und ihre Anwendung in vielerlei verschiedenen
Problemstellungen. Es ist immer wichtig, sich die grundlegenden physikalischen Rahmenbedingungen eines Problems klar zu
machen, um dann den Lösungsweg für die Erklärung der experimentellen Phänomene zu finden. Im Folgenden werden wir die
Grundphänomene in Kristallgittern, d.h. in periodisch angeordneten Atomsystemen analysieren. Dazu gehören das Verständnis
der Symmetrien in drei Dimensionen, die Eigenschaften periodischer Potentiale allgemein sowie die daraus folgenden Konsequenzen für Ladungstransport, Wärmetransport etc. In der zweiten Hälfte des Semesters werden wir uns dann auf spezielle
Phänomene in Festkörpern konzentrieren, wie das Verhalten Verhalten von Metallen, Isolatoren und Halbleitern sowie Magnetismus und Supraleitung.
1.2
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