Kapitel 1

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ANALYSIS I
Prof. König, WS 2012/13
Literatur
[1] Ch. Blatter; Analysis I, Springer HTB
[2] O. Forster; Analysis I, Vieweg
[3] W. Kaballo; Einführung in die Analysis I, Spektrum
[4] H. Amann, J. Escher; Analysis I, Birkhäuser
[5] W. Walter; Analysis I, Springer HTB
[6] H. Heuser; Lehrbuch der Analysis I, Teubner
[7] M. Barner, M. Flohr; Analysis I, de Gruyter
[8] S. Lang; Analysis, Addison Wesley
[9] J. Dieudonné; Foundations of Modern Analysis, Academic Press
[10] W. Rudin; Principles of Mathematical Analysis, Mc Graw Hill
1
Inhaltsverzeichnis
1 Grundlagen
1.1 Gegenstand der Grundvorlesungen . . . . . .
1.2 Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4 Mathematische Aussagen . . . . . . . . . . . .
1.5 Aussagenlogik . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.6 Quantoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.7 Kartesisches Produkt . . . . . . . . . . . . . .
1.8 Injektivität, Surjektivität, Bijektivität . . . .
1.9 Zum Zahlbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.10 Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.11 Ordnungsaxiome . . . . . . . . . . . . . . . .
1.12 Die natürlichen, ganzen und rationalen Zahlen
1.13 Beweise durch vollständige Induktion . . . . .
1.14 Das Vollständigkeitsaxiom . . . . . . . . . . .
1.15 Summen, Produkte, Binomischer Lehrsatz . .
1.16 Existenz von Wurzeln . . . . . . . . . . . . . .
1.17 Abzählbare Mengen . . . . . . . . . . . . . . .
1.18 Komplexe Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1.1
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2
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20
22
23
24
Grundlagen
Gegenstand der Grundvorlesungen
Die Mathematik macht Aussagen über Mengen und abstrakte Strukturen (wie Zahlen,
Abbildungen und Räume), die durch logische Schlüsse aus wenigen Axiomen (grundlegenden Aussagen) abgeleitet ( bewiesen”) werden. Grundlegend sind folgende zentrale
”
Begriffe:
LINEARE ALGEBRA
ANALYSIS
Reelle Funktionen
Vektorräume, lineare Abbildungen
Grenzwert, Stetigkeit
Gleichungssysteme
Ableitung und Integral
Eigenwerttheorie
Die Mathematik arbeitet mit abstrakten Begriffsbildungen, die auf Grund ihrer Allgemeinheit vielseitig anwendbar sind, etwa:
Ableitung einer Funktion = qualitative Beschreibung des Änderungsverhaltens einer
Funktion, z.B.
Funktion
Ableitung
Ort eines Körpers zur Zeit t
Geschwindigkeit
Temperatur als Funktion der Zeit
Abkühlung oder Erwärmung
Masse als Funktion des Ortes
Massendichte
2
Naturgesetze sind oft Gesetze über die örtliche oder zeitliche Änderung bestimmter Funktionen: Differentialgleichungen. Etwa: Die Abkühlung einer Flüssigkeit ist proportional zur
Temperaturdifferenz zur Umgebung: T 0 (t) = −c(T (t) − T0 ).
1.2
Mengen
Die Umgangssprache ist oft ungenau. Zur genauen Formulierung von Ergebnissen bedient
sich die Mathematik der Mengenlehre.
Eine Menge ist eine Zusammenfassung von wohlbestimmten und wohlunterschiedenen
”
Objekten (den Elementen) zu einer Gesamtheit” (Cantor, 1895).
Bezeichnung: x ∈ M für x ist Element der Menge M ”; x 6∈ M : x ist nicht Element in
”
”
M ”.
Zwei Mengen sind gleich, wenn sie dieselben Elemente enthalten. Die Reihenfolge der
Elemente spielt dabei keine Rolle. Enthält eine Menge M nur endlich viele Elemente
x1 , · · · , xn , schreibt man M = {x1 , · · · , xn }. Ferner:
∅ bezeichne die leere Menge, also die Menge ohne Elemente, die von Null zu unterscheiden ist.
Eine Menge kann wieder Element einer anderen Menge sein, zu unterscheiden sind:
x,
{x},
{{x}}.
Analoge Mengenschreibweise bei unendlichen Mengen, wenn das Bildungsgesetz klar ist:
N = {1, 2, 3, · · · }
natürliche Zahlen,
Z = {0, +1, −1, +2, −2, · · · }
ganze Zahlen,
Q = rationale Zahlen, R = reelle Zahlen.
Obige Definition der Menge ist eine naive”, sie kann bei extensiver Auslegung zu Anti”
nomien führen.
Beispiel. Russellsche Antinomie:
M = Menge aller Mengen, die sich nicht selbst als Element enthalten. Dies ist
widersprüchlich in sich, denn gilt M ∈ M ?
Wenn ja, M 6∈ M , Widerspruch. Wenn nein, M ∈ M , Widerspruch.
Dies Problem tritt nur auf bei der Bildung von Mengen von Mengen verschiedener Stu”
fe”. Unproblematisch ist die Bildung von Teilmengen einer von vornherein bekannten
Grundmenge (wie R, Z, N) durch Aussonderung.
Mathematische Aussagen über Elemente von Mengen sind entweder wahr (w) oder
falsch (f). Dies ist ein ausschließliches oder, tertium non datur. Man hat etwa
A1 : 2 · 2 = 5 f,
A2 : 4 > 0 w.
Ist A(x) eine Aussage über die Elemente x einer Menge M , bezeichnet
{x | x ∈ M A(x) gilt} = {x ∈ M | A(x) gilt} = {x ∈ M | A(x)}
3
die Teilmenge von M derjenigen x, für die die Aussage A(x) wahr ist. Etwa
N1 = {n ∈ N | n ist Quadratzahl}, N2 = {x ∈ R | x2 = −1} = ∅.
Teilmengen: N ⊂ M bedeutet: Aus x ∈ N folgt x ∈ M , d.h. alle Elemente von N liegen
in M .
N = M bedeutet N ⊂ M und M ⊂ N . Um die potentielle Gleichheit zu betonen, wird
N ⊂ M auch als N ⊆ M geschrieben. Man hat N ⊂ Z ⊂ Q ⊂ R und ∅ ⊂ M .
Sind M und N Mengen, heißt
1
M ∩ N := {x | x ∈ M und x ∈ N }
Durchschnitt von M und N ,
M ∪ N := {x | x ∈ M oder2 x ∈ N }
Vereinigung von M und N .
M und N sind disjunkt, wenn M ∩ N = ∅.
Das Komplement von M in N ist N \ M := {x ∈ N | x 6∈ M }; falls M ⊂ N und N
bekannt ist, schreibt man oft auch C M = CN M = N \ M für das Komplement von M
(in N ).
Lemma. Seien M1 , M2 , N Mengen. Dann gilt:
(1) M1 ∪ M2 = M2 ∪ M1 ,
(2)
M1 ∩ M2 = M2 ∩ M1
N ∩ (M1 ∪ M2 ) = (N ∩ M1 ) ∪ (N ∩ M2 )
N ∪ (M1 ∩ M2 ) = (N ∪ M1 ) ∩ (N ∪ M2 )
Kommutativität .
)
Distributivität .
Beweis von (2), 1. Zeile:
x ∈ N ∩ (M1 ∪ M2 ) ⇔ x ∈ N und x ∈ M1 ∪ M2
⇔ x ∈ N und (x ∈ M1 oder x ∈ M2 ).
2 Fälle: x ∈ M1 , x ∈ M2
⇔ (x ∈ N und x ∈ M1 ) oder (x ∈ N und x ∈ M2 )
⇔ x ∈ N ∩ M1 oder x ∈ N ∩ M2
⇔ x ∈ (N ∩ M1 ) ∪ (N ∩ M2 ).
Ist M eine Menge, nennt man P(M ) := {N | N ⊆ M } die Potenzmenge von M . Ist
x ∈ M , so gilt {x} ∈ P(M ).
1
2
:= bedeutet: definitionsgemäß gleich
beides ist auch zugelassen
4
1.3
Funktionen
Der Begriff der Abbildung oder Funktion ist erst vor 150 Jahren klar formuliert worden, nachdem in der Theorie der Fourierreihen Probleme mit der herkömmlichen vagen
Vorstellung entstanden waren.
Definition. Seien X, Y Mengen. Eine Abbildung oder Funktion f von X nach Y ,
Schreibweise f : X → Y , ist eine Vorschrift, die jedem x ∈ X genau ein y ∈ Y , y = f (x),
das Bild von x unter f , zuordnet. X heißt Definitionsbereich von f , Y Wertebereich.
Bemerkung. (1) Die Definition ist unsymmetrisch, sie beinhaltet nicht, dass auch
jedem y ∈ Y ein x ∈ X zugeordnet wäre.
(2) Es ist wichtig, zwischen der Abbildung f und dem Bildelement f (x) ∈ Y zu unterscheiden.
(3) Zwei Abbildungen f1 , f2 : X → Y sind gleich, wenn sie überall gleiche Bilder haben.
Eine konkrete Beschreibung von f : X → Y wird durch eine präzise Vorschrift
gegeben; meist nach dem folgenden Schema:
)
f : X → Y,
x 7→ . . .
Die Vorschrift allein reicht nicht, zu f gehört auch die
Angabe von Definitionsbereich und Wertebereich!
f : X → Y,
f (x) := . . .
Etwa:
(a) f : R → R,
(b) g : R → R,
x 7→ x2
0, x ∈ Q
x 7→
1, x ∈
6 Q
(c) M Menge, C : P(M ) → P(M ),
(d) M Menge, IdM : M → M,
N 7→ CN = M \ N
x 7→ x
Identische Abbildung.
Ist f : X → Y eine Abbildung und A ⊂ X, B ⊂ Y , heißen
f (A) := {f (x) | x ∈ A}
Bild von A unter f,
f −1 (B) := {x | x ∈ X, f (x) ∈ B}
Urbild von B unter f.
In 2. etwa g −1 ({0}) = Q, g(Q) = {0}, Schreibweise: f −1 (y) := f −1 ({y}).
Definition. Kompositionen von Abbildungen sind Zusammensetzungen solcher: Sind
f : X → Y und g : Y → Z Abbildungen, erhält man durch
g ◦ f : X → Z,
(g ◦ f )(x) := g(f (x)) für x ∈ X
die Komposition h := g ◦ f .
5
Beispiel.
f : R → R,
x 7→ x2
g : R → R,
x 7→ x + 5
)
(g ◦ f )(x) = x2 + 5
(f ◦ g)(x) = (x + 5)2
Also f ◦ g 6= g ◦ f (i.a.), d.h. die Komposition ◦ ist nicht kommutativ.
Aber ◦ ist assoziativ: h ◦ (g ◦ f ) = (h ◦ g) ◦ f (wenn dies wohldefiniert ist, d.h. das Bild
der Abbildung f bzw. g im Definitionsbereich von g bzw. h liegt).
1.4
Mathematische Aussagen
Die Formulierung von mathematischen Ergebnissen geschieht in Sätzen, Theoremen
(wichtigen Ergebnissen), Korollaren (einfachen Folgerungen) und Lemmata (Hilfssätzen)
unter genauer Angabe der Voraussetzungen.
Beweise sind die Herleitung der Behauptung von Sätzen etc. aus bekannten Tatsachen
durch logische Schlüsse.
Definitionen sind Festlegungen neuer Begriffe, oft mittels logischer Symbole.
Notationen sind Bezeichnungen für Objekte durch Symbole, etwa N für die natürlichen
Zahlen.
Die Einführung guter” Definitionen und sinnfälliger Notationen ist in der Praxis wichtig,
”
etwa für die Entstehung neuer Vermutungen durch Analogien. So war etwa die römische
Zahldarstellung sehr umständlich (Rechnungen behindert, schlechte Notation); die Notadf
für die Ableitung einer Funktion ist sehr sinnfällig (wegen der Analogie
tion f 0 (x) = dx
zum Differenzenquotienten).
Bei Beweisen unterscheidet man zwischen direkten und indirekten; der direkte führt
durch eine Folge von logischen Schlüssen zur Behauptung. Beim indirekten Beweis nimmt
man an, die Behauptung sei falsch und konstruiert dann einen Widerspruch zur Voraussetzung.
Beispiel. für letzteres: Es gibt unendlich viele Primzahlen (Euklid).
Beweis. Angenommen, es gäbe nur endlich viele Primzahlen, ordne sie der Größe nach,
p1 ≤ · · · ≤ pn . Bilde pn+1 := p1 · · · pn + 1. Dann ist pn+1 Primzahl, da Division durch
p1 , · · · , pn stets Rest 1 ergibt. Widerspruch zur Annahme, dass pn die größte Primzahl
war.
1.5
Aussagenlogik
Die Prädikatenlogik befasst sich mit Aussagen und ihren Verknüpfungen. Mathematisches Schließen besteht formal im einwandfreien Umgang mit Aussagen über mathematische Gegenstände.
Zweiwertige Logik: Jede (mathematische) Aussage hat einen Wahrheitswert (WW):
sie ist entweder wahr (w) oder falsch (f) – ausschließliches oder hier.
6
Eine mathematische Aussage darf also auch falsch sein (uninteressanter Fall), mitunter
ist auch nicht bekannt, ob sie wahr ist.
A1 : 2 · 2 = 5
(f)
A2 : Für alle 0 6= x ∈ Q gilt x2 > 0
(w)
A3 : n ∈ 2 · N ⇒ n ist Summe zweier Primzahlen .
A3 ist die Goldbachsche Vermutung, von der man nicht weiss, ob sie wahr oder falsch ist.
Logische Verknüpfungen von Aussagen A, B:
¬A
nicht A, Negation:
entgegengesetzter WW wie A
A ∧ B A und B, Konjunktion:
genau dann wahr, wenn sowohl A als
auch B wahr sind.
A ∨ B A oder B, Disjunktion:
genau dann wahr, wenn mindestens eine
der Aussagen A oder B wahr ist.
A⇒B
aus A folgt B”, Implikation: nur dann falsch, wenn A wahr ist und B
”
falsch ist.
A⇔B
A ist äquivalent zu B”:
A ⇒ B und B ⇒ A.
”
Wahrheitstabelle
A B ¬A A ∧ B
w w
f
w
w f
f
f
f w w
f
f f
w
f
A∨B
w
w
w
f
A⇒B
w
f
w
w
(¬A) ∨ B
w
f
w
w
A⇔B
w
f
f
w
(¬A) ⇒ (¬B)
w
w
f
w
Mathematische Sätze haben meist die Form Aussage A ⇒ B ist wahr”, d.h. falls die
”
Voraussetzung Aussage A ist richtig” gilt, folgt die Behauptung B ist wahr”. Falls A
”
”
falsch ist, wird keine Aussage gemacht, ob B gilt oder nicht gilt!
A ⇒ B hat den gleichen WW wie (¬A) ∨ B und wie (¬B) ⇒ (¬A): Kontraposition
von A ⇒ B.
Dies ist die schon illustrierte Technik des indirekten Beweises: statt A ⇒ B” zu beweisen
”
( A ⇒ B ist wahr”), zeigt man (¬B) ⇒ (¬A). Dazu Annahme, B sei falsch. Leite A
”
”
falsch” her (dann (¬A) ∨ B wahr).
Gilt A ⇒ B”, sagt man, A sei hinreichende Bedingung für B,
”
und B sei notwendige Bedingung für A.
In der Praxis:
Bevorzugung wahrer Aussagen; man schreibt nur Aussagen nieder, die
wahr sind oder deren Wahrheit man behauptet. Interpretation von
A ⇒ B als B wahr, sofern A wahr”.
”
De Morgansche Negationsregeln: Es haben gleiche Wahrheitswerte:
(1) ¬(A ∨ B) und (¬A) ∧ (¬B)
(2) ¬(A ∧ B) und (¬A) ∨ (¬B)
(3) ¬(A ⇒ B) und A ∧ (¬B).
7
1.6
Quantoren
Häufig kommen Aussagen vor, in denen eine freie” Variable x auftritt, etwa
”
A(x) : x ist Primzahl.
Das wird erst sinnvoll, wenn die Grundmenge derjenigen x spezifiziert wird, für die die
Aussage gemacht wird (oben etwa für x ∈ N).
Aus der Aussageform A(x) kann man vermittels der Quantoren
∃ es gibt” und ∀ für alle”
”
”
Aussagen bilden: M sei Menge, A(.) Aussage mit einer Variablen .
∀x∈M : A(x) Für alle x ∈ M ist A(x) wahr”: M = {x ∈ M |A(x)}.
”
∃x∈M : A(x) Es gibt x ∈ M , für das A(x) wahr ist”: ∅ =
6 {x ∈ M |A(x)}.
”
1
∃x∈M : A(x) Es gibt genau ein x ∈ M , für das A(x) gilt”: {x ∈ M |A(x)} hat genau
”
1 Element.
Negation von Quantorenaussagen
(Wichtig für indirekte Beweise von Aussagen wie ∀x∈M : A(x))
¬(∀x∈M : A(x)) ⇔ ∃x∈M : ¬A(x)
¬(∃x∈M : A(x)) ⇔ ∀x∈M : ¬A(x)
Denn: ¬ (∀x∈M : A(x)) ⇔ M 6= {x ∈ M |A(x)}
⇔ M \ {x ∈ M |A(x)} =
6 ∅ ⇔ {x ∈ M |¬A(x)} =
6 ∅
⇔ ∃x∈M : ¬A(x).
Bei Negation Quantoren vertauschen, Aussage negieren.
Beispiel. Sei p ∈ N. p prim :⇔ ∀n∈N [n teilt p ⇒ (n = 1 ∨ n = p)]
p nicht prim ⇔ ∃n∈N ¬(n teilt p ⇒ (n = 1 ∨ n = p))
⇔ ∃n∈N (n teilt p) ∧ ¬(n = 1 ∨ n = p)
⇔ ∃n∈N (n teilt p) ∧ (n 6= 1) ∧ (n 6= p).
Beispiel. Beliebige Durchschnitte und Vereinigungen
Sei M eine Menge von Mengen.
Durchschnittsmenge
T
M := {x|∀M ∈M : x ∈ M } ,
M ∈M
Vereinigungsmenge
S
M ∈M
8
M := {x|∃M ∈M : x ∈ M } .
Satz (de Morgansche Regeln). Seien X eine Menge und M eine Menge von Teilmengen von X. Dann gilt
T
S
(1) CX
M ∈M M =
M ∈M CX M .
T
S
(2) CX
M ∈M M =
M ∈M CX M .
Beweis von (1):
x ∈ CX
S
M
⇔x∈X ∧¬ x∈
M ∈M
S
M
M ∈M
⇔ x ∈ X ∧ ¬ (∃M ∈M x ∈ M )
⇔ x ∈ X ∧ (∀M ∈M x 6∈ M )
⇔ ∀M ∈M (x ∈ X ∧ x 6∈ M )
⇔ ∀M ∈M x ∈ CX M ⇔ x ∈
T
CX M.
M ∈M
1.7
Kartesisches Produkt
Bei einem geordneten Paar (a1 , a2 ) von 2 Objekten a1 , a2 ist die Reihenfolge wichtig;
a1 (a2 ) ist die 1. (2.) Komponente von (a1 , a2 ).
[a1 = a2 möglich; (a1 , a2 ) = (b1 , b2 ) ⇔ (a1 = b1 ∧ a2 = b2 ).]
I.A. (a1 , a2 ) 6= (a2 , a1 ), im Unterschied zur Menge {a1 , a2 } = {a2 , a1 }.
Definition. Seien M1 , M2 Mengen. Das Kartesische Produkt M1 × M2 von M1 und
M2 ist gegeben durch
M1 × M2 := {(x1 , x2 )|x1 ∈ M1 ∧ x2 ∈ M2 }.
Speziell ist für uns wichtig: R2 := R × R. Anschauliche Vorstellung:
9
Analoges Vorgehen bei n Mengen M1 , · · · , Mn führt zu M1 × · · · × Mn , der Menge aller
(geordneten) n-Tupel (x1 , · · · , xn ) mit x1 ∈ M1 , · · · , xn ∈ Mn ; xi = i-te Komponente
von (x1 , · · · , xn ). Etwa: R3 := R × R × R dreidimensionaler Anschauungsraum.
Ist f : X → Y eine Abbildung, so ist der Graph von f eine Teilmenge von X × Y ,
nämlich
Γ(f ) := {(x, y) ∈ X × Y | y = f (x)}.
Γ := Γ(f ) hat die charakteristische Eigenschaft
∀x∈X
1.8
∃1y∈Y
(x, y) ∈ Γ
(f ist hieraus rekonstruierbar).
Injektivität, Surjektivität, Bijektivität
Definition. f : X → Y ist surjektiv oder auf Y :⇔ f (X) = Y ,
d.h. ∀y∈Y ∃x∈X f (x) = y, oder auch: ∀y∈Y f −1 ({y}) 6= ∅.
Man hat stets: f¯ : X → f (X) ist surjektiv (Einschränkung des Wertebereiches).
x 7→
f (x)
Definition. f : X → Y ist injektiv oder eineindeutig :⇔
∀x1 ,x2 ∈X
(x1 6= x2 ⇒ f (x1 ) 6= f (x2 )),
d.h. verschiedene Punkte in X haben verschiedene Bildpunkte in Y .
Gleichwertig: ∀x1 ,x2 ∈X
∀y∈Y
Beispiele.
(f (x1 ) = f (x2 ) ⇒ x1 = x2 )
(f −1 ({y}) = ∅ ∨ f −1 ({y}) einelementig)
(1) Z → Z, x 7→ x2 ist nicht injektiv (12 = (−1)2 ),
10
(2) N → N, x 7→ x2 ist injektiv,
(3) Z → Z, x 7→ x3 ist injektiv, nicht surjektiv.
Definition. f : X → Y ist bijektiv :⇔ f ist injektiv ∧ f ist surjektiv.
⇔ ∀y∈Y
f −1 ({y}) ist einelementig.
⇔ ∀y∈Y
∃1x∈X
y = f (x).
Dann ist die Umkehrabbildung f −1 : Y → X wohldefiniert.
y=f (x)7→x
Man hat: ∀x∈X
x = f −1 (f (x)),
∀y∈Y
y = f (f −1 (y)).
Vorsicht: Mehrdeutigkeit in der Bezeichnung f −1 : Umkehrabbildung und Urbild. Das
Urbild ist stets definiert, die Umkehrabbildung nur für bijektive Abbildungen f .
Satz. Sei f : X → Y Abbildung ⇒ (f bijektiv ⇔ ∃g:Y →X
(g ◦ f ) = idX ∧ (f ◦ g) = idY ).
Beweis. “⇒:” g = f −1 Umkehrabbildung.
“ ⇐:00 f ist injektiv: ∀x1 ,x2 ∈X : x1 6= x2 ⇒ g(f (x1 )) = x1 6= x2 = g(f (x2 ))
⇒ f (x1 ) 6= f (x2 ).
f ist surjektiv:
f (X) ⊇ f (g(Y )) = (f ◦ g)(Y ) = IdY (Y ) = Y, f (X) = Y.
Satz (Rechenregeln). Für f : X → Y, A1 , A2 ⊂ X und B1 , B2 ⊂ Y gilt
(∗)
(1) f (A1 ∩ A2 ) ⊆ f (A1 ) ∩ (A2 ),
(2) f (A1 ∪ A2 ) = f (A1 ) ∪ f (A2 ),
(3) f −1 B1 ∩∪ B2 = f −1 (B1 ) ∩∪ f −1 (B2 ),
(4) f −1 (B2 \ B1 ) = f −1 (B2 ) \ f −1 (B1 ),
(5) A1 ⊆ f −1 (f (A1 ))
(6) f (f −1 (B1 )) = B1 ∩ f (x).
Beweis: Übung, $ in (∗) : A = R+ ,
f (A ∩ B) = {0}.
1.9
B = R− ,
f (x) = x2 ,
f (A) ∩ f (B) = A,
Zum Zahlbegriff
Grundlegend für die Analysis sind die reellen Zahlen
R.√Bisher haben wir ganz unbefangen
√
davon gesprochen. Wie führt man aber etwa 2 ein? 2 ist nicht rational, d.h. nicht von
der Form
√ p/q mit p, q ∈ Z, q 6= 0.
(Wäre 2 = p/q, o.B.d.A. (p, q) := ggT (p, q) = 1 nach Kürzen. Dann p2 = 2q 2 , p2 gerade,
d.h. p gerade, p = 2m, p2 = 4m2 = 2q 2 , 2m2 = q 2 , d.h. q 2 gerade, 2|(p, q). Widerspruch.)
R hat also Lücken” von nicht-rationalen Zahlen.
”
11
Obige Schlüsse wie Kürzen” oder p2 gerade ⇒ p gerade” sind nicht weiter begründet
”
”
worden: Sie lassen sich aber aus gewissen Grundannahmen und Grundregeln (Axiomen)
herleiten.
Gewisse exakt formulierte und bewusst gemachte Grundvoraussetzungen, Axiome,
benötigt man für den Aufbau jeder Theorie. Aus diesen sollen dann alle Aussagen durch
logische Schlüsse abgeleitet werden. An die Axiome sind folgende Forderungen zu stellen:
(1) Widerspruchsfreiheit (ein Axiom nicht im Widerspruch zu Folgerung aus anderem),
(2) Einfachheit (sie sollen einleuchtend” sein),
”
(3) Minimalität (möglichst wenig Axiome).
Nachteil: Mühsam und umständlich, viele elementare Aussagen sind zunächst zu beweisen, ohne große Ideen. Erfordert eigene Vorlesung Begründung des Zahlsystems”.
”
Vorteil: Klare Begründung.
Wir werden das Axiomensystem der reellen Zahlen angeben und einige (elementare) Folgerungen beispielhaft ableiten. Dass ein (eindeutig bestimmtes) Zahlsystem existiert, das
den zu nennenden Axiomen genügt, werden wir nicht beweisen. (Wird in obiger Vorlesung
getan.)
Die reellen Zahlen sind ein vollständiger, geordneter Körper. Demgemäß zerfallen die
Axiome von R in 3 Gruppen
(1) Körperaxiome: Additions- und Multiplikationsregeln,
(2) Ordnungsaxiome: Körper mit ≤ Ordnung (schließt C aus),
√
(3) Vollständigkeit: R soll keine Lücken (wie 2) haben (schließt Q aus).
1.10
Körper
Die Axiome formulieren die Grundregeln für Addition und Multiplikation. Subtraktion
und Division werden später definiert.
Definition. Ein Körper ist ein Tripel (K, +, ·) bestehend aus einer Menge K und zwei
Operatoren +, · : K × K → K, so dass folgende Axiome gelten:
(K1) ∀x,y,z∈K (x + y) + z = x + (y + z),
(x · y) · z = x · (y · z)
Assoziativgesetze
(K2) ∀x,y∈K x + y = y + x, x · y = y · x Kommutativgesetze
(K3) ∃0,1∈K
∀x∈K
x + 0 = x, x · 1 = x
(K4) ∀x∈K (x∈K\{0}) ∃(−x)∈K (x−1 ∈K)
Existenz inverser Elemente
(K5) ∀x,y,z∈K x(y + z) = xy + xz
Existenz neutraler Elemente
x + (−x) = 0 (x · x−1 = 1)
Distributivgesetz.
12
Hierbei ist natürlich x + y := +(x, y), x · y = ·(x, y).
Klammerkonvention: Multiplikation bindet stärker als Addition (· vor +).
Wird x · y = y · x nicht verlangt, spricht man von Schiefkörpern; dann fordert man auch
das 2. Distributivgesetz (x + y) · z = xz + yz. Wegen (K1) verwenden wir die Schreibweise
x + y + z, x · y · z etc.
Definition. Für x, y ∈ K
[y 6= 0] setze x − y := x + (−y),
[x/y := x · y −1 ].
[Die rationalen Zahlen und die reellen Zahlen mit der gewöhnlichen Addition und Multiplikation erfüllen offenbar (K1)–(K5).]
Folgerungen aus den Körperaxiomen sind die üblichen Regeln der Buchstabenalge”
bra”. Einige Beispiele und ihre Ableitung:
1. Die 0 ist eindeutig bestimmt:
(00 ∈ K ist ebenfalls mit x + 00 = x; insbesondere 0 = 0 + 00 = 00 + 0 = 00 .)
2. Das Negative (−x) ∈ K von x ∈ K ist eindeutig bestimmt:
(x0 ∈ K mit x + x0 = 0. Addition von (−x) ergibt
(−x) = (−x) + 0 = (−x) + (x + x0 ) = ((−x) + x) + x0 = 0 + x0 = x0 .)
3. Die Gleichung a + x = b hat die eindeutig bestimmte Lösung x = b − a.
(Def)
( i) a + (b − a) = a + (b + (−a)) = a + (−a) + b = 0 + b = b.
ii) Eindeutigkeit: Sei a + y = b. Addition von (−a) ergibt
y = 0 + y = ((−a) + a) + y = (−a) + (a + y) = (−a) + b = b − a. )
4. Es ist −(−x) = x.
(Definition von −(−x) : (−x) + (−(−x)) = 0. Andererseits ist (−x) + x = 0. Die
Eindeutigkeit von −(−x) impliziert die Behauptung.)
5. x · 0 = 0.
(y + 0 = y ⇒ xy = x(y + 0) = xy + x · 0.
Die Addition von (−xy) ergibt 0 = xy + (−xy) = x · 0.)
Analog (Übung: −(x + y) = −x − y; 1, x−1 eindeutig bestimmt; x/y eindeutige Lösung
von yz = x; (x · y = 0 ⇔ x = 0 ∨ y = 0); (−x)y = −(xy); (−1)x = −x; (−x)(−y) = xy;
(x−1 )−1 = x; (xy)−1 = y −1 x−1 ; Bruchrechenregel” a/b · c/d = a · c/b · d; (x + y)(x − y) =
”
x2 − y 2 ; (x + y)(x + y) = x2 + 2 · x · y + y 2 mit 2 := 1 + 1.
1.11
Ordnungsaxiome
Man kann sich die reellen Zahlen als Punkte auf der Zahlengeraden vorstellen. Dort ist
eine Ordnung gegeben: x < y, das bedeutet: x liegt links von y. Die Axiome der Ordnung
sind:
13
Definition. K = (K, +, ·) sei Körper und R ⊂ K × K erfülle, wenn man
x < y :⇔ (x, y) ∈ R setzt, die folgenden Axiome: ∀x,y,z∈K
(O1) Entweder gilt
x=y
oder
y<z
x<y
(O2) Aus x < y
und
folgt
(O3) Aus x < y
folgt x + z < y + z
oder
y < x Trichotomie
x<z
Transitivität
Monotonie der Addition
(O4) Aus x < y und z > 0 folgt xz < yz
Dann heißt (K, +, ·, <) ein geordneter Körper.
Monotonie der Multiplikation
(Die rationalen Zahlen Q und die reellen Zahlen R erfüllen offenbar diese Axiome.)
Wir schreiben x ≤ y, falls (x < y oder x = y) gilt; x > y für y < x.
(−)
(−)
Gilt x > 0, so heißt x positiv; gilt x < 0, x negativ.
Gilt x ≥ 0, so heißt x nicht-negativ; gilt x ≤ 0, x nicht-positiv.
Folgerung (aus Ordnungsaxiomen). (Rechenregeln für Ungleichungen).
(a) Aus x > 0 folgt −x < 0 (x < 0 ⇒ −x > 0):
(0 < x ⇒ (−x) = (−x) + 0 < (−x) + x = 0).
(O3)
(b) Aus
x<y
(x < y
und
und
z < 0 folgt
yz < xz
(a)
0 < (−z) ⇒ x(−z) < y(−z), −xz < −yz. Addition von xz + yz).
(O4)
(c) Für x 6= 0 gilt x2 := x · x > 0 (also speziell 1 > 0)
(x > 0 : (O4), x < 0 : (−x) > 0, (−x)(−x) = x · x > 0).
(d) Aus 0 < x folgt 0 < 1/x
(x−1 = x(x−1 )2 . Aber (x−1 )2 > 0).
Ferner: x < y, u < v ⇒ x + u < y + v; x < y und xy > 0 ⇒ x−1 > y −1 ;
x < y, xy < 0 ⇒ x−1 < y −1 ; ac < bc und c > 0 ⇒ a < b;
a+b
< b; 0 < a < b, 0 < c < d ⇒ 0 < ac < bd.
a<b⇒a<
2
Definition. K geordneter Körper, x ∈ K. Betrag von x, sowie Vorzeichen von x


 x x>0
 1 x>0
0 x = 0 , sgn x :=
0 x=0 .
|x| :=


−1 x < 0
−x x < 0
Dann gilt: (a) |x| ≥ 0,
x = |x|sgn x,
(b) |xy| = |x| |y|,
|x| = | − x|,
|x| = 0 ⇔ x = 0,
sgn (x · y) = sgn x · sgn y,
(c) |x + y| ≤ |x| + |y|,
| |x| − |y| | ≤ |x − y|.
14
Beweis (c).
x+y ≥0
⇒ |x + y| = x + y ≤ |x| + |y|, da x ≤ |x|
x+y <0
⇒ (−x) + (−y) > 0, also |x + y| = |(−x) + (−y)| ≤ | − x| + | − y| = |x| + |y|.
Übung: |x| < ε ⇔ −ε < x < ε.
(−)
1.12
(−)
(−)
Die natürlichen, ganzen und rationalen Zahlen
Geordnete Körper gibt es viele: etwa Q, R. Zwecks Charakterisierung von R benötigt man
noch das Vollständigkeitsaxiom”, dass R keine Lücken” hat. Wir verschieben dieses
”
”
schwierigste Axiom noch etwas.
Zunächst zeigen wir, wie man mittels der Körperaxiome die natürlichen” Zahlen einführen”
”
”
kann. In geordneten Körpern:
2 := 1 + 1;
3 := 2 + 1 = 1 + 1 + 1, · · · , n := |1 + ·{z
· · + 1}.
n-mal
Präzise Definition über induktive Mengen”:
”
Definition. Sei K ein geordneter Körper (etwa R). M ⊂ K heißt induktive Menge :⇔
(a) 1 ∈ M ,
(b) wenn x ∈ M ist, so auch x + 1 ∈ M .
(also 1 + 1, 1 + 1 + 1 etc. in M .)
Definition. Der Durchschnitt aller induktiven Teilmengen von K (= R) heißt Menge der
natürlichen Zahlen N.
Offenbar ist das wieder eine induktive Menge, und zwar die kleinste solche Menge.
Satz (Induktionsprinzip). Sei M ⊂ N mit (a) 1 ∈ M , (b) (x ∈ M ⇒ x + 1 ∈ M ).
Dann ist M = N.
T
Beweis. M ist eine induktive Menge, N =
W ⇒ N ⊂ M , also N = M .
W ⊂K=R
induktiv
Das Induktionsprinzip ist die Grundlage der Beweismethode der vollständigen Induktion:
Sei A(n) eine Aussage über natürliche Zahlen. Kann man zeigen:
(1) Induktionsanfang: A(1) ist wahr und
(2) Induktionsschritt: A(n) ⇒ A(n + 1) gilt
(aus der Annahme, A(n) sei wahr, folgt: A(n + 1) ist wahr;
A(n) heißt dabei Induktionsvoraussetzung (IV)) ,
so ist A(n) für alle n ∈ N richtig.
Beweis. M := {n ∈ N| A(n) ist richtig} ⊂ N ist eine induktive Menge.
15
Bemerkung.
(1) Mit N0 := N ∪ {0} kann man auch mit A(0) anfangen.
(2) n > 0 ist für alle n ∈ N induktiv zu zeigen.
Definition. Z := {x ∈ K = R| x ∈ N oder −x ∈ N oder x = 0} ganze Zahlen,
Q := {x ∈ K = R| x = p/q mit p, q ∈ Z und q 6= 0} rationale Zahlen.
Wir identifizieren dabei p1 /q1 = p2 /q2 , wenn p1 q2 = p2 q1 ( Kürzen”).
”
Man zeigt dann: Q ist Körper (mit Addition, Multiplikation induziert von R = K); die
Anordnung von R macht Q zu einem geordneten (Unter-) Körper von R.
Von jetzt an Rechnen in N, Z, Q, R wie von der Buchstabenalgebra” aus der Schule
”
bekannt.
1.13
Beweise durch vollständige Induktion
Einige Beispiele für das Beweisprinzip der vollständigen Induktion.
Satz. ∀n∈N
1 + 2 + ··· + n =
n(n + 1)
.
2
n(n + 1)
A(n)”: 1 + · · · + n =
”
2
1·2
Induktionsanfang: A(1) richtig, da 1 =
2
n(n + 1)
(n + 1)(n + 2)
Induktionsschritt: 1 + · · · + (n + 1) =
+ (n + 1) =
, also gilt
(IV )
2
2
A(n + 1).
Beweis.
Bemerkung. Der Induktionsschritt würde auch für die falsche Aussage
(n + 1/2)2
1 + ··· + n =
2
funktionieren; der Induktionsanfang ist aber falsch.
Satz. (Bernoulli-Ungleichung). Für x > −1 und n ∈ N gilt (1 + x)n ≥ 1 + nx, wobei
an , a := 1 + x induktiv definiert ist.
Beweis. n = 1 Gleichheit.
Induktionsschritt: (1 + x)n+1 = (1 + x)n (1 + x)
| {z }| {z }
≥0
≥ (1 + nx)(1 + x) = 1 + nx + x + nx2
(IV )
>0
≥ 1 + (n + 1)x (x2 ≥ 0)
Analog: Beweis von Aussagen der Form
Für festes n0 ∈ N0 und alle n ∈ N mit n ≥ n0 gilt A(n)”.
”
Dann Induktionsanfang bei n0 (A(n0 ) gilt): Anwendung des Prinzips auf
B(n) = A(n + n0 − 1).
Satz. Für n ∈ N mit n ≥ 2 gilt 3n < 3n .
16
Beweis. n = 2 : 6 < 9. Induktionsschritt:
3(n + 1) = 3n + 3 < 3n + 3 < 3n + 3n + 3n = 3 · 3n = 3n+1 .
(IV )
Übung:
n
X
2
j = n(n + 1)(2n + 1)/6,
j=1
n
X
(2j − 1) = n2 .
j=1
Verschärfung des Prinzips der vollständigen Induktion:
Gilt A(1) und A(1) ∧ · · · ∧ A(n) ⇒ A(n + 1), folgt: ∀n∈N A(n) gilt.
Beweis. Induktionsprinzip auf B(n) = A(1) ∧ · · · ∧ A(n) anwenden.
Induktive Definition oder Konstruktion.
S n
Sei X eine Menge, Y :=
X , g : Y → X. Dann gibt es zu gegebenem x1 ∈ X
n∈N
genau eine Abbildung f : N → X mit
f (1) = x1 und ∀n∈N f (n + 1) = g((f (1), · · · , f (n)))
”
Rekursionsformel”.
Bemerkung. In Beispielen ist g oft nur von der letzten Komponente f (n) abhängig.
Beispiele. (1) f : N → N, f (1) := 1, f (n + 1) := 2f (n) [g(f (1), · · · , f (n)) = 2f (n) ].
⇒ f (1) = 1, f (2) = 2, f (3) = 4, f (4) = 16, f (5) = 216 = 65.536, f (6) hat 19.729
Stellen!
(2) Fibonacci-Folge f : N → N, f (1) := f (2) := 1, f (n + 1) := f (n) + f (n − 1).
[mit g(n) = 1, g(f (1), · · · , f (n)) = f (n−1)+f (n), n > 1]: 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, · · ·
(neugeborene Kaninchenpaare bringen nach dem ersten Monat jeden Monat ein
neues Paar zur Welt, f (n) = Kaninchenpaar-Zahl, die zu Beginn des n-ten Monats
vorhanden ist).
1.14
Das Vollständigkeitsaxiom
Um R von Q unterscheiden zu können, müssen wir noch formalisieren, dass R keine
”
Löcher hat”.
Definition. Sei K ein geordneter Körper und M ⊂ K. M ist nach oben beschränkt
:⇔ ∃c∈K ∀m∈M m ≤ c (Schreibweise M ≤ c). Analog nach unten beschränkt.
Es kann c ∈ M oder c 6∈ M sein. Gilt c ∈ M und M ≤ c, heißt c Maximum von M ,
c =: max M (analog c =: min M Minimum von M ).
Definition. Für M1 , M2 ⊂ K sei M1 ≤ M2 :⇔ ∀m1 ∈M1 ,
m2 ∈M2
: m1 ≤ m2 .
Definition. Sei K ein geordneter Körper und ∅ =
6 M ⊂ K nach oben beschränkt. Dann
heißt c ∈ K Supremum von M oder kleinste obere Schranke von M , sup M , wenn
17
1. M ≤ c (c ist obere Schranke),
2. Falls d ∈ K mit M ≤ d, folgt c ≤ d (c ist kleinste obere Schranke).
Entsprechend ist das Infimum von M , inf M , die größte untere Schranke von M :
c ≤ M und (d ≤ M ⇒ d ≤ c). Falls c ∈ M , gilt max M = sup M (inf M = min M ).
Vollständigkeitsaxiom. (V) Ein geordneter Körper ist vollständig, wenn jede nichtleere, nach oben beschränkte Menge ein Supremum besitzt.
Theorem. Bis auf Ordnungsisomorphie gibt es genau einen vollständigen, geordneten
Körper, nämlich den der reellen Zahlen R.1 (Landau, Grundlagen der Analysis).
D.h., falls (R1 , +, ·, ≤) und (R2 , +, ·, ≤) vollständig geordnete Körper sind,


 f (x + y) = f (x) + f (y) 
f (x · y) = f (x) · f (y)
∃f :R1 →R2 bijektiv : ∀x,y∈R1
.


x ≤ y ⇔ f (x) ≤ f (y)
Die Existenz eines vollständigen, geordneten Körpers wird durch eine mühsame Konstruktion bewiesen, ausgehend von N über Z und Q durch Vervollständigung”.
√
”
Wir zeigen unter Benutzung der Axiome jetzt (noch einmal), dass 2 6∈ Q ist:
√
Satz. Q ist nicht vollständig: 2 6∈ Q.
Beweis. Sei M := {x ∈ Q| x ≥ 0, x2 < 2}. Dann ist M < 3/2 (da 9/4 > 2).
Wäre Q vollständig, existierte s0 := sup M ∈ Q. Es gilt 1 < s0 < 3/2, da 12 = 1 < 2 und
M < 3/2. Behauptung: s20 = 2.
(i) s20 < 2 ist falsch: sonst sei h :=
dass s20 + 2s0 > 1. Also:
2−s20
.
2s0 +1
Dann ist 0 < h < 1, da wegen s0 > 1 gilt,
2 − s20 = 2hs0 + h > 2hs0 + h2 ,
h<1
d.h. (s0 + h)2 < 2. Somit wäre s0 + h ∈ M , s0 < s0 + h, d.h. M 6≤ s0 .
s2 −2
0
< s0 , denn s20 −2s0 −2 < 0 wegen 1 < s0 < 3/2.
(ii) s20 > 2 ist falsch: sonst sei s := s0 2s
0
Es folgt
2
2
s20 − 2
s0 − 2
2
2
s = s0 − 2s0
+
> s20 − (s20 − 2) = 2.
2s0
2s0
Also gilt für alle x ∈ M : x2 < 2 < s2 , d.h. M ≤ s : s ist obere Schranke von M ,
und s0 ist nicht die kleinste obere Schranke. Aus (i), (ii) folgt zwingend s20 = 2. Wäre s0 ∈ Q, s0 = m/n mit m, n teilerfremd in N,
m2 = 2n2 ⇒ m gerade (m ungerade ⇒ m2 ungerade), m = 2` mit ` ∈ N, m2 = 4`2 = 2n2 ,
n2 = 2`2 ⇒ n gerade ⇒ 2|m, 2|n. 1
ohne Beweis, wäre eigene Vorlesung
18
Äquivalent zum Vollständigkeitsaxiom (V) ist
(V’) Jede nicht-leere, nach unten beschränkte Menge reeller Zahlen hat ein Infimum, denn:
inf M = − sup M 0 ,
M 0 = {x|(−x) ∈ M }.
Definition. Intervalle. Seinen a, b ∈ R mit a < b. Setze
(a, b) := {x ∈ R| a < x < b} offenes Intervall,
[a, b] := {x ∈ R| a ≤ x ≤ b}
abgeschlossenes Intervall,
[a, b) := {x ∈ R| a ≤ x < b}, (a, b] := {x ∈ R| a < x ≤ b}
halboffene Intervalle,
b − a =: Länge des Intervalles.
Unterschied Maximum – Supremum:
sup (a, b) = b, max (a, b) existiert nicht, da b 6∈ (a, b),
sup [a, b] = b,
max [a, b] = b, da b ∈ [a, b].
Das Maximum muss zur Menge gehören, das Supremum kann zur Menge gehören, muss
es aber nicht.
Satz 1. Sei K ein geordneter Körper. Dann ist (V) äquivalent zu
(D) ∀∅6=A,B⊆K , A ≤ B ∃c∈K A ≤ c ≤ B.
[(A, B) heißt Dedekindscher Schnitt, c die Schnittzahl von (A, B).]
Beweis. (V)⇒(D): Seien ∅ =
6 A, B ⊆ K mit A ≤ B. Dann A nach oben beschränkt und
A ≤ sup A ≤ B (sup A =: c ≤ B, da ∀c0 ∈B⊆K A ≤ c0 , also c ≤ c0 ).
(D)⇒(V): B := {c0 ∈ K| A ≤ c0 } =
6 ∅ nach Voraussetzung. Das c aus (D) mit A ≤ c ≤ B
ist c = sup A.
Satz 2. Sei ∅ =
6 M ⊂ R, M ≤ c. Dann gilt: (c = sup M ⇔ ∀ε>0 ∃x∈M
c − ε < x ≤ c).
Beweis. ⇒:” ε > 0 ⇒ c − ε ist keine obere Schranke, d.h. ∃x∈M c − ε < x.
”
⇐:” Angenommen, c 6= sup M , also c > sup M . Sei ε := c − sup M (> 0). Dann ist
”
c − ε = sup M obere Schranke von M , also ∀x∈M c − ε ≥ x. Das ist die Negation der
rechten Seite.
Satz 3. (Archimedes). Für alle x ∈ R, x > 0 gibt es n ∈ N mit 1/n < x < n.
Beweis. A = {1/n| n ∈ N} hat inf A ≥ 0, da 1/n > 0. Wäre inf A = c > 0, so 2c > c.
Mit c = ε > 0 in Satz 2 gäbe es x = 1/n ∈ A (n ∈ N) mit 2c > x = 1/n, c > 1/2n.
Widerspruch zur Definition von c = inf A.
Satz 4. ∅ =
6 M ⊆ N ⇒ inf M ∈ M (Wohlordnung von N: inf als min angenommen).
19
Beweis. Wäre inf M 6∈ M , so 1 6∈ M (anderenfalls 1 = inf M ∈ M ). ⇒ ∀m∈M 1 < m.
⇒ 1 ∈ K := {k ∈ N| ∀m∈M k < m}. Für k ∈ K ist auch k + 1 ∈ K: Wäre dies falsch,
gäbe es m1 ∈ M mit k < m1 ≤ k + 1. Da inf M 6∈ M , gibt es m2 ∈ M mit m2 < m1 .
Also m2 ≤ k [2 ]. Widerspruch zu k ∈ K. Induktionsprinzip ⇒ K = N.
Sei m ∈ M beliebig. Da m ∈ M ⊆ N = K, gilt m < m. Satz 5. ∀x∈R, ε>0 ∃r∈Q x − ε < r < x + ε (Q liegt dicht in R).
( Zwischen je zwei reellen Zahlen liegt eine rationale Zahl, sogar unendlich viele”.)
”
Beweis. Sei m ∈ N mit 1/m < ε. Ebenso: Zu x > 0 gibt es n ∈ N mit n > mx (Satz 3),
und die Menge {n ∈ N| n > mx} besitzt ein kleinstes Element k ∈ N (Satz 4). Also ist
k − 1 ≤ mx < k. Setze r := k/m, d.h. r − 1/m ≤ x < r,
x − ε < x − 1/m < r < x + 1/m < x + ε.
Implizit wurde gezeigt: ∀x∈R ∃1n∈Z n ≤ x < n+1. Setze [x] := n, größte ganze Zahl ≤ x.
Satz 6. Seien ∅ =
6 A, B ⊆ R nach oben beschränkt. Dann gilt:
(i) sup(A + B) = sup A + sup B,
(sup(A · B) = sup A · sup B, wenn A, B ⊆ R+ ),
(ii) sup(A) = − inf(−A),
(iii) sup(rA) = r sup(A), falls r > 0; sup(rA) = r inf(A), falls r < 0,
(iv) f, g : M → R mit f (M ), g(M ) ≤ c ⇒ sup(f + g)(M ) ≤ sup f (M ) + sup g(M ).
1.15
Summen, Produkte, Binomischer Lehrsatz
Es folgen einige Konsequenzen aus den Körperaxiomen.
Mit Induktion ergibt sich aus den Assoziativ- und Kommutativgesetzen, dass
x1 + · · · + xn ,
x1 · · · · · xn
für x1 , · · · , xn ∈ K (Körper)
von der Klammerung und der Reihenfolge unabhängig sind. Setze
n
X
n
Y
xi := x1 + · · · + xn (Summe),
i=1
n
Speziell x :=
xi := x1 · · · · · xn (Produkt)
i=1
n
Y
x,
i=1
n! :=
n
Y
i (n-Fakultät), 0! := 1.
i=1
Für x ∈ K, x 6= 0 setze x−n := (x−1 )n , n ∈ N. Ferner x0 := 1. → (xm )m∈Z definiert.
2
aus Axiomen zu zeigen!
20
Satz 1. Sei K ein Körper und x ∈ K. Seien m, n ∈ N bzw. m, n ∈ Z, falls x 6= 0. Dann
gilt:
n
X
n m
n+m
n m
nm
x x =x
; (x ) = x ;
xi = (1 − xn+1 )/(1 − x), x 6= 1.
i=0
Beweis. Übung, Induktion.
n
n!
für k, n ∈ N0 mit 0 ≤ k ≤ n. Dann gilt:
Binomialkoeffizienten.
:=
k!(n − k)!
k
n
n
n
n
n+1
=
∈ N,
+
=
(Pascal-Dreieck).
k
n−k
k−1
k
k
n
n
n!
(n + 1)!
n+1
+
=
(k + (n − k + 1)) =
=
.
k−1
k
k!(n − k + 1)!
k!(n + 1 − k)!
k
Satz 2 (Binomischer Lehrsatz). Sei K ein Körper, n ∈ N, x, y ∈ K. Dann gilt:
n X
n k n−k
n
(x + y) =
x y .
k
k=0
Beweis. durch Induktion über n : n = 1 klar.
n⇒n+1:
k n−k Pn
Ind.
n
(x + y)n+1 = (x + y)(x + y)n = (x + y)
k=0 k x y
Vor.
n n
X
X n
n k n+1−k
k+1 n−k
x y
+
x y
.
=
k
k
{z
} |k=0
{z
}
|k=0
=I
n+1
X
=II
n
Substitutiere ` = k + 1 in I : I =
x` y n+1−` , also (` → k)
`−1
`=1
n
X
n
n
n+1
(x + y)
=
+
xk y n+1−k + xn+1 + y n+1
k
k−1
k=1
n+1
X
n + 1 k n+1−k
=
x y
.
k
k=0
Satz 3. Sei 0 ≤ k ≤ n. Die Anzahl der k-elementigen Teilmengen einer n-elementigen
n X
n
n
n
n
Menge ist
, die Zahl aller Teilmengen ist 2 . Also 2 =
.
k
k
k=0
Beweis. Induktion über n: n = 1 ist klar.
n ⇒ (n+1) : O.B.d.A. sei 1 ≤ k ≤ n. Die k-elementigen Teilmengen von {x1 , · · · , xn , xn+1 }
zerfallen in
21
– die, K0 , die xn+1 nicht enthalten,
– die, K1 , die xn+1 enthalten.
Die Zahl der Mengen in K0 ist nach Induktionsvoraussetzung nk . Da alle Mengen aus K1
das Element xn+1 enthalten, enthalten sie genau (k − 1) Elemente von {x
1 , · · · , xn }; die
n
Zahl der Mengen in K1 ist also nach Induktionsvoraussetzung also k−1 (Verschärfung
n
des Induktionsprinzips!). Aber n+1
= nk + k−1
.
k
Analog für die Zahl aller Teilmengen von {x1 , · · · , xn } : 2n + 2n = 2n+1 .
49
Beispiel. ∃
= 13.983.816 6-elementige Teilmengen einer Menge von 49 Kugeln.
6
49
Die Chance, beim Lotto 6 aus 49” richtig zu haben, ist 1 :
.
”
6
1.16
Existenz von Wurzeln
Satz. Seien a ∈ R+ ,√ n ∈ N. Dann existiert genau eine Zahl x ∈ R+ mit xn = a.
Bezeichnung: x =: n a = a1/n n-te Wurzel aus a.
Beweis. Für x > 0 gilt : x < y ⇔ xn < y n . Daraus folgt die Eindeutigkeit der n-ten
Wurzel. Zur Existenz:
M := {y ∈ R| y ≥ 0, y n < a} =
6 ∅, da 0 ∈ M . M ist nach oben beschränkt, da
n
y ∈ M ⇒ y < a < 1 + na ≤ (1 + a)n , y < 1 + a.
Bernoulli
Also existiert ξ = sup M ∈ R. Indirekte Annahme: ξ n 6= a. 2 Fälle:
n
1
n n−1
a − ξn
n
.
(i) ξ < a. Sei α :=
ξ
+ ··· +
. Es gibt ` ∈ N mit <
1
n
` | {z
α }
>0
1 n
1 n n−1
1 n
n
(ξ + ) = ξ +
ξ
+ ··· + n
`
` 1
` n
1
≤ ξ n + α < a.
`
Das ist ein Widerspruch zur Definition von ξ .
1
n
n
n
(ii) ξ > a. Sei α := nξ /[ξ(ξ − a)]. Wähle ` ∈ N, ` > max
, α . Dann folgt
ξ
1
1
n
(ξ − )n = ξ n (1 − )n
>
ξ n (1 − ) > a,
`
`ξ Bernoulli
`ξ
unter Benutzung von ` > α und ` > 1/ξ. Da ξ = sup M ist, existiert ein y0 ∈ M , so
dass y0 > ξ − 1/`, y0n > (ξ − 1/`)n > a, y0 6= M . √
Also ist nur ξ n = a möglich, ξ = n a.
22
Definition. a > 0, p = m/n ∈ Q, ap := (a1/n )m [ist eindeutig definiert].
Daraus folgt:

Für a, b > 0; p, q ∈ Q ist ap aq = ap+q , (ab)p = ap bp , ap /bp = (a/b)p .



Für 0 < a < b folgt: ar < br (r > 0), ar > br (r < 0).



Für a > 0, r < s gilt: (ar < as ⇔ a > 1), (ar > as ⇔ a < 1).
Ungleichung vom arithmetisch-geometrischen Mittel:
Seien x1 , · · · , xn ∈ R+ . Dann gilt:
(x1 · · · xn )1/n ≤
1
(x1 + · · · + xn ).
n
Beweis. Wir zeigen die folgende Aussage A(n) durch Induktion über n.
A(n) : ∀x1 ,··· ,xn ( (x1 + · · · + xn = n) ∧ (∃k xk 6= 1) ⇒ (x1 · · · xn < 1) ).
n = 1: dieser Fall tritt nicht auf, n = 2 : x1 = 1 − ε, x2 = 1 + ε, x1 x2 = 1 − ε2 < 1.
n → (n + 1): Sei x1 + · · · + xn+1 = n + 1. Sei etwa x1 < 1 und x2 > 1, x1 = 1 − α,
x2 = 1 + β, mit α, β > 0. Für x02 := x1 + x2 − 1 = 1 − α + β gilt x02 + x3 + · · · + xn = n,
also nach Voraussetzung x02 x3 · · · xn ≤ 1. Wegen x1 x2 = 1 − α + β − αβ < x02 ist also
x1 x2 · · · xn < x02 · · · xn ≤ 1.
√
p
Anwendung. Seien a 6= 1, n ≥ 2, 1 ≤ p < n. Dann ist n ap < 1 + (a − 1).
n
√
√
p
pa
+
(n
−
p)
n
n
= 1 + (a − 1).
ap = ap · 1 · · · 1 <
n
n
1.17
Abzählbare Mengen
Definition. Sei M eine Menge.
i) M ist endlich :⇔ ∃n∈N0 , ϕ : {1, · · · , n} → M Bijektion (Abzählung).
Daraus folgt: n ist eindeutig bestimmt, n = |M | Kardinalität von M
ii) M ist abzählbar :⇔ ∃ϕ:N→M Bijektion, ℵ0 = |M |
Kardinalität von M .
iii) M ist höchstens abzählbar :⇔ M ist endlich oder abzählbar.
Bemerkung. M ⊂ N ⇒ M höchstens abzählbar (hier ohne Beweis).
Beispiel. {0, 2, 4, 6, · · · }, N, Z sind abzählbar, ϕ :
h
3 k
ungerade =2n+1
k gerade =2(−n)
i
23
N→Z
k7→ 41 ((−1)k+1 (2k−1)−1)=n
ist bijektiv.3
Satz 1. N × N ist abzählbar.
Beweis. Das Durchlaufen der Schrägreihen in N × N generiert über die Formel
1
ϕ(k, `) = (k + ` − 2)(k + ` − 1) + k.
2
eine Bijektion ϕ : N × N → N . (Das Durchlaufen der ersten (k + ` − 2) Diagonalen
verbraucht (k + ` − 2)(k + ` − 1)/2 Elemente, da die j-te Diagonale j Elemente hat; (k, `)
ist k-tes Element auf der (k + ` − 1)-ten Diagonale).
Korollar. Q ist abzählbar.
Beweis. α ∈ Q ⇒ α = p/q, p ∈ Z, q ∈ N minimal. Mit einer Bijektion ψ : Z × N → N
erhält man eine injektive Abbildung ψ ◦ ϕ : Q → N,
ϕ
ψ
Q → Z × N → N, also Q ⊆ N”. Mit der Bemerkung folgt, dass Q abzählbar ist.
”
p/q 7→ (p, q)
Bemerkung. Eine abzählbare Vereinigung abzählbar unendlicher Mengen ist abzählbar.
Gibt es nicht-abzählbare Mengen? JA
Satz 2. R ist überabzählbar.
Beweis. Cantorsches Diagonalverfahren”. Wir verwenden dabei (im Vorgriff auf den
”
späteren Beweis) die Bijektion ϕ : R → unendliche Dezimalziffernfolge = R̃,
x 7→ x = an · · · a1 , b1 b2 · · · , ai , bi ∈ {0, · · · , 9}
Angenommen, ψ : N → R sei eine Bijektion. Schreibe
ψ(1) = a1m1 · · · a11 , b11 b12 · · · b1l · · ·
···
ψ(n) = anmn · · · an1 , bn1 bn2 · · · bnl · · ·
(
Bilde γ =
0, c1 c2 · · · cl · · · mit cl :=
1
bll = 0,
0
bll 6= 0.
Dann ist die n-te Stelle von ψ(n) hinter dem Komma von der von γ verschieden: γ kommt
nicht in der Abzählung vor und ψ ist nicht surjektiv.
Satz 3. Sei ∅ =
6 A. Dann gibt es keine Bijektion ϕ : A → P(A).
Beweis. Ist A endlich, gilt |A| = n < |P(A)| = 2n .
Ist A unendlich, gibt es eine Injektion ϕ : A → P(A), a 7→ {a}.
Modifikation des Diagonalverfahrens: Sei ϕ : A → P(A), x 7→ Ux beliebig.
Bilde Y := {x ∈ A| x 6∈ Ux }. Dann ist ϕ nicht surjektiv, denn Y 6∈ ϕ(A):
Es gibt nämlich kein y ∈ A mit Uy = Y . Sonst frage man: ist y ∈ Y ?
Wenn ja,
y 6∈ Uy = Y,
Widerspruch.
Wenn nein, ¬(y 6∈ Uy ), d.h. y ∈ Uy = Y,
Widerspruch.
24
1.18
Komplexe Zahlen
Die Gleichung x2 = −1 ist für x ∈ R nicht lösbar, da dann x2 ≥ 0 ist. Um algebraische
Gleichungen xn + an−1 xn−1 + · · · + a1 x + a0 = 0 lösen zu können, muss man (zumindest)
Wurzeln aus√negativen Zahlen ziehen können. Den Körper R der reellen Zahlen muss man
durch i = −1 erweitern. Der so entstehende Bereich der komplexen Zahlen C soll
wieder ein Körper werden, um vernünftig” rechnen zu können. Es zeigt sich, dass sich
”
viele Rechnungen der Analysis und der Geometrie eleganter in C fassen lassen, etwa die
Additionstheoreme des cos und des sin (im Reellen) als Realteil” eines komplexen Addi”
tionstheorems für die exp -Funktion. Geometrische Deutung der komplexen Zahlen in der
Gaußschen Zahlenebene” R + iR ' R2 .
”
Seien x1 , x2 , y1 , y2 ∈ R.
Addition im R2 :
(x1 , y1 ) + (x2 , y2 ) := (x1 + x2 , y1 , y2 )
Multiplikation im R2 : (x1 , y1 ) · (x2 , y2 ) := (x1 x2 − y1 y2 , x1 y2 + x2 y1 )
Sei 1 := (1, 0) und i := (0, 1). Dann ist i2 = −1 und z = (x, y) lässt sich schreiben als
z = x(0, 1) + y(0, 1) = x + iy. Man verifiziert für z, z1 , z2 , z3 ∈ R2 durch Nachrechnen, dass
z1 · (z2 · z3 ) = (z1 · z2 ) · z3 , z1 · z2 = z2 · z1 , z1 · 1 = 1 · z1 = z1 ,
(z1 + z2 ) · z3 = z1 · z3 + z2 · z3 , z1 · z = z2 hat für z1 6= 0 genau eine Lösung z.
Dann ist (R2 , +, ·) =: C ein Körper: der Körper der komplexen Zahlen,
C := ({z = x + iy| x, y ∈ R}, +, ·).
R wird durch die Einbettung R → C als Unterkörper in C eingebettet.
x7→(x,0)
Man hat (x1 , 0) · (x2 , 0) = (x1 · x2 , 0) ≡ x1 · x2 .
R
C
R
In Termen von 1, i gilt
(x1 + iy1 ) · (x2 + iy2 ) = (x1 x2 − y1 y2 ) + i(x1 y2 + x2 y1 )
(formales Ausmultiplizieren unter Benutzung von i2 = −1)
Definition. Ist z = x + iy ∈ C, heißt x =: Re(z) der Realteil von z und y =: Im(z) der
Imaginärteil von z. Punkte (0, y) = iy mit y ∈ R heißen rein imaginär.
Darstellung von C = R+iR ' R2 durch die Gaußsche Zahlenebene, mit Addition=Vektoraddition.
Die Folgerungen aus den Körperaxiomen gelten, etwa die Binomische Formel
n
(z1 + z2 ) =
n X
n
j=0
j
z1j z2n−j ;
25
z1 , z2 ∈ C.
z̄ := x − iy ist die komplexe konjugierte Zahl von z = x + iy ∈ C;
z 7→ z̄ ist die Spiegelung an der reellen Achse. Es gilt
z − z̄ =
z + z̄
, Im z =
, z = z, z1 + z2 = z1 + z2 , z1 z2 = z1 z2 .
2
2i
p
Definition. Der Betrag von z = x + iy ∈ C ist gegeben durch |z| := x2 + y 2 .
(Länge des Vektors z in der Gaußschen Zahlenebene.)
(z = z̄ ⇔ z ∈ R), Re z =
Es gilt z z̄ = x2 + y 2 = |z|2 , |z| =
√
z z̄. Also |z̄| = |z|, |Re z| ≤ |z|, |Im z| ≤ |z|.
Satz. ∀z1 ,z2 ,z∈C
(1) |z| ≥ 0, |z| = 0 ⇔ z = 0
(2) |z1 · z2 | = |z1 | · |z2 |
(3) |z1 + z2 | ≤ |z1 | + |z2 | Dreiecksungleichung.
Also: Der Betrag in C hat die gleichen fundamentalen Eigenschaften wie der Betrag in R.
√
Beweis. (2) |z1 z2 |2 = (z1 z2 )(z1 z2 ) = z1 z1 z2 z2 = |z1 |2 |z2 |2 ( · in R+ ziehen).
(3) Re (z1 z2 ) ≤ |z1 z2 | = |z1 ||z2 | = |z1 ||z2 | ⇒
in R
|z1 + z2 |2 = (z1 + z2 )(z1 + z2 ) = z1 z1 + z2 z2 + z2 z1 + z1 z2
= |z1 |2 + |z2 |2 + 2Re (z1 z2 ) ≤ |z1 |2 + |z2 |2 + 2|z1 ||z2 |
in R
√
2
+
= (|z1 | + |z2 |) :
· in R ziehen.
Die geometrische Deutung der Multiplikation behandeln wir später.
Beispiel. Sei z0 ∈ C und r > 0. Dann ist Ur (z0 ) := {z ∈ C| |z − z0 | < r} der (offene)
Kreis vom Radius r um z0 und Vr (z0 ) := {z ∈ C| |z − z0 | ≤ r} der (abgeschlossene) Kreis
vom Radius r um z0 .
26
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