74. Jahrestagung 2015

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74. Jahrestagung 2015
Gesellschaft für Nervenheilkunde des Landes Mecklenburg Vorpommern e.V.
RATHAUS WISMAR
ABSTRACTS - vorläufig
Wissenschaftliche Leitung:
Dr. med. Bernd SPONHEIM
Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik
Sana Hanse-Klinikum Wismar GmbH
Dr. med. Sabine MEHNERT
Chefärztin der Klinik für Neurologie
Sana Hanse-Klinikum Wismar GmbH
Veranstalter:
SCHÄFER EVENT & KOMMUNIKATION
www.schaeferevent.de
74. Jahrestagung 2015
Gesellschaft für Nervenheilkunde des Landes Mecklenburg Vorpommern e.V.
Freie Vorträge
PSYCHIATRIE
Vorsitz: H. J. Freyberger, Greifswald/ J. Thome, Greifswald/
B. Sponheim, Wismar
15:30 – 17:45 Uhr
Bürgerschaftssaal im Rathaus Wismar
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A01
„Novellierung des PsychKG in M-V“
Dr. Thomas Broese, Dr. Volker Schreier, Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales
Mecklenburg-Vorpommern, Referat IX 320 – Psychiatrie und Maßregelvollzug
Das PsychKG M-V regelt die Hilfen und Maßnahmen für und gegenüber psychisch Kranken sowie die
Unterbringung dieser Personen. Es stammt in der gegenwärtig geltenden Fassung aus dem Jahre 2000 und ist
seitdem nur geringfügig geändert worden. Es besteht Novellierungsbedarf durch die Änderung der Rechtslage,
die durch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes und des Bundesgerichtshofes hervorgerufen wurde.
Zentrale Punkte der Novellierung sind die Umsetzungen der Urteile des Bundes-verfassungsgerichtes zur
Privatisierung des Maßregelvollzugs und des Bundesgerichtshofes zur Zwangsbehandlung.
A02
Neuronale Korrelate von empathischem Verhalten – Eine MRT-Untersuchung
Monika Fleischer, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Rostock
Empathie beinhaltet die Fähigkeit, sich einerseits in die Gefühlswelt anderer Menschen einzufühlen und
andererseits Wünsche, Absichten und Intentionen gedanklich vorwegzunehmen (de Waal 2008). Es wird
angenommen, dass das Spiegelneuronensystem (SNS), bestehend aus dem inferioren frontalen Gyrus und dem
inferioren parietalen Lappen, ein wichtiges neuronales Korrelat der Empathie darstellt (Carr et al. 2003, Pfeifer et
al. 2008). Das SNS konnte mit Hilfe von fMRT-Untersuchungen am Menschen nachgewiesen werden (Fogassi
und Simone 2013). Vor diesem Hintergrund wurden Untersuchungen zur Imitation bzw. Beobachtung von
emotionalen Gesichtsausdrücken durchgeführt. Hierbei zeigte sich die Aktivierung des SNS und der SNSassozierten Areale (superiorer temporaler Sulcus [STS], Insula und Amygdala) während der Imitation und der
Beobachtung (Carr et al. 2003, Pfeifer et al. 2008, Kircher et al. 2012). Bei autistischen Probanden, bei denen
Defizite hinsichtlich der empathischen Fähigkeiten angenommen werden, konnte eine verminderte SNS-Aktivität
im Gegensatz zu Normalprobanden gefunden werden (Dapretto et al. 2006).
In dieser Untersuchung wurden die Fragestellungen getestet, ob sich die Aktivierung des SNS und der SNSassoziierten Areale bei verschiedenen Stimuli während der Imitation und der Beobachtung unterscheidet. Ein
weiterer Schwerpunkt der Studie bestand darin, ob sich die neuronale Aktivität des SNS und der SNSassoziierten Areale bei Normalprobandinnen, die sich anhand eines Empathiefragebogens in niedrig- und
hochempathische Probandinnen unterteilen, unterscheidet.
Aus einer Stichprobe aus 259 Probandinnen wurden mit Hilfe des Empathie-Quotienten (Baron-Cohen et al.
2004, Lawrence et al. 2004) Extremgruppen gebildet. Aus diesen Teilstichproben wurden jeweils 20
Probandinnen für die MRT-Untersuchung ausgewählt. Während der MRT-Untersuchung sollten die Probanden
dynamische Gesichtsausdrücke entweder Imitieren oder Beobachten.
Während der Imitation wurde für die emotionalen Stimuli im Vergleich zu den Kontrollstimuli eine signifikante
Aktivierung des SNS und der SNS-assoziierten Areale gefunden. Für das Phonem verglichen mit dem
gescrambelten Gesicht zeigten sich während der Imitation signifikante Aktivierungen des SNS und des STS.
Während der Beobachtung konnte lediglich eine signifikante Aktivierung des IFG dargestellt werden. Für die
hochempathische Gruppe ergaben sich signifikante Aktivierungen im IFG, dem STS und der Insula für die Stimuli
während der Beobachtung im Gegensatz zur niedrigempathischen Gruppe, jedoch nicht während der Imitation.
Die Ergebnisse untermauern die Funktionalität des IFG, welcher der Sitz der SN sein soll, für die Empathie,
Imitation und Sprachwahrnehmung (Fogassi und Simone 2013, Fogassi 2014). In der Beobachtungsbedingung
konnten keine Aktivierungsunterschiede des IPL und der SNS-assoziierten Areale gefunden werden, dieses
könnte an den eingesetzten Stimuli gelegen haben (Lee et al. 2006, Kircher et al. 2012). Die Aktivierung des IFG
während der Beobachtung in der hochempathischen Gruppe könnte darauf hinweisen, dass der IFG ein
funktionales neuronales Korrelat der Empathie darstellt (Schulte-Rüther et al. 2008). Die fehlenden
Aktivierungsunterschiede der Extremgruppen während der Imitation könnten andeuten, dass die
niedrigempathische Gruppe kein generelles Imitationsdefizit aufweist.
Literatur:
Baron-Cohen S, Wheelwright S., The Empathy Quotient: An Investigation of Adults with Asperger Syndrome or High Functioning Autism, and Normal Sex
Differences. Journal of Autism and Developmental Disorder 2004;34(2):163-174.
Carr L, Iacoboni M, Dubeau MC, Mazziotta JC, Lenzi GL. Neural mechanisms of empathy in humans: A relay from neural systems for imitation to limbic
areas. Proceedings of the National Academy of Science of the United States of America 2003; 100(9):5497-5502.
Dapretto M, Davis MS, Pfeifer JH, Scott AA, Sigman M, Bookheimer SY, Iacoboni M. Understanding emotions in others: mirror neurons dysfunction in
children with autism spectrum disorder. Nature Neuroscience 2006;9(1):28-30.
de Waal FBM. Putting the Altruism Back into Altruism: The Evolution of Empathy. Annual of Review Psychology 2008; 59:279-300.
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Fogassi L, Simone L. The Mirror System in Monkeys and Humans and ist Possible Motor-Based Functions. In Richardson et al. (eds.). Advances in
Experimental Medicine and Biology. Springer, New York 2013:87-110.
Kircher T, Pohl A, Krach S, Thimm M, Schulte-Rüther M, Anders S, Mathiak K. Affect-specific activation of shared networks for perception and execution of
facial expressions. Social Cognitive and Affective Neuroscience 2012; doi:10.1093/scan/nss008.
Lawrence EJ, Shaw P, Baker D, Baron-Cohen S, David AS. Measuring empathy: reliability and validity of the Empathy Quotient. Psychological Medicine
2004;34:911-924.
Lee TW, Josephs O, Dolan RJ, Critchley HD. Imitation expressions: emotion-specific neural substrates in facial mimicry. Social Cognitive and Affective
Neuroscience 2006;1:122-135.
Pfeifer JH, Iacoboni M, Mazziotta JC, Dapretto M. Mirroring others´emotions relates to empathy and interpersonal competence in children. Neuroimage
2008;39:2076-2085.
Schulte-Rüther M, Markowitsch HJ, Shah NJ, Fink GR, Piefke M. Gender differences in brain networks supporting empathy. NeuroImage 2008; 42:393-403.
van der Gaag C, Minderaa RB, Keysers C. Facial expression: What the mirror neuron system can and cannot tell us. Social Neuroscience 2007;2(3-4):179222.
A03
Tiergestützte Therapie im KMG Klinikum Güstrow – ein Modellprojekt
Heike Girndt, Jana Stahl, Stefan Schröder, KMG Klinikum Güstrow GmbH
Als Krankenschwester (HG) bzw. Kinderkrankenschwester (JS) arbeiten wir seit mehreren Jahren mit viel
Herzblut und Engagement mit unseren Therapiebegleithunden Ari (Labradorhündin) und Baily (Golden Retriever
Hündin) in psychiatrischen Tageskliniken im KMG Klinikum Güstrow. Unser Ansatz hat sich zu einem festen
Therapiebaustein sowohl in der Erwachsenen-, als auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie entwickelt und wird
von allen Patienten sehr gut angenommen. Die Hunde haben einen freundlichen Aufforderungscharakter: Sie
brechen das Eis, bilden eine Brücke und erleichtern den Beziehungsaufbau. Angelehnt an
verhaltenstherapeutische Ansätze bieten wir unseren Patienten so ein zusätzliches, wohlwollendes
Therapieangebot und fördern damit Geduld, Achtsamkeit, Konsequenz, Körperpräsenz, Selbstbewusstsein und
Vertrauen. In einer theoretischen Einführung (mit Bildmaterial) stellen wir unser Konzept tiergestützter Therapie
vor. Abschließend erhalten Sie die Möglichkeit, Ari und Baily bei der Arbeit zu erleben.
A04
Kurz und gut? - Psychotherapeutische Kurzintervention für pflegende Angehörige von
Demenzpatienten
Ingo Kilimann1,2, Tanja Braungardt1, Nadja Landschoof1, Franziska Thiel1,Karsten Hake1,
Christiane Haufe1, Wolfgang Schneider1, Stefan Teipel1,2.
1 Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, Universitätsmedizin
Rostock, Rostock; 2 Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), Standort
Rostock/Greifswald, Rostock
Einleitung: Pflegende Angehörige von dementiell erkrankten Menschen haben ein erhöhtes Risiko, selbst
physisch oder psychisch zu erkranken. Eine reguläre Psychotherapie zeigt sich zwar als wirksam bei der
Reduktion von Angst und Stress, wird jedoch häufig erst spät oder gar nicht wahrgenommen, auch weil eine
solche Therapie einen hohen zeitlichen Bedarf hat. Eine zeitliche und im Zugang niederschwellige
psychotherapeutische Kurzintervention für pflegende Angehörige von dementiell Erkrankten Menschen könnte
die Inanspruchnahme von Hilfeangeboten verbessern und somit zur psychischen Stabilität der Pflegenden
beitragen.
Methode: Es handelt sich um eine Pilotstudie mit anschließend Phase 2a Studie (Wartegruppe als
Kontrollgruppe) eines zwölfwöchigen gruppentherapeutischen Angebotes für je 10 Angehörige. Nach zwei
Einheiten zu sozialmedizinischen und rechtlichen Themen behandeln die psychotherapeutischen Module
folgende Themenschwerpunkte: eigene Grenzen, dysfunktionale Gedanken, Umgang mit den eigenen Emotionen
und Ressourcenaktivierung. Primärer Endpunkt der Pilotstudie war die Akzeptanz und Durchführbarkeit sowie
subjektive Belastung der Angehörigen. In der Phase 2a Studie waren die primären Endpunkte die Reduktion von
dysfunktionalen Gedanken und die Steigerung der Selbstwirksamkeitserwartung (SWE). Die Messpunkte waren
vor (T1), unmittelbar (T2) und 3 Monate (T3) nach Abschluss der Intervention.
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Ergebnisse: Die Pilotstudie und die Phase 2a Studie zeigte eine hohe Akzeptanz (100% Adhärenz). In der
Auswertung der Daten zur Pilotstudie fanden wir keine signifikante Veränderung des subjektiven
Belastungsempfindens. Die SWE zeigte jedoch eine signifikante Verbesserung in Einzelitems an T3 im Vergleich
zu T1.
Beurteilung: Die geplanten Themen konnten gut in einer Gruppensetting umgesetzt werden. Das subjektive
Belastungsempfinden zeigte keine signifikante Veränderung, aber die Selbstwirksamkeit konnte gesteigert
werden. Die gewünschte Niederschwelligkeit des Programms hat jedoch in der Durchführungsrealität auch
gewisse Herausforderungen.
A05
"Prädiktoren für Institutionalisierungsprobleme geronto-psychiatrischer Patienten"
Dr. med. Matthias Kinder, AMEOS Klinika Anklam, Pasewalk, Ueckermünde
Letztendlich steht der Weg der Institutionalisierung von älteren Menschen als auch der gerontopsychiatrischen
Patienten häufig derzeit unausweichlich.
Auch ein nahezu lückenloses ambulantes regionales Hilfe- und Versorgungssystem kann die Erfordernisse
einiger Patienten nicht lösen.
Aus den klinischen Datenerhebungen des heterogenen Patientengutes der Gerontopsychiatrie/ Geriatrie des
AMEOS Klinikums Ueckermünde über einen Zeitraum von 2 Jahren zeigen sich unterschiedlichste Prädiktoren
für Probleme bei der Institutionalisierung von Patienten.
Wie gut sind die bisherigen Prädiktoren für erfolgreiche Instutionalisierung von gerontopsychiatrischen Patienten
untersucht? Welche Alternativen gibt es für diese Patienten?
A06
Schnell progrediente Demenz. Ein Fallbericht.
Dr. med. David Köpke, Sana Hanse-Klinikum Wismar GmbH
Dementielle Erkrankungen sind häufig, können jedoch immer wieder diagnostische Herausforderungen
darstellen. Am Beispiel eines 62-jährigen Mannes mit akut aufgetretenen Verständnisproblemen und
Wortfindungsstörungen sowie rasch progredientem Verlauf soll die Bedeutung psychiatrischer und
neurologischer Symptome der Creutzfeld-Jakob-Erkrankung beleuchtet werden.
Fragestellung: Welche Symptome und Befunde sind im klinischen Alltag bei der CJD zu erwarten?
Methoden: Fallbetrachtung eines 62-jährigen Mannes, der innerhalb weniger Tage Gedächtnisstörungen,
Apraxie sowie eine fragliche sensorische Aphasie und Wortfindungsstörungen entwickelte. Das EEG zeigte
Herdbefunde ohne triphasische Wellen, im MRT fanden sich kortikale Signalpathologien links frontal, in der linken
Insula, im Praecuneus beidseits. Im Liquor deutlich erhöhtes Tau-Protein sowie positiver Immunoblot bezüglich
14-3-3-Protein. Die Symptome entwickelten sich rasant über eine zunehmende Unruhe mit Fremdaggression mit
fraglichen Halluzinationen zu einem Stupor mit Mutismus; motorische Ausfälle waren kaum zu beobachten. Drei
Wochen nach Beginn der Symptome verstarb der Patient.
Ergebnisse: Diagnostisch entscheidend sind weiterhin MRT und Liquorbefund; die initialen und während der
Erkrankung vordringlichen Symptome blieben psychopathologische, die einer rasch progredienten Demenz
entsprachen; objektivierbare „neurologische Ausfälle“ waren schwerer abzugrenzen.
Diskussion: Die CJD stellt aufgrund ihrer niedrigen Prävalenz, hohen Mortalität und der möglichen
Differentialdiagnosen besondere Herausforderungen an den Behandler; es müssen außerdem potentiell
infektiologisch-epidemiologische Gesichtspunkte berücksichtigt werden.
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A07
Depression, Somatisierungsstörung und Posttraumatische
norwegischer „Wehrmachtskinder“ des zweiten Weltkriegs
Belastungsstörung
Martin Miertsch1,4, Heide Glaesmer2, Marie Kaiser2, Ingvill C. Mochmann3,
Harald J. Freyberger1, Ketil J. Ødegaard4, Philipp Kuwert1
1 Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald am HELIOS
Hanse-Klinikum Stralsund; 2 Universität Leipzig, Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische
Soziologie
3 GESIS Leibniz Institut für Sozialwissenschaften Köln
4 Helse Bergen HF - Haukeland Universitätsklinik - Forschungsabteilung der psychiatrischen Kliniken –
Bergen / Norwegen
Hintergrund: Seitdem es Kriege gibt, werden Kinder geboren, die in sexuellen Kontakten zwischen (feindlichen)
Soldaten und einheimischen Frauen gezeugt wurden. Am 09. April 1940 überfielen deutsche Truppen Norwegen.
Neun Monate später kamen die ersten „Wehrmachtskinder“ zur Welt. Es wurden im Laufe des Krieges aus
nationalsozialistischen -rasseideologischen Gründen 13 Lebensbornheime in Norwegen gegründet, darunter das
erste außerhalb des damaligen Deutschen Reiches, sowie so viele wie in keinem anderen durch das NS-Regime
besetzten Land.
Allein in den Archiven des norwegischen Lebensborn wurden knapp 8000 „Wehrmachtskinder“ registriert.
Schätzungen gehen davon aus, dass während der deutschen Okkupationszeit in Norwegen 10.000 bis 12.000
Kinder geboren wurden, deren Väter den deutschen Truppen angehörten und deren Mütter norwegische
Staatsbürgerinnen waren.
Aus der historischen und sozialwissenschaftlichen Forschung ist gut belegt, dass die „Wehrmachtskinder“ ein
doppeltes Stigma trugen: Sie waren häufig unehelich geboren und waren durch die Beziehung mit dem „Feind“
entstanden. Nicht nur die Mütter sondern auch die „Wehrmachtskinder“ wurden durch ihr soziales Umfeld
diskriminiert. Sie wurden ausgegrenzt, verhöhnt und zum Teil körperlich und seelisch misshandelt. Diese zum
Teil traumatischen Ereignisse wirken sich mitunter auch noch Jahrzehnte nach dem Erleben auf die
„Wehrmachtskinder“ aus.
Methodik: Zwischen November 2013 und Mai 2014 wurden insgesamt 375 Fragebögen an norwegische
„Wehrmachtskinder“ versandt. Der Fragebogen beinhaltete unter Anderem zwei Module des Patient Health
Questionnaire (PHQ) zur Erfassung von Depressivität (PHQ-9) und somatoformer Störung (PHQ-15) sowie die
Impact of Event Scale (IES-R) für die Diagnose von Posttraumatischen Belastungsstörungen.
Ergebnisse / Diskussion: In einer Untersuchung aus dem Jahr 2004, die sich auf Daten der norwegischen
„Bevölkerungsdatenbank“ des statistischen Zentralamtes (Statistics Norway) stützt, konnte u.a. gezeigt werden,
dass die norwegischen „Wehrmachtskinder“ eine erhöhte Mortalität in Folge kardio-vaskulärer Erkrankungen und
Suizid haben, häufiger und länger arbeitsunfähig waren sowie häufiger frühberentet wurden. Eine Befragung
dieser Betroffenen mit psychometrischen Instrumenten fehlte bislang gänzlich. Bei der Tagung in Wismar werden
detaillierte Ergebnisse hinsichtlich der aktuellen Prävalenz von Depression, Somatisierungsstörung sowie
Posttraumatische Belastungsstörung bei norwegischen „Wehrmachtskindern“ vorgestellt und diskutiert.
A08
Verbesserung des cirkadianen Rhythmus bei erwachsenen ADHS-Patienten durch die
Anwendung von Lichttherapie
A. Popa-Wagner1, M. Gross1, C. Berger1, R. Wandschneider1, J. Thome1,2
1Department of Psychiatry, University of Rostock, Germany
2College of Medicine, Swansea University, U.K.
Ziel: In unseren vorherigen Untersuchungen konnten wir zeigen, dass der zirkadiane Rhythmus erwachsener
ADHS-Patienten auf molekularer, hormoneller, sowie auf Verhaltensebene verändert ist (Baird et al. 2012, Mol
Psychiatry 17: 988-995) und dass die zur ADHS-Therapie verwendete Medikation das CLOCK-Gen System
beeinflusst (Baird et al. 2013, Brain Res 1513: 61-71). Mit dieser Studie beabsichtigen wir nun eine Verbesserung
des Patientenwohlbefindens durch chronotherapeutische Therapiestrategien (Coogan and Thome 2011, World J
Biol Psychiatry 12, S1: 40-43) und untersuchen deshalb mögliche Auswirkungen einer Lichttherapie auf die
zirkadiane Rhythmik. Wir präsentieren hier vorläufige Daten einer derzeit noch andauernden Studie.
Methoden: In dieser Studie werden ADHS-Patienten und gesunde Kontrollpersonen in einem dreiarmigen
Untersuchungsdesign verglichen. Es ist geplant, 20 ADHS-Patienten, mit und ohne Lichtintervention und
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weiteren 20 gesunde Kontrollprobanden in einem Messwiederholungsdesign (Baseline und Follow up) zu
untersuchen. Die Lichttherapie dauert fünf Wochen und wird täglich zu einer festgelegten Uhrzeit, abhängig vom
individuellen dMEQ-Score, über 30 Minuten mit mobilen Therapieleuchten mit einer Beleuchtungsstärke von
10.000 Lux durchgeführt. Jeweils eine Woche vor und nach der Behandlung erfolgt eine siebentägige
Aktivitätsmessung mittels Bewegungssensoren am nichtdominanten Handgelenk. Am letzten Tag der
Aktivitätsmessung werden innerhalb von 24h Proben von Speichel und Mundschleimhaut gesammelt. Aus den
Speichelproben werden die Tagesverläufe der Melatonin- und Kortisol-Konzentration mittels ELISA bestimmt und
aus der peripheren mRNA der Mundschleimhautabstriche wird die Clock-Genexpression über real-time-PCR
erfasst. Die 24h-Rhythmen der Aktivitäts-, Hormon- und Genexpressionsprofile werden mittels Cosinor-Analysen
untersucht. Weitere abhängige Variablen sind Parameter der Schlafqualität, erfasst durch den Pittsburgher
Schlafqualitätsfragebogen PSQI und ein Schlafprotokoll. Die Studie wurde von der Ethikkommission der
Universität Rostock genehmigt.
Ergebnisse: Es wurden bislang 8 ADHS-Patienten mittels Lichttherapie und 8 gesunde Kontrollen untersucht
(mittleres Alter 29,4 Jahre). Hinsichtlich der dMEQ-Tageszeitpräferenz zeigten ADHS Patienten ein erhöhtes
abendliches Aktivitätsniveau. Im Schlafprotokoll schätzten die ADHS-Patienten ihre abendliche Leistungsfähigkeit
sowie die Stimmung und Wachheit am Morgen an beiden Messzeitpunkten als geringer im Vergleich zu den
Kontrollpersonen ein. Die Auswertung des 24h-Melatoninprofils ergaben keine Änderungen beim DLMO, aber in
der Cosinoranalyse einen verzögerten 24h-Rhythmus bei der Baseline-Messung gegenüber den
Kontrollpersonen. Es scheint einen Trend hinsichtlich einer "Normalisierung" des zirkadianen Rhythmus durch
die angewandte Lichttherapie zu bestehen. Bisher kann diese Tendenz aufgrund einer geringen
Probandenanzahl statistisch aber nicht ausreichend bestätigt werden.
Schlussfolgerung: Mit den Studienergebnissen konnten die frühere Forschungsergebnisse bezüglich eines
veränderten zirkadianen Rhythmus und der Abendpräferenz bei ADHS-Patienten bestätigt werden. Ebenfalls
präsentiert die Studie die Anwendung einfacher Systeme zur Überwachung und möglicherweise Beeinflussung
der zirkadianen Rhythmik bei ADHS. Derzeit erfolgt der Einschluss weiterer Probanden und die Analyse weiterer
Daten, wie Aktigrafie und Genexpression. Außerdem initiieren wir aktuell ähnliche Studien mit weiteren
Patientenstichproben, wie Autismus, affektiver sowie neurodegenerativer Störungsbilder.
A09
Können biologische Krankheitskonzepte das Stigma psychischer Erkrankungen
verringern?
Sven Speerforck, Harald J. Freyberger, Georg Schomerus
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie,
Universitätsmedizin Greifswald
Fragestellung: Es ist unklar, ob unterschiedliche biogenetische Ursachenvorstellungen die Stigmatisierung von
Menschen unterschiedlich beeinflussen können. Insbesondere der Erklärung „Stoffwechselstörung des Gehirns“
wurde eine entstigmatisierende Funktion zugeschrieben.
Methodik: In einer repräsentativen Bevölkerungsstudie in Deutschland (n=3642) wurde unter Nutzung von
Kasuistiken einer Major Depression, einer Schizophrenie oder einer Alkoholabhängigkeit die Zustimmung zu
verschiedenen bio-genetischen Erklärungsmodellen wie „Stoffwechselstörung des Gehirns“, „ Erkrankung des
Gehirns“ und „Vererbung“ untersucht. Folgend wurde der Zusammenhang mit emotionalen Reaktionen und dem
Wunsch nach sozialer Distanz untersucht. Für jede Kasuistik wurde ein lineares Regressionsmodell mit jeder biogenetischen Ursachenvorstellung als unabhängiger Variable und den Emotionen und dem Wunsch nach sozialer
Distanz als abhängiger Variable berechnet.
Ergebnisse: Die bio-genetischen Ursachenvorstellungen “Stoffwechselstörung des Gehirns” und “Erkrankung
des Gehirns” waren mit einem stärkeren Wunsch nach sozialer Distanz bei Schizophrenie und Depressionen
assoziiert, und mit einer besseren sozialen Akzeptanz von Menschen mit Alkoholabhängigkeit. Für „Vererbung“
zeigte sich kein signifikanter Zusammenhang. Alle drei bio-genetischen Ursachenvorstellungen waren mit mehr
Furcht in allen untersuchten psychischen Erkrankungen assoziiert.
Diskussion: Die Daten weisen daraufhin, dass bio-genetische Ursachenvorstellungen hinsichtlich einer
möglichen Stigmatisierung unterschiedliche Auswirkungen bei verschiedenen psychischen Erkrankungen haben
und bei Depressionen und Schizophrenie sogar kontraproduktiv sein können. Ein entstigmatisierender Effekt der
Ursachenvorstellung „Stoffwechselstörung im Gehirn“ fand sich nicht.
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A10
Poststationäre telemedizinische Betreuung von Patienten mit Schizophrenie und
bipolaren Störungen
L. N. Strobel, U. Stentzel, N. van den Berg, W. Hoffmann, J. M. Langosch,
H. J. Freyberger, H. J. Grabe
Fragestellung: Die poststationäre Behandlungsphase ist für viele Patienten eine kritische Übergangsphase, die
durch noch persistierende Symptome und Leistungsminderung auf der einen Seite und zum Teil ungenügenden
Behandlungsoptionen auf der anderen Seite gekennzeichnet ist. Wir haben daher ein telemedizinisches
Versorgungskonzept für Patienten mit Schizophrenie und bipolaren Störungen entwickelt und untersuchen, ob
diese Patientengruppen von einer zusätzlichen telefonischen Betreuung sowie durch SMS-Nachrichten bei der
Alltagsbewältigung und psychischen Stabilisierung profitieren.
Methodik: Die Probanden werden in den (teil)stationären Einrichtungen zwei Wochen vor Ihrer Entlassung
rekrutiert und anschließend der Interventions- (IG) oder Kontrollgruppe (KG) zugeordnet. Probanden der IG
erhalten nach ihrer Entlassung zweiwöchentliche Telefonkontakte durch geschulte telemedizinische
Betreuerinnen, sowie SMS-Nachrichten nach Bedarf. Sowohl die IG als auch die KG erhalten zu Beginn, nach
drei Monaten und nach sechs Monaten eine ausführliche Diagnostik. Den primären Endpunkt stellt die
Medikamentenadhärenz dar, sekundäre Endpunkte sind die Lebensqualität, Entwicklung von Resilienz, soziale
Unterstützung sowie Beeinträchtigung durch und Symptomschwere der Erkrankung.
Ergebnisse/Diskussion: Ein vorangegangenes telemedizinisches Projekt unserer Arbeitsgruppe, welches die
kontrolliert-randomisierte, telemedizinische Betreuung von Angst- und depressiven Patienten untersuchte, zeigte
deutliche positive Therapieeffekte (van den Berg et al., 2015).
Für die aktuelle Studie werden erste präliminäre Ergebnisse dargestellt und die Praktikabilität und Adhärenz der
telemedizinischen Intervention bei Patienten mit Schizophrenie oder bipolarer Störung diskutiert. In der
Präsentation können erste explorative Analysen der diagnostischen Endpunkte und Rekrutierungserfahrungen
vorgestellt und diskutiert werden.
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Freie Vorträge
NEUROLOGIE
Vorsitz: T. Böttcher, Neubrandenburg/ U. Schminke, Greifswald/
M. Roth, Güstrow
15:30 – 17:45 Uhr
Bürgerschaftssaal im Rathaus Wismar
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A11
Kindlicher Schlaganfall: i.v.-Lyse bei einem 12jährigen Jungen
T. Blodow, L. Lorenz, M. Wachlin, J .P. Sieb
Neurologische Klinik, HELIOS Hanseklinikum Stralsund
Einleitung: Die jährliche Inzidenz von Schlaganfällen vor dem 16. Lebensjahr wird mit 2,5-13/100.000 Kindern
pro Jahr eingeschätzt mit einem höheren Risiko bei Jungen als Mädchen. Die Mortalität liegt bei bis zu 20 %. Bei
bis zu 70 % der Kinder verbleiben erhebliche neurologische und kognitive Defizite. Die i.v.-Lyse mit rtPA
(Actilyse®) beim akuten Schlaganfall ist für Patienten vor 18. Lebensjahr nicht zugelassen und ihre Durchführung
wird international nur im Rahmen von Studien empfohlen (American Heart Association: „Management of stroke in
infants and children“). Möglicherweise benötigen Kinder gewichtsadaptiert eine höhere rtPA-Dosis als
Erwachsene aufgrund höherer Konzentrationen des rekombinanten Plasminogenaktivators und verringerten
Konzentrationen des Plasminogenaktivatorinhibitors Typ I.
Methodik: Fallanalyse mit Videodokumentation, systematische Literatursuche.
Ergebnisse: Der 12jährige Schüler mit einer unauffälligen Entwicklung und ohne Besonderheiten in der
Familienanamnese entwickelte perakut ein senso-motorisches Hemisyndrom links mit einer Hemianopsie links.
Eintreffen in unserer Notfallambulanz via Rettungsdienst mit Eltern (NIHSS bei Aufnahme: 7). Im cMRT multiple
Diffusionsstörungen A. cerebri posterior-Gebiet rechts. i.v.-Lysetherapie mit rtPA entsprechend Dosierung im
Erwachsenenalter (Gesamtdosis 67,5 mg; Körpergewicht 75 kg). Door-to-needle-time: 50 Minuten; Onset-toneedle-time: 175 Minuten. NIHSS 48 Stunden nach Lyse: 3.
Ursachenklärung: Bei Aufnahme febrile Körpertemperatur von 38,7 °C. Initiale Blutkulturen und
Echokardiografie (transthorakale und –oesophageal) ohne Auffälligkeiten. MR-angiografisch Kaliberasymmetrie
der Vertebralarterien (rechts < links) als Hinweis auf eine Dissektion, jedoch duplexsonographisch keine
Bestätigung. Laborchemisch kein Hinweis auf eine Thrombophilie, Vaskulitis, M. Fabry oder eine
Sichelzellanämie. Kardiovaskulären Risikofaktoren: Hypercholesterinämie, Adipositas (Body-Mass-Index von
30,8, über der 97. Perzentile). Sekundärprophylaxe mit ASS 100 mg und Simvastatin 20 mg. Keine
Verlaufskontrolle bei dem Urlauberkind durch uns.
Die systematische Literatursuche erbrachte neben Fallberichten 3 kontrolliert Studien: TIPS (Thrombolysis in
Pediatric Stroke) beendet bei unzureichender Rekrutierung, bei 43 Schlaganfällen keine Lyse; IPSS (International
Pediatric Stroke Study), prospektiv 2003-2007, 533 Kinder, davon 15 lysiert (3%), davon 9 i.v.-Lyse. 5 der 9
Kinder hatten bei Entlassung milde, ein Kind moderate, 2 Kinder schwere und ein Kind „unzuordbare“
neurologische Defizite, ein Kind verstarb, wobei nicht die Lyse ursächlich war. Kids’ Inpatient Database,
retrospektiv 1998-2009, 9257 Kinder einbezogen, davon 67 (0,7 %) i.v.-Lyse, höhere Mortalität, längere
Krankenhausaufenthalte, höhere Kosten als nicht lysierte Kinder.
Diskussion: Bei Kindern muss differentialdiagnostisch bei akut einsetzenden neurologischen Defiziten die
Möglichkeit eines Schlaganfalls berücksichtigt werden. Wie bei Erwachsenen müssen Mimikry-Erkrankungen, wie
Migräne mit Aura, epileptischer Anfall, ZNS-Infektion oder Intoxikation, ausgeschlossen werden. Das Risiko einer
von maßgeblichen Therapieverzögerungen bei kindlichen Schlaganfällen ist erheblich. Unser Fall zeigt, dass bei
einer optimalen Rettungskette mit unverzüglich durchgeführter Bildgebung auch beim kindlichen Schlaganfall die
i.v.-Lyse eine zu erwägende Therapieoption trotz der schwierigen medicolegalen Situation ist.
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A12
Anti-GAD65-Antikörper haben keinen Einfluss auf die GABAerge Transmission
Jana K. Hackert
Klinik für Neurologie und Poliklinik, Universitätsmedizin Rostock
Oscar Langendorff Institut für Physiologie, Universitätsmedizin Rostock
Antikörper gegen die Glutamat-Decarboxylase 65 kDa (GAD65) sind bei einer Reihe neurologischer
Erkrankungen wie Stiff-Person-Syndrom, sporadischer Ataxie und einigen Fällen von Epilepsie gefunden worden.
Da die antigene Zielstruktur, das zytoplasmatische Enzym GAD65, für die Synthese des Transmitters GammaAminobuttersäure (GABA) verantwortlich ist, ist eine wichtige pathophysiologische Hypothese, dass Anti-GAD65Antikörper die Bildung dieses wichtigen hemmenden Transmitters einschränken. Wir haben Liquor von Patienten
mit Anti-GAD65-Enzephalitis in den Ratten-Hippokampus injiziert und evozierte bzw. spontane GABAerge
Transmission mit intrazellulären Ableitungen und Patch-Clamp-Experimenten untersucht. Dabei zeigte sich, dass
weder GABAA-Rezeptor- noch GABAB-Rezeptor-vermittelte postsynaptische Potenziale im Gewebe durch AntiGAD65-Antikörper verändert waren. Außerdem blieb auch die Kinetik der GABAA-Rezeptor-vermittelten
Ionenströme in den Patch-Clamp-Experimenten unbeeinflusst. Wir haben anschließend noch spontane
GABAerge Transmission untersucht und auch hier keinen Unterschied zwischen Anti-GAD65-behandelten Tieren
und Kontrollen gefunden. Diese Ergebnisse zeigen, dass GAD65-Antikörper keinen Einfluss auf die GABAerge
Transmission haben und pathophysiologisch wahrscheinlich nicht relevant sind.
A13
Absence-Status als Reexacerbation einer idiopathischen generalisierten Epilepsie
Paschen I, Walter U, Kamm C, Rösche J, Klinik für Neurologie und Poliklinik, Universitätsmedizin
Rostock
Fragestellung: Seit Einteilung der nonkonvulsiven Status epileptici in mehrere Subgruppen [1] ergibt sich die
Frage, ob sich daraus für die einzelnen Subgruppen unterschiedliche therapeutische Ansätze ergeben. Dies wäre
durch geeignete Fallserien oder Fallberichte zu dokumentieren.
Methodik: Wir schildern die Behandlungsepisode eines Patienten mit idiopathischer generalisierter Epilepsie,
die sich nach ca. 40-jähriger Anfallsfreiheit ohne antiepileptische Medikation mit einem nonkonvulsiven Status
epilepticus neu manifestierte.
Ergebnis: Ein 62-jähriger Patient wurde in unserer Notaufnahme mit plötzlich aufgetretener Verwirrtheit und
psychomotorischer Verlangsamung vorgestellt. Es bestand eine Vormedikation aus Tilidin, Ibuprofen und
Amitryptilin, welches einige Tage vor dem Ereignis abgesetzt wurde. Wir sahen einen örtlich und zeitlich
desorientierten, dysphasischen Patienten, der dann einen generalisierten tonisch-klonischen Anfall erlitt und
Levetiracetam erhielt. Das EEG zeigte kontinuierliche generalisierte Spike-Wave-Komplexe mit einer Frequenz
um 3 Hz. Valproat wurde i.v. aufgesättigt und 4 mg Lorazepam verabreicht. In den nächsten Tagen wurde der
Patient unter antikonvulsiver Therapie mit Levetiracetam und Valproat beschwerdefrei. CT, MRT und
Liquordiagnostik zeigten keine Auffälligkeiten. Im Verlauf erfuhren wir, dass er im Schulalter mehrere Gand-malAnfälle erlitten hatte und Antiepileptika eingenommen hätte.
Diskussion: Retrospektiv zeigte der Patient einen typischen Absencestatus nach einer langen Phase der
Anfallsfreiheit bei idiopathischer generalisierter Epilepsie. Es gibt einige Fallberichte über die späte Präsentation
einer idiopathischer generalisierter Epilepsie bei älteren Patienten [2, 3]. Diese stellt eine wichtige
Differentialdiagnose zum de-novo-Absence-Status dar, welcher bei älteren Patienten mit Benzodiazepinabusus
oder-entzug [4, 5] auch ohne bekannte Epilepsie auftritt. Es ist wichtig die Diagnose einer idiopathischen
generalisierten Epilepsie bei älteren Patienten, die mit einem Absence-Status auffällig werden, in Betracht zu
ziehen, da hier Valproinsäure vermutlich besser wirkt als Levetiracetam, während der de-novo-Absence-Status
nach Benzodiazepinentzug durch Benzodiazepingabe am schnellsten zu durchbrechen ist.
Literatur: 1. Shorvon S. Epilepsia, 2007; 48 (Suppl. 8), 35-38. 2. Fernández-Torre, J.L., Rebollo, M. Seizure 2009; 18: 82-83. 3. Bauer, G
et al. Epileptic Disord 2007; 9: 39-42.4. Fernández-Torre, J.L. Seizure 2001; 10: 433-437. 5. Thomas, P et al. Epilepsia 1993; 34: 355-358.
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A14
Ungeklärte Schlaganfälle und Synkopen – der Kardiologe kann helfen!
Dr. Jens Placke, Kardiologische Praxis und Zentrum für aktive kardiale Implantate und Telemedizin,
Rostock
Fragestellung: Klare Diagnosen helfen bei der Auswahl der therapeutischen Maßnahmen und sind Grundlage
einer evidenzbasierten und zugleich individualisierten Medizin. Nicht immer gelingt das im Bereich der
Schlaganfall- und Synkopendiagnostik.
1) In Deutschland erleiden ca. 700 Menschen pro Tag einen Schlaganfall, dabei ist von ungefähr 150
kardioembolisch bedingten Insulten auszugehen. Zudem sind schätzungsweise ca. 150 kryptogen. 24 Stunden,
besser 72 Stunden eines EKG-Monitoring haben bereits gezeigt, dass eine hohe Rate der kryptogenen
Schlaganfälle durch Vorhofflimmern bedingt sein könnte. Kann ein Langzeitmonitoring mittels Ereignisrecorder
die Detektion von Vorhofflimmern verbessern und sommit zu einer effektiven Sekundärprophylaxe beitragen? 2)
In der Abklärung von Schlaganfällen ist der diagnostische Erfolg trotz hoher Aufwendungen mitunter mangelhaft.
Neben Ressourcenverschwendung ist eine übertriebene Diagnostik zudem mit unnötigen Belastungen für den
Patienten verbunden. Kann diese Situation mit Hilfe von implantierbaren Ereignisrecordern verbessert werden?
Methodik: Zu den Fragestellungen werden die aktuellen Studien und die Empfehlungen der Leitlinien der
Fachgesellschaften erläutert. Zudem werden eigene Ergebnisse demonstriert und problembezogene
Falldarstellungen verwendet.
Ergebnisse: Neben der Crystal-AF-Studie und Studiendaten aus Schweden belegen auch eigenen Daten und
Fälle, dass sowohl patientenaktivierte als auch implantierbare Ereignisrecorder die diagnostischen Lücken
schließen und damit eine effektive Sekundärprophylaxe begründet können. 2) Die Darstellung der Daten aus dem
Nürnberger Synkopenregister und der Picture-Studie zeigen neben den eigenen Erfahrungen aus den Aktivitäten
des Synkopenleitpfades im Krankenhaus Bad Doberan die Möglichkeit einer raschen und effektiven Abklärung
des Verdachtes einer rhythmogenen Synkope mithilfe von Ereignisrecordern auf. Zudem kann ein effektiver
Patientenpfad im Krankenhaus zu einer besseren Auslastung der Ressourcen führen. Die Darstellung einzelner
Patientenfälle illustriert dieses Vorgehen.
Diskussion: Mit den kardiologischen Möglichkeiten können wir sicher und effektiv Rhythmusstörungen in der
Klärung kryptogener Schlaganfälle und unklarer Synkopen diagnostizieren. Nicht unerwähnt bleiben darf dabei,
dass die Detektion von Rhythmusstörungen deren Auftreten voraussetzt – also der Patient erneut in eine
bedrohliche Situation kommt. Daher werden in der Diskussion Überlegungen aufgezeichnet, bereits in der
Primärprophylaxe solche diagnostischen Werkzeuge einzusetzen. Problematisch sind noch immer die
Finanzierung und die Organisation der Nachsorge. Abschließend werden Vorschläge zur Netzwerkbildung
diskutiert.
A15
Ein Vergleich der Effektivität von vier Antiepileptika bei der Behandlung des Status
Epileptikus
Johannes Rösche, Juliane Redecker
Klinik für Neurologie und Poliklinik, Universitätsmedizin Rostock
Fragestellung: Die Durchführung prospektiver randomisierter Studien zur Behandlung des Status epilepticus ist
aus ethischen Gründen schwierig. Daher ist hier die Analyse retrospektiver Fallserien und Datenbankanalysen
zur Gewinnung evidenzbasierter Behandlungsleitlinien von besonderer Bedeutung. In einer aktuellen
Übersichtsarbeit wurden 12 verschiedenen Auswertekriterien, nach denen ein Antiepileptikum bei der
Behandlung eines Status epilepticus als erfolgreich betrachtet aufgelistet (1). Daraus ergibt sich die Frage, wie
sich unterschiedliche Auswertekriterien auf die Annahme der Effektivität eines Antiepileptikums zur
Durchbrechung eines Status epileptikus in Fallserien auswirken.
Methodik: Wir präsentieren hier vorläufige Daten aus einer retrospektiven Datenbankanalyse, die alle Status
epilepticus Behandlungen in der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universität Rostock in der Zeit vom
01.01.2010 bis zum 30.06.2013 erfassen soll. Dabei werden hier vier intravenös verabreichbare Antiepileptika
miteinander verglichen (Phenytoin, Valproat, Levetiracetam, Lacosamid) Ein Antiepileptikum soll als das
entscheidend wirksame angesehen werden, wenn es entweder (a) das letzte vor Ende des Status applizierte
Antiepileptikum war (Auswertekriterium 1) oder (b) das letzte in die Therapie eingeführte Antiepileptikum
innerhalb der letzten 72 Std. vor Statusende ohne Erhöhung der Dosis der vorbestehenden Therapie
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(Auswertekriterium 2) oder (c) das letzte in die Therapie eingeführte oder in der Dosis erhöhte Antiepileptikum
innerhalb der letzten 24 Std. vor Statusende ohne andere Änderungen der vorbestehenden Therapie
(Auswertekriterium 3) oder (d) das letzte in die Therapie eingeführte Antiepileptikum innerhalb der letzten 72 Std.
vor Statusende (Auswertekriterium 4). Dabei wurden Vergleiche mit dem 2-Test zwischen den einzelnen
Antiepileptika bei allen vier Auswertekriterien in der Gesamtgruppe und bei den beiden häufigsten Subgruppen
(Epilepsia paritalis continua und nichtlimbischer komplex partieller Status epilepticus) durchgeführt.
Ergebnisse: Bei 40 der bisher analysierten Behandlungsepisoden eines Status epilepticus war eines der vier
Antiepileptika eingesetzt worden. In der Gesamtgruppe der Behandlungsepisoden unterschieden sich die
einzelnen Antiepileptika bezüglich Effektivität zur Durchbrechung des Status nicht signifikant voneinander. Die
Effektivitätsraten schwankten jedoch zwischen den Auswertekriterien beträchtlich (z.b. Levetiracetam Kriterium
1: 47%, Kriterium 2: 14,7%; Lacosamid Kriterium 1: 50%, Kriterium 2: 12,5%). Bei der Epilepsie partialis continua
erschien Levetiracetam effektiver als die anderen Antiepileptika nach Auswertekriterium 3 (p <, 0,04) und beim
nichtlimbischen komplex partiellen Status epilepticus nach Auswertekriterium 1 (p < 0,02).
Diskussion und Schlussfolgerung: Für Datenbankanalysen und Publikationen von Fallserien sollten die
Auswertekriterien standardisiert werden, um sinnvolle Metanalysen zu ermöglichen. Die hier präsentierten Daten
zeigen, dass unterschiedliche Auswertekriterien bei unterschiedlichen Subgruppen des Status epilepticus zu
unterschiedlichen Ergebnissen bezüglich der Effektivität eines Antiepileptikums im Vergleich zu anderen führen.
Literatur: 1. Rösche J, Redecker J. Treatment of status epilepticus – A narrative review on the evidence so far and a proposal for the
design of retrospective studies. European medical Journal Neurology in Press
A16
Kann der Einsatz anästhetisierender Antikonvulsiva beim Status epilepticus das
Outcome verschlechtern?
Johannes Rösche1*, Kristin Rantsch1,2, Matthias Wittstock1, Uwe Walter1
1. Klinik für Neurologie und Poliklinik, Universitätsmedizin Rostock
2. Klinikum Altenburger Land GmbH
Fragestellung: Aufgrund einer zunehmenden Zahl von Publikationen, die den Einsatz der Intubationsnarkose
zumindest bei nonkonvulsiven Statusformen kritisch hinterfragen lassen, wurde eine retrospektive
Datenbankanalyse durchgeführt. Ziel war es, zu überprüfen, ob die Anwendung anästhetisierender
Antikonvulsiva in Verbindung mit einer Intubationsnarkose mit einem erhöhten Risiko zu versterben oder ein
neues Defizit davon zu tragen assoziiert ist, ohne dass dies durch eine erkennbar schlechtere Prognose bei
Behandlungsbeginn erklärt werden könnte.
Methodik: Es wurden alle Status epilepticus Behandlungen in der Klinik und Poliklinik für Neurologie der
Universität Rostock in der Zeit vom 01.01.2000 bis zum 31.12.2009 erfasst und bezüglich Schwere der
Statusform bei Aufnahme, Mortalität und Behinderungsgrad bei Entlassung ausgewertet.
Ergebnisse: Von 167 Behandlungsepisoden eines Status epilepticus erfolgten 34 mit Intubationsnarkose.
Patienten, die mit Intubationsnarkose behandelt worden waren, hatten gegenüber den anderen ein mehr als
zweifach erhöhtes Risiko zu versterben. Dieser Unterschied wurde jedoch nicht signifikant (p = 0,09). Vier von
fünf Patienten, die mit Intubationsnarkose behandelt worden waren, verstarben an kardiopulmonalen
Komplikationen. Bei Entlassung lag bei den mit Intubationsnarkose behandelten Patienten ein signifikant höherer
Behinderungsgrad gemessen mit dem Modified Rankin Scale vor als in der Vergleichsgruppe (p < 0,01).
Diskussion und Schlussfolgerung: Bei der Indikationsstellung zur Intubationsnarkose insbesondere bei
nonkonvulsiven Statusformen sollten Nutzen und Risiko gut gegeneinander abgewogen werden. Bei der
Durchführung der Intubationsnarkose zur Statusbehandlung muss große Sorgfalt darauf verwendet werden,
kardio-pulmonale Komplikationen zu vermeiden.
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