Arzneipflanze Birke Vorschlag zur erweiterten Betrachtung der Evidenz in der Phytotherapie am Beispiel der uralten und modernen Arzneipflanze Birke und ihre Verwendung in verschiedenen Kulturen Abbildung 1: Hängebirke, Betula pendula ROTH, im Juli Zertifikatsarbeit zur Erlangung des Fähigkeitsausweises Phytotherapie (SMGP) Vorgelegt von Dr. med. Marianne Ruoff Allgemeine Innere Medizin FMH Akupunktur/TCM (ASA) Diploma in Chinese Herbal Medicine, classic formulas Kirchenfeldstr. 31 3005 Bern ! "! Arzneipflanze Birke Inhaltsverzeichnis Einleitung....................................................................................................... 3 Heilanwendungen der Birke in drei Kulturen.................................................. 4 1) Indigene Tradition Nordamerikas..................................................... 4 2) Europäische Tradition...................................................................... 13 3) Im China des ausgehenden 16. Jahrhunderts................................. 15 Beispiele für Anwendungen der Birken in der aktuellen Kräuterheilkunde..... 17 Die Familie der Birken in der Wissenschaft.................................................... 21 1) Birkenrinde..................................................................................... 21 2) Birkenblätter................................................................................... 29 3) Birkenteer....................................................................................... 37 4) Birkensaft....................................................................................... 38 5) Birkenknospen............................................................................... 39 Im Handel erhältliche Präparate aus der Birke.............................................. 40 Fallberichte mit Anwendungen der Birke als Heilmittel in eigener Arztpraxis mit den Schwerpunkten Phytotherapie und Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)...................................................... 43 Diskussion..................................................................................................... 52 Neuer Ansatz des Wirksamkeitsnachweises in der Phytotherapie................ 53 Zusammenfassung........................................................................................ 55 Fazit............................................................................................................... 56 Literatur......................................................................................................... 57 ! #! Arzneipflanze Birke Einleitung Phytotherapie ist der Ursprung der vom Menschen und intuitiv von Tieren angewendeten Medizin, archäologische Forschungen belegen deren Ursprünge bis in die letzte Eiszeit vor über 12 000 Jahren. In der Ethnobotanik wird davon ausgegangen, dass Übereinstimmungen der volksmedizinischen Verwendung verschiedener Birkensorten und weiterer Heilpflanzen in Nordamerika, Sibirien und Russland auf die gemeinsame Urheimat finnisch-ugrischer, turktatarischer, mongolischer und indianischer Völker im Grossraum Nordasien während der letzten Eiszeit zurückzuführen sind. Da durch die Beringstrasse diese Völker vor 11.000 Jahren getrennt wurden, wird angenommen, dass diese Gemeinsamkeiten bereits vorher bestanden haben müssen. Es handelt sich um Anwendungen der Birke für Fieber, Nieren-Blasen-, Atemwegsund Hauterkrankungen. Diese Wirkungen müssen somit bereits seit der letzten Eiszeit bekannt gewesen sein und wurden seit 11 000 Jahren in diesen Volksgruppen unabhängig voneinander bis in die heutige Volksmedizin beibehalten [1]. Auch in schriftlichen Quellen lassen sich diese kulturübergreifenden Gemeinsamkeiten in der volksmedizinischen Anwendung der Birke über mindestens 400 Jahre verfolgen, wie in der vorliegenden Arbeit dargestellt wird. Dies ist ein beachtlich langer Beobachtungszeitraum für ein Heilmittel. Wenn man das wiederholte Beobachten der selben Wirkung von unabhängigen Untersuchergruppen fordert, dann kann am Beispiel der Birke veranschaulicht werden, dass sie über diesen langen Zeitraum für ähnliche oder gleiche Heilwirkungen in den voneinander grösstenteils unabhängigen Völkern der nordamerikanischen Indianer, Chinas und des deutschsprachigen Europas verwendet wurde. Es kann davon ausgegangen werden, dass bei Anwendung über einen solch grossen Zeitraum in diesen Volksgruppen eine unwirksame Medizin längst erkannt und verworfen worden wäre. Ebenso müssten giftige Wirkungen oder Nebenwirkungen entdeckt worden sein. Vorschlag neuer Evidenzkriterien für die Phytotherapie Anhand der Birke als Heilpflanze wird die Frage aufgeworfen, ob unter Einbezug von Experten der Medizinstatistik, Pharmakologie, Ethnomedizin, Ethnologie, Medizin, Historik und eventuell weiterer Fachbereiche wie Biologie oder Chemie, neue statistische Methoden ähnlich einer Meta-Analyse entwickelt werden könnten. Dies, um das umfangreiche Datenmaterial volksmedizinischer Anwendungen der Birke in mehreren Kulturkreisen über 400 Jahre als ein statistisch haltbares und wissenschaftlich begründbares Kriterium der Evidenz der Phytotherapie geltend zu machen. Schriftliche Quellen Für die Anwendung in der Chinesischen Medizin wurde der chinesische Kräuterbuchklassiker Bencao Gangmu [2] verwendet, der 1593 erstmals erschienen ist, mehrfach in China und Japan kurz nach Erscheinen kopiert wurde und bis heute als Standardwerk damaliger chinesischer Kräutermedizin gilt. Für die Medizin im deutschsprachigen Raum werden mehrere Kräuterbücher des 16. bis 17. Jahrhunderts wie zum Beispiel von Hieronymus Bock [3] und Theodor ! $! Arzneipflanze Birke Zvinger [4] herangezogen, die damals unter Kräuterärzten verbreitet benutzt wurden. Für die Verwendung der Birke bei nordamerikanischen indigenen Völkern wird auf die umfangreichen Datensammlungen von Daniel E. Moerman [5] und Heinz J. Stammel [6] zurückgegriffen, die versucht haben, alle verfügbaren schriftlichen Aufzeichnungen sowie die mündlich überlieferte Tradition zusammenzufassen, dies mehrheitlich von den letzten 150 Jahren. Die Medizin der nordamerikanischen Indianer wurde auch deshalb herangezogen, weil sie nach heutigen ethnologischen und archäologischen Kriterien als direkte ununterbrochene Fortsetzung der Medizin eiszeitlicher Jäger- und Sammlerkulturen gilt und einen der ältesten MedizinWissens-Schätze darstellt. Mit der vorliegenden Arbeit, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben will, wird die traditionelle Verwendung der Birke als Heilmittel in diesen drei Volksgruppen aufgezeigt. Wissenschaftliche Untersuchungen zur Birke sowie die aktuell verkäuflichen Birken-Präparate werden aufgeführt. Die Anwendung an ein paar Fallbeispielen aus eigener phytotherapeutisch orientierter Arztpraxis mit dem Schwerpunkt Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) wird dargelegt sowie eine erweiterte Betrachtungsweise zur Evidenz der Phytotherapie unter Berücksichtigung der volksmedizinischen Erfahrung angeregt. Heilanwendungen der Birke in drei Kulturen Bei den nordamerikanischen Indianern, in der Kräutermedizin des deutschsprachigen Raums und in China werden die verschiedenen Birkensorten übereinstimmend seit Jahrhunderten für Infektionskrankheiten, Hauterkrankungen und Nieren-BlasenErkrankungen eingesetzt. Man findet noch weitere Gemeinsamkeiten, die genannten sind jedoch die Auffälligsten. Die Volksheilkunde der nordamerikanischen Indianer setzt Birkenzubereitungen zusätzlich für Verdauungsbeschwerden und Leber-GalleProbleme ein, was sich auch in den benutzten Quellen des deutschsprachigen Raums wiederfindet, die Verwendung bei Gelbsucht ebenfalls in China. Die indigene Medizin kennt zusätzliche Anwendungen der nordamerikanischen Birkenarten, zum Beispiel in der Frauenheilkunde, welche in den Quellen der anderen Kulturen nicht erwähnt sind. Die Anwendungsbeschreibungen aus obengenannten Quellen werden nachfolgend aufgeführt. 1) Indigene Tradition Nordamerikas [5,6] Anwendung der Birke bei Hauterkrankungen Hauterkrankungen mit Juckreiz Eine Abkochung der Gelbbirken-Rinde (B. alleghaniensis Britt.) zusammen mit anderen Pflanzen wurde als Hautwaschung bei sogenanntem „italienischem Juckreiz“ gebraucht. Birkenholzasche wurde bei Krätze, Mundfäule und anderen Hautkrankheiten verwendet. ! %! Arzneipflanze Birke Hautsalben für Ekzeme, Pilze, Allergien, Parasiten, Wunden Aus Birkenholz und -Rinde (laut den Aufzeichnungen von H-J Stammel durch Kochen in Wasser) wurde ein Öl gewonnen, das als Salbengrundlage diente. Diese Salbe wurde bei allergischen und parasitären Hautekzemen angewendet. Die Knospen der Rotbirke (B. occidentalis Hook) wurden zu einem Sirup eingekocht, mit Schwefel vermischt und dann in Form einer Salbe bei Hautpilz und entzündeten offenen Wunden eingesetzt.1 Als Babypuder und für Dermatitiden Das verrottete, getrocknete und dann zu feinem Pulver zermahlene Holz der Papierbirke (B. papyrifera Marsh.) fand als Babypuder zur Verhütung von Hautausschlägen Verwendung. Papierbirken-Rinde wurde bei wundem Babypopo und anderen Hautausschlägen benutzt. Die getrocknete, zu Pulver verriebene innere Papierbirken-Rinde zusammengemischt mit Pech und Fett ergab eine Salbe für chronischen Hautschorf und Hautausschläge. Mit der Abkochung aus der inneren Papierbirkenrinde wurde erkrankte Haut gewaschen. Abbildung 2: Zweig einer Papierbirke, Betula papyrifera Marsh, Botanischer Garten Tübingen im Juli Hautwunden Der aus jungen Birkenblättern (die Art wird nicht näher bezeichnet) gewonnene Tee wurde innerlich und äusserlich bei Brand- und anderen Wunden eingesetzt, er galt als desinfizierend, entzündungshemmend und regenerativ. Brei aus der äusseren Rinde der Papierbirke (B. papyrifera) wurde als Umschlag bei Verbrennungen angewendet. Hierzu wurde zum Beispiel die Rinde weichgekocht !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! "!Wie genau das Sirup bereitet wurde, wird in der Quelle nicht erwähnt. Vor der Besiedlung durch Europäer verwendeten viele nordamerikanische Indianerstämme Ahornsirup als Süssmittel, danach dann ebenfalls Zucker. In welcher Form Schwefel genommen wurde, ist nicht näher ausgeführt.! ! &! Arzneipflanze Birke und zwischen zwei Steinen zu einem Brei zerstampft. Geschabsel der inneren Rinde der Graubirke (B. populifolia Marsh) wurde zur Behandlung von geschwollenen infizierten Schnittwunden genommen. Für Wunden wurde Birkenrinde auch weichgekocht, zwischen zwei Steinen zu einem Brei zerstampft, und dieser auf entzündete und geschwollene Verletzungen und Schnittwunden aufgelegt. Dies um Schmerzen zu stillen, Infektionen zu behandeln oder vorzubeugen, und um die Heilung zu fördern. Das pulverisierte gekochte Holz der Moorbirke (B. pubescens Ehrh.) wurde auf Schürfwunden aufgetragen. Der im Frühjahr durch Anbohren des Stammes gewonnene Saft, insbesondere von der Schwarzbirke (B. nigra L.) wurde gegen Brandwunden, eiternde Wunden und Geschwüre gebraucht. Abbildung 3: Schwarzbirke, Betula nigra L., Botanischer Garten Tübingen im Juli Erkrankungen der Verdauungsorgane Magengeschwüre, -krämpfe Wurzelpulver aus dicht unter der Erdoberfläche liegenden Wurzeln der Papierbirke (B. papyrifera), oder deren Wurzelrinde, wurde mit Ahornsirup erhitzt und bei Magenkrämpfen angewendet. Auch der Tee aus Zucker- oder Schwarzbirkenrinde (B. lenta L. oder B. nigra), oder aus Birkenknospen galt als Magenheilmittel, mehrmals täglich getrunken. Die Abkochung aus Blättern der Zwergbirke (B. nana L.) wurde alleine oder zusammen mit anderen Pflanzen ebenfalls bei Magenschmerzen und Verdauungsstörungen eingenommen. ! '! Arzneipflanze Birke Abbildung 4: Zwergbirke, B. nana L., Grönland im Juli Verdauungsstörungen Wurzelpulver nicht näher bezeichneter Birkenarten wurde über Nacht mit wenig Wasser angesetzt, abgesiebt und mit körperwarmem Wasser verdünnt, um es als Einlauf bei Verdauungsstörungen einzusetzen. Teezubereitung aus der inneren Rinde der Papierbirke (B. papyrifera) wurde als abführender Einlauf genommen. Gegen Blähungen galt Tee aus gleichen Teilen Birkenblättern und -Rinde als wirksam. Durchfall Hierfür kaute man Blätter der Zucker- oder Schwarzbirke (B. lenta oder B. nigra), nahm Tee aus deren Blättern oder aus Zuckerbirken-Rinde ein. Abkochung der inneren Rinde der Papierbirke (B. papyrifera) galt ebenfalls als Mittel bei Durchfällen. Blutende Hämorrhoiden Abkochung aus Graubirken-Rinde (B. populifolia) wurde hierfür verwendet. Emetikum Innere Rinde der Grau- und Gelbbirke (B. populifolia und B. alleghaniensis) wurde zum Auslösen von Erbrechen eingesetzt. ! (! Arzneipflanze Birke Abbildung 5: Papierbirken-Züchtung, Betula papyrifera Marsh, Bodensee im Juli Atemwegs- und Lungenerkrankungen Erkältungskrankheiten und Fieber Teezubereitungen der Zucker- und Schwarzbirke (B. lenta und B. nigra) wurden bei Erkältungen alleine oder zusammen mit anderen Pflanzen bei Fieber getrunken. Warmauszug der inneren Rinde der Gelbbirke (B. alleghaniensis) mit Ahornsirup vermischt galt ebenfalls als Erkältungsmedizin. Die frische innere Rinde wurde zerbröselt, dann ein Warmauszug hergestellt und dieser eingenommen. Auch der im Frühjahr aus dem Stamm der Papierbirke (B. papyrifera) gewonnene Saft galt als Heilmittel bei Erkältungskrankheiten und Husten. Bei chronischen Infekten der Nase und oberen Luftwege wurden Birkensamen auf der heissen Asche eines ausgebrannten Feuers langsam geröstet und die Dämpfe ! )! Arzneipflanze Birke inhaliert. Zum Inhalieren bei Katarrh diente Rauch aus den Zapfen der Amerikanischen Strauchbirke (B.pumila var. glandulifera Regel). Lungenentzündung, -Tuberkulose und andere Lungenkrankheiten Bei diesen Lungenerkrankungen wurde die Abkochung, oder, wie unten beschrieben, ein Kaltauszug aus Birkenrinde, zum Beispiel der Zuckerbirke (B. lenta) und anderer, nicht näher bezeichneter Birkensorten getrunken. Birkenholz-Dampf- Inhalation während Schwitzbädern zum Vorbeugen und Behandeln von Lungenkrankheiten Birkenholz von Stamm und Ästen wurde im Herbst, wenn es mit Ölen angereichert war, gesammelt. Während des Schwitzbades legte man hauchdünne Scheiben davon auf glühende Steine und atmete den entstehenden Rauch ein. Damit wurde Erkrankungen der Atemwege vorgebeugt oder diese behandelt. Bei Lungentuberkulose, Lungenentzündung und Bronchitis wurde dazu 2x täglich ein einstündiges Schwitzbad gemacht und gleichzeitig ein Kaltauszug aus PapierbirkenRinde (B. papyrifera) in kleinen Schlucken getrunken. Dies galt als sicheres Heilmittel. Auch allgemein zur Luftdesinfektion, zum Beispiel bei Epidemien, wurden kleine Stücke dieses Birkenholzes auf dem Feuer des Raumes verbrannt, in dem man sich aufhielt. Nieren- und Blasen- Erkrankungen Trüber Urin, erschwertes Wasserlassen Bei milchig-trübem Urin trank man Tee aus Zucker- oder Schwarzbirkenrinde (B. lenta oder B. nigra). Die Abkochung aus der inneren Rinde der Schwarzbirke galt als Heilmittel für Schwierigkeiten beim Wasserlassen mit Absonderungen. Nieren- oder Blasensteine, Blaseninfekte, Gicht Hierfür trank man Tee aus noch nicht ganz ausgewachsenen Birkenblättern oder den Warmauszug der inneren Rinde der Gelbbirke (B. alleghaniensis) mit Ahornsirup vermischt. Die Rinde wurde auch bei Nieren-und Blasensteinen sowie Gicht eingesetzt. Blut- und Leberreinigend Rindenabkochung der Gelbbirke (B. alleghaniensis), Zucker- (B. lenta) und Papierbirke (B. papyrifera) wurde alleine oder zusammen mit anderen Pflanzen als Blutreinigungsmittel eingesetzt, auch um innere Blutkrankheiten zu heilen. Sie galt ebenfalls als hilfreich, „Galle von den Därmen zu entfernen“, und als Brechmittel. Tee aus Birkenknospen wurde zur Leberreinigung getrunken. Frühjahrskur mit Birkenblättertee oder -Rindendekokt Die Wirkung von Tee aus noch nicht ganz ausgewachsenen jungen Birkenblättern wurde als harntreibend, desinfizierend, schweisstreibend, stoffwechselanregend, entwässernd, entzündungshemmend, fiebersenkend und regenerativ beschrieben. Eine zusammengesetzte Abkochung aus Schwarzbirkenrinde (B. nigra) und anderen Pflanzen wurde als Frühjahrs-Aufbaukur getrunken. ! *! Arzneipflanze Birke Frauenheilkunde Zum Stillen Abkochung der Gelbbirke (B. alleghaniensis) wurde zum Unterstützen des Stillens verwendet. Für ausreichenden Muttermilchfluss wurde eine Abkochung aus dem Holz der Papierbirke (B. papyrifera) getrunken. Abkochung aus Papierbirkenrinde und –holz galt als Heilmittel bei „Frauenbeschwerden“, womit wahrscheinlich Menstruationsbeschwerden gemeint sind. Nach Geburten Asche aus verbrannter Papierbirken-Rinde (B. papyrifera) wurde für die Rückbildung der Gebärmutter nach Geburten eingesetzt. Tee aus Zapfen der Amerikanischen Strauchbirke (B. pumila var. glandulifera) trank man zur Stärkung während der Menstruation und nach Geburten. Auch Tee aus den warzigen Harzdrüsen der Gelb- und Papierbirke (B. alleghaniensis und B. papyrifera) galt als Tonikum für Frauen während der Menstruation und nach Geburten. Unterkühlung während der Menstruation Wenn die Frauen „Kälte während der Menstruation“ erwischt hatten, wurde ein Tee mit Zuckerbirke (B. lenta) und anderen Pflanzen verabreicht. Behandlung von Gonorrhö während der Schwangerschaft Eine Abkochung aus Zuckerbirke (B. lenta) und anderen Pflanzen, wurde bei dieser Konstellation eingenommen. Auch das Holz der Papierbirke (B. papyrifera) galt zusammen mit anderen Pflanzen als Heilmittel bei Gonorrhö. Empfängnisverhütung Blüten und Blätter der Wasserbirke (B. occidentalis) wurden zu zwei getrennten Bündeln gebunden für die Zeit der Empfängnis. Falls die Menstruation danach ausfiel, wurde die Abkochung aus diesen Bündeln getrunken um einen frühen Abort zu verursachen. Beschwerden des Bewegungsapparats Gliederschmerzen Eine zusammengesetzte Abkochung mit Zuckerbirke (B. lenta) und anderen Pflanzen gab man bei Gliederschmerzen. Rückenschmerzen Hierzu wurde eine Abkochung aus dem Holz der Papierbirke (B. papyrifera) getrunken. Papierbirke galt generell als schmerzlindernd. ! "+! Arzneipflanze Birke ! Abbildung 6: Stamm einer Papierbirke, B. papyrifera Marsh, Botanischer Garten Tübingen im August Zahnheilunde Zahnende Kinder Bei diesen Beschwerden verabreichte man eine Abkochung aus Stämmen oder Zweigen der Papierbirke (B. papyrifera). Birkenwurzelpulver zur Mundhygiene und Zahnpflege Aus den dicht unter der Erdoberfläche liegenden Wurzeln der Papierbirke (B. papyrifera) wurde ein trockenes Wurzelpulver bereitet, das in kleinen Mengen Mundspültees beigemischt wurde, um Mundgeruch, Karies und Parodontose vorzubeugen oder zu behandeln. ! ""! Arzneipflanze Birke Um Schwitzen zu erzeugen Für diesen Zweck wurde eine Abkochung aus Papierbirken-Holz (B. papyrifera) eingenommen. Weitere Anwendungen Allgemeine Müdigkeit, Anämie, Vitamin-C-Mangel Die zusammengesetzte Abkochung aus Zuckerbirke (B. lenta) und anderen Pflanzen wurde hierfür getrunken. Aus der inneren Rinde der Zuckerbirke stellte man ein Stärkungsmittel her, ebenfalls galt Abkochung aus Papierbirken-Zweigspitzen (B. papyrifera) als Tonikum. Im Frühjahr aus Gelbbirke (B. alleghaniensis) durch Anbohren des Stammes gewonnener Saft wurde bei Anämie gegeben. Insbesondere von der Schwarzbirke (B. nigra) galt er als hilfreich bei Vitamin-C-Mangelkrankheit, als harntreibend und abführend. Birkenrinden- und Blättertee Tee aus gleichen Teilen Birkenrinde und Blättern, (1 Teel. pro Tasse kochendes Wasser) wurde für folgende Wirkungen eingesetzt: Fiebersenkend, schmerzstillend, krampflösend (vor allem bei Nierensteinen), harntreibend, blutreinigend, desinfizierend, hilfreich bei Gicht und als mildes Wurmmittel. Vitamin-C-reiches Salatöl Aus jungen Ästen der Gelb- und Papierbirke (B. alleghaniensis und B. papyrifera) wurde ein Öl extrahiert, das als gesundes Würzöl Gemüsen, Salaten und Getränken beigegeben wurde. Es galt als Vitamin C-reich. (Genaue Angaben zu dessen Herstellung wurden nicht gemacht. Wahrscheinlich handelt es sich hier um eine Emulsion. Bei Inhaltsstoffanalysen von Birkenblättern konnte Vitamin C, im Holz der Gelbbirke Fettsäuren nachgewiesen werden. Möglicherweise wird das wasserlösliche Vitamin C durch Emulgator-Eigenschaften der in Birkenrinde enthaltenen Triterpene im Öl emulgiert. Bei der Herstellung eines Oleogels aus Birkenrinden-Triterpenextrakt fielen dessen Emulgator-Eigenschaften auf und führten zur Entwicklung einer Creme, die ohne Emulgatoren auskommt. Siehe Abschnitt Wissenschaft) Methylsalicylat Aus amerikanischer Zuckerbirke (B. lenta) und Rotbirke (B. occidentalis) gewann man früher in Nordamerika sogenanntes Wintergrünöl, das reich an Methylsalicylat (Salicylsäuremethylesther) ist, einem Stoff, der mit Aspirin verwandt ist und ähnliche Wirkungen besitzt [7]. Der Name kommt von der Pflanze Gaultheria procumbens L., Niedere Scheinbeere oder Wintergrün genannt, die vor der synthetischen Herstellung eine Hauptquelle zur Produktion von Methylsalicylat war. Sie wächst in Nordamerika und Kanada als bodennaher Strauch. Die nordamerikanischen indigenen Heiler wussten um die medizinische Wirkung dieses Öls aus obengenannten Birkenarten und gaben es in kleinen Dosen Patienten mit Arterienverkalkung. Auch bei Kopfweh, Zahnschmerzen, Gicht, Rheuma sowie äusserlich gegen Hautparasiten und zur Wunddesinfektion fand es Anwendung. In manchen Quellen soll von Erfolgen bei Gonorrhö und äusserlich angewendet bei Gasbrand berichtet worden sein. ! "#! Arzneipflanze Birke In der Tierheilkunde Schwarzbirkenrinde bei Hufkrankheiten der Pferde Die Rinde der Schwarzbirke (B. nigra) wurde mittels Pyrolyse oder Trockendestillation durch Erhitzen ohne weitere Zusätze mit der Doppeltopfmethode zu Teer eingekocht und die Hufe der Pferde bei Hufkrankheiten damit behandelt. 2) Europäische Tradition Hautkrankheiten, Hautinfekte, Wunden Bei Mundschleimhautentzündungen wurden Mundspülungen mit Saft aus jungen Birkenblättern, Saft aus dem angebohrten Stamm, oder dem Destillat aus diesen empfohlen. Birkensaft oder –Destillat wurde auch gegen Hautflecken und „Zittermähler“ verwendet. Hiermit waren rasch auftretende, sich ausbreitende, meist infektiöse Hauterkrankungen wie zum Beispiel Hautpilz, eventuell auch Impetigo, Herpes und andere gemeint [3,8]. Lauge aus Rindenasche galt als noch wirksamer für alle genannten Heilwirkungen [3,9]. Bei Räude (Krätze, Hautmilbenbefall) wurde ein Bad in der Abkochung aus Birkenblättern empfohlen, welches noch wirksamer sei, wenn man zwei Teile Weinstein und einen Teil Salpeter mitkoche. Birkenblätter-Abkochung wurde auch zum Auswaschen von nässenden Wunden genommen. Pulver aus Birkenrinde streute man in entzündete Wunden, um faules Fleisch zu vertreiben [10,11]. Antiinfektiös Birkenrindenrauch Rauch aus verbrannter Birkenrinde galt als desinfizierend und wurde in Ansteckungszeiten zum Räuchern von Räumen empfohlen. Von Cube erwähnte diesen Rauch zudem als hilfreich bei fliessenden Beinwunden [11]. Nieren- und Blasensteine, schmerzhaftes Wasserlassen, Impotenz Saft der jungen Birkenblätter sollte hierfür täglich getrunken werden für ein paar Tage. Ein Glas davon morgens nüchtern eingenommen wurde zur Verhütung von Steinbildung und für alte Leute mit schmerzhaftem Wasserlassen von Zvinger [4] und Bock [3] empfohlen. Auch destilliertes Wasser aus Birkenblättersaft, oder aus Birkensaft von im Frühjahr angezapften Stämmen, wurde hierzu genommen [8,9]. Zvinger erwähnte zudem, dass frischer Birkensaft bei Impotenz nützen würde. Aus Birkensaft destilliertes Wasser zusammen mit Holunderwasser galt als hilfreich bei Wasseransammlungen (Ödemen). Birkenwein, im Winter morgens nüchtern nach Einnahme einer Brühe, 6 bis 8 Loth getrunken (1 Loth sind ca. 1 Deziliter od. 100 g), wurde zum Reinigen der Nieren von Sand empfohlen. Zvinger gab eine genaue Anleitung für die Birkensaftkur: ! "$! Arzneipflanze Birke „Anleitung für eine Birkensaftkur 1. Man soll den frischen, süssen und nicht sauren oder gärenden Saft verwenden. 2. In den ersten Tagen sollen nicht über 12 Loth getrunken werden“ (Verzascha nennt 6 Loth [10]). „Danach könne man langsam auf 24 Loth steigern je nach körperlichen Kräften. 3. Nach der Einnahme soll man einen Spaziergang machen. 4. Er muss morgens nüchtern eingenommen werden, man darf erst eine Stunde später etwas essen. Wenn man dabei aber einen schwachen Magen verspüre, könne ein gutes Magenbonbon eingenommen werden. 5. Falls der Urin zurückbleiben würde, könnten geringe harntreibende Arzneien wie Fleischbrühe mit darin gekochter Petersilie, Terpentin-Pillchen oder andere hilfreiche Mittel genommen werden. Bei Verstopfung soll ein Hauselixier eingenommen werden. 6. Die Kur soll ohne Unterbruch drei Wochen lang durchgeführt werden. 7. Das Birkenwasser soll im ersten Frühling, bevor die Blätter austreiben, aus der geritzten Rinde und den Ästlein gesammelt werden. Denn sobald die Blätter treiben, sei das Wasser nicht mehr kräftig.“ Vergorener Birkensaft Der anfangs März gesammelte frische Birkensaft wurde an die Sonne gestellt, so dass er ähnlich frischem Apfelsaft zu Most vergärte. Dieser galt, gut verschlossen, ein ganzes Jahr als haltbar und wurde für Wasseransammlungen (Ödeme) allein oder zusammen mit Holunderwasser getrunken [10]. Anleitung für die Herstellung eines Birkenweins nach Theodor Zvinger: Man nahm 12 Teile frischen Birkensaft, einen Teil Honig, kochte es in einem Keramikgefäss, liess es solange aufschäumen bis ein Ei obenauf schwimmen konnte. Danach füllte man es in ein hölzernes Fässlein und hängte ein Stoffsäckchen hinein, in das zwei bis drei Löffel Bierhefe mit ein bis zwei Quintlein Gewürznelken eingebunden wurden. Dies liess man vergären, was ungefähr nach 12 Tagen oder etwas länger passieren sollte. Der vergorene Saft wurde abgelassen und im Weinkeller aufbewahrt. Besonders im Winter, morgens nüchtern 6 oder 8 Loth getrunken, nachdem man zuvor eine Brühe eingenommen hatte, galt als hilfreich, die Nieren von Sand zu reinigen. Um Birkensaft in Keramik- oder Zinngefässen lange aufzubewahren, wurde empfohlen, diese mit etwas Schwefelrauch einzubrennen [4]. Leber und Galle Im Frühjahr gezapfter Birkensaft wurde bei Gelbsucht empfohlen [3,9,10]. Augenentzündungen und Augenflecken Die ausgeschwitzte Flüssigkeit aus frischer Birke galt als Augenheilmittel. Hierzu sollte man einen frischen Birkenzweig anzünden und auf ein Steinbecken legen, wodurch sich eine Flüssigkeit bilde. Diese wurde in die Augenwinkel oder über die Augen gestrichen. Ein Tuch darin getränkt und auf den Nabel gelegt, galt als hilfreich bei „Bauchwürm“ [3]. ! "%! Arzneipflanze Birke Tiermedizin Birkensaft für Pferdefüsse Pferdefüsse wurden zu Heilzwecken mit Birkensaft eingerieben [4]. Abbildung 7: Aus dem Kreütterbuch von Hieronymus Bock, 1549 3) Im China des ausgehenden 16. Jahrhunderts: Heilanwendungen der japanischen Weissbirke, Betula platyphylla Sukaczev [2] Im Bencao Gangmu wurde nur diese Birkenart für ihre medizinischen Wirkungen beschrieben, obwohl vermutet werden kann, dass andere in China wachsende Birkenarten ebenfalls medizinische Anwendung fanden. Ihre Rinde, Cortex betulae platyphylla, wurde verwendet und als bitter, bland und ungiftig charakterisiert. In der ! "&! Arzneipflanze Birke heutigen chinesischen Pharmakopöe [12] lässt sich die Birke als Heilpflanze nicht mehr finden. Infektionskrankheiten, Gelbsucht, Fieber, Pocken Für Erkältungskrankheiten, Gelbsucht verschiedener Ursachen, Atemwegs- und Lungeninfekte, Blaseninfekte und bei spärlichem Wasserlassen mit Brennen wurde Birkenrinde eingesetzt. Hierzu wurde die Rinde ausgekocht, um ein konzentriertes Dekokt zu erhalten. Im Falle von fieberhaften Erkältungskrankheiten und Epidemien, sowie von infektiösen fieberhaften Hauterkrankungen, wie zum Beispiel Pocken, trank man dieses Dekokt kalt. Erwähnt wurde hierzu, dass es sehr effektiv sei. Auch die zu Asche verglühte Rinde wurde zusammen mit anderen Kräutern gegen infektiöse Atemwegs- und Hautkrankheiten eingenommen. In der TCM werden solche Erkrankungen als „Invasion von pathogenem Wind und Toxin in die Lunge“ bezeichnet. Abbildung 8: Japanische Weissbirke, B. platyphylla Sukaczev, Botanischer Garten Tübingen im August Hautkrankheiten Für infektiöse Hautkrankheiten wie Pocken, juckende Hauterkrankungen wie Scabies (Krätze), Weissfleckenkrankheit (Tinea versicolor, eine Hautpilzerkrankung), Nesselsucht (Urticaria), Juckreiz und Gesichtsakne wurde Birkenrinde gebraucht. ! "'! Arzneipflanze Birke Unter anderem wurde zum Beispiel folgendes Rezept bei diesen Erkrankungen eingesetzt: „Das Pulver von Birkenrinde, Huapi San: 120 g Birkenrinde, zu Asche verbrannt 120 g Bitterorange, Fructus Aurantii, nimm die Schale weg, verbrannt 60 g Spica Schizonepeta 15 g präparierte Süssholzwurzel, Radix Glycyrrhizae praeparatae (getrocknete Wurzelstücke gebraten) Mahle jede Zutat getrennt zu Pulver. Nimm 60 g Bitteraprikosen-Samen, Semen Armeniacae amarum, die in Wasser gekocht, dann von Schale und Spitze getrennt und zu einer Paste gemahlen werden. Zermahle alle obigen Zutaten zusammen und vermische sie gleichmässig. Nimm 6 g davon mit warmem Wein ein nach dem Essen. Wenn die Hautbeschwerden schlimm sind, dann nimm es 3 mal täglich ein.“ Brennen beim Wasserlassen und trüber Urin (Blaseninfekt) Birkenrindendekokt wurde hierfür eingenommen. Brustentzündung beim Stillen Birkenrinde wurde zu Asche verbrannt (z. B. in der trockenen Pfanne gebraten, bis es nicht mehr raucht) und pulverisiert. Der Patientin wurde ein gehäufter Teelöffel davon mit Wein verabreicht und dann Bettruhe bis zum nächsten Tag verordnet. Birkenrinde zum Räuchern, um die Luft zu desinfizieren „Verbrenne die Arznei um Angriffe von Üblem und von Teufeln vorzubeugen“. Mit diesen Begriffen wurden früher alle Erkrankungen, die quasi aus dem Nichts auftraten, nämlich Infektionskrankheiten, bezeichnet. Beispiele für Anwendungen der Birken in der aktuellen Kräuterheilkunde Birkenblätter und Birkensaft zur Förderung der Harnausscheidung und bei Gelenkbeschwerden In der heutigen phytotherapeutischen Literatur finden sich vor allem Anwendungsempfehlungen von Birkenblättertee sowie Birkensaft zur Anregung der Harnausscheidung, bei Entzündungen der Harnwege, bei Rheuma, Arthritis und Gicht [13,14,15]. Bei Gelenkbeschwerden gelten Frühjahrskuren mit Birkenblättertee, Birkensaft oder den jungen Blättern im Salat als hilfreich [16]. Rudolf Fritz Weiß nennt ebenfalls Birkenblättertee und Birkensaft als gebräuchlich bei obigen Beschwerden, bezweifelt deren Wirksamkeit jedoch [17]. Auch als Durchspülungstherapie zur Anregung körpereigener Entgiftungsfunktionen, zum Ausschwemmen von Nierengriess und Anregung der Nierenfunktion werden Birkenblättertee und Frischsaft genannt [16]. ! "(! Arzneipflanze Birke Bei Ödemen infolge eingeschränkter Herz- und Nierenfunktion wird Birkenblättertee in der unten zitierten ESCOP-Monografie nicht empfohlen. In der Zeitschrift der Österreichischen Gesellschaft für Phytotherapie wird jedoch Birkenblättertee wiederum gerade für Ödeme bei Herzschwäche angegeben [18]. Birkenabkochung Peter Holmes empfiehlt, bei chronischen Beschwerden mit Wasseransammlungen, Ödemen, Nierengriess oder Lymphstau, die (im Vergleich zu Aufguss bzw. Tee) stärker wirkende Abkochung aus Blättern, Rinde und Knospen (täglich 8-14 g der Mischung mit ca. 1 ! L Wasser abgekocht) 3 Tage lang einzunehmen, um dann 3 Tage lang Brennesseltee oder – Tinktur zu nehmen, und dies längere Zeit zu wiederholen. Man könne hierzu auch 2-5 ml (1/2 bis ein Teelöffel) pro Tag Tinktur aus Birkenblättern oder Tinktur aus Blättern, Rinde und Knospe nehmen [19]. Hauterkrankungen Ursel Bühring nennt die nachfolgend unter Fallbeispielen näher beschriebene Creme aus einem Triterpen-Extrakt der Birkenrinde mit Betulin, bei aktinischen Keratosen, Infekten der Hautfalten wie Intertrigo, zur Basispflege bei Neurodermitis, Psoriasis, rissigen Ekzemen und zur Wundheilung. Bei Ekzemen und juckenden Hauterkrankungen, sowie bei Cellulite erwähnt sie ebenfalls Frischpflanzensaftkuren mit Birke oder Birkenblättertee als Teil einer entgiftenden Therapie [16]. Wundheilung Pfarrer Künzle beschrieb Birkenknospentinktur als Wundheilmittel, die folgendermassen zubereitet wurde: Man pflückte Birkenknospen im März oder April, legte sie in Feinsprit (z.B. Obstler, Brandy) ein und liess sie 10 Tage an der Sonne oder an einem warmen Orte ziehen. Dann wurde sie in Flaschen abgefiltert und bei Wunden diese 2x täglich damit ausgewaschen. Auch innerlich wurde die Tinktur verdünnt eingenommen bei schweren Verwundungen, um die Heilung zu fördern [20]. Haarpflege, Haarausfall Bei Maria Treben finden sich Rezepte für schönes und dichtes Haar, zum Beispiel in Form eines Birken-Haarwassers. Hierzu wurde frischer Birkensaft abgemessen und mit der gleichen Menge 40%-igem Alkohol vermischt, in eine verschliessbare Flasche abgefüllt und gut geschüttelt. Damit wurde täglich der Haarboden sanft massiert. Das sollte das Haar dicht und glänzend machen [21]. Für guten Haar-Wuchs empfahl Maria Treben folgende Haar-Kur: In 5 Liter kaltem Wasser erwärmte man je eine Handvoll frische Brennesseln, Birkenblätter, Holunderblätter, Walnussblätter und einen Stengel Schöllkraut bis kurz vor dem Kochen. Es wurde einige Minuten ausgezogen, dann abgeseiht und mit der einen Hälfte des Absuds das Haar mit Kernseife gut durchgewaschen, anschliessend mit klarem Wasser ausgespült. Mit dem Rest des Absuds wusch man das Haar noch einmal nach, liess ihn einige Minuten auf Haar und Kopfhaut einwirken und trocknete das Haar, ohne die Heilkräuterlösung auszuwaschen [22]. Bei Rudolf Fritz Weiss werden Birkenblätter als Tinkturzubereitung gegen Haarausfall erwähnt [17]. ! ")! Arzneipflanze Birke Frühjahrskuren Unterstützend bei Frühjahrs-Fasten- oder Reinigungskuren wird Birkenblätter-Tee oder Birkenblätter-Frischpflanzensaft eingenommen [16]. Atemwegserkrankungen Im Rahmen von schweisstreibenden Wirkungen zur Behandlung von beginnenden Atemwegsinfekten findet sich Birke zusammen mit anderen Pflanzen bei Ursel Bühring erwähnt [16]. Blätter, Rinde und Saft Florian Ploberger gibt viele der Indikationen für Birkenprodukte an, die auch in der früheren traditionellen Medizin zu finden sind. Er verwendet Blätter, Rinde und Saft, wobei er der Rinde einen stärkeren Bezug zum Leberfunktionskreis nach TCM zuschreibt, den Blättern einen stärkeren Bezug zur Blase. Der Saft wirke auf beide, nur schwächer. Als Indikationen gibt er folgende an: Ödeme und Lymphstau, schmerzhafte Entzündungen wie Arthritis, Gicht und Rheuma, Nephrolithiasis, chronische Nephritis, Zystitis, Arteriosklerose, MagenDarm-Koliken, Obstipation, Gastroenteritis, Fieber und fieberhafte Infektionskrankheiten sowie Dermatitis. Als Tagesdosis gibt er 2 – 6 g an, wobei er meist Abkochungen aus Kräutermischungen einsetzt [23]. Eigene Praxiserfahrungen Creme mit Triterpen-Extrakt aus Birkenrinde bei Herpes zoster, Herpes simplex, Abschürfungen, Depigmentierungen, Aktinischer Keratose In meiner Praxis setzte ich eine in deutschen Apotheken erhältliche Creme namens Imlan Creme pur! ein, die einen Triterpenextrakt aus Hängebirkenrinde (B.pendula) mit dem Hauptbestandteil Betulin enthält. Bisher habe ich damit gute Heilerfolge bei Gürtelrose, Herpesbläschen, Abschürfungen, Hautentfärbungen und aktinischer Keratose beobachtet. Auch bei empfindlicher Haut als Bestrahlungsfolge oder nach Neurodermitis besserten die Beschwerden mit obiger Creme. Dazu muss die Creme ein- bis zweimal täglich über einen längeren Zeitraum dünn direkt auf die betroffene Haut aufgetragen werden. Birkenblätter-Tee oder -Abkochung bei Obstipation und Magen-Darm-Beschwerden Bei Obstipation kann man eine Birkenblätter- Abkochung mit 2 Esslöffeln frischen oder getrockneten Birkenblättern auf einen halben Liter Wasser bereiten, die man mit Deckel 5-20 min. kocht. Je länger sie gekocht wird, desto stärker wirkt sie und desto bitterer schmeckt sie. Für milde Beschwerden reicht auch die Teezubereitung: 1 bis 2 Teelöffel getrocknete Blätter mit 1 Tasse kochendem Wasser aufbrühen, 10 min. ziehen lassen. Von Tee oder Abkochung trinkt man 1-3 Tassen abgesiebt warm, am besten die erste Tasse morgens vor dem Frühstück, bei manchen wirkt jedoch auch eine Tasse am Abend gut. Das funktioniert bei vielen Personen recht rasch. Auch bei anderen Magen-Darm-Beschwerden wie Sodbrennen, Koliken oder Entzündungen kann diese Abkochung eingesetzt werden. ! "*! Arzneipflanze Birke Birkenblätter-Abkochung und Quark-Wickel bei akutem Gichtanfall Die Einnahme von Birkenblätter-Abkochung zusammen mit äusserlich angewendeten Quark-Wickeln kann bei einem Gicht-Anfall rasche Linderung bringen. Dies ist insbesondere dann hilfreich, wenn die sonst übliche medikamentöse Therapie nicht verfügbar oder kontraindiziert ist. Natürlich sollte zusätzlich die Ernährung geändert werden und Fleisch, Hülsenfrüchte, Pilze und Alkohol weggelassen oder reduziert werden. Der Quarkwickel wird mit einer grossen Portion Magerquark aus dem Kühlschrank durchgeführt und dieser solange belassen oder wiederholt gewechselt, bis sich der brennende Schmerz beruhigt hat. Abbildung 9: Hängebirkenzweig, B. pendula Roth, Deutschland im Juli ! #+! Arzneipflanze Birke Die Familie der Birken in der Wissenschaft Forschungsergebnisse zu den verschiedenen Birkenarten deuten darauf hin, dass manche der obengenannten volksmedizinischen Anwendungen mit wissenschaftlichen Methoden zunehmend belegt werden können. Für die Anwendung von Birkenrinde bei Hauterkrankungen finden sich die meisten Belege. Birkenrinde fällt in der Forstwirtschaft vor allem nordischer und subarktischer Länder in grossen Mengen als Abfallprodukt an und findet bisher nur wenig Verwendung. Die vorwiegend über eine pubmed-Suche gefundenen Forschungsarbeiten wurden in die Kapitel Birkenrinde, Birkenblätter, Birkenteer, Birkensaft und Birkenknospen aufgeteilt. 1) Birkenrinde Inhaltsstoffe Inhaltsstoffe von Moorbirkenrinden-Trockenextrakt (B.pubescens Ehrh.) Birkenrindentrockenextrakt wurde von einer russischen Untersuchergruppe aus St. Petersburg mit GLC, HPLC, IR und Proton-Magnetic-Resonance (PMR)Spektroskopie analysiert. Dies ergab folgende Zusammensetzung: 75,2% Terpene und ihre Ester (4,4% Fettsäureester von Betulinol und Lupeol), 0,08% ätherische Öle, 6,3% Kohlenwasserstoffe und 1% Kohlenwasserstoff-Epoxide, Steroide (2,7% "-Sitosterol), 2,1% Tannine, 1,56% Flavonoide, (davon hauptsächlich Kaempferol, seine 7-Methyl-Ester, Quercetin, der 4-Methyl-Ester von Naringenin und andere), 0,85% Hydroxycoumarine (Umbelliferon, Esculetin und andere), und zu 4% nicht identifizierte Komponenten. Die Hauptbestandteile des Birkenrindentrockenextraktes waren Terpene und Kohlenwasserstoffe. Chromatografische Trennung dieser Fraktionen ergab folgende Terpene: Betulinol, Isobetulinol, Lupeol, Lupenone, Betulon-Aldehyd, Betulonsäure, Betulinsäure, Platansäure. Bei den Kohlenwasserstoffen wurden #-Santalen, "Trans-Bergamoten und #-Trans-Bergamoten, und ihre Epoxy-Derivate gefunden. Die chemische Zusammensetzung des Rindenextraktes variierte je nach der Zubereitsungsmethode, was besonders den Gehalt der Hauptkomponente Betulinol betraf, der von 54% bis zu 82% variierte [24]. ! #"! Arzneipflanze Birke Abbildung 10: Alte Moorbirken, B. pubescens Ehrh., bei Thun im August Komponenten der Himalaya-Birkenrinde (B. utilis) Bei einer Analyse mit Dünnschichtchromatografie der Himalaya-Birken-Rinde wurden als Hauptkomponenten Betulin, Lupeol, Oleanol-säure, 3-Acetyloleanolsäure und "Sitosterol nachgewiesen [25]. Ätherische Öle in der inneren Birkenrinde Von der inneren Rinde der Hängebirke (B. pendula) und Papierbirke (B. papyrifera), die in Neuseeland angepflanzt waren, konnten ätherische Öle analysiert werden: Die Hängebirke enthielt Trans-#-Bergamotene (31%) und #-Santalene (19%), sehr ähnlich zu den Inhaltsstoffen von Moor-Birken-Rinde (B. pubescens) aus Russland, jedoch unterschiedlich zu den Inhaltstoffen von Zweigen, Blättern und Knospen einer in der Türkei gewachsenen Hängebirke. Die Papierbirke enthielt ebenfalls Trans-#Bergamotene (18%), sowie Aryl-Curcumene (12%), E-"-Farnesene (12%), Z-"Farnesene (10%) und Cis-#-Bergamotene (8%) [26]. Wintergrünöl (Methyl-Salicylat) aus der Rinde der nordamerikanischen Zuckerbirke (Betula lenta) Diese Substanz findet vielseitige Verwendung, zum Beispiel als Basis zur Herstellung verschiedener Geschmacksstoffe, Zusatz von Kaugummis, zum Maskieren schlecht riechender Substanzen, als entzündungshemmender Wirkstoff in ! ##! Arzneipflanze Birke Salben gegen Gelenk- und Muskelschmerzen. Es ist vor allem im ätherischen Öl der Zuckerbirkenrinde und des Wintergrüns (Gaultheria procumbens L.) enthalten, kann durch Wasserdampfdestillation gewonnen werden und mit chemischen Analysemethoden von künstlich hergestelltem Wintergrünöl unterschieden werden [27]. Die Inhaltsstoffe Betulin und Betulinsäure in der äusseren Birkenrinde und in anderen Pflanzen Besonders diese Inhaltsstoffe wurden in den letzten Jahren genauer untersucht, unter anderem aufgrund mehrerer Hinweise aus Forschungsarbeiten auf deren hemmende Wirkungen auf Krebszellen und auf das HIV-Virus. Im Februar 2010 fand das erste Wissenschaftsforum zu Betulin in Pforzheim, Deutschland statt [28]. Betulin kann aus Birkenrinde durch Extraktion mit Kohlenwasserstoff-Lösungsmitteln mit hohem Siedepunkt gewonnen werden, oder mit azeotropen Wasser-AlkoholGemischen. Aus Betulin kann leicht Betulinsäure hergestellt werden [29]. Eine Forschergruppe extrahierte Triterpene quasi vollständig aus zerkleinerter, getrockneter Rinde von Hängebirke (B.pendula) und Moorbirke (B. pubescens) mit Ethylacetat in einem Flüssig-Extraktionssystem, um sie danach in n-Heptan kristallisieren zu lassen und dann herauszufiltern. Diese getrockneten Birkenrinden enthielten pro 100g 14,9g Betulin, 1,7g Lupeol, 0,9g Betulinsäure, 0,5g Oleanolsäure und 0,3g Erythrodiol [30]. Abbildung 11: Rinde der Hängebirke, B.pendula Roth, Schweiz ! Betulin- Vorkommen in der Weissbirkenrinde und in anderen Pflanzen Betulin kommt in grösserer Konzentration in der Birkenrinde vor (bis zu 34% im Kork der Weissbirke, B.pendula), aber auch in anderen Pflanzen wie in Platanenrinde (Platanus L.), Apfelschalen (Malus Mill), Oliven (Olea europaea L.), Thymian (Thymus L.), Rosmarin (Rosmarinus officinalis L.), Salbei (Salvia L.), Gewürznelken (Syzygium aromaticum L.) [31,28] und in geringen Konzentrationen in den Wurzeln ! #$! Arzneipflanze Birke und Blättern der Weiss-Esche (Fraxinus americana L.), oder in Blättern und Rinde der amerikanischen Eberesche (Sorbus americana Marshall) [32]. Betulin wurde erstmals beschrieben als feine weisse Flocken, die sich auf der Rinde der Weissbirke bilden, wenn diese nahe beim Feuer liegt. Die Menge der Inhaltsstoffe Betulin und Oleanol-Säure hängt vom Alter der Birke ab und variiert in den einzelnen Pflanzenteilen Eine chinesische Forschergruppe untersuchte den Gehalt an Betulin und OleanolSäure in Rinde, Wurzelhaut und Blättern der japanischen Weiss-Birke (B. platyphylla Suk.). Dabei fanden sie den grössten Gehalt dieser Wirkstoffe in der Birkenrinde ab einem Baumalter von einem Jahr. Mit zunehmendem Alter der Birke nahm die Betulinkonzentration zu und die Konzentration von Oleanolsäure ab [33]. Klinische Studien am Menschen mit Triterpenextrakt aus der äusseren Birkenrinde mit dem Hauptbestandteil Betulin Schutz vor und Therapie bei aktinischer Keratose, einer Vorstufe von Hautkrebs Eine vielversprechende Untersuchung fand an 45 Patienten statt, die an aktinischer Keratose litten, einer Hautveränderung, die sehr häufig im höheren Lebensalter an den stark belichteten Hautstellen vor allem in der Gesicht/Kopfregion vorkommt und als Vorstufe von Hautkrebs angesehen wird, umgangssprachlich heller Hautkrebs genannt. Dabei war die 2x tägliche Anwendung eines Oleogels mit Triterpen-Extrakt aus Birkenrinde während 3 Monaten fast so erfolgreich wie Cryotherapie (Vereisung der Hautveränderungen): Bei 64 % der Patienten war die Haut vollständig geheilt bei alleiniger Anwendung des Oleogels, verglichen mit 79% kompletter Heilung nach alleiniger Cryotherapie. Bei weiteren 22 % der Patienten mit Oleogel-Anwendung war die Haut zu 75% besser. Das Oleogel bestand aus dem unter [30] beschriebenen Birkenrindenextrakt, der 87%Triterpene enthielt, 80% davon Betulin. Dieser Extrakt war mit Wasser und einem nicht näher bezeichneten Pflanzenöl vermischt worden. Zwei der damit behandelten Patienten gaben leichtgradige Nebenwirkungen mit leichtem Hautbrennen und Follikulitis an den behandelten Hautstellen an, die nach Absetzen des Oleogels abklangen [34]. In einer zuvor durchgeführten Pilotstudie an 28 Patienten war derselbe Triterpenextrakt mit Avokadoöl, Mandelöl und Wasser zu einem Oleogel vermischt worden [35]. Fallbeschreibung mit Betulin-basierter Emulsion bei nekrotisierendem Herpes Zoster Bei einem Patienten mit Immunschwäche, der unter nekrotisierendem Herpes zoster litt, konnte mit der lokalen Standardtherapie 14 Tage lang keine Besserung erreicht werden. Nach Anwendung einer Betulin-basierten Emulsion (Imlan creme pur!) direkt auf die betroffene Haut fand dann eine gute und nebenwirkungsfreie Wundheilung statt. Die Creme enthielt einen standardisierten Triterpenextrakt aus Hänge-Birkenrinde (B.pendula), der 87%Triterpene enthielt, 80% davon Betulin, 3% Betulinsäure, 3% Oleanolsäure, 2% Lupeol und 1% Erythrodiol , und der mit Jojobaöl und Wasser zu einer Emulsion vermischt wurde [36]. Diese Zusammensetzung entspricht quasi dem unter [30] beschriebenen und in beiden obengenannten Studien verwendeten Triterpen-Extrakt. ! #%! Arzneipflanze Birke Betulin-basierte Creme bei Neurodermitis Eine in Deutschland durchgeführte, nicht randomisierte, retrospektive Studie an 111 Patienten deutete auf gutes Ansprechen von atopischer Dermatitis (Neurodermitis) bei Behandlung mit einer Betulin-basierten Creme aus Birkenrindenextrakt [37]. Triterpen-Extrakt aus Birkenrinde für besseren Hautbarriere-Schutz An 25 gesunden freiwilligen Testpersonen wurde mittels einem wiederholten Waschtest die Hautbarrierefunktion gestört und danach mit zwei verschiedenen Creme-Zubereitungen aus obengenanntem Betulin-basiertem Triterpenextrakt aus Birkenrinde gepflegt (Imlan Creme pur! und Imlan Creme plus!). In der Vergleichsgruppe wurde eine hydrophile Creme vergleichbaren Feuchtigkeitsgehaltes ohne Triterpen-Extrakt aufgetragen. Hierbei zeigten die mit Triterpen-Extrakt behandelten Probanden eine raschere Normalisierung und weniger Entzündungsreaktionen [38]. Tierexperimentelle Studien Betulinsäure aus Birkenrinde stimulierte das Immunsystem bei Mäusen Bei mit Betulinsäure gefütterten Mäusen zeigte sich eine Zunahme an Immunzellen, eine Zunahme der serumvermittelten Immunität und eine erhöhte Aktivität der Makrophagen [39]. Schützende Wirkung vor leberschädigenden Substanzen In einem Tierversuch an mit leberschädigenden Chemikalien behandelten Ratten hatten diese deutlich weniger Leberschäden und -Fibrose, wenn ihnen Betulinsäure aus Birkenrinde verabreicht worden war [40]. Betulin gegen erhöhte Blutfettwerte, Zuckerkrankheit und Arterienverkalkung bei Mäusen Eine Studie wies auf günstige Stoffwechselwirkungen des Betulins hin. So zeigte es einen günstigen Einfluss auf Blutfettwerte, Körpergewicht sowie Zuckerverwertung und reduzierte die Ausbildung arteriosklerotischer Plaques in den Blutgefässen von Mäusen, denen zusätzlich zu einer fettreichen Kost Betulin gefüttert wurde [41]. Studien an Zellkulturen Wundheilende Eigenschaften von Betulin und Triterpen-Extrakt aus Birkenrinde An menschlichen Keratinozyten und einem ex-vivo-Wundheilungsmodell an Schweinehaut konnten molekulare Mechanismen der wundheilenden Eigenschaften von Betulin und von n-Heptan-Trockenextrakt der äusseren Hänge-Birkenrinde aufgezeigt werden. Der Extrakt bestand zu 97% aus pentacyclischen Triterpenen. Mit 87% stellte Betulin die Hauptkomponente dar, weitere Komponenten waren Lupeol, Betulinsäure, Oleanolsäure und Erythrodiol. Nicht nur für Betulin, sondern auch für Lupeol und Erythrodiol konnten wundheilende Effekte in Form der vermehrten Migration von Keratinozyten auch in nanomolekularen Konzentrationen aufgezeigt werden [42]. Antibakterielle und antivirale Wirkung des Betulins im Zellversuch Im Laborversuch hemmte Betulin das Wachstum des in den Zellen vorkommenden Bakteriums Chlamydia pneumoniae. Dieser Erreger kann Lungenentzündungen, Gelenks- und Sehnenscheidenentzündungen hervorrufen. Auch das Wachstum von ! #&! Arzneipflanze Birke Herpes simplex Viren (Typ 1 und 2) konnte durch aus Papierbirkenrinde (B. papyrifera) extrahiertem Betulin gehemmt werden. Herpes simplex Viren sind die Auslöser von Fieberbläschen und Ekzemen im Mund- und Genitalbereich [43],[44]. Betulin gegen HIV-Virus und gegen Malaria Aus Betulin gewonnene Derivate zeigten einen neuen Wirkmechanismus gegen das HIV-1-Virus, indem sie den Eintritt des Virus in die Wirtszelle blockierten und bei intrazellulären Viren deren Reifung verhinderten. Die aus Betulin produzierte Betulinsäure zeigte moderate Wirkungen gegen Malaria [29]. Wachstumshemmende Wirkung von Birkenrindenextrakt auf Krebszellen im Laborversuch In mehreren Forschungsarbeiten an Krebszellkulturen konnten Birkenrindenextrakt und die in der Birkenrinde vorkommenden Inhaltsstoffe, vor allem Betulin und Betulinsäure, das Wachstum der Krebszellen hemmen. Dies bei Zellkulturen von Glioblastom (ein bösartiger Hirntumor), Krebszellen aus Magen- und Darm-, Schilddrüsen-, Brustdrüsen-, Eierstock-, Gebärmutterhals- und Lungengewebe. Auch bei Blutkrebszellen, Hautkrebszellen wie Melanom und aktinischen Keratosen, sowie Krebszellen aus Bauchspeicheldrüsen- und Lebergewebe konnte dies gezeigt werden [45],[46],[47],[48],[49],[50]. Weitere Forschungsergebnisse zu Betulin Betulin schützt die Birke gegen parasitische Baumpilze zusammen mit Pflanzenfett Das nicht wasserlösliche Betulin zeigte zunächst keine hemmende Wirkung auf das Wachstum von auf Birken wachsenden parasitären Pilzen. Wird es aber zusammen mit Muskatnussbutter (Trimyristin) vermischt, die als Emulgator und fettlöslicher Vermittler dazugegeben wurde, hemmte Betulin das Wachstum von Pilzkulturen auch in sehr geringen Konzentrationen [51]. Polyester aus Betulin Durch chemische Reaktion des Betulins mit diacidem Dichlorid entsteht ein Polyester, der zum Beispiel als gastrennende Membrane dienen könnte [52]. Studien mit Birkenrindenextrakt Substanzgemische haben multiple Antikrebs-Eigenschaften In Labortests erwies sich, dass die in der Birkenrinde enthaltenen Triterpene wie Betulin, Betulinsäure, Lupeol und andere, das Krebszellwachstum hemmen. Jede Substanz zeigte eine etwas andere Antikrebs-Wirkung, und es wurde vermutet, dass die Gesamtheit der verschiedenen Wirkungen sehr effektiv in der Krebstherapie und –Vorbeugung sein könnte. So hemmten Triterpen-Säuren das extensive Wachstum der Blutgefässe bei Krebs und hatten einen stimulierenden Effekt auf die Differenzierung der Zellen, die Ausformung der Zellen in ihre normale Endform. Triterpene vom Lupan-Typ wie Betulin, Betulinsäure und Lupeol wirkten entzündungshemmend. Triterpen-Säuren, Monoalkohole und –Diole, hatten zusätzlich antioxidatives Potential (schützten vor Abbauprozessen und Zellschäden) [53]. ! #'! Arzneipflanze Birke Klinische Studien am Menschen mit Birkenrindenextrakt Wirkung gegen Hepatitis C In einer russischen Untersuchung an 42 Patienten mit chronischer Hepatitis C konnte nach 12 Wochen Einnahme von täglich 160 mg standardisiertem alkoholischem Trockenextrakt aus Birkenrinden, der 75% Betulin und 3,5% Betulinsäure enthielt, eine signifikante Besserung der Leberwerte, der Virusmenge und der Befindlichkeit festgestellt werden. Der Vergleich mit einer nichtbehandelten Kontrollgruppe fehlte bei dieser Studie [54]. Experimentelle Versuche am Tier Schutz vor Hepatitis-C-Infektion In Zellversuchen und Versuchen an Mäusen zeigte sich eine schützende Wirkung von Birkenrinden-Trockenextrakt vor Hepatitis C-Infektion und eine erhöhte Interferon-Produktion [55]. Schützende Wirkung vor der Entwicklung von Neurodermitis In asiatischen Ländern wird die Rinde der Mandschurischen Birke (B. platyphylla var. japonica) für verschiedene entzündliche Erkrankungen wie atopische Dermatitis (Neurodermitis) in der Kräutermedizin eingesetzt. In einem Versuch an Mäusen, an deren Haut durch Auftragen von Picryl-Chlorid Dermatitis erzeugt wurde, zeigten solche, die mit Birkenrindenextrakt gefüttert worden waren, deutlich weniger Entzündungszeichen und Juckreiz der Haut [56]. Wirkung gegen Tuberkulosebakterien im Zell- und Tierversuch Dies wurde für Birkenrinden-Trockenextrakt bei mit Tuberkulose infizierten Zellen und Mäusen gezeigt [57]. Schutz vor Arthrose und Knorpelabbau Butanol-Auszug aus Rinde der mandschurischen Birke (B.platyphylla var. japonica) zeigte schützende Wirkungen vor Arthrose und Gelenkknorpel-Abbauprozessen bei Kaninchen, die damit gefüttert wurden [58]. Schützende Wirkung vor Zellentartung In einem Versuch an mit Birkenrinden-Trockenextrakt gefütterten Mäusen zeigte sich bei diesen eine Abnahme von Zellentartungen, auch wenn krebserregende Chemikalien gegeben wurden [59]. Studien an Zellsystemen und Laborchemische Studien Immunmodulierender Moorbirkenrinden-Extrakt (B. pubescens) Im Zellversuch zeigte alkoholischer (Ethanol-)Extrakt der getrockneten Moorbirkenrinde (B. pubescens) Wirkungen auf das Immunsystem im Sinne einer Modulation dendritischer Zellen aus Monozyten, so dass ein regulierender Einfluss auf die Immunantwort erfolgte [60]. Hemmende Wirkung auf Pilzinfekte Im Laborversuch wies wässriger Extrakt aus der nordamerikanischen Gelb-Birke (B. alleghaniensis) deutliche hemmende Wirkung gegen viele Pilzarten auf [61]. ! #(! Arzneipflanze Birke Antioxidative Wirkung verschiedener Birkenrindenextrakte aus erlenblättriger Birke in Indien In der indischen Volksheilkunde findet die Rinde der erlenblättrigen Birke (B. alnoides Buch.) verbreitet Verwendung zur Behandlung von verschiedenen Erkrankungen, Wunden und Zuckerkrankheit. Im Laborversuch wurden verschiedene Extrakte luftgetrockneter, pulverisierter Rinde der erlenblättrigen Birke in ihren Wirkungen verglichen. Hierbei zeigte der unter Raumtemperatur mit 80%-igem Methanol extrahierte Auszug deutliche antioxidative Wirkung. Auch konnte für diesen Extrakt sowie für Ethyl-Acetat-Extrakt der Rinde starke reduzierende Aktivität aufgezeigt werden. Ein wässriger Birkenrindenextrakt hatte die höchste Metall-Chelat-bildende Aktivität, verglichen mit den anderen Extrakten. Der Ethyl-Acetat-Extrakt enthielt wiederum am meisten Phenole und Flavonoide. Die höchste antimikrobielle Aktivität konnte für 80%-igen Methanolextrakt und für Ethyl-Acetat-Extrakt gezeigt werden. 80%-iger Methanolextrakt hemmte am stärksten #-Glucosidase [62]. Abbildung 12: Birkenrinde und der vermodernde Stamm im Waldboden, Berner Oberland. Die Rinde verrottet durch ihre Keime abtötenden und Abbauprozesse verhindernden Eigenschaften viel langsamer als das Holz. ! #)! Arzneipflanze Birke 2) Birkenblätter Monografien Monografie BGA/BfArM (Kommission E) von 1986 [63] Die damalige deutsche Kommission E hat für Birkenblätter sowie für deren Zubereitungen in wirksamer Dosierung eine Monografie erarbeitet. Dies für die frischen oder getrockneten Blätter von Betula pendula Roth, von Betula pubescens Ehrhart oder von beiden Arten. Hierbei sollte die Droge mindestens 1,5 Prozent Flavonoide, berechnet als Hyperosid und bezogen auf die getrocknete Droge, enthalten. Daneben wurden Saponine, Gerbstoffe und ätherisches Öl als Inhaltsstoffe beschrieben. Folgende Empfehlungen wurden abgegeben: Anwendungsgebiete Zur Durchspülung bei bakteriellen und entzündlichen Erkrankungen der ableitenden Harnwege und bei Nierengriess; zur unterstützenden Behandlung rheumatischer Beschwerden. Gegenanzeigen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten Dies seien keine bekannt, jedoch wurde empfohlen, keine Durchspültherapie bei Ödemen infolge eingeschränkter Herz- oder Nierentätigkeit durchzuführen. Dosierung: Als mittlere Tagesdosis wurden mehrmals täglich 2.0 bis 3.0 g Droge genannt. Art der Anwendung: Als zerkleinerte Droge oder Trockenextrakte für Aufgüsse, sowie andere galenische Zubereitungen, und Frischpflanzenpresssäfte zum Einnehmen. Es wurde darauf hingewiesen, dass bei Durchspülungstherapie auf reichliche Flüssigkeitszufuhr zu achten sei. Wirkungen Eine diuretische Wirkung wurde angegeben. ESCOP-Monografie von 2003 [64] Die European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP), eine Dachorganisation europäischer Gesellschaften für Phytotherapie, hat eine Monographie zu Birkenblättern, Betulae folium, die aus Blättern der Hängebirke, Betula pendula Roth, und der Moorbirke, Betula pubescens Ehrh, oder Hybriden von beiden zusammengesetzt sein können, im Jahr 2003 veröffentlicht. Inhaltsstoffe Folgende Inhaltsstoffe wurden angegeben: 1-3% Flavon-Glycoside, hauptsächlich Hyperosid und andere Quercetin-Glycoside zusammen mit Glycosiden von Myricetin und Kaempherol. Andere phenolische Komponenten beinhalteten 3,4’-Dihydroxy-Propiophenon-3-Glucosid (ca. 0,8% in B. ! #*! Arzneipflanze Birke pendula, 0,08% in B. pubescens) und Chlorogen-Säure (ca. 2% in B. pubescens, 0.02-0,1% in B. pendula), Triterpen-Alkohole und Malonyl Ester vom Dammaran-Typ, die früher als Saponine beschrieben wurden. Weitere Inhaltsstoffe stellten Monoterpen-Glucoside, ein Sesquiterpen-Oxid, Roseosid, Tannine, Spuren von ätherischen Ölen und ungefähr 4% Mineralien, vor allem Kalium, dar. Frische Blätter enthielten bis zu 0,5% Ascorbinsäure. Als Indikationen wurden genannt: Zur Durchspültherapie des Harntraktes, besonders bei Entzündungen und Nierengriess, sowie als Adjuvans bei der Behandlung bakterieller Harnwegsinfekte. Dosierungen: Für die Teezubereitung wurden 2 bis 3 g getrocknete Blätter, zwei bis dreimal täglich eingenommen, empfohlen. In Form der Tinktur (1:10) wurden dreimal täglich 2 ml, vom frischen Saft dreimal täglich 15ml als Dosierungsempfehlungen genannt. Empfehlungen zu Anwendungsdauer, mögliche Vorsichtsmassnahmen, Nebenwirkungen, Anwendung in Schwangerschaft: Gewarnt wurde vor der Anwendung der Birkenblätter im Falle von Ödemen bei eingeschränkter Herz- oder Nierenfunktion. Für die Anwendungsdauer wurde keine Beschränkung genannt. Kontraindikationen seien keine bekannt, und über Wechselwirkungen oder Nebenwirkungen sei nicht berichtet worden. Auch bezüglich Überdosierung seien keine toxischen Wirkungen berichtet worden. Die Mutagenität von Birkenblätterextrakt wurde in einer Studie im Ames-Test als sehr schwach beurteilt. Da keine Daten zur Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit vorlagen, wurde in Anlehnung an die übliche medizinische Praxis empfohlen, Birkenblätter in diesen Fällen nicht ohne ärztlichen Rat anzuwenden. Die ESCOP-Monografie kam zu diesen Schlüssen aufgrund der vorhandenen Forschungsarbeiten zu Birkenblättern. Traditionelle volksmedizinische Anwendungen wurden für diese Monographie nicht herangezogen. Zitiert wurden zwei klinische Studien am Menschen: 1) Eine Anwendungsstudie an 1066 Patienten, die einen Birkenblättertrockenextrakt mit verschiedenen Tagesdosen von 180 mg bis 1080 mg zur Durchspültherapie des Harntraktes einnahmen, wovon 63% der Patienten diesen 2-4 Wochen lang anwendeten. Es bestanden 4 Patientengruppen: Die erste Gruppe, die 73% der Patientenanzahl ausmachte, litt unter einer Harnwegsinfektion, Blasenentzündung oder unter anderen entzündlichen Beschwerden. Die zweite Gruppe (14,2%) litt unter Reizblase, die dritte Gruppe (9,3%) unter Urolithiasis, und die vierte Gruppe (2,7%) unter verschiedenen Beschwerden. 56% der Patienten in der ersten Gruppe erhielten zusätzlich Antibiotikatherapie. Nach der Behandlung verschwanden die Beschwerden in 78% der ersten Gruppe, in 65% der zweiten Gruppe und in 65% der dritten Gruppe. Die Beschwerden verschwanden in 80% der Patienten mit Antibiotikatherapie, und in 75% der Patienten ohne Antibiotika. Ärzte und Patienten beurteilten die Wirksamkeit ! $+! Arzneipflanze Birke als sehr gut (39% und 48%) und als gut (52% und 44%),!In 8 von 1066 Patienten wurden leichte Nebenwirkungen beobachtet [65]. 2) Eine randomisierte, doppelblinde, placebo-kontrollierte Pilotstudie, bei der 15 Patienten mit Infektionen der unteren Harnwege 4 Tassen Birkenblätter-Tee täglich oder Placebo - Tee 20 Tage lang einnahmen. Die Bakterienzahlen im Urin verringerten sich bei 39% der Verum-Gruppe, verglichen mit 18% der Placebogruppe. Am Ende der Studie litten 3 von 7 Patienten der VerumGruppe und einer von 6 Patienten der Placebo-Gruppe nicht mehr unter dem Infekt [66]. Monographie des Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) von 2008 [67] Die European Medicines Agency (EMA) ist eine europäische Behörde, die prüft, ob sie ein Phytotherapeutikum für den Verkauf auf dem europäischen Markt zulässt. Hierzu muss das Mittel in eine der folgenden drei Klassen eingeteilt werden können: 1) „Traditional use“: Ausreichende Daten zu Sicherheit und plausibler Wirksamkeit müssen vorliegen. 2) „Well established use“: Anwendung einer Substanz, deren medizinischer Einsatz der aktiven Wirkstoffe in den letzten 10 Jahren in der EU mit wissenschaftlicher Literatur gut belegt ist, dies mit akzeptablem Sicherheitsniveau und anerkannter Wirksamkeit. 3) Vorliegen von Daten zu Sicherheit und Wirksamkeit aus den eigenen Untersuchungen der Herstellerfirma oder einer Kombination von firmeneigenen Studien und bibliographischen Daten. Für Blätter der Hängebirke, Betula pendula und der Moorbirke, Betula pubescens, oder Hybriden aus beiden, wurde die Kategorie „Traditional use“ festgestellt und eine Monographie hierzu veröffentlicht. Folgenden Empfehlungen wurden aufgeführt: Zubereitungen: Als Zubereitungsformen wurden genannt: -Pulverisierte pflanzliche Droge -Trockenextrakt (Verhältnis von Droge zu Extraktionsmittel (DER) 3-8:1, Extraktionsmittel Wasser) -Flüssigextrakt aus frischen Blättern (DER) 1:2 – 2.4, Extraktionsmittel Wasser) -Flüssigextrakt aus frischen Blättern stabilisiert durch 96% Ethanoldampf (1:1, 50-60% (V/V) Ethanol) Pharmazeutische Formen: Als solche wurden Pflanzenteile oder Zubereitungen aus der Pflanze in fester oder flüssiger Verabreichungsform zur oralen Einnahme genannt. Die pharmazeutische Form sollte mittels den Standards der Europäischen Pharmakopöe beschrieben sein. Therapeutische Indikationen: Birkenblätter wurden als traditionelles Phytotherapeutikum zur Erhöhung der Urinmenge, um ein Durchspülen des Harntraktes bei milden Beschwerden zu erreichen, beschrieben. Das Produkt sei ein traditionelles Phytotherapeutikum ausschliesslich für spezifische Indikationen basierend auf dem traditionellen Gebrauch. ! $"! Arzneipflanze Birke Dosierung und Anwendung: Für Erwachsene und Ältere wurden folgende Dosierungen genannt: Einmalige Gabe: Pflanzensubstanz als Tee: 2-3g A) Pulverisierte Pflanzensubstanz: 650mg B) Trockenextrakt: 0,25-1g C) Flüssigextrakt aus frischen Blättern: 15ml 2 bis 3mal täglich D) Flüssigextrakt aus frischen Blättern stabilisiert mit 96% Ethanoldampf: 2,5ml Maximale Tagesdosis -12g der pflanzlichen Droge geteilt in 4 Dosen -1,3 g pulverisierte Droge geteilt in 2 Dosen - 4 g Trockenextrakt geteilt in 4 Dosen - 7,5 ml Flüssigextrakt aus frischen Blättern, stabilisiert mit 96% Ethanoldampf, geteilt in 3 Dosen. Die Anwendung von Birkenpräparaten wurde nicht bei Kindern unter 12 Jahren empfohlen. Anwendungsdauer Traditionell sei die Droge 2-4 Wochen lang verwendet worden. Falls die Beschwerden während der Anwendung der Droge persistierten, solle ärztliche oder qualifizierte therapeutische Beratung konsultiert werden. Anwendungsart Zur oralen Einnahme. Um die Zunahme der Harnmenge zu gewährleisten, sollte auf adäquate Flüssigkeitszufuhr während der Behandlung geachtet werden. Kontraindikationen Als solche wurden Überempfindlichkeit gegen Birkenpollen oder gegen die Droge genannt, sowie Zustände, bei denen eine verringerte Flüssigkeitszufuhr empfohlen wird, zum Beispiel bei Herz- oder Niereninsuffizienz. Vorsichtsmassnahmen Aus Mangel an Erfahrungswerten werde von der Anwendung bei Kindern unter 12 Jahren abgeraten. Sollten während der Behandlung Beschwerden wie Fieber, schmerzhaftes Wasserlassen, Krämpfe oder Blut im Urin vorkommen, müsse ärztliche oder qualifizierte therapeutische Beratung aufgesucht werden. Schwangerschaft und Stillzeit Die sichere Anwendung sei in diesen Fällen mangels entsprechender Belege nicht erwiesen, weshalb von der Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit abgeraten wurde. Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Einfluss auf die Fahrtüchtigkeit, Überdosierungen Als Nebenwirkungen seien Magen-Darmbeschwerden (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall) und allergische Reaktionen (Juckreiz, Hautausschlag, Nesselsucht, Heuschnupfen) mit unbekannter Häufigkeit berichtet worden. Sollten andere als obengenannte Nebenwirkungen auftreten, wurde empfohlen, ärztliche oder qualifizierte therapeutische Beratung aufzusuchen. ! $#! Arzneipflanze Birke Zu Arzneimittel-Interaktionen, Überdosierung, Fahrtüchtigkeit, sowie zur Beeinträchtigung der Handhabung von Maschinen lägen keine Berichte vor. Pharmakologie Zu Pharmakodynamik und Pharmakokinetik seien gemäss der Direktive 2001/83/EC keine Nachweise nötig. Dies gelte ebenfalls für Daten zur präklinischen Sicherheit, ausser sie seien für den sicheren Gebrauch des Produktes verlangt. Adäquate Tests zu Genotoxizität sowie zu reproduktiver Toxizität und Karzinogenität seien nicht durchgeführt worden. Assessment Report zur HMPC-Monografie [68] In diesem wurden sehr umfassend alle verfügbaren Daten zu Birkenblättern in der Forschung sowie in verschiedenen volksmedizinischen Traditionen zusammengefasst. Die Begründung, warum Birkenblätter in die Kategorie „Traditional use“ eingeteilt wurde und wie man zu obigen Schlussfolgerungen kam, finden sich hier, die auszugweise zitiert werden. Zusammenfassung zur Pharmakologie Wässrige Absude und Abkochungen der Blätter, Extrakte mit wässrig-ethanolischem Auszug, butanolischem- und Kohlendioxid-Auszug, Birkenblätter-Saft, Fraktionen und isolierte Einzelbestandteile und ihre Stoffgruppen seien in mehreren pharmakologischen Tiermodellen untersucht worden. Leider fehlten in vielen Publikationen korrekte Ausführungen zu den Lösungsmitteln und/oder dem Drogen/Extraktionsmittel-Verhältnis. In diesen Fällen könnten keine Details genannt werden, wenn der Extrakt nicht anderweitig identifiziert werden konnte. Weder Birkenblätter-Gesamtextrakt noch verschiedene Fraktionen hätten einen signifikanten Anstieg der Diurese oder Salurese bei oraler Verabreichung an Ratten gezeigt. Bei In-vivo-Studien zum diuretischen Effekt von Birkenblättern seien schwach positive Resultate an Kaninchen und Hunden gezeigt worden, aber widersprüchliche Ergebnisse an Nagetieren. Die diuretischen Effekte könne man nicht allein den Flavonoiden zuschreiben, da mit isolierten Flavonoidfraktionen schwächere Effekte erreicht worden seien. Die aquaretische Wirkung korreliere mit der Menge an Flavonoiden. Keine wesentlichen antibakteriellen Wirkungen, jedoch etwas antiphagozytische Aktivität sei demonstriert worden. Zudem sei für Birkensaft und Birkenblätterextrakt schwache entzündungshemmende und fiebersenkende Wirkung aufgezeigt worden. Im Vergleich zu entzündungshemmenden- ,fiebersenkenden- und schmerzstillenden Medikamenten sowie zu Antibiotika hätten Birkenprodukte sehr schwache entzündungshemmende Aktivität. Fallbeschreibungen und klinische Studien Es wurden die beiden oben unter ESCOP-Monografie beschriebenen Studien von Müller und Schneider [65], sowie von Engesser et al. [66] zitiert. ! $$! Arzneipflanze Birke Fazit zur klinischen Wirksamkeit am Menschen Obwohl dieselben beiden klinischen Studien am Menschen, welche oben bei ESCOP ausgeführt sind, zitiert wurden, kam man hier zu einer anderen Konklusion: Es existierten nur wenige Studien, die ohne Kontrollgruppen und mit zu kurzem Beobachtungszeitraum durchgeführt worden seien. Es lägen keine Informationen zur Dosis-Wirkungs- Beziehung vor, zudem fehlten Studien in speziellen Populationen wie älteren Personen und Kindern. Die Datenlage wurde als nicht ausreichend beurteilt, um die Kategorie „well established use“ feststellen zu können. Traditionelle Anwendung: Hierbei wurde ausführlich auf Anwendungen aus frühesten Quellen wie Plinius, mittelalterliche Autorinnen und Autoren wie Hildegard von Bingen und spätere Kräuterbuchklassiker wie Nicholas Culpeper, Hieronymus Bock bis zu Pfarrer Kneipp eingegangen. Ethnomedizinische und traditionelle Verwendungen in China, Nordamerika, Russland, Estland, Grossbritannien, Frankreich sowie Empfehlungen der deutschen Kommission E wurden ebenfalls umfassend aufgeführt. Interessant sind zudem detaillierte Ausführungen zu Forschung und traditionellem Gebrauch weiterer Birkenprodukte wie Birkenrinde, Blutungssaft, -Knospen und Teer. Speziell zu Birkenrinde wurde die 86. Jahresversammlung der Amerikanischen Krebsforschungsgesellschaft in Toronto erwähnt, auf der unter 2500 untersuchten Pflanzenextrakten Betulinsäure als die vielversprechendste Substanz mit Anti-KrebsWirkung vorgestellt worden war. Auch der in östlichen Ländern wie Polen und Russland traditionell verwendete, auf Birken wachsende Chaga-Pilz (Inonotus obliquus Ach. ex Pers.) wurde erwähnt. Bezüglich des traditionellen Gebrauchs der Birke kam man zum Schluss, dass dieser in der Ethnomedizin vieler Nationen weit in alte Zeiten zurückreiche. Viele Produkte der Birke seien durch Jahrhunderte verwendet worden, wie Blätter, Knospen, Rinde, Saft, Chaga-Pilz, destilliertes Öl und andere. In der früheren Sowjetunion seien Birkenknospen das beliebteste pflanzliche Produkt gewesen und waren in der Pharmakopöe der UDSSR als offizielle Medizin aufgeführt. In anderen europäischen Regionen seien früher hauptsächlich Birkenblätter verwendet worden, deren Gebrauch bis in moderne Zeiten weitergehe. Gesamtzusammenfassung: Konklusiv festgestellt wurde, dass der therapeutische Gebrauch von Birkenblättern wie auch anderer Teile und Produkte des Birkenbaumes ethnomedizinisch in alte Zeiten zurückreiche. Hierbei sei der positive Effekt von Birkenblättern auf Urinausscheidung, zur Spülung des Harntrakts und bei weniger starken Harnwegsbeschwerden eine seit alten Zeiten beobachtete Wirkung gewesen. Pharmakologische Daten machten diese Verwendung plausibel. Die chemische Zusammensetzung der Flavonoide als wichtigster Bestandteil von Birkenblättern sei recht ausführlich untersucht worden. Weder Birkenblätter-Totalextrakt noch verschiedene Fraktionen daraus hätten signifikante diuretische oder saluretische Effekte nach oraler Gabe an Ratten gezeigt. In-vivo-Studien an Hunden mit Birkenblättern hätten schwache diuretische Effekte ergeben, jedoch seien widersprüchliche Ergebnisse bei Versuchen an Nagetieren aufgetreten. ! $%! Arzneipflanze Birke Der aquaretische Effekt von Birkenblättern korreliere mit dem Gehalt an Flavonoiden. Zur klinischen Wirksamkeit seien nur wenige Studien veröffentlicht worden, es fehlten Kontrollgruppen und die Beobachtungsintervalle seien zu kurz. Die klinischen Daten reichten nicht aus, um die Kategorie „well established use“ feststellen zu können. Aus Mangel an Daten zur Toxizität werde von der Anwendung von Birkenblättern während Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Kindern unter 12 Jahren abgeraten. Zusammengefasst könnten Zubereitungen aus Birkenblättern als pflanzliches Arzneimittel mit „traditional use“ angesehen werden. Abbildung 13: Blätter der Hängebirke, B. pendula Roth, Deutschland im Juli Weitere Forschungsarbeiten zu Birkenblättern Pilotstudie am Menschen Keine Erhöhung der Harnproduktion Im Rahmen einer pharmakologischen Untersuchung zur Wirkungsweise von Birkenblätterextrakten von Hedda Major wurde folgende Pilotstudie am Menschen durchgeführt: 14 Probanden wurde einmalig Birkenblättertee in Form eines Heisswasserauszuges von 2 g getrockneten Birkenblättern (B.pendula) verabreicht und anschliessend die zeitabhängigen Harnvolumina gemessen. Dies wurde bei denselben Personen mit der Gabe von Leitungswasser verglichen. Bei sieben Personen wurde ein erhöhtes Ausscheidungsvolumen im Vergleich zur Wasserkontrolle festgestellt. Bei sechs Personen war das Urinvolumen dagegen in ! $&! Arzneipflanze Birke der Wasserkontrolle höher als nach Teezufuhr. Bei einem Probanden trat kein Unterschied auf. Hierbei durften die Probanden trotz Durstgefühl nicht nachtrinken, was als ein möglicher Grund für das Resultat diskutiert wurde [69]. Heisswasserextrakt aus Birkenblättern hemmt die Metallopeptidasen Neutrale Endopeptidase (NEP) und Angiotensin-Converting-Enzym (ACE) In derselben Arbeit von Major wurde die Wirkungsweise von Birkenblättern am Beispiel ihrer Hemmwirkung auf Metallopeptidasen untersucht. Im Laborversuch konnte gezeigt werden, dass im Heisswasserextrakt deutliche hemmende Wirkungen auf NEP und ACE vorhanden sind. Die Auftrennung eines Methanol- und eines Ethylacetatextraktes führte nicht zur Gewinnung einzelner, für die Gesamtwirkungen der Extrakte verantwortlicher Fraktionen oder Komponenten, doch konnten Flavonoide als wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe bestätigt werden. Es wurde geschlossen, dass die Gesamtextrakte als „Wirkstoffe“ anzusehen waren, da sie stärker inhibierend auf die Enzyme wirkten als die Summe ihrer Einzelkomponenten [69]. Tierexperimentelle Studien Birkenblätterextrakt (B. pendula) wirkte entzündungshemmend nach Hornhautoperationen am Auge bei Ratten Im Tierversuch an Ratten nach einer Hornhautoperation am Auge (Keratoplastik) hatten mit Blätterextrakt der Hängebirke gefütterte Ratten weniger Entzündungsreaktionen und weniger häufig spätere Hornhauttrübungen [70]. Studien an Zellsystemen Wässriger Birkenblätterextrakt mit antirheumatischer Wirkung An menschlichen Lymphozyten führte die Gabe von wässrigem HängebirkenBlätterextrakt (B. pendula) zu einer verringerten Entzündungsreaktion. Dies deutet auf eine mögliche bremsende Wirkung bei rheumatischen Entzündungen hin und unterstützt die traditionelle Verwendung von Birkenblättertee bei Rheuma und Arthrose [71]. Laborchemische Untersuchungen Birkenblätterextrakt in hautaufhellenden- und Anti-Aging- Cremes In vielen hautaufhellenden und die Hautalterung vorbeugenden Kosmetika wird Birkenblätter-Extrakt verwendet. Im Laborversuch mit ethanolischem Extrakt aus den Blättern der Hängebirke (B. pendula) wurde eine dosisabhängige hemmende Wirkung auf Tyrosinasekatalysierte I-DOPA-Oxidation gezeigt, indem es mit dem Kupfer-Ion der Tyrosinase Chelate bildete. Auch Chelatbildung von Fe (2+), reduzierende Aktivität sowie Radikalfänger-Eigenschaften wurden für den Extrakt gezeigt. Dies deutet auf die Wirksamkeit von Birkenblätterextrakt zum Schutz vor Alterungsund Abbauprozessen hin [72]. ! $'! Arzneipflanze Birke 3) Birkenteer Abbildung 14: Mit Trockendestillation (Doppeltopfmethode) hergestellter Birkenteer aus Moor- und Hängebirkenrinden (B. pubescens und B. pendula), der mit etwas Rindenasche vermischt wurde Steinzeit-Kaugummi und Medizin der Neandertaler? Birkenteer wurde schon von Neandertalern als Klebstoff zur Befestigung von Pfeilspitzen verwendet. Das war vor 80 000 Jahren [73]. Sie mussten also bereits mit dem Herstellungsverfahren der Trockendestillation vertraut gewesen sein. Man kann nun spekulieren, dass sie bei dessen Herstellung Birkenteer sicherlich auf Haut und Händen hatten und möglicherweise bereits antiparasitische, Insekten abwehrende und vielleicht auch antiekzematöse Wirkungen beobachtet hatten. Es ist durchaus plausibel, dass Birkenteer die wohl älteste Medizin überhaupt darstellt. Die immer präziseren Methoden der Archäologie werden dies vielleicht noch an den Tag bringen. Auch der in den Ötztaler Alpen gefundene Eismensch „Ötzi“ (er lebte vor über 5300 Jahren) hatte für seine Werkzeuge Birkenrindenteer als Klebstoff benutzt. Bei jungsteinzeitlichen Pfahlbausiedlungen fand man Stücke von gekautem Birkenteer. Forscher vermuten dessen Verwendung als desinfizierender, schmerzstillender und eventuell leicht berauschender Kaugummi [74]. Heute wird er in der Juchtenledertradition vor allem in Norwegen, Finnland und Russland als Gerbmaterial verwendet, sowie zur Herstellung von Birkenrindenöl [75]. Volksheilkundliche Verwendung Er wird in der Heilkunde unter der Bezeichnung Betulae pix verwendet. Die Volksheilkunde, besonders in Russland, kennt Birkenteer zur Anwendung bei chronischen Hauterkrankungen wie Psoriasis, Ekzemen und Lederhaut. Auch in Salben verarbeitet bei Parasitenbefall, Rheuma- und Gichtbeschwerden sowie für Hauterkrankungen wurde er verwendet. In der Tiermedizin wurde er innerlich für Koliken und Würmer, äusserlich als Wund- und Räudemittel eingesetzt. Er kann wie jeder Teer, bei längerer Anwendung die Haut aber auch reizen, Allergien hervorrufen und die Haut lichtempfindlicher machen [75,76]. ! $(! Arzneipflanze Birke Forschung zu Birkenteer Inhaltsstoffe: Aliphatische und aromatische Kohlenwasserstoffe, davon 6% Phenole wie Gujakol, Kresol, Brenzkatechin, Pyrogallol, Phenol und 0,04% Behensäure, sowie 5-Propylund 5-Methylpyrogalloldimethylether [75]. Tierexperimentelle Studien Wachstumsstimulation der Haut Die tägliche äusserliche Anwendung von Birkenteer auf der Haut von Ratten zeigte nach 2 Wochen eine Wachstumsstimulierung aller Hautschichten, vermehrte Durchblutung, verdickte Haut allgemein und dickere Hornschicht bei Abnahme der Fettdrüsen [77]. Studien an Zellsystemen Antibakterielle Eigenschaften Die ölige Zubereitung von Birkenteer hatte recht starke antibakterielle Eigenschaften. Zum Beispiel reichten schon geringe Konzentrationen aus, um einen Erreger von Lungenentzündungen, Legionella pneumophila zu hemmen [78]. Andere Studien Mückenschutz Birkenteer zeigte im Labor und Feldversuch gute Wirkungen als Mosquitoschutz gegen Aedes aegypti, A. communis und A. cinereus [79]. 4) Birkensaft Forschung zu Birkensaft Inhaltsstoffe: Ca. 1% Zucker, berechnet als Invertzucker; Glucose, Fructose und Arabinose; ca. 0,02% freie Säuren, unter anderem Zitronen- und Apfelsäure, und 0,03% Kalium, Magnesium- und Kalziumsalze, letztere vor allem als Calciumphosphat vorliegend. Geringe Mengen Aminosäuren, unter anderen Alanin, Leucin, Glycin, Glutaminsäure, und die charakteristische N-Transport-Aminosäure Citrullin, sowie Giberelline [75]. Studien Schwache entzündungshemmende, fiebersenkende und Phagozytose-hemmende Effekte Diese konnten für Birkensaft im Laborversuch und Tierversuch an Ratten gezeigt werden, waren aber deutlich schwächer und kürzer anhaltend verglichen mit Acetylsalizylsäure, so dass von keiner wesentlichen therapeutischen Wirkung ausgegangen wurde [80]. ! $)! Arzneipflanze Birke 5) Birkenknospen Es werden die angeschwollenen, noch nicht aufgeplatzten Knospen von Betula pendula Roth und Betula pubescens Ehrh. im Winter oder Vorfrühling gesammelt und getrocknet. Forschung Inhaltsstoffe In Hagers Enzyklopädie der Arzneistoffe und Drogen wurden folgende Inhaltsstoffe angegeben: Seltene Methoxyflavonolaglyca des Kämpferols, des in der Natur nicht frei vorkommenden 6-Hydroxykämpferols, Apigenins und Scutellarins. 4-6% ätherisches Öl mit dem Hauptbestandteil "-Betulenol, einem Sesquiterpen vom Caryophyllen-Typ. Wachstumshormone, unter anderem Abscisinsäure [75]. Klinische Studien Birkenknospentinktur zur Wundheilung Eine russische Studie wurde an 108 Patienten mit eitrigen Wunden durchgeführt, wovon 83 Patienten oberflächliche, 10 Patienten tiefe und 15 Patienten cavitäre Wunden hatten. Gute Ergebnisse seien bei allen Patienten erzielt worden, selbst bei solchen mit antibiotika-resistenter mikrobieller Besiedlung. Von dieser russischen Studie wurde nur der Abstract ins Englische übertragen [81] Laborstudien Ätherische Öle in Hängebirkenknospen (B.pendula) Mittels Hydrodestillation und Microdestillation sowie Gas ChromatographieMassenspektrometrie (GC-MS) wurden mehr als 50 Komponenten identifiziert. Als Hauptbestandteile der ätherischen Öle wurden hierbei #-Copaen (12% und 10%), Germacren D (11% und 18%) und $-Cadien (11% und 15%) dargestellt [82]. Anti-Quorum-sensing Aktivität Diese wurde im Labortest mit Chromobacterium violaceum Bioassays für Extrakt aus den Knospen der Hängebirke nachgewiesen, so dass von hemmenden Wirkungen auf die Bakterienverbreitung ausgegangen werden kann [83]. ! $*! Arzneipflanze Birke Im Handel erhältliche Präparate aus der Birke Diese Zusammenstellung wurde mittels der von swissmedic mit Stand vom 31.12.2014 erstellten Stoffliste [84], Auskünften der Zähringer Apotheke Ballinari in Bern und der Bollwerkapotheke in Bern, sowie der Internetseite pharmawiki [85] erstellt und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Als Drogen sind erhältlich: 1) Birkenblätter, Betulae folium, aus den ganzen oder geschnittenen, getrockneten Laubblättern von Betula pendula Roth, von Betula pubescens Ehrh., von beiden Arten oder von Hybriden beider Arten. Abgabekategorie E. 2) Birkenrinde, Betulae cortex, Abgabekategorie D. 3) Frischer Birkensaft, Betulae succus recens, der durch Anbohren des Stammes gewonnen wurde. Abgabekategorie E. Folgende Zubereitungen gibt es: -Betulae extractum aquosum siccum -Betulae extractum ethanolicum liquidum -Betulae folii recentis extractum aquosum liquidum -Betulae folii recentis succus -Betulae pix -Betulae tinctura -Carbo betulae -Species anticystiticae Ph. Helv. -Species diureticae Ph. Helv. -Nieren- und Blasentees -Nieren- und Blasendragées Hinzu kommen spagyrische und homöopathische Zubereitungen sowie Zubereitungen aus Birkenknospen in der Gemmo-Therapie. Monopräparate Birkenblätter-Urtinktur Diese ist von verschiedenen Herstellern, wie von den Firmen Ceres!, Phytomed!, Herbamed! und anderen erhältlich. Abgabekategorie D. Saftzubereitungen Wässriger Birkenblätterextrakt (Betulae folii recentis extractum aquosum liquidum, ratio 1:2,05-2,4) ist von der Firma Schoenenberger! unter „Schoenenberger naturreiner Heilpflanzensaft Birke!“ erhältlich. Aus getrockneten Birkenblättern gibt es eine Flüssigzubereitung der Firma Weleda! mit der Bezeichnung „Birkenherb Aktiv!“. Sie enthält 94% wässrigen Auszug aus getrockneten Birkenblättern und 6% frischen Zitronensaft. Beide Zubereitungsformen fallen unter Abgabekategorie E. ! %+! Arzneipflanze Birke Gemmo-Spray, Birkenknospen-Mazerat Dieses wird aus frischen Pflanzenknospen zu 1/20 des berechneten Trockengewichtes in einer Alkohol-Glycerin-Lösung mazeriert, dann filtriert und das Filtrat mit neun Teilen einer Alkohol-Glycerin-Lösung verdünnt. Die Firmen Phytomed! und Spagyros! stellen diese Mazerate aus Moorbirke, B.pubescens, und Hängebirke, B. pendula, her. Als Anwendungsgebiete werden Allergien, Parodontose, Verstopfung, Übergewicht, Harnwegsinfekte, Gelenkrheumatismus, Polyarthritis, depressive Verstimmung, Wachstumsverzögerung und –schmerzen bei Jugendlichen sowie Schulkopfschmerzen angegeben [86]. Abgabekategorie D. Weitere Monopräparate Abgabekategorie D - Carvon Tabletten! von Weleda AG! Kombinationspräparate Abgabekategorie B (fast alles Zubereitungen nach den Prinzipien der anthroposophischen Medizin) -Arnica/Aconitum/Apis comp.! Salbe von Weleda AG! -Arnica/Symphytum comp. Salbe! von Weleda AG! -Arnica comp./Formica Salbe! von Weleda AG! -Arnica/Betula cop. Ampullen! (s.c.) von Weleda AG! -Arnica/Epiphyis/Plumbum mellitum comp. Solution ad injectionem! von WALA Schweiz GmbH! -Arnica/Formica com. Ampullen! (s.c.) von Weleda AG! -Arnica/Hypophysis/Plumbum mellitum comp. ! Solutio ad injectionem von Wala Schweiz GmbH! -Betula Folium Rh D2 Ampullen! (s.c.) von Weleda AG! -Betula /Arnica comp. Solutio ad injectionem! von WALA Schweiz GmbH! -Betula/Mandragora comp. Solutio ad injectionem! von WALA Schweiz GmbH! -Bleiglanz/Secale comp. Solutio ad injectionem! von WALA Schweiz GmbH! -Carbo Betulae D8/Crataegus D2 aa Ampullen! (s.c.) von Weleda AG! -Carbo Betulae comp. Tabletten! von Weleda AG! -Cartilago comp. Solutio ad injectionem! von WALA Schweiz GmbH! -Cartilago/Mandragora comp. Solutio ad injectionem! von WALA Schweiz GmbH! -Galium aparine compositum Injektionslösung! von ebi-pharm ag! -Mandragora comp. Ampullen! (s.c.) von Weleda AG! -Mandragora comp. Dilutio! von Weleda AG! -Retina /Secale comp. Solutio ad injectionem! von WALA Schweiz GmbH! Abgabekategorie C -Arnica comp. Salbe fettarm! von Weleda AG! -Belladonna/Betula/Formica Augentropfen! von Weleda AG! -Rheumadoron Tropfen! von Weleda AG! ! %"! Arzneipflanze Birke Abgabekategorie D -Arnica comp./Formica Oleum! von Weleda AG! -Arnica/Epiphysis/Plumbum mellitum comp. Globuli velati! von WALA Schweiz GmbH! -Arnica/Hypophysis/Plumbum mellitum comp. Globuli velati! von WALA Schweiz GmbH! -Arnica/Lappa comp. Oleum! ad usum externum von WALA Schweiz GmbH! -Arnica/Lappa comp. Oleum! pro balneo von WALA Schweiz GmbH! -Betula /Arnica comp. Globuli velati! von WALA Schweiz GmbH! -Betula /Juniperus Extractum saccharatum! von WALA Schweiz GmbH! -Betula /Lappa comp. Oleum ad usum externum! von WALA Schweiz GmbH! -Cartilago comp. Unguentum! von WALA Schweiz GmbH! -Dr. Dünner Birkenblätter Kapseln! von Dr. Dünner AG! -Galium aparine compositum Tropfen! von ebi-pharm ag! -Impuls Blasen- und Nierendragées! von Iromedica AG! -Künzle Birkenblätter!, geschnittene Drogen von Kräuterpfarrer Künzle AG! -Künzle Nieren-Blasentee!, geschnittene Drogen von Kräuterpfarrer Künzle AG -Künzle Rheumatee!, geschnittene Drogen von Kräuterpfarrer Künzle AG! -Künzle harntreibender Tee!, geschnittene Drogen, von Kräuterpfarrer Künzle AG! -Lapidar 5 Tabletten! von Kräuterpfarrer Künzle AG! -Lapiflu Filmtabletten! von Kräuterpfarrer Künzle AG! -Nephrosolid Tropfen! von Bioforce AG!, Roggwil -Nieren- und Blasendragées S! von Hänseler AG!, Herisau -Phytopharma Blasendragées! von Phytopharma SA!, Grandvillard -Rotpunkt Apotheke Nieren- und Blasendragées! von Parcopharm AG! -Sabrimed bei Blasenbeschwerden Tabletten! von Iromedica AG! -Sabrinin Nieren- und Blasendragées! von Iromedica AG! -Sidroga Birkenblätter! geschnittene Drogen von Sidroga AG! -Sidroga Blasen- und Nierentee! geschnittene Drogen von Sidroga AG! -Sidroga Harntee! geschnittene Drogen von Sidroga AG! -Sidroga Herz- und Kreislauftee!, geschnittene Drogen von Sidroga AG! -Swidro Nieren- und Blasendragées! von Hänseler AG! -Tropaeolum comp. Capsulae! von WALA Schweiz AG! -Urinex Lösung! von E.Kern AG!, Niederurnen Abgabekategorie E -Coop Blasentee! von Coop Genossenschaft! -Floramed Blasentee! von Morga AG! -Migros Klostergarten Blasentee Benedictus!, geschnittene Kräuter von Migros Genossenschafts-Bund! -Morga Birkenblätter Beutel! von Morga AG! -Morga Blasentee! geschnittene Kräuter von Morga AG! Nicht aufgeführt sind die für Allergie-Tests und –Desensibilisierungen erhältlichen Birken-Zubereitungen sowie die im Kosmetikbereich verkauften Präparate zur Hautund Haarpflege mit Birkenbestandteilen. ! %#! Arzneipflanze Birke Fallberichte mit Anwendungen der Birke als Heilmittel in eigener Arztpraxis mit den Schwerpunkten Phytotherapie und Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) Von der Birke gibt es eine in Deutschland erhältliche Betulin-basierte Emulsion aus einem Triterpen-Extrakt der Hänge-Birkenrinde (B.pendula, auch B.alba genannt), welche nebst dem Triterpen-Extrakt Jojobaöl und Wasser enthält und ohne weitere Zusatzstoffe auskommt. Sie wird unter dem Namen „Imlan Creme pur“! von der Firma Birken AG!, Die Betulin Pioniere, Streifingsweg 11, in D-75223 NiefernÖschelbronn hergestellt. Für nachfolgende Fallbeschreibungen Nr. 1 bis 5 wurde diese Creme verwendet. Abbildung 15: Die verwendete Creme mit Betulin Fall 1: Verwendung von Betulin-basierter Emulsion (Imlan-Creme pur!) als BasisGesichtspflege in Kombination mit TCM bei einer Patientin mit Neurodermitis und Morbus Crohn in der Vorgeschichte Vorgeschichte: Die Patientin aus der Altersgruppe a (20-40 Jahre) meldete sich zur Behandlung einer abgeschwächten Neurodermitis und eines seit 7 Jahren bekannten Morbus Crohns. Ein Monat zuvor war eine TNF-Hemmer Therapie (Humira!), unter der eine deutliche Besserung der M. Crohn-Symptomatik erfolgte, wegen vermehrter Hautrötungen im Gesichts- und Halsbereich abgesetzt worden. Die Gesichtsrötungen waren als Lupus-like Syndrom und Nebenwirkung der TNF-Hemmer-Therapie diagnostiziert worden. Die Neurodermitis war in der Kindheit deutlich ausgeprägter und bei der Erstkonsultation quasi abgeklungen. Es bestanden zu diesem Zeitpunkt Hautrötungen im Gesichts- und Halsbereich mit trockener und sehr empfindlicher Haut. In der Familienanamnese fand sich ! %$! Arzneipflanze Birke eine weitere Person mit Neurodermitits. Morbus Crohn war 7 Jahre vor der Erstkonsultation neu aufgetreten und anfangs wiederholt mit Kortikosteroiden behandelt worden. Ab der Erstkonsultation fand eine Therapie mit wiederholten Akupunktursitzungen, Nachtkerzenölkapseln (Epogam 1000 vegicaps soft!, Firma Zeller medical!, 2x täglich 3 Kapseln), Ernährungsberatung nach TCM (Weglassen von Milchprodukten, regelmässige und gekochte Mahlzeiten mit hohem Gemüseanteil, Reduktion von Rohkost und Brot), und wiederholter Verordnung von TCMHeilkräutermischungen in Granulatform statt. Beschreibung des TCM-Granulats: Verwendet wurde ein Granulat der Firma Complemedis!, Trimbach, Schweiz. Dieses wird im Produktekatalog der Firma folgendermassen beschrieben: „Es sind konzentrierte, pulverförmige Extrakte eines Dekokts aus Rohdrogen. Dank Druckbehältern kann das Rohmaterial schonend bei niedriger Temperatur extrahiert werden und flüchtige Stoffe werden über ein Rückführungssystem bewahrt. Nach dem Kochprozess wird das Extrakt auf ein Verhältnis von 1:5 konzentriert und mit natürlicher Pflanzenstärke sprühgetrocknet. Granulate sind verwendungsfertig und können mit heissem Wasser aufgeschwemmt und eingenommen werden“. Zusammensetzung der ersten TCM-Kräutermischung: 60 g Liu Jun Zi Tang (16.7% Rhizoma Atractylodis macrocephalae, 16.7% Rhizoma Pinelliae praeparata, 16,7% Sclerotium Poriae, 16,7% Radix Panacis ginseng, 8,3% Pericarpium Citri reticulatae, 8,3% Fructus Ziziphi jujubae, 8,3% Rhizoma Zingiberis recens, 8,3% Radix cum melle Glycyrrhizae paeparata), 10 g Radix Scutellaria, 10 g Radix Paeoniae lactiflorae albae, 6g Radix Angelicae sinensis, 10 g Rhizoma Cyperi, 15 g Fructus Tribuli, 8 g Fructus Aurantii. Die Einnahme von TCM-Kräutermischungen wurde während des gesamten Behandlungsverlaufs fortgesetzt, wobei die Zusammensetzung der Mischungen immer wieder an die aktuellen Befunde angepasst (variiert) wurde. Die Symptome des M. Crohn besserten sich wesentlich im Verlauf, eine Darmspiegelung einen Monat nach der Erstkonsultation und zwei Monate nach Absetzen der TNF-HemmerTherapie zeigte keine Entzündungszeichen mehr. 6 Monate nach Erstkonsultation Beginn mit Betulin-basierter Emulsion (Imlan-Creme pur!) für die Gesichtshaut als Grundpflege zusammen mit einer Hautcreme von Avène!. Verwendung der Betulin-basierten Emulsion durchschnittlich einmal täglich, anfangs über mehrere Wochen kontinuierlich, danach abwechselnd mit einer fettenden Gesichtspflege (Linola Fettcreme!). Bei Behandlungsbeginn zeigten sich noch leichte Gesichtsrötungen, vor allem im Wangen- und Stirnbereich, sowie trockene und gerötete Haut mit vermehrten kleinen Hautfältelungen im Gesicht und an den Händen. Juckreiz trat gelegentlich bei sehr trockener Haut auf. Imlan-Creme pur! wurde seither über ein Jahr und 9 Monate in dieser Form und Dosierung verwendet. Wirkung aus der Sicht der Patientin Die Wirkung wird als sehr gut beschrieben, das sonst vorhandene leichte Spannungsgefühl und Brennen der Haut klinge unter Imlan- Creme pur! ab. Die Konsistenz und Fett/Wasserverhältnis sei perfekt. Manchmal werden kleine Pickelbildungen im Gesicht beobachtet, bei denen nicht klar ist, ob es eine Nebenwirkung der Imlan-Creme pur! sein könnte oder mit vermehrter Neigung zu Pickeln vor der Menstruation zusammenhänge. ! %%! Arzneipflanze Birke Zufriedenheit der Patientin mit der Wirkung der Imlan-Creme pur! auf die Gesichtshaut auf Skala 0 (ganz unzufrieden -10 vollkommen zufrieden): 8. Zusätzliche Medikamente/Massnahmen: Weitere Gesichtscremes: Avène!, Linola Fettcreme! Einnahme von Nachtkerzenöl-Kapseln über 1 ! Jahre ab Erstkonsultation. Einnahme von Chinesischen Heilkräutermischungen für die M. Crohn-Erkrankung. Fazit Bei dieser Patientin mit einer sehr empfindlichen Haut bei Restbeschwerden nach früher bestehender Neurodermitis und Lupus-like Syndrom wird Imlan-Creme pur! bei durchschnittlich einmal täglicher Anwendung seit einem Jahr und neun Monaten gut vertragen und bessert Hautbrennen und Spannungsgefühl. Beachtet wird nach den Prinzipien der Traditionellen Chinesischen Medizin der Zusammenhang von Ernährung, M. Crohn und Neurodermitis. Hiernach haben die vor dem Behandlungsbeginn stattgefundene Ernährungsumstellung und orale Heilkräutertherapie ebenfalls einen wesentlichen Einfluss auf die Haut. Fall 2 Anwendung von Betulin-basierter Emulsion (Imlan-Creme pur!) und Birkenrinden-Haarwasser in Kombination mit TCM bei Post-Zoster-Neuralgie und Hautbrennen Vorgeschichte: Bei dem Patienten der Altersgruppe c (älter als 60 Jahre) trat nach einem Atemwegsinfekt ein Herpes Zoster des oberen Trigeminusastes links mit Befall des Auges auf. Die behandelnden Ärzte verordneten eine Therapie mit Valtrex! sowie ophthalmologische Untersuchungen und Behandlung. Zwei Monate später stellte er sich zur Akupunkturbehandlung vor wegen starken einschiessenden Schmerzen in das linke Auge, auch linke Stirne und Schädeldecke. An der Haut waren noch vereinzelte Krusten und Indurationen sichtbar. Eine Akupunkturbehandlung mit 2 Sitzungen pro Woche wurde begonnen. 5 Monate nach Erkrankungsbeginn war die Medikation von Valtrex! auf Famvir! umgestellt worden. Die Schmerzen waren weniger geworden, die Haut ohne sichtbare Auffälligkeiten. Eine Ernährungsumstellung nach der TCM sowie chinesische Heilkräutertherapie in Granulatform (Herstellung unter Fall 1 beschrieben) mit 3-mal täglicher Einnahme folgender Mischung fanden statt: Long Dan Xie Gan Tang (Radix Bupleuri 15,4%; Radix Gentianae scabrae 15,4; Rhizoma alismatis 15,4; Semen Plantaginis 7,7; Radix Angelicae sinensis 7,7; Radix Glycyrrhizae 7,7; Radix Scutellariae 7,7; Radix Rehmanniae 7,7; Fructus Gardeniae 7,7; Caulis Clematidis armandii 7,6). Die Akupunkturtherapie wurde fortgeführt. 7 Monate nach Erkrankungsbeginn zusätzlich lokale Behandlung mit BetulinOleogel Anwendung 2x täglich. Zusätzlich orale Einnahme folgender TCM-Kräuter in Granulatform: Jing Fang Bai Du San (Radix Bupleuri 8,5%; Radix Angelicae pubescentis 8,5; Radix Ledebouriellae 8,5; Scleotium poriae cocos 8,5; Radix Platycodi 8,5; Herba Schizonepetae 8,5; Radix Peucedani 8,5; Radix et Rhizoma Notoginseng 8,5; Rhizoma Zingiberis recens 8,5; Fructus Aurantii 8,5; Radix Ligustici 8,0; Radix Glycyrrhizae 4,2; Herba Menthae ! %&! Arzneipflanze Birke 2,8). Die Akupunktur fand 8 Monate nach Erkrankungsbeginn noch 1x monatlich statt. 9 Monate nach Erkrankungsbeginn zusätzlich Behandlung der behaarten Kopfhaut mit Birkenrinden-Haarwasser Das Haarwasser bestand aus 3 Esslöffeln getrockneter Birkenrinde, die mit einem Liter Wasser 20 Minuten ausgekocht wurde. Das abgekühlte Dekokt wurde danach mit einem Drittel 40-prozentigem Alkohol ergänzt. Nach dem Haarewaschen wurde die befallene Kopfhaut damit gepflegt. Zu diesem Zeitpunkt bestanden noch Post-Zoster-Neuralgien vor allem der Haut mit Brennen im Stirn-Schläfenbereich, Überempfindlichkeit auf Berührung und Zugluft sowie Kältesensationen an der Stirne und am Auge. Das linke Auge war noch etwas geschwollen, die Skleren gerötet. Der Patient konnte keinen Hut oder Fahrradhelm tragen, und behalf sich mit einem Stirnband. Die Akupunktur- und Kräutertherapie (Zhen Gan Xi Feng Tang 80g, Pericarpium Citri Reticulatae 8 g , Massa Fermentata Medicinalis 15 g, Fructus Tribuli 15 g, Flos Chrysanthemi morifolii 12 g , Herba Taraxaci15 g) wurde weitergeführt, zusätzlich wurde Löwenzahntinktur (Taraxacum Urtinktur! der Firma Ceres!, 3x3 Tropfen täglich) verabreicht. Ein Jahr und zwei Monate nach Erkrankungsbeginn Es bestand noch eine leichte Überempfindlichkeit der linken Stirnpartie auf Berührung und Zugluft. Die Haut fühlte sich immer noch dumpfer an als auf der gesunden Seite, wobei der Ausprägungsgrad der Beschwerden abgenommen habe. Schmerzen bestanden keine, es wurde eher ein Sonnenbrand-ähnliches Gefühl beschrieben. Die Augenschwellung war zurückgegangen. Die ophthalmologische Kontrolle zeigte normale Sehverhältnisse bei noch leichter Rötung der Sklera. Beurteilung durch den Patienten: Nach 5 Monaten lokaler Behandlung mit Betulin-basierter Emulsion und Birkenrinden-Haarwasser (14 Monate nach Erkrankungsbeginn) beurteilte der Patient die lokale Wirkung der Creme als sehr angenehm. Sie wirke leicht kühlend und beruhige das Brennen nachhaltig, auch das Brennen bei Berührung werde weniger. Der Juckreiz werde abgeschwächt und die Creme sei angenehm zum Auftragen. Nebenwirkungen der Creme oder des Haarwassers habe er keine bemerkt. Die Wirkung wird auf einer Skala von 0 (keine Wirkung) bis 10 (vollständige Heilung) mit 8-9 beurteilt. Mit der Creme sei er sehr zufrieden. Fazit: Bei neuralgischen Schmerzen, Hautbrennen und Überempfindlichkeit nach einem schweren Herpes-Zoster-Befall im linken Trigeminusbereich kann mit der lokalen Anwendung von Imlan-Creme pur, Birkenrinden-Haarwasser und begleitender Akupunktur sowie oraler TCM-Kräutertherapie eine deutliche Beschwerdebesserung erreicht werden. Nach 5-monatigem Einsatz von Imlan-Creme pur im Gesichtsbereich wurden keine Nebenwirkungen beobachtet. ! %'! Arzneipflanze Birke Fall 3 Lokaltherapie mit Betulin-basierter Emulsion (Imlan-Creme pur!) in Kombination mit TCM bei Post-Zoster-Beschwerden an linker Schulterpartie Vorgeschichte: Ca 6 Wochen vor der Konsultation war bei der Patientin aus der Altersgruppe b (4060 Jahre) ein Herpes Zoster- Befall der linken Scapula-Region aufgetreten. Dies mit dem typischen Beschwerdebild des zuerst juckenden, später mit Bläschen- und Krustenbildung sowie Hautrötungen, Juckreiz und neuralgischen Schmerzen verbundenen Ekzems. Die Vormedikation bestand aus Lyrica-Tabletten! aufgrund des Herpes zoster und Cipralex! 5mg täglich. Letzteres wurde wegen depressiver Stimmungslage seit 2 Jahren eingenommen und beibehalten. Befund bei der Erstkonsultation 6 Wochen nach Erkrankungsbeginn: Die Haut war lokal noch etwas fleckig gerötet ohne Krusten. Bei Berührung bestanden deutliche Dysästhesien, die Patientin klagte auch über Juckreiz und neuralgische Schmerzen im betroffenen Gebiet. Auf einer Schmerzskala von 0 (keine Beschwerden) bis 10 (maximale Beschwerden) wurde die Intensität mit 5 angegeben. Therapie: Die vorbestehende Behandlung mit Lyrica wurde belassen. Lokal wurde ImlanCreme pur! 1x täglich aufgetragen. Damit konnte erst 1 Woche vor der 2. Konsultation begonnen werden weil die Creme bestellt werden musste. Zur oralen Einnahme wurde folgende chinesische Heilkräutermischung verordnet: 50 g Tao Hong Si Wu Tang, (bestehend aus: 20 % Paeoniae lactiflorae, Radix alba; 20% Angelicae sinensis, Radix; 20% Rehmanniae, Radix praeparata; 20% Persicae, Semen; 10% Ligustici chuanxiong, Radix; 10% Carthami, Flos). Dazu kombiniert wurden: 10 g Cyperi, Rhizoma; 10 g Achyranthis bidentatae, Radix; 10 g Lonicerae japonicae, Flos; 15 g Tribuli, Fructus; 10 g Chrysanthemi morifolii, Flos; 10 g Aurantii, Fructus immaturus; 10 g Poriae Sclerotium Dosierung: Die Patientin sollte von dieser Mischung 3x täglich einen gehäuften Teelöffel (Tagesdosis 9 g) in ein Glas Wasser eingerührt einnehmen. Da sie etwas Verdauungsprobleme mit Blähungen hatte, nahm sie jedoch nur 1 ! Teelöffel pro Tag ein. Befund bei 2. Konsultation 10 Wochen nach Erkrankungsbeginn: Die Beschwerden des Herpes Zoster waren quasi ganz abgeklungen. Selten bestand noch ein sehr schwacher Juckreiz. Lokal war die Haut unauffällig, bei Berührung konnten keine Schmerzen oder Beschwerden ausgelöst werden. Beurteilung durch die Patientin: Der Ausprägungsgrad der Beschwerden auf der Schmerzskala (0= keine Schmerzen, 10= maximale Schmerzen) wurden mit 0-1 von 10 angegeben. Nebenwirkungen der Creme hatte sie keine festgestellt. Als Nebenwirkung der Kräuter wurden Blähungen angegeben. Die Patientin war mit dem Ergebnis der Zoster-Beschwerden sehr zufrieden. ! %(! Arzneipflanze Birke Fazit Die Lokaltherapie mit Imlan-Creme pur! wurde gut vertragen und brachte zusammen mit der oralen Therapie mit Lyrica! und Chinesischen Heilkräutern eine rasche und fast komplette Besserung bei juckenden und neuralgischen Beschwerden 6 Wochen nach einem Herpes-Zoster Befall der linken Schulterblatt-Region. Fall 4 Anwendung von Betulin-basierter Emulsion (Imlan-Creme pur!) auf depigmentierter atropher Haut nach lokaler Steroidinjektion am Handgelenk einer dunkelhäutigen Patientin Vorgeschichte: Aufgrund einer Arthritis am linken Handgelenk war bei der Patientin aus der Altersgruppe b (40-60 Jahre) eine lokale Steroidinjektion vom vorbehandelnden Arzt durchgeführt worden. Ungefähr eine Woche danach begann sich die Haut an der Injektionsstelle in einem ca. 2x3 cm grossen Areal zu depigmentieren, was bei der dunkelhäutigen Patientin einen deutlich sichtbaren weissen Hautfleck ergab. Die Unterhaut war dort eingefallen und leicht atroph. Dies stellt eine bekannte Nebenwirkung lokaler Steroidinjektionen dar [87]. Therapie: Ungefähr eine Woche nach Auftreten der Depigmentierung Lokaltherapie mit Einmassieren von Imlan Creme pur! einmal täglich am Abend über 2-3 Monate. Ergebnis: Die Haut hatte sich nach dieser konsequent durchgeführten Anwendung komplett regeneriert und wieder repigmentiert. Die atrophe Unterhaut hatte sich wieder aufgebaut. Nebenwirkungen wurden von der Patientin nicht beobachtet. Auf einer Skala von 0 (=ganz unzufrieden) bis 10 (ganz zufrieden) bewertete die Patientin die Zufriedenheit mit 9-10. Sie gab als Nachteil an, dass es etwas lange gedauert habe, bis die Haut wieder komplett repigmentiert war. Fazit: Unter einmal täglichem Einmassieren der Betulin-basierten Emulsion an einer depigmentierten und atrophen Hautstelle nach lokaler Cortisoninjektion hatte sich die Haut nach 2-3-monatiger konsequenter Anwendung komplett regeneriert. Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. Ob sich die Depigmentierung auch ohne Therapie zurückgebildet hätte, kann nicht beurteilt werden. ! %)! Arzneipflanze Birke Fall 5 Anwendung von Betulin-basierter Emulsion (Imlan-Creme pur!) bei Spannungsgefühl der Gesichtshaut Vorgeschichte: Bei der Patientin der Altersgruppe c (über 60 Jahre) war vor wenigen Jahren ein diagnostisch nicht zuzuordnendes Ekzem mit trockenen Hautschuppen und Juckreiz im Kopf-, Hals- und Decolletéebereich vom Dermatologen mit kortikosteroidhaltigen Salben behandelt worden. Unter Ernährungsumstellung, oraler und lokaler Therapie mit TCM-Heilkräutermischungen war das Ekzem abgeklungen, kortikosteroidhaltige Salben wurden seit wenigen Jahren keine mehr angewendet. Befund und Behandlung Mehrere Jahre nach dem ursprünglichen Ekzem trat nach dem Waschen der Gesichtshaut mit Wasser (keine anderen Reinigungsmittel) ein Spannungsgefühl auf. An der Haut waren keine Rötungen oder sonstigen Auffälligkeiten sichtbar. Zu diesem Zeitpunkt Behandlungsbeginn mit Betulin-basierter Emulsion (Imlan-creme pur!) einmal täglich abends. Morgens wurde eine andere Gesichtscreme (Kalayana 8+11!) verwendet. Ergebnis Zum Befragungszeitpunkt hatte die Patientin die Betulin-basierte Emulsion 4 Monate lang einmal täglich angewendet. Sie berichtete, dass das Spannungsgefühl der Haut damit verschwinde, was sie als sehr angenehm empfinde. Nebenwirkungen hatte sie keine beobachtet. Sie nehme die Creme nur abends, da sie für tagsüber zu fett wäre und die Haut zu sehr glänze, was abends nichts ausmache. Es brauche jeweils wenig Creme, welche einen angenehmen Geruch nach Holz habe. Auf der Zufriedenheitsskala (0= ganz unzufrieden bis 10= vollkommen zufrieden) mit der Creme gab sie 10 an. Fazit: Bei Spannungsgefühlt der empfindlichen Gesichtshaut mit trockenem Ekzem in der Vorgeschichte wird die einmal tägliche Anwendung von Betulin-basierter Emulsion seit 4 Monaten gut vertragen und lindert das Spannungsgefühl deutlich. ! %*! Arzneipflanze Birke Fall 6 Outdoor-Medizin: Dekokt aus Blättern und Zweigen der Zwergbirke (B. nana L.) bei hartnäckiger Obstipation Während einer Wanderung mit Zelten in der grönländischen Tundra (weit abseits jeglicher Einkaufsmöglichkeit oder medizinischer Versorgung) trat bei einer Teilnehmerin der Altersgruppe b (40-60 Jahre) hartnäckige Verstopfung über mehrere Tage auf. Verschiedene Massnahmen wie Einnahme von eingeweichten Trockenfrüchten und viel Flüssigkeitszufuhr hatten keine Wirkung gezeigt. Auf den Rat einheimischer Eskimo hin wurden frische Blätter von Zwergbirkenzweigen abgestreift, ca. 1 Esslöffel pro grosse Tee-Tasse, welche ein paar Minuten mit Deckel ausgekocht wurden. Nach Einnahme von zwei Tassen dieses Dekokts und einer Akupunkturbehandlung konnte die Verdauung der Frau wieder in Gang gebracht werden, die mit der Obstipation verbundenen Abdominalbeschwerden klangen ab. Abbildung 16: Dekokt (rechts) aus 3 Esslöffeln getrockneten Zwergbirkenblättern (B. nana) mit 1 L. Wasser 20min. gekocht. Oben ein getrockneter Zwergbirkenzweig (in Grönland im Juli gesammelt), links die abgekochten Blätter. Das Dekokt schmeckt, heiss getrunken, kräftig-würzig und leicht bitter. ! &+! Arzneipflanze Birke Fall 7 Outdoor-Medizin: Blasenpflaster aus Zwergbirkenrinde (B. nana L.) Während einer mehrtägigen Trekking-Tour in der grönländischen Tundra trat bei einer Frau der Altersgruppe b (40-60 Jahre) eine wunde Stelle an einer Zehe auf, die noch gerade keine Blase gebildet hatte. Ein dickerer Zweig einer Zwergbirke (B. nana) wurde geschält, die innere grüne feuchte Rinde frisch um die Zehe gewickelt und über Nacht darauf belassen. Die Frau berichtete über ein angenehm kühlendes Gefühl, das längere Zeit angehalten habe. Am nächsten Tag war die wunde Stelle nicht mehr schmerzhaft. Sie wurde mit einem klassischen Blasenpflaster für Wanderer versorgt, womit die Frau die folgenden 2 Tage mit 6- bis 8-Stündigen Wanderungen ohne Entwicklung einer Blase fortführen konnte. Abbildung 17: Zwergbirke, Betula nana L., Grönland im Juli. Der innere Teil der Rinde (links, hellgrün) wurde frisch um die wunde Stelle gewickelt. ! &"! Arzneipflanze Birke Diskussion Deutlicher Unterschied der Indikationen früher und heute Es fällt auf, dass die Heilpflanze Birke in heutiger Zeit vor allem bei NierenBlasenbeschwerden empfohlen wird in Form von Tee oder Tinktur aus den Blättern, wozu Monografien vorliegen. Die umfassenden anderen Heilwirkungen sowie Verwendung von Saft, Knospen, Holzasche oder Teer, scheinen in den Hintergrund geraten zu sein. Auch finden sich Zweifel an deren Wirksamkeit vor allem aufgrund des Mangels an Forschungsbelegen. Birkenrinde ist ein seit langem breit angewendetes Heilmittel, das derzeit wieder neu für die Hautheilkunde und als mögliches Mittel gegen Krebserkrankungen und HIV entdeckt wird. Obige aufgeführte Fallbeschreibungen zur Anwendung eines Triterpenextraktes aus der äusseren Birkenrinde sprechen für die Anwendung bei Hauterkrankungen. Die innere Rinde scheint vielversprechende antiinfektiöse Wirkungen zu besitzen Vor allem zur Wundbehandlung, bei Verbrennungen und bei infektiösen Hauterkrankungen fand die innere Rinde, abgekocht oder frisch, Verwendung. In der Untersuchung von Weston und Smith [26] zu den Inhaltsstoffen der inneren Rinde verschiedener Birkenarten konnten deutliche Gehalte an ätherischen Ölen aufgezeigt werden, was für dieses vielversprechende und ebenfalls noch zu entdeckende Anwendungsgebiet sprechen würde. Abbildung 18: Äussere (weiss) und innere (rotbraun) Rindenschicht an einer gefällten Birke Die volksmedizinischen Indikationsgebiete Infektionskrankheiten der Atemwege, Hepatitis sowie Magen-Darm-Erkrankungen verdienten mehr Aufmerksamkeit Vielversprechende Heilwirkungen, wie die in den drei Volksheilkunden bekannte antiinfektiöse Wirkung von Birkenrinde bei Atemwegs-, Lungeninfektionen und bei Hepatitis, sowie der Einsatz von Birkenblätter- und Zweigabkochungen bei MagenDarm-Erkrankungen, finden sich nur ansatzweise in der veröffentlichten Forschung und sind in der aktuellen deutschsprachigen Phytotherapie wenig bekannt. Eigene Praxiserfahrungen vor allem zur Anwendung von Birkenblätter-Tee und –Abkochung ! &#! Arzneipflanze Birke bei Magenbeschwerden und Obstipation bestätigen diese Anwendungsmöglichkeit. Ein immenses Potential scheint hier verborgen zu sein, welches es Wert wäre, wieder beleuchtet zu werden. Birkensaft, -knospen, -teer und Rindenasche Auch der volksmedizinisch verwendete, aus dem Stamm gewonnene Blutungssaft, Birkenknospen, sowie Birkenteer und Rindenasche, finden wenig Beachtung. Birkenteer wird nach archäologischen Forschungen vom Menschen seit 80 000 Jahren benutzt. Es ist sehr plausibel, dass dessen volksmedizinischer Einsatz als Salbe bei parasitären und ekzematösen Hauterkrankungen, Gicht- und Rheumaschmerzen in uralte Zeiten zurückreicht und vielleicht das älteste Heilmittel überhaupt darstellt. Räuchern zum Desinfizieren der Raumluft findet sich in allen drei verglichenen Kulturen und wird bis heute vor allem in Asien praktiziert. In der westlichen Welt wird diese Methode heute in der Lebensmittelindustrie zum Desinfizieren und Haltbarmachen von Wurst- und Fischwaren eingesetzt, wofür die antibakteriellen Eigenschaften des Räucherns belegt sind [88]. Diese antibakteriellen Effekte könnten vermutlich ebenso auf Schleimhautoberflächen beim Inhalieren des Rauches stattfinden und somit vor Ansteckung schützen, was aber nicht erforscht ist. Unterschiedliche Zubereitungsform als mögliche Ursache des bisher undeutlichen Wirkungsnachweises In allen Volkstraditionen werden vorwiegend Abkochungen aus Blättern und aus der inneren und äusseren Rinde, manchmal auch des Holzes, oder Rinden- und Holzasche verwendet. Man kann davon ausgehen, dass diese traditionellen Zubereitungsweisen auf jahrhundertelanger Erfahrung beruhen, und daher sinnvoll sind, denn sie wurden in der Volksmedizin bis heute beibehalten. Möglicherweise wäre die Verwendung dieser ursprünglichen Zubereitungsformen als wässrige Vollextrakte oder in Form von Rindenasche noch wirksamer als die bisher zumeist erforschten Teilextrakte. Die zur Birke verwendeten Arbeiten von Ebeling et al. [42], Laszczyk [53], und Major [69] kommen, wie viele Forscher im Bereich der Phytotherapie auch, zu der Erkenntnis, dass die Wirkung einer Heilpflanze in der Regel durch die Summe ihrer Einzelkomponenten und deren additiver und synergistischer Wirkmechanismen untereinander und mit dem menschlichen Organismus zustande kommt. Evolutionsgeschichtlich hat sich der menschliche Stoffwechsel auf der Basis pflanzlicher Nahrung in Form von Zubereitungen aus der ganzen Pflanze oder Vollextrakten entwickelt, an die er viel besser angepasst ist als an Monosubstanzen oder Teilextrakte. Es wäre zu erwarten, dass Vollextrakte eine bessere Wirkung und geringeres Nebenwirkungsprofil vorweisen. Evidenz volksmedizinischer Anwendungen der Birke Dass die vielen volksmedizinischen Indikationen bisher nicht in Pharmakopöen oder Monografien zu finden sind, liegt daran, dass es bisher zu wenig Wirksamkeitsbelege nach aktuellen Evidenzkriterien gibt. Als bester Beweis gelten hierfür prospektive randomisierte Doppelblindversuche. ! &$! Arzneipflanze Birke Es werden für den Wirksamkeitsnachweis der Phytotherapie meist dieselben Forschungsinstrumente verwendet, wie sie für die Entwicklung von neuen Arzneimitteln in Form chemischer Monosubstanzen Anwendung finden. Monosubstanzen wurden meist in dieser Form noch nie am Menschen angewendet, weshalb umfangreiche Forschungen zur Pharmakologie und Wirkungsweise für die sichere Anwendung notwendig sind. Traditionelle Heilpflanzen wurden dagegen bereits seit Jahrhunderten an Mensch und Tier angewendet und haben den Beweis der Wirksamkeit und Unschädlichkeit durch diese langen Beobachtungszeiträume über ihre Anwendung in der Volksmedizin an Mensch und Tier bereits erbracht. Es besteht ein immenses volksmedizinisches Wissen. Die Birke ist ein klassisches Beispiel hierfür. Neuer Ansatz des Wirksamkeitsnachweises in der Phytotherapie Statistisch betrachtet gibt es viele Möglichkeiten, Evidenz einer Arznei zu erforschen. Nebst den derzeit gebräuchlichsten Instrumenten der prospektiven randomisierten Doppelblindversuche und Metaanalysen könnten auch andere Methoden gewählt werden, um diesen grossen Wissensschatz zu Arzneipflanzen aus der Volksheilkunde zu heben. Diese müssten den Besonderheiten der Phytotherapie gerecht werden, insbesondere der Tatsache ihrer nachweisbaren Verwendung über jahrhundertelange Zeiträume in riesigen Fallzahlen bei verschiedenen Volksgruppen, sowie deren Einsatz in Form von Vollextrakten. Übereinstimmung volksmedizinischer Anwendungen der Birke für gleiche Indikationen in 3 Volkstraditionen In der vorliegenden Arbeit wurde aufgezeigt, dass bei Hauterkrankungen wie Ekzemen, Hautinfekten und Wunden Birkenrinde in den drei dargestellten Volksgruppen übereinstimmend seit mehreren hundert Jahren verwendet wurde. Dasselbe gilt für die antiinfektiöse Wirkung vor allem der Rinde, den Einsatz bei Gelbsucht oder zur Leberreinigung, sowie bei Nieren-Blasenerkrankungen. Evidenzstufe 4 Betrachtet man die historische Anwendung für obige gemeinsame Indikationen unter den Gesichtspunkten der klinischen Anwendung und versucht man sie nach Empfehlungen der Cochrane Klassifikation [89] zur Beurteilung klinischer Studien einzustufen, so könnte Evidenzstufe 4 angenommen werden, denn diese Indikationen wurden nach Meinung und Überzeugung von Experten der Phytotherapie unabhängig voneinander über sehr lange Zeiträume in den drei Volksgruppen angegeben. Eine andere Möglichkeit wäre die Betrachtung der volksmedizinischen Anwendungen als retrospektive Fallserien. Die Verwendung der Arzneipflanze Birke in voneinander unabhängigen Gruppen durch voneinander unabhängige Experten für dieselben Indikationen könnte nachgewiesen werden. Dies könnte unter Evidenzstufe 3 fallen. Hierzu fehlen aber alle genaueren Angaben wie zum Beispiel Methodik, Behandlungsverlauf, Nebenwirkungen, Ausfälle, Ergebnisse. Die Fallzahlen könnten nur geschätzt werden. Betrachtet man die Anwendung über einen belegten Zeitraum von mindestens 400 ! &%! Arzneipflanze Birke Jahren an diesen Bevölkerungen, lägen die geschätzten Fallzahlen in solchen Grössenordnungen, dass sich Mängel und bias möglicherweise aufheben könnten. Ein Rechenbeispiel zur Dimension der volksheilkundlichen Phytotherapie Für die Verwendung der Birke in den diskutierten drei Volksgruppen kann folgendes Rechenbeispiel die Dimensionen veranschaulichen: Geht man von den Einwohnerzahlen Nordamerikas (ca. 5 Millionen), Deutschlands (ca. 15 Mio), Chinas (ca. 150 Mio) um das Jahr 1600 aus (ab dann stehen schriftliche Quellen zur Verfügung), und berechnet man einen kräuterkundigen Therapeuten pro Zehntausend Einwohner, dann ergeben sich 17 000 Therapeuten in allen drei Volksgruppen. Wenn diese vielleicht jedes Jahr zehn Mal ein Birkenpräparat angewendet haben, errechnen sich über 400 Jahre in den 3 Volksgruppen 68 Millionen Fälle! Dieses Rechenbeispiel ist ein Schätzwert, der aber durchaus realistisch ist. Dabei sind die Bevölkerungen Russlands und der skandinavischen Länder, in denen Birken als Volksheilmittel noch gebräuchlicher sind als in Mitteleuropa, noch nicht berücksichtigt. Die angenommenen Indikationen können keine Zufälle sein Statistisch betrachtet sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei den angenommenen Indikationen und Heilwirkungen der Birke um Zufälle handelt, mit zunehmender Fallzahl und Anwendungsdauer. Bei oben angenommenen Dimensionen müsste eine klare statistische Evidenz für diese Indikationen vorhanden sein, auch würde sich aus diesen immensen Zeiträumen und Fallzahlen eine deutliche statistische Aussagekraft ergeben. Durch den Vergleich der Anwendung in verschiedenen, voneinander unabhängigen Volksgruppen über diese langen Zeiträume müsste sich ebenso eine aussagekräftige Validität ergeben, und mögliche bias in einer Volksgruppe durch den Vergleich mit den anderen Gruppen relativieren oder ausgleichen. Hier wäre eine Möglichkeit, neue statistische Evidenzkriterien speziell für die Besonderheiten von solchen Arzneipflanzen zu entwickeln, welche wie die Birke über mehrere hundert Jahre in verschiedenen Volksgruppen nachweislich angewendet wurden. Da mehrere wissenschaftliche Disziplinen wie Medizinstatistik, Pharmakologie, Ethnomedizin, Ethnologie, Medizin, Historik und eventuell noch andere wie Biologie oder Chemie involviert sind, müsste eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe gebildet werden, um diese neuen Evidenzkriterien zu erarbeiten. Zusammenfassung Am Beispiel der Birke wurde aufgezeigt, dass diese in drei grossen voneinander unabhängigen Volksgruppen für die Indikationen Infektionskrankheiten, NiereBlasen-, Haut- und Atemwegserkrankungen seit mehreren hundert Jahren angewendet wurde. Eine Möglichkeit, diese über drei Kulturkreise ausgedehnte und in grossen Fallzahlen existierende Anwendung wissenschaftlich verfügbar zu machen, wäre mit Hilfe der Entwicklung neuer medizinstatistischer Methoden in Form einer kulturübergreifenden Metaanalyse mit grossem Zeithorizont. Hierzu bräuchte es eine interdisziplinäre ! &&! Arzneipflanze Birke Expertengruppe, welche durch Entwicklung neuer Evidenzkriterien diesen riesigen volksmedizinischen Wissensschatz statistisch verfügbar machen könnte. Ein Beispiel für ein solches Evidenzkriterium könnte sein, dass die gesicherte Anwendung der Birke für obige Indikationen in der Volksmedizin über 100 Jahre in drei sprachlich getrennten Völkern belegt werden könnte, und die Heilwirkungen sowie Nebenwirkungen in den Gruppen übereinstimmen. Tierversuche Bei Heilpflanzen wie hier am Beispiel der Birke, deren Anwendung als Heilmittel am Menschen in verschiedenen Kulturen über solch lange Zeiträume in mehreren Bevölkerungen bis heute stattfindet, wurde der Beweis der Wirksamkeit und Unschädlichkeit am Menschen in der Volksmedizin bereits erbracht. Könnte diese Erfahrungsmedizin mit oben vorgeschlagenen neuen Evidenzkriterien statistisch verfügbar gemacht werden, wären Forschungen mit Tierversuchen überflüssig. ! Fazit Die verschiedenen Birkenarten finden seit Jahrhunderten in der Volksmedizin der nordamerikanischen Indianer, in Europa und in China Anwendung als Heilmittel bei Hauterkrankungen, Infektionskrankheiten, Nieren-Blasen-Beschwerden und weiterer Erkrankungen. Hier besteht ein immenses volksmedizinisches Heilwissen und Behandlungspotential, das sich in der aktuellen wissenschaftlich orientierten Phytotherapie bisher nur in kleinen Ansätzen etablieren konnte. Das Wissen um diese Heilwirkungen könnte mit neuen Methoden der Medizinstatistik im Sinne einer kulturübergreifenden Metaanalyse mit weitem Zeithorizont wissenschaftlich verfügbar gemacht werden. Hierzu müssten von einer interdisziplinären Expertengruppe neue Evidenzkriterien speziell für die jahrhundertealte Phytotherapie erarbeitet werden. Auf medizinstatistisch breiter Basis könnte somit Zugang zum immensen Wissensschatz volksmedizinischer Phytotherapie gefunden werden. ! &'! Arzneipflanze Birke Literatur 1. 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