Drei Perspektiven auf Gesellschaftstheorie 1 Drei Perspektiven auf Gesellschaftstheorie • • • Individuum und Gesellschaft soziale Ordnung, Ungleichheit sozialer Wandel, Entwicklung: Modernisierung → Tagesziel : multiperspektivisch sehen üben 2 Vorgehen • Gesellschaft historisch: Zukunft, Periodisierung • Verortung der Soziologie: Verunsicherung, Status Theorie • „Es ist nicht so, wie du denkst : Drei Perspektiven auf Gesellschaftstheorie 3 1) Gesellschaft historisch: Gegenwart/ Moderne als Entdeckung der Zukunft • kulturelle Definition der Moderne „als vorherrschende Mentalität einer Epoche, die der Zukunft zugewandt ist, einer Zukunft, die als vermutlich anders und möglicherweise besser als Gegenwart und Vergangenheit gedacht ist (Therborn 2000) • Frühmoderne: 16. - Ende 18. Jh. • Hoch- oder Industriemoderne: 19./20. Jh. (1789 - 1.WK) • Spätmoderne: ab 1970er → Abgrenzung von Hochmoderne (contra Ideologie Postmoderne) • Multiple/verwobene/zu überwindende Moderne: ab 1990er 4 2) Verortung der Soziologie als Verunsicherungswissenschaft • Modernisierung = Verunsicherung: vermeintlich Individuelles, Natürliches oder auch Gottgegebenes als Soziales entlarven • Soziologie = Produkt der modernen westlichen Gesellschaft • Entzauberung als Programm • Soziologie verunsichert selbst: Normalbiografie? „natürliches Verhalten? 5 Empirie, Gesellschaftstheorie bis Sozialtheorie 4 Abstraktionsstufen (Schimank 1996: 17-19 ) · spezifische historische Vorgänge · Theorien bestimmter gesellschaftlicher Entwicklungsphasen · generelle Merkmale einer der großen Entwicklungsstufen menschlicher Gesellschaften · Sozialtheorie: breit verwendbare Konzepte und Modelle → „verallgemeinerte Aussagen über soziale Zusammenhänge bzw. über Regelmäßigkeiten des sozialen Lebens (Joas/ Knöbl 2004: 9) (vs. Gesellschaftstheorie) 6 Sozial-/Gesellschaftstheorie Sozialtheorie Gesellschaftstheorie Überzeitlich Historisch-spezifisch Abstrakt (auch und v.a.) nationalstaatlich 7 Theorie als verallgemeinernde Aussagen • Theorie und Verwendung des Plurals • Jeffrey Alexander: keine theorielose Form der Beobachtung • Kontinuum Metaphysik/ Empirie 8 3) Bezug auf drei theoretische Perspektiven „Es ist nicht so, wie du denkst 9 „Es ist nicht so, wie du denkst Soziale Handeln Ordnung, Ungleichheiten Entwicklung Autonomie, Motive Gesellschaftsbegriff Tradition Vergesellschaftung Herrschaft, Macht Fortschritt, Steigerung Perspektivität, Vermittlung Ungleichheiten Ambivalenz horizontal, vertikal Individuum/ Gesellschaft Soziale Ungleichheiten Modernisierung 10 a) Autonomie • Autonomos (gr.) = das selbst gegebene Gesetz • Etwas aus freien Stücken oder nach reiflicher Überlegung tun = Ausdrucksform des freien Willens • Voraussetzung: wenn wir prinzipiell die Möglichkeit haben, anders zu handeln • Handlungsmotive und -typen • Willensfreiheit als Ausdruck von Autonomie (Ritsert 2009: 17) 11 b) Differenzierung und Ungleichheit • • • • horizontal Differenzierung als Ungleichartigkeit, Verschiedenartigkeit Rollen (Mikro) Teilsysteme (Makro) Fahrstuhl nach oben vertikal • Ungleichheit als Verteilungskonflikte • Fahrstuhl nach unten • Gesellschaftliche Gruppen als Bezug 12 Soziale Ungleichheiten „Immer mehr Dimensionen sozialer Ungleichheit werden entdeckt: Klassen, Milieus, Geschlecht, Ethnie, Alter, Region etc. – es bleibt aber offen, wie sie zusammenhängen. (Schwinn 2007: 9) 13 c) Fortschritt • „Modernisierung ist die Entwicklung von einfachen und armen Agrargesellschaften zu komplexen, differenzierten und reichen Industriegesellschaften, die nach innen und außen ein bestimmtes Maß an Selbststeuerungsfähigkeit besitzen. (Zapf 2000: 238) 14 Verdrängung der dunklen Seiten • Katastrophen des 20. Jahrhunderts • Paradoxa und Umschlag: Differenzierung Rationalisierung Individualisierung Domestizierung 15 Ambivaloxe Dialektik von Modernisierung Modernisierung „als einen multidimensionalen, ambivalenten und paradoxen Entwicklungsprozess, in dessen Verlauf sich ‚positive wie ‚negative Entwicklungslinien ein und desselben Modernisierungsfaktors gemäß der immanenten Steigerungslogik von Modernisierungspro-zessen (‚mehr, schneller, besser ) ko-evolutiv, d.h. parallel zueinander, dabei aber nicht notwendig im gleichen Tempo, entfalten und auf vielfältige Weise miteinander kreuzen. (Degele/Dries 2005: 28f) 16 17 „Alter schützt vor Unfall nicht (FASZ, 6.5.12) Ein Mittachtziger „lebte zehn Kilomenter vor den Toren Braunschweigs. Weit und breit gebe es keine Bushaltestelle, klagte der Mann, und er müsse doch schließlich in die Augenklinik, schließlich sei er halb blind. Also fahre er eben Auto. 18 19 Literatur • • • • • • • • • Bendix, Reinhard (1969) Modernisierung in internationaler Perspektive. in: Wolfgang Zapf (Hg) Theorien des sozialen Wandels. Köln/Berlin: Kiepenhäuer. 505-512 Degele, Nina/Christian Dries (2005) Modernisierungstheorie. München: Fink (UTB) Joas, Hans/Wolfgang Knöbl (2004) Sozialtheorie. Zwanzig einführende Vorlesungen. Ffm: Suhrkamp Matthes, Joachim (1992) The Operation Called „Vergleichen . in: Joachim Matthes (Hg) Zwischen den Kulturen? Die Sozialwissenschaften vor dem Problem des Kulturvergleichs. Soziale Welt, Sonderband 8. Göttingen: Otto Schwartz. 75-99 Ritsert, Jürgen (2009) Schlüsselprobleme der Gesellschaftstheorie. Wiesbaden: VS Schimank, Uwe (1996) Theorien sozialer Differenzierung. München: UTB Schwinn, Thomas (2007) Soziale Ungleichheit. Bielefeld: transkript Therborn, Göran (2000) Die Gesellschaften Europas 1945-2000. Ein soziologischer Vergleich. Ffm/New York: Campus Zapf, Wolfgang (2000) Entwicklung und Sozialstruktur moderner Gesellschaften. in: Hermann Korte/Bernhard Schäfers (Hg) Einführung in die Hauptbegriff der Soziologie. Opladen: Leske + Budrich. 5.Aufl. 237-251 20