23 Magnetfeldumkehrungen Eines der ersten Ergebnisse paläomagnetischer Untersuchungen von Gesteinen waren Magnetfeldumkehrungen. Bestimmungen der Magnetisierungsrichtungen von Gesteinen unterschiedlichen Alters der gleichen Lokalität weisen unregelmäßige Umkehrungen der Polarisierungsrichtungen auf. Zu gewissen Zeiten befand sich der magnetische Nordpol, zu anderen der magnetische Südpol am geographischen Nordpol. Abb. 2.17 zeigt eine Reihe von Polaritätsmessungen und die dazugehörigen Epochen. Man unterscheidet zwischen Epochen, die größenordnungsmäßig eine Mio. Jahre dauern, und kurzzeitigen Umpolungen. In den letzten 730000 Jahren fand keine Umpolung mehr statt, die jetzige Epoche wird als normal orientiert bezeichnet und Brunhes Epoche genannt. Die Zeitskala in Abb. 2.17 beruht auf radiometrischen Bestimmungen (K-Ar) Marine Magnet-Anomalien und Sea Floor Spreading Mit Magnetometern kann man die Stärke des Magnetfeldes auf der Erdoberfläche messen. Räumliche Variationen des Magnetfeldes werden magnetische Anomalien genannt. In ozeanischen Regionen werden magnetische Anomalien gemessen, indem ein Magnetometer ins Schlepptau eines fahrenden Schiffes genommen wird. Das totale Intensität des Magnetfeldes wird gemessen und das globale Magnetfeld wird subtrahiert (z.B. IGRF 1980). Es resultieren dann magnetische Anomalien, die bei ihrer Entdeckung Anfang der sechziger Jahre große Überraschung hervorriefen. Abb. 2.18 zeigt eine Karte solcher Anomalien (positive Anomalien sind schwarz, negative sind weiß) für den östlichen Pazifik. Das Magnetfeld weist lineare Strukturen alternierender Anomalien auf. Solche Magnetstreifen sind typisch für alle Ozeanregionen. Die Abb. 2.17 24 Streifung ist symmetrisch bezüglich des Ozeanrückens, die Streifen sind an Transformverwerfungen versetzt, sie sind typischerweise einige Zehnerkilometer breit, und haben Amplituden von ±500 nT, entsprechend etwa 1% des Erdmagnetfeldes. Der Ursprung wurde 1963 von F.J. Vine und D.H. Matthews und unabhängig davon von L.W. Morley zuerst verstanden. Sie verknüpften die neue Theorie des sea floor spreadings von Hess mit der ebenfalls neuen Erkenntnis der Magnetfeldumkehrungen. Danach wird Ozeanboden an Abb. 2.18a mittelozeanischen Rücken durch Basalt Extrusionen und Intrusionen permanent neu gebildet, der sich dann symmetrisch vom Rücken entfernt. Je nach Polarität des gerade herrschenden Erdmagnetfeldes wird dem Basalt beim Unterschreiten der Curietemperatur eine remanente Magnetisierung aufgeprägt. Entweder addiert sich diese dann zum heutigen Magnetfeld (--> positive Anomalien) oder sie subtrahiert sich von ihm (--> negative Anomalien). Man kann diesen Magnetisierungsprozess auffassen als das Einspielen des zeitabhängigen Erdmagnetfeldes auf ein großes Magnetband. Die Symmetrie der Magnetisierungen lässt sich demonstrieren, indem man ein Profil der Anomalien senkrecht zur mittelozeanischen Achse nimmt und mit dem an der Achse gespiegelten Profil vergleicht. (Abb. 2.19). Die Breite der magnetischen Streifen hängt einmal von der Dauer der gerade herrschenden Polarisierungsrichtungen des Erdfeldes, und zum anderen von der SpreadingGeschwindigkeit ab. Um das Muster der magnetischen Anomalien zu dekodieren, muss man entweder die Zeitskala der Polarisierungsrichtungen des Erdfeldes, oder die Spreadingrate kennen. Abb. 2.18b 25 Abweichungen vom idealen Streifenmuster In Wirklichkeit sieht die Geometrie der unterschiedlich magnetisierten Streifen nicht so einfach aus, wie in dem Blockmodell von Abb. 2.20b gezeigt. Lava wird nicht kontinuierlich an der Rückenachse produziert, sondern extrudiert statistisch verteilt in Raum und Zeit innerhalb einer "Platznahmezone" (emplacement zone) endlicher Breite, die an der Rückenachse zentriert ist. Dies führt zu Überlappungen von Lavaströmen Abb. 2.20 26 unterschiedlicher Polarisierung. Abb. 2.21 zeigt als Beispiel, wie Zonen unterschiedlicher Magnetisierung verteilt sein könnten, falls Lavaströme von durchschnittlich 1 km Ausdehnung zufallsmäßig innerhalb der emplacement-Zone verteilt werden. (Die Gesamtdicke der extrusiven Schicht ist um den Faktor 2 erhöht). In den Profilen i, ii, iii beträgt die Breite der emplacementZone 10 km, es kommt daher zu komplexen Verteilungen. Ist die emplacement-Zone schmaler (Profil iv), dann sind die Überlappungen Abb. 2.21 geringer. Einen ähnlichen Effekt hat eine größere spreading-Geschwindigkeit oder längere Perioden gleicher Erdfeld-Polarität. Nur eine unendlich schmale emplacement-Zone würde auf das Blockmodell (Profil v) führen. Eine 10 km breite emplacement-Zone scheint für den Atlantik zuzutreffen, und erklärt die dort beobachteten Unregelmäßigkeiten der magnetischen Streifen. Der ost-pazifische Rücken weist ein weniger gestörtes Streifenmuster auf, was einmal mit einer geringe4ren Breite der emplacement-Zone erklärbar ist, zum größeren Teil jedoch durch die höhere spreading-Geschwindigkeit hervorgerufen ist. Trotz dieser Komplikationen geht man im Allgemeinen vom Blockmodell aus, d.h., bei der Modellierung von magnetischen Anomalien nimmt man rechteckige Blöcke mit konstanter Magnetisierung an. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass durch die Vektornatur der Magnetisierung und des heutigen Feldes Komplikationen auftreten. Je nach magnetischer Breite und Orientierung des ozeanischen Rückens wird bei der Bildung des Ozeanbodens das Gestein in eine bestimmte Richtung magnetisiert. Nach Verschiebung längs der Erdoberfläche überlagert sich durch diese Magnetisierung hervorgerufene Feld mit dem heutigen Feld. Was wir heute messen ist die vektorielle Summe beider Felder. Als Anomalie bestimmt man dann den Betrag dieser Vektorsumme minus den Betrag des Referenzfeldes. Hier kurz drei Möglichkeiten für solche Anomalien (wir nehmen jeweils an, dass ein unendlich langer horizontal liegender Block längs des mittelozeanischen Rückens geformt wird): - Angenommen, der Ozeanboden wurde an einem nord-süd verlaufenden Rücken am magnetischen Äquator gebildet. In diesem Fall verliefen die Magnetfeldlinien bei der Magnetisierung horizontal im Innern des Blockes. Sie erzeugen nur die My-Komponente der Magnetisierung (Abb. 2.21). Die resultierenden Feldlinien treten nicht (d.h. erst im Unendlichen) aus dem Block aus, führen also zu einer verschwindenden Anomalie außerhalb des Blockes. - Wurde der Ozeanboden südlich des magnetischen Äquators an einem nord-süd verlaufenden Rücken gebildet, so hat die Magnetisierung eine Horizontal- und Vertikalkomponente (My und Mz). My ruft keinerlei äußeres Magnetfeld hervor (s.o.), Mz kann zu einem Feld führen, das eine positiven Anomalie hervorruft, wenn sich der Block heute noch auf der Südhalbkugel befindet. Ist er dagegen nach Norden verschoben worden, so kann Mz zu einer negativen Anomalie führen. Wegen Mx=0 existiert keine Ost-West Komponente (solange der Block nicht rotiert wird), der Block wird also eine symmetrische Anomalie hervorrufen. Siehe hierzu Abb. 2.22. 27 - Abb. 2.23 Wurde der Block dagegen an einem nicht nord-süd verlaufenden Rücken gebildet, dann hat er eine horizontale Magnetisierungskomponente Mx. In diesem Fall ist die Überlagerung mit dem heutigen Magnetfeld komplex und führt im allgemeinen zu einer asymmetrischen Anomalie. Siehe Abb. 2.23. Spreading-Geschwindigkeiten, Alter des Ozeanbodens. Falls die Zeiten der Feldumkehrungen aus unabhängiger Quelle bekannt sind (z.B. aus radiometrischen Datierungen wie die in Abb. 2.17), dann kann man die magnetischen Anomalien des Ozeanbodens benutzen, um die Abb. 2.24 28 Spreading-Geschwindigkeiten zu bestimmen. Abb. 2.24a zeigt als Beispiel die von der Entfernung von der Rückenachse abhängige Magnetanomalien des ost-pazifischen Rückens. Korreliert man die einzelnen Polaritäten mit denen der Polumkehrungen aus Abb. 2.17, und plottet die Entfernung der Anomalien von der Rückenachse gegen die Zeitpunkte der Umkehrungen, so fallen die Punkte auf eine Gerade (Abb. 2.24c). Die Steigung der Geraden ergibt die Spreading-Geschwindigkeit des Rückens (genaugenommen nur die halbe, da spreading in beide Richtungen stattfindet). Aus Abb. 2.24 wird deutlich, dass zumindest in den letzten 4 Mio. Jahren die spreading Geschwindigkeit konstant geblieben ist. Unter der Annahme, dass die SpreadingGeschwindigkeit des Süd-Atlantiks in den letzten 80 Ma konstant geblieben war, konstruierte man 1968 die erste geomagnetische Zeitskala. Abb. 2.25 (oben) zeigt die Polaritätssequenzen, das zugehörige theoretische Magnetisierungsprofil, und die beobachteten magnetischen Anomalien zusammen mit der Zeitskala. Die Anomalien lassen sich mit Anomalien aus dem Pazifik korrelieren. Hierbei sieht man, dass 1) der Pazifik höhere Spreading-Geschwindigkeiten aufweist, und b) dass die Spreadingrate nicht konstant war (unter Annahme einer konstanten südatlantischen Rate). Die Konstanz der Spreadingrate im Südatlantik konnte mit Hilfe von Bohrungen des Forschungsschiffes Glomar Challenger verifiziert Abb. 2.25 29 Abb. 2.26 werden. Hierbei wurden Bohrkerne gezogen, die die Sedimentschicht und die oberste Basaltschicht des Ozeanbodens durchstoßen haben. Eine radiometrische Altersbestimmung der Basalte war auf Grund chemischer Veränderungen der Basalte nicht möglich. Dagegen konnte das höchste Alter der Sedimente eines jeden Bohrkerns durch die darin vorkommenden Fossilien ermittelt werden. Plottet man dieses Alter gegen den Abstand vom Rücken, so erhält man wiederum eine Gerade, die in spektakulärer Weise das Sea-Floor-Spreading bestätigte (Abb. 2.26). Seit den sechziger Jahren wurde die geomagnetische Zeitskalen vielfach verbessert und modifiziert. Abb. 2.27 zeigt eine moderne Zeitskala bis zurück in die Jurazeit. Die Polarisierungsperioden sind ziemlich unregelmäßig, was ihre weltweite Korrelation erleichtert. Die wichtigsten magnetischen Episoden bis 80 Ma werden als Anomalie 1 bis 34 bezeichnet. In der Kreidezeit fällt eine lange Periode normaler Abb. 2.27 30 Polarisierung auf, in der keine Feldumkehrungen stattgefunden haben. Die Anomalien davor (nun bezeichnet man negative Störungen als Anomalien) werden von M0 bis M27 durchgezählt (M für Mesozoisch). Mit Hilfe solcher geomagnetischer Zeitskalen und gemessenen Anomalien ist der gesamte Ozeanboden kartiert worden und eine Alterskarte hergestellt worden (Abb. 2.28). Man erkennt, dass es keinen Ozeanboden gibt, der älter als vielleicht 160 Ma ist. Offensichtlich wird alter Ozeanboden so kalt und daher dicht, dass er instabil wird und in Form von Subduktion in den 31 Mantel abtaucht. Man erkennt an der Breite der Altersstreifen, dass die Spreadingraten sehr unterschiedlich sein können. An einigen Stellen (Pazifik, Nord-Atlantik) erkennt man, dass Spreading unregelmäßig verlaufen sein muss und dass der Rücken gesprungen sein muss. 2.4 Plattentektonik: Geometrischer Ansatz In diesem Kapitel sollen die Grundlagen besprochen werden, mit denen es möglich ist, die Relativbewegungen von Platten zueinander zu beschreiben. Abb. 2.29 Platten auf einer flachen Erde. Es ist instruktiv, die Kinematik von mehreren Platten mit unterschiedlichen Typen von Rändern (Spreading Zone, Transform Verwerfung, Subduktionszone) auf einer flachen Erde zu betrachten. Betrachten wir zunächst die drei Plattenränder separat. In Abb. 2.29a,c,e wird die Platte A von der Platte B durch eine Spreading Zone, Subduktionszone, bzw. Transform-Störung getrennt. Relativ zu A bewegt sich die Platte r B mit einem Geschwindigkeitsvektor A v B, wobei der erste Index die festgehaltene Referenzplatte bezeichnet. Relativ zu B r lässt sich die Plattengrenze durch den Vektor B v A charakterisieren, d.h. ein Beobachter auf der Platte B sieht die Platte A mit r der Geschwindigkeit B v A bewegen. Wie aus Abb. 2.29b,d,f hervorgeht, müssen die Vektoren sich zu Null addieren, d.h. r r ( 2.12) A v B =− B v A Wir betrachten nun ein Zwei-Plattensystem mit verschiedenen Rändern (Abb. 2.30). Platte A habe an ihrem Westrand zu Platte B eine Spreading Zone mit der Plattenseparationsgeschwindigkeit von 4 cm/Jahr (halbe Spreadingrate = 2 cm/Jahr). Es ist klar, dass der Nord- und Südrand von A eine Transform-Störung sein muss. Die Verwerfung am Nordrand ist linkshändig (sinistral), beim Überqueren sind die Gesteine nach links hin versetzt. Die Süd-Grenze stellt eine rechtshändige (dextrale) Verwerfung dar. Die zugehörigen Vektoren sind in Abb. 2.30b dargestellt. Die östliche Plattengrenze ist konvergent mit einer 32 Relativgeschwindigkeit von 4 cm/Jahr. Es muss sich daher um eine Subduktionszone handeln. Hierbei ist jedoch nicht eindeutig, welche Platte unter welche abtaucht. Die Abb. 2.30c,d zeigt die beiden Möglichkeiten. Taucht A unter B ab (Abb. 2.30c), so vergrößert sich B mit 2 cm/Jahr auf Grund der Spreadingzone. Die Subduktionszone wird sich mit 4 cm/Jahr relativ zu A nach Osten verschieben. Taucht B unter A, so bleibt die Subduktionszone relativ zu A stationär, Platte B wird sich verkleinern und schließlich ganz verschwinden. 33 Im nächsten Beispiel (Abb. 2.31) addieren wir eine weitere Platte, Platte C. Während die Relativbewegungen zwischen Platte A und B beibehalten werden sollen wie im letzten Beispiel, soll zwischen A und C eine konvergente Relativbewegung von 6 cm/Jahr herrschen. Aus diesen Vorgaben ist es nun durch Vektoraddition möglich, die Relativbewegung zwischen B und C zu bestimmen: C r r r v B =C v A + A v B (2.13) Platte B wird also mit 10 cm/Jahr unter C subduziert. Die Nettorate der Zerstörung der Platte B beträgt 10 - 2 = 8 cm/Jahr. Am Ende wird B vollständig subduziert sein. Während wir bisher eigentlich auch ohne Vektoraddition ausgekommen wären (alle Plattenbewegungen waren in der gleichen Richtung), benötigen wir Vektoren im nächsten Fall, da eine zusätzliche Nord-Süd-Bewegung angenommen wird. Platten A und B sollen die gleiche Kinematik wie vorher haben. Platte C soll sich nun mit einer Relativgeschwindigkeit von 3 cm/Jahr zu Platte A längs einer Transform-Störung bewegen (Abb. 2.32). Gesucht ist die r Bewegung zwischen B und C. Mit Hilfe von Glg (2.13) ergibt sich C v B (Abb. 2.32d). Als eine Lösung des Problems taucht B schräg unter C mit 5 cm/Jahr ab (Abb. 2.32c). Als alternative Lösung kann C unter B abtauchen. In diesem Fall wird die Plattengrenze von C einen Versatz am jetzigen Triple-Punkt (d.h. dort, wo drei Plattengrenzen aneinander stoßen) bekommen. Platte B wird sich weiter und weiter in Platte C hineinschieben. (Dies wäre ein Beispiel für eine Instabilität eines Tripel-Punktes, s.u.). Rotationsvektoren und -pole. Weiter oben wurde schon das Euler-Theorem erwähnt. Es besagte, dass man eine beliebige Verschiebung einer Platte auf einer Kugeloberfläche durch eine einzige Rotation um eine Rotationsachse beschreiben kann. Um diese Operation auf driftende Platten anwenden zu können, fassen wir den Betrag der Rotationsgeschwindigkeit und die Richtung in r r r einen Rotationsvektor ω = ω k zusammen, wobei k ein Einheitsvektor längs der Rotationsr achse ist, und ω die Winkelgeschwindigkeit der rotierenden Platte ist (Abb. 2.33). Die Vorzeichen sind so definiert, dass die Rotation im Uhrzeigersinn ist, wenn man vom Erdmittelpunkt längs der Rotationsachse blickt. Wie ändert sich die Geschwindigkeit in Abhängigkeit vom Abstand vom Rotationspol? Ist θ der Winkelabstand eines Punktes X auf der Erdoberfläche vom Rotationspol, so kann die Relativgeschwindigkeit zwischen zwei Platten geschrieben werden als (Abb. 2.33c): v = ωR sin θ (2.14) Die relative Geschwindigkeit zwischen zwei Platten ist also 0 an den Rotationspolen und hat ihr Maximum bei θ=90o vom Rotationspol. Läuft zufälligerweise die Plattengrenze zwischen zwei Platten durch den Rotationspol (Abb. 2.33b), so muss die Plattengrenze vom divergenten Typ in einen konvergenten Typ übergehen. Relative gegenwärtige Plattenbewegungen. Zur Bestimmung der gegenwärtigen relativen Winkelgeschwindigkeiten der Platten und ihrer Rotationspole stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Das Wort gegenwärtig bezieht sich auf geologische Zeiten, d.h. auf Geschwindigkeiten, die über Perioden von wenigen Jahren bis wenigen Millionen Jahren gemittelt sind. 1. Rotationspole der relativen Bewegung zweier Platten können aus der Richtung von Transform-Störungen ermittelt werden, die die beide Platten trennen. Die relative Bewegung beider Platten ist parallel zu den Transform-Störungen, und hat eine konstante Geschwindigkeit 34 Abb. 2.33 längs der Verwerfungen. Die TransformStörungen liegen auf Kleinkreisen, die um den Rotationspol zentriert sind (Abb.2.34). Der Rotationspol muss daher auf einem Großkreis liegen, der senkrecht auf den Transform-Störungen steht. Falls man also mehr als eine TransformStörung zwischen zwei Platten lokalisiert hat, dann kann man den Rotationspol aus den Schnittpunkten dieser Großkreise ermitteln. Hat man eine Anzahl solcher Schnittpunkte zur Verfügung, dann erhält man auf Grund der Streuung eine Abschätzung der Genauigkeit der Polbestimmung. Während Transform-Störungen, die Segmente destruktiver Plattenränder verbinden, nur schwer zu lokalisieren sind, sind solche an mittelozeanische Rücken auffällig und werden häufig zur Polbestimmung gebraucht. 2. Wie Gleichung (2.14) zeigt, variiert die Spreading Geschwindigkeit längs mittelozeanischer Rücken. Man kann die Spreading-Geschwindigkeiten mit Hilfe magnetischer Anomalien bestimmen und aus ihrer Variation die Winkelgeschwindigkeit und Richtung der Rotationsvektoren bestimmen. 3. Erdbeben-Herdflächenlösungen können Aufschluss über die räumliche Lage von Bruchflächen und der Relativbewegung an diesen Flächen geben. Finden solche Beben an Plattengrenzen statt (auf die bei weitem größte Anzahl der Beben trifft das zu), so kann man aus ihnen die großräumige Relativbewegung zwischen den Platten ermitteln. Am aussagekräftigsten sind hierzu die Blatt-Verschiebungsbeben, die an Transform-Störungen stattfinden. 4. Falls Plattengrenzen auf der Landoberfläche verlaufen, dann können Oberflächenstrukturen kartiert und vermessen werden, die durch die Relativbewegung beeinflusst wurden (Versätze in Flussbetten, Kanälen, Straßen etc). 5. Die Genauigkeit der direkten Vermessung von zwei weit auseinanderliegenden Punkten auf der Erdoberfläche ist in der letzten Zeit so gesteigert worden, dass Plattengeschwindigkeiten erstmals direkt ermittelt wurden. Mit Hilfe von Satelliten können durch Laser-Ranging und GPSMessungen (Global Positioning Satellites) die Lage von Messpunkten cm bis mm-genau 35 Abb. 2.24 bestimmt werden. Wiederholungsmessungen über Jahre hinweg erlauben die Bestimmung von Abstandsänderungen zwischen zwei Punkten auf verschiedenen Platten. Weiterhin wird eine als VLBI (Very Long Baseline Interferometry) bekannte Methode zur Abstandsmessung entfernter Abb. 2.35 Punkte benutzt. Hierbei werden Radiosignale entfernter Quasare durch Radioteleskope an verschiedenen Orten empfangen. Aus der Interferenz dieser Signale ermittelt man dann die relative Lage der Orte zueinander. Abb. 2.35 zeigt die Übereinstimmung der Daten aus VLBI Abb. 2.36 Messungen mit geologisch bestimmten Daten für die San Andreas Verwerfung. Abb. 2.36 zeigt als Beispiel die Abstandsänderung zwischen Hawaii und Fairbanks während 2.5 Jahre durch GPS Messungen. 36 Tabelle von Larson et al., 1997: GPS Global Plate motions, J. Geophys. Res., 102, 9961 - 9981 Aus einer Vielzahl von solchen Daten wurden die gegenwärtigen Positionen der Rotationspole und die Winkelgeschwindigkeiten für eine Anzahl von Plattenpaaren ermittelt (Tabelle). So stellt NUVEL1A ein Modell aus Daten der Punkte 1-4 dar (277 Schätzungen der Spreadingraten, 121 Bestimmungen aus ozeanischen TransformStörungen, 727 Erdbeben-Versatzvektoren), während Larson et al. GPS Daten eines globalen Netzes benutzten. Bestimmung der relativen Bewegung an einer Plattengrenze. Ist nun der Rotationsvektor für ein bestimmtes Plattenpaar bekannt, so kann man mit Hilfe sphärischer Trigonometrie die Relativbewegung der einen Platte relativ zur anderen an einem beliebigen Punkt an der Plattengrenze (oder auch sonst wo) bestimmen. Hierzu betrachten wir wieder ein sphärisches Dreieck (Abb. 2.37), in dem N der geographischen Nordpol, P der Rotationspol eines Plattenpaares, und X ein Punkt auf dem Plattenrand sei (es besteht hier eigentlich keine Einschränkung für X, X könnte auch ein beliebiger 37 Punkt sonst wo sein, an dem die Relativbewegung einer Platte zu einer anderen bestimmt werden soll). Die benutzten Größen seien in der Tabelle unten zusammengefasst. Symbol Bedeutung λp λx φp φx r v v β Breite des Rotationspols Breite des Punktes X Länge des Rotationspols Länge des Punktes X Geschwindigkeit bei X r Betrag von v Azimut der Geschwindigkeit gegenüber N Erdradius Winkelgeschwindigkeit um den Pol P R ω Vorzeichen o N positiv S negativ o E positiv o W negativ o positiv im Uhrzeigersinn A, B, D seien die Winkel in dem abgebildeten sphärischen Dreieck, a,b,d die Bogenlängen in Grad der gegenüberliegenden Seiten. Zur Bestimmung der Geschwindigkeit am Punkt P benötigen wir den Betrag der Geschwindigkeit unter Benutzung von Gleichung r (2.14) und die Richtung, d.h. den Azimut β von v bezüglich Nord. Gesucht sind also: 90 - λP N A d 90 - λx D X v = ωR sin a (2.15) a r v β = 90° + D Es ist also die Bestimmung der Größen a und D erforderlich. Zur Bestimmung dieser Größen benutzen wir wieder den Cosinus- und Sinussatz der sphärischen Trigonometrie: Abb. 2.37 cos a = cos b cos d + sin b sin d cos A ( 2.16) während die Sinus-Formel lautet: sin a sin d = sin A sin D (2.16a ) Wir ersetzen b = 90° − λ x , d = 90° − λ p , A = φ p − φx (2.17) im Cosinus- und Sinussatz und erhalten unter Berücksichtigung von sin(90-x) = cos x, cos(90-x) = sin x: P 38 casa = sin λ x sin λ p + cos λ x cos λ p cos(φ p − φ x ) sin D = (2.18) cos λ p sin(φ p − φ x ) sin a Mit Hilfe dieser Formeln ist es also möglich, bei gegebenem Rotationsvektor (z.B. aus der angegebenen Tabelle) an einem beliebigen Punkt der Grenze zwischen zwei Platten oder im Innern der Platte die Geschwindigkeit der einen Platte bezüglich der anderen anzugeben. Es ist lediglich die Zweideutigkeit der inversen Sinus und Cosinus Funktionen zu berücksichtigen (am einfachsten an einem Globus überprüfen). Addition von Rotationsvektoren. Angenommen, man hat drei Platten A, B, C auf einer r Kugeloberfläche, und man kennt den Rotationsvektor von A bzgl. B, B ω A, sowie den von B r bzgl. C, C ω B. Die Bewegung von A bzgl. C kann nun einfach ermittelt werden durch Vektoraddition, genau wie bei der flachen Erde, C r r r ω A =C ω B + B ω A (2.19) (der erste Index bezeichnet immer die festgehaltene Referenz-Platte). Da jeweils ein Vektor als negative Summe der anderen beiden Vektoren darstellbar ist, müssen alle drei Vektoren auf einem Großkreis liegen. Es sei bemerkt, dass Gleichung (2.19) sowie auch (2.15) immer nur die gegenwärtigen oder instantanen Rotationsbewegungen beschreiben. Sie können daher nur für infinitesimale Verschiebungen der Platten genommen werden (infinitesimal im Sinne geologischer Zeiten). Bei endlichen Verschiebungen muss die zeitabhängige Änderung der Rotationspole mit berücksichtigt werden. Tripelpunkte Ein Tripelpunkt (triple junction) ist der Ort, an dem drei Plattenränder aneinander stoßen. Da es drei verschiedene Typen von Plattenrändern (spreading-Zonen oder "ridges" R, Subduktionszonen oder "trenches" T und Transformverwerfungen oder "faults" F) gibt, von denen die Subduktionszone asymmetrisch ist, sind theoretisch 16 prinzipiell unterschiedliche Tripelpunkte auf der Erde möglich. Diese werden dann mit Buchstabenkombinationen wie RRR, FFT, ... bezeichnet. Eine Reihe von ihnen ist auch tatsächlich auf der Erde realisiert und beeinflusst die Tektonik an der Oberfläche in charakteristischer Weise. Daher ist eine systematische Betrachtung des kinematischen Verhaltens von Tripelpunkten wichtig. Man unterscheidet zwischen stabilen und instabilen Tripelpunkten: Ein Tripelpunkt ist stabil, wenn die Plattenbewegungen der drei angrenzenden Platten sowie das Azimut ihrer Plattengrenzen so sind, dass sich die Konfiguration des Tripelpunktes mit der Zeit nicht ändert. Die Abbildung 2.38 zeigt als Beispiel den Tripelpunkt zwischen einer Spreadingzone, einer Transform-Verwerfung, und einer Subduktionszone. Der Tripelpunkt bewegt sich zwar relativ zu jeder einzelnen Platte, legt man jedoch das Bezugssystem in den Tripelpunkt selbst, so bleibt er ortsfest und ändert nicht seine Konfiguration. Der Plattenrand der Platte C ändert lokal seine Natur, wenn der Tripelpunkt an ihm entlangläuft. Abb. 2.38 Ein Tripelpunkt ist instabil, wenn er seine 39 Konfiguration ändert. Ein instabiler Tripelpunkt existiert daher nur einen kurzen Augenblick, und entwickelt sich dann zu einer anderen Geometrie. Falls vier Platten an einem Punkt zusammentreffen, so ist dieser Quadrupelpunkt immer instabil, und es bilden sich zwei oder mehr Tripelpunkte. Als Beispiel eines instabilen Tripelpunktes zeigt Abb. 2.39 das Zusammentreffen dreier Subduktionszonen (TTT-Tripelpunkt). Platte B taucht unter Platte A und C ab, Platte C taucht unter A ab. Die zeitliche Entwicklung dieses Tripelpunktes ist in Abb. 2.39 c dargestellt. Wählen wir als Bezugssystem die Platte A, so lässt sich die Position der anderen Platten nach einer kurzen Zeit angeben für den Fall, dass sie nicht subduziert worden wären (gestrichelte Linien). Da A selbst nicht überschoben wurde, ist der Plattenrand von A konstant geblieben. Die Subduktionszone zwischen B und Abb. 2.39 C, die ja an der Platte C fixiert ist, ist dagegen nach Norden gewandert, entlang dem Nord-Süd-Rand der Platte A. Offensichtlich hat sich die Konfiguration des Tripelpunktes geändert, er war instabil. Der neue Tripelpunkt dagegen ist stabil, seine Konfiguration ändert sich nun nicht mehr. Bezüglich der Platte A wandert er nach Norden. Ein Beobachter auf Platte A bei X wird eine plötzliche Änderung der Subduktionsgeschwindigkeit und -richtung beobachten. Bei dem betrachteten Tripelpunkt gibt es zwei mögliche Spezialfälle, unter denen er stabil ist. r Einmal kann A v C Ost-West gerichtet sein. Dadurch würde die Subduktionszone zwischen B und C nicht nach Norden wandern, sondern ortsfest bezüglich A bleiben. Als weitere Möglichkeit könnte die Plattengrenze AB ko-linear mit der Grenze AC sein. Dies wäre dann genau die in Abb. 2.39 gezeigte spätere Konfiguration. Es gibt eine systematische Methode, die Stabilität oder Instabilität eines Tripelpunktes zu ermitteln. Hierzu betrachtet man wieder ein Geschwindigkeitsdreieck (Abb. 2.39d), in dem jeder Eckpunkt durch die Platte gekennzeichnet ist, relativ zu der der Geschwindigkeitsvektor genommen ist. Falls der Tripelpunkt stabil ist, muss es in dem Geschwindigkeitsdiagramm (repräsentiert durch das Dreieck A B C) einen Punkt geben, der den sich relativ zu den Platten bewegenden Tripelpunkt repräsentiert. Dieser Punkt muss gleichzeitig auf allen drei Rändern liegen, und kann sich jeweils nur längs eines jeden Randes bewegen. Nehmen wir hierzu den Plattenrand zwischen den Platten A und B. Sämtliche möglichen Bewegungen längs dieses Plattenrandes müssen Nord-Süd verlaufen und durch den Punkt A des Dreiecks gehen (da der Rand an der Platte A fixiert ist, und sich die Geometrie des Plattenrandes nicht ändern soll). Die gestrichelte Gerade ab stellt den Ort aller solchen Geschwindigkeiten dar. Bewegt sich der 40 Tripelpunkt längs des Randes zwischen Platte A und C, so muss diese Geschwindigkeit auf der Gerade ac liegen, die ebenfalls an der Platte A festgepinnt ist und parallel zum Streichen des Plattenrandes AC verläuft. Eine Bewegung des Tripelpunktes längs des Plattenrandes zwischen B und C schließlich müsste auf der Geraden bc liegen. Diese läuft durch den Punkt C, da der Plattenrand fest mit der sich überschiebenden Platte C verbunden ist. Da ein stabiler Tripelpunkt sich gleichzeitig nur längs aller drei Plattenränder bewegen kann, müssen die zugehörigen Geschwindigkeitsgeraden (gestrichelte Geraden) sich in einem Punkt treffen. Dies ist die Bedingung eines stabilen Tripelpunktes. Falls sie es nicht tun, ist der Tripelpunkt instabil, wie in dem hier gezeigten Beispiel. Man erkennt nun auch sofort, dass die Stabilitätsbedingung genau dann erfüllt ist, wenn entweder die AC-Seite des Geschwindigkeitsdreiecks parallel zur bc-Gerade (d.h. der Plattengrenze zwischen B und C) verläuft, oder die ac-Gerade kolinear mit der ab-Geraden verläuft. Nach diesen Betrachtungen ist also klar, dass die Stabilität eines Tripelpunktes einfach ermittelt werden kann, indem man die Geschwindigkeitsvektoren zu einem Dreieck verbindet, und die Azimute der drei Plattenränder einzeichnet. Abb. 2.40 zeigt die Stabilität eines Tripelpunktes zwischen zwei Transformverwerfungen und einer Spreadingzone (FFR-Tripelpunkt). In diesem Fall muss die Gerade ab senkrecht auf dem Ger schwindigkeitsvektor B v A stehen, da Spreading senkrecht zur ozeanischen Schwelle angenommen wird. Außerdem wird symmetrisches Spreading angenommen, daher halbiert ab die AB-Seite. Da die Bewegungsrichtungen bei Transformverwerfungen Abb. 2.40 parallel zur Verwerfungslinie selbst liegen, liegen auch die bc, ac Geraden auf den entsprechenden Seiten des Geschwindigkeitsdreiecks. Man erkennt, dass ein solcher Tripelpunkt nur dann stabil ist, falls ab durch C verläuft, die beiden Transformverwerfungen also identische Versatzraten haben und symmetrisch zur Spreadingzone liegen. Alternativ müssen ac, bc ko-linear sein. Abb. 2.41 zeigt eine Zusammenstellung aller möglichen Tripelpunkte, die zugehörigen Geschwindigkeitsdreiecke, Aussagen über die Stabilität, sowie natürliche Beispiele. Ein natürliches Beispiel für einen instabilen Tripelpunkt stellt möglicherweise die "Mendocino triple junction" an der nordamerikanischen Westküste dar. In Abb. 2.42 ist zunächst die Evolution der ostpazifischen Platten und der amerikanischen Westküste dargestellt. Vor ungefähr 80 bis 55 Ma gab es in diesem Raum vier Platten: die nordamerikanische, die Kula-, die Farallon-, und die pazifische Platte. Hiervon wurden die Kula-Platte im Norden und die Farallon Platte weiter südlich unter die amerikanische Platte subduziert. Die Kula Platte ist heute vollständig verschluckt, auf ihre frühere Existenz deuten jedoch heute noch magnetische Streifenmuster im nördlichen Teil der pazifischen Platte hin. Vor 55 Ma brach der nördliche Teil der Farallon Platte 41 Abb. 2.41 ab und bildete die Vancover Platte. Die heutige Juan de Fuca Platte ist der Rest dieses Teils der ehemaligen Farallon Platte. Vor 30 Ma erreichte die Spreadingzone die amerikanische Küste. Es endete dort die Subduktion, da jetzt die pazifische und die amerikanische Platte aneinander stießen und ihre Relativbewegung parallel zu ihrer gemeinsamen Grenze verlief. Dies war der Punkt, an dem die San Andreas Verwerfung und die Mendocino triple junction geboren wurden. Fortschreitende Verschluckung der südlichen Farallon Platte (erst Guadalupe, und heute CocosPlatte genannt) unter Nordamerika führte zu einer Verlängerung der San Andreas Verwerfung. Zwischen 9 und 5 Ma änderte sich schließlich noch die Spreading-Richtung an der Juan de Fuca Schwelle um 20o. Das Resultat dieser plattentektonischen Evolution ist die heutige Konfiguration (Abb. 2.43). 42 Abb. 2.42 In dieser Konfiguration stellt der Mendocino Tripelpunkt einen FFT-Tripelpunkt dar. Falls nun die Subduktionszone der Juan de Fuca Platte (der Cascade Gebirgsbogen) ko-linear mit der San Andreas Verwerfung verlaufen würde, wäre dieser Tripelpunkt stabil (siehe z.B. Abb. 2.43 Abb. 2.41 oder 2.44a,b). Dies ist jedoch zumindest heute nicht der Fall, der Tripelpunkt ist, und war möglicherweise auch vorher, instabil. In der heutigen Konfiguration fallen die Geraden fp, fa, pa nicht in einem Punkt zusammen (Abb. 2.44c,d). Die mögliche Evolution eines solchen instabilen Tripelpunktes ist in Abb. 2.44e oder f gezeigt. Durch das NW-Driften der pazifischen Platte relativ zu amerikanischen Platte würde am Tripelpunkt ein Plattendefizit oder Loch entstehen (unter der Annahme vollständig starrer Platten). Ein solches Loch würde durch aufsteigendes Mantelmaterial von unten und durch Sedimente von oben verfüllt. Hierdurch würde sich eine neue sogenannte Mikroplatte bilden. Alternativ kann man annehmen, dass die kontinentale amerikanische Platte deformierbar ist. Das mit der Instabilität verbundene Massendefizit würde dann durch Dehnung der amerikanischen Platte im Hinterland der Subduktions- und Abb. 2.44 43 Verwerfungszone sowie durch Rotation der Subduktionszone ausgeglichen. Tatsächlich deuten tektonische Daten in diesem Bereich auf eine Dehnung der amerikanischen Platte hin, die vor 30 Ma begonnen hat (zu diesem Zeitpunkt wurde die Mendocino triple junction gebildet). Weiterhin ist die rekonstruierte sprunghafte Verlagerung der San Andreas Verwerfung nach Osten konsistent mit einem solchen Modell (früher gehörten Küstenteile Kaliforniens noch zur amerikanischen Platten, heute dagegen zur pazifischen). Absolute Plattenbewegungen Bisher wurden die Plattenbewegungen nur relativ zueinander betrachtet. Absolute Plattenbewegungen beziehen sich dagegen auf ein absolutes Bezugssystem. Die Festlegung eines solchen Bezugssystems in einer sich während langer Zeiträume dynamisch verändernden Erde ist nicht trivial. Eine Möglichkeit zur Bestimmung absoluter Plattenbewegungen beruht auf der Annahme, dass sich die Platten sehr viel schneller bewegen als Strömungen im Erdmantel. Der Erdmantel kann dann als starr relativ zu den sich bewegenden Platten betrachtet werden, und das Bezugssystem wird dann im Mantel verankert. Innerhalb dieses Konzeptes lässt sich die Relativbewegung der Platten zum Mantel durch die sogenannten Hot spots bestimmen. Man spricht daher auch vom Hot spot - Bezugssystem. Was sind Hot spots? Hot spots. Während der größte Teil des Vulkanismus auf der Erde an mittelozeanischen Rücken und längs Vulkanketten hinter Subduktionszonen auftritt, gibt es einige isolierte Vulkanketten in Ozeanen und, schwächer ausgeprägt, in Kontinenten, die mit keiner Plattengrenze in Verbindung gebracht werden können. Diese sogenannten "Intraplattenvulkane" (intraplate volcanoes) weisen einen anderen Chemismus auf als mittelozeanischer oder Subduktions-Vulkanismus (die Quellregion dieser Basalte ist weniger stark verarmt als die Quellregion der mittelozeanischen Rücken). Der Ursprung dieser Basalte ist unklar. Möglicherweise könnten diese Basalte aus dem unteren Mantel stammen. Nach einer anderen Idee könnte das Muttergestein zu diesen Basalten subkontinentales Lithosphärenmaterial sein, das bei SubduktionsAbb. 2.45: Linear chains in the Pacific Ocean on a Meroder Kollisionsprozessen in den cator projection. The chains young to the east Mantel gelangt ist. Außerdem wird die Möglichkeit diskutiert, dass es sich bei den Schmelzen zumindest teilweise um ehemals subduzierte ozeanische Kruste handelt. Diese Intraplattenvulkane treten in Form von Ketten auf, an deren einem Ende jeweils ein aktiver Vulkan sitzt, während das Alter der übrigen Vulkane längs der Kette zunimmt. Die Kette beschreiben allgemein Kleinkreise auf der Erdoberfläche. Siehe hierzu Abb. 2.45. 44 Diese Charakteristika sind konsistent mit der Vorstellung einer im Mantel oder an der KernMantel-Grenze fixierten Quelle, von der mehr oder weniger gleichmäßig heißes Mantelmaterial aufsteigt. Dieser sogenannte aufsteigende Mantelplume hinterlässt in der über ihn hinwegdriftenden Platte eine "Brennspur", an deren Ende der gerade aktive Hot spot sitzt. Der am besten ausgeprägte Hot spot ist die Vulkaninsel Hawaii mit dem sich anschließenden Emperor-Hawaii-Rücken. Das Basaltalter nimmt nach Nord-Westen hin zu, beträgt an dem Knickpunkt 43 Ma und erreicht nahe der Kamchatka Halbinsel 78 Ma. Die einfachste Abb. 2.46: World wide distribution of hotspots (redrawn from Wilson, Erklärung für den Knickpunkt (und die 1973) ähnlichen Knickpunkte der anderen Intraplattenvulkanketten im Pazifik) ist eine Änderung der Driftrichtung der pazifischen Platte vor 43 Ma. Die Anzahl der aktiven Hot spots schwankt je nach Autor zwischen Morgan's originaler Liste von 19 Stück bis zu 117 weltweit. Abb. 2.46 zeigt die Lokationen der wichtigsten Hot spots. Unter der Annahme, dass die Quelle der Hot spots fest in einem ruhenden Mantel verankert sind, kann man aus der Altersverteilung der Spuren absolute Plattengeschwindigkeiten ermitteln. Vergleicht man solche Geschwindigkeitsbestimmungen mit den Relativgeschwindigkeiten der Platten untereinander, ermittelt aus magnetischen Streifenmustern, so kann man die ursprüngliche Annahme eines ruhenden Mantels testen. Tatsächlich stellt sich heraus, dass die Hot spots ebenfalls Relativbewegungen zueinander ausführen, die einige mm/Jahr betragen. Einer neueren Analyse zufolge (die allerdings noch etwas umstritten ist) betragen Relativbewegungen der Hot spots sogar 1 bis 2 cm/Jahr, gemittelt über die letzten 50 Ma. Trotzdem sollten die "Absolutgeschwindigkeiten" im "Hot spot-Bezugssystem" einen ersten Anhaltspunkt über wahre Geschwindigkeiten geben (Abb. 2.47, dünne Pfeile, sowie Tabelle). Danach bewegen sich die eurasische und afrikanische Platte langsam nach SW, die amerikanischen Platten bewegen sich mäßig schnell nach W, während die pazifischen und die nordindische Platte (inklusive Indien) hohe Geschwindigkeiten aufweisen. Ein alternatives Bezugssystem stellt das "No net rotation" System dar (NNR). Hierbei wird das Bezugssystem gewählt, in dem die Summe aller Plattenrotationen Null ergibt. In diesem System hat die eurasische Platte eine mäßige Geschwindigkeit nach NO. Es besteht allerdings kein physikalischer Grund, nach dem die Nettorotation aller Platten Null sein sollte, bei lateralen Viskositätsvariationen im Erdmantel und aufgrund der Anwesenheit von Transform-Störungen ist sogar mit einer nicht verschwindenden Nettorotation zu rechnen. Abb. 2.48 und 2.49 zeigt schließlich die gegenwärtigen absoluten Plattengeschwindigkeiten bestimmt aus GPS-Messungen, sowie den Vergleich mit den NUVEL1-Geschwindigkeiten im Hotspot-Referenzsystem. Noch ist nicht vollständig geklärt, ob die Unterschiede real sind, also den Unterschied zwischen geologisch rezenten Plattengeschwindigkeiten (auf der Ma-Zeitskala) 45 und instantanen Geschwindigkeiten (auf der 5 Jahresskala) darstellen, oder auf MessUngenauigkeiten beruhen. 46