Abb. 2.17 Magnetfeldumkehrungen Eines der ersten Ergebnisse

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Magnetfeldumkehrungen
Eines
der
ersten
Ergebnisse
paläomagnetischer Untersuchungen von
Gesteinen waren Magnetfeldumkehrungen.
Bestimmungen
der
Magnetisierungsrichtungen von Gesteinen
unterschiedlichen Alters der gleichen
Lokalität
weisen
unregelmäßige
Umkehrungen
der
Polarisierungsrichtungen auf. Zu gewissen
Zeiten befand sich der magnetische
Nordpol, zu anderen der magnetische
Südpol am geographischen Nordpol. Abb.
2.17 zeigt eine Reihe von Polaritätsmessungen und die dazugehörigen
Epochen. Man unterscheidet zwischen
Epochen, die größenordnungsmäßig eine
Mio. Jahre dauern, und kurzzeitigen
Umpolungen. In den letzten 730000 Jahren
fand keine Umpolung mehr statt, die
jetzige Epoche wird als normal orientiert
bezeichnet und Brunhes Epoche genannt.
Die Zeitskala in Abb. 2.17 beruht auf
radiometrischen Bestimmungen (K-Ar)
Marine Magnet-Anomalien und Sea Floor
Spreading
Mit Magnetometern kann man die Stärke
des Magnetfeldes auf der Erdoberfläche
messen. Räumliche Variationen des
Magnetfeldes
werden
magnetische
Anomalien genannt.
In ozeanischen Regionen werden
magnetische Anomalien gemessen, indem
ein Magnetometer ins Schlepptau eines
fahrenden Schiffes genommen wird. Das
totale Intensität des Magnetfeldes wird
gemessen und das globale Magnetfeld wird
subtrahiert (z.B. IGRF 1980). Es
resultieren dann magnetische Anomalien,
die bei ihrer Entdeckung Anfang der
sechziger Jahre große Überraschung
hervorriefen. Abb. 2.18 zeigt eine Karte
solcher Anomalien (positive Anomalien
sind schwarz, negative sind weiß) für den
östlichen Pazifik. Das Magnetfeld weist
lineare
Strukturen
alternierender
Anomalien auf. Solche Magnetstreifen
sind typisch für alle Ozeanregionen. Die
Abb. 2.17
24
Streifung ist symmetrisch
bezüglich des Ozeanrückens,
die
Streifen
sind
an
Transformverwerfungen versetzt, sie sind typischerweise
einige Zehnerkilometer breit,
und haben Amplituden von
±500 nT, entsprechend etwa
1% des Erdmagnetfeldes.
Der Ursprung wurde 1963
von F.J. Vine und D.H.
Matthews und unabhängig
davon von L.W. Morley zuerst
verstanden. Sie verknüpften die
neue Theorie des sea floor
spreadings von Hess mit der
ebenfalls neuen Erkenntnis der
Magnetfeldumkehrungen.
Danach wird Ozeanboden an
Abb. 2.18a
mittelozeanischen
Rücken durch Basalt
Extrusionen
und
Intrusionen
permanent neu gebildet, der sich dann
symmetrisch
vom
Rücken entfernt. Je
nach Polarität des
gerade herrschenden
Erdmagnetfeldes wird
dem Basalt beim
Unterschreiten
der
Curietemperatur eine remanente Magnetisierung aufgeprägt. Entweder addiert sich diese dann
zum heutigen Magnetfeld (--> positive Anomalien) oder sie subtrahiert sich von ihm (--> negative Anomalien). Man kann diesen Magnetisierungsprozess
auffassen als das Einspielen des zeitabhängigen
Erdmagnetfeldes auf ein großes Magnetband. Die
Symmetrie der Magnetisierungen lässt sich demonstrieren,
indem man ein Profil der Anomalien senkrecht zur mittelozeanischen Achse nimmt und mit dem an der Achse gespiegelten Profil vergleicht. (Abb. 2.19). Die Breite der
magnetischen Streifen hängt einmal von der Dauer der
gerade
herrschenden
Polarisierungsrichtungen
des
Erdfeldes, und zum anderen von der SpreadingGeschwindigkeit ab. Um das Muster der magnetischen
Anomalien zu dekodieren, muss man entweder die Zeitskala
der Polarisierungsrichtungen des Erdfeldes, oder die
Spreadingrate kennen.
Abb. 2.18b
25
Abweichungen
vom
idealen Streifenmuster
In Wirklichkeit sieht
die Geometrie der
unterschiedlich magnetisierten Streifen nicht
so einfach aus, wie in
dem Blockmodell von
Abb. 2.20b gezeigt.
Lava
wird
nicht
kontinuierlich an der
Rückenachse
produziert,
sondern
extrudiert
statistisch
verteilt in Raum und
Zeit innerhalb einer
"Platznahmezone"
(emplacement
zone)
endlicher Breite, die an
der
Rückenachse
zentriert ist. Dies führt
zu Überlappungen von
Lavaströmen
Abb. 2.20
26
unterschiedlicher Polarisierung. Abb. 2.21 zeigt
als Beispiel, wie Zonen unterschiedlicher
Magnetisierung verteilt sein könnten, falls Lavaströme von durchschnittlich 1 km Ausdehnung
zufallsmäßig innerhalb der emplacement-Zone
verteilt werden. (Die Gesamtdicke der extrusiven
Schicht ist um den Faktor 2 erhöht). In den Profilen i, ii, iii beträgt die Breite der emplacementZone 10 km, es kommt daher zu komplexen
Verteilungen. Ist die emplacement-Zone schmaler (Profil iv), dann sind die Überlappungen
Abb. 2.21
geringer. Einen ähnlichen Effekt hat eine
größere spreading-Geschwindigkeit oder längere
Perioden gleicher Erdfeld-Polarität. Nur eine
unendlich schmale emplacement-Zone würde
auf das Blockmodell (Profil v) führen. Eine 10
km breite emplacement-Zone scheint für den
Atlantik zuzutreffen, und erklärt die dort
beobachteten
Unregelmäßigkeiten
der
magnetischen Streifen. Der ost-pazifische
Rücken
weist
ein
weniger
gestörtes
Streifenmuster auf, was einmal mit einer
geringe4ren Breite der emplacement-Zone
erklärbar ist, zum größeren Teil jedoch durch die höhere spreading-Geschwindigkeit hervorgerufen ist.
Trotz dieser Komplikationen geht man im Allgemeinen vom Blockmodell aus, d.h., bei der
Modellierung von magnetischen Anomalien nimmt man rechteckige Blöcke mit konstanter
Magnetisierung an. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass durch die Vektornatur der
Magnetisierung und des heutigen Feldes Komplikationen auftreten. Je nach magnetischer Breite
und Orientierung des ozeanischen Rückens wird bei der Bildung des Ozeanbodens das Gestein
in eine bestimmte Richtung magnetisiert. Nach Verschiebung längs der Erdoberfläche überlagert
sich durch diese Magnetisierung hervorgerufene Feld mit dem heutigen Feld. Was wir heute
messen ist die vektorielle Summe beider Felder. Als Anomalie bestimmt man dann den Betrag
dieser Vektorsumme minus den Betrag des Referenzfeldes. Hier kurz drei Möglichkeiten für
solche Anomalien (wir nehmen jeweils an, dass ein unendlich langer horizontal liegender Block
längs des mittelozeanischen Rückens geformt wird):
- Angenommen, der Ozeanboden wurde an einem nord-süd verlaufenden Rücken am
magnetischen Äquator gebildet. In diesem Fall verliefen die Magnetfeldlinien bei der
Magnetisierung horizontal im Innern des Blockes. Sie erzeugen nur die My-Komponente
der Magnetisierung (Abb. 2.21). Die resultierenden Feldlinien treten nicht (d.h. erst im
Unendlichen) aus dem Block aus, führen also zu einer verschwindenden Anomalie
außerhalb des Blockes.
- Wurde der Ozeanboden südlich des magnetischen Äquators an einem nord-süd verlaufenden
Rücken gebildet, so hat die Magnetisierung eine Horizontal- und Vertikalkomponente
(My und Mz). My ruft keinerlei äußeres Magnetfeld hervor (s.o.), Mz kann zu einem Feld
führen, das eine positiven Anomalie hervorruft, wenn sich der Block heute noch auf der
Südhalbkugel befindet. Ist er dagegen nach Norden verschoben worden, so kann Mz zu
einer negativen Anomalie führen. Wegen Mx=0 existiert keine Ost-West Komponente
(solange der Block nicht rotiert wird), der Block wird also eine symmetrische Anomalie
hervorrufen. Siehe hierzu Abb. 2.22.
27
-
Abb. 2.23
Wurde der Block dagegen an einem nicht nord-süd
verlaufenden Rücken gebildet, dann hat er eine horizontale
Magnetisierungskomponente Mx. In diesem Fall ist die
Überlagerung mit dem heutigen Magnetfeld komplex und
führt im allgemeinen zu einer asymmetrischen Anomalie.
Siehe Abb. 2.23.
Spreading-Geschwindigkeiten, Alter des Ozeanbodens. Falls die Zeiten der Feldumkehrungen
aus unabhängiger Quelle bekannt sind (z.B. aus radiometrischen Datierungen wie die in Abb.
2.17), dann kann man die magnetischen Anomalien des Ozeanbodens benutzen, um die
Abb. 2.24
28
Spreading-Geschwindigkeiten zu bestimmen. Abb. 2.24a zeigt als Beispiel die von der
Entfernung von der Rückenachse abhängige Magnetanomalien des ost-pazifischen Rückens.
Korreliert man die einzelnen Polaritäten mit denen der Polumkehrungen aus Abb. 2.17, und
plottet die Entfernung der Anomalien von der Rückenachse gegen die Zeitpunkte der Umkehrungen, so fallen die Punkte auf eine Gerade (Abb. 2.24c). Die Steigung der Geraden ergibt die
Spreading-Geschwindigkeit des Rückens (genaugenommen nur die halbe, da spreading in beide
Richtungen stattfindet).
Aus Abb. 2.24 wird deutlich, dass zumindest in den letzten 4 Mio. Jahren die spreading
Geschwindigkeit konstant geblieben ist. Unter der Annahme, dass die SpreadingGeschwindigkeit des Süd-Atlantiks in den letzten 80 Ma konstant geblieben war, konstruierte
man 1968 die erste geomagnetische Zeitskala. Abb. 2.25 (oben) zeigt die Polaritätssequenzen,
das zugehörige theoretische Magnetisierungsprofil,
und die beobachteten magnetischen Anomalien
zusammen mit der Zeitskala. Die Anomalien lassen
sich mit Anomalien aus dem Pazifik korrelieren.
Hierbei sieht man, dass 1) der Pazifik höhere
Spreading-Geschwindigkeiten aufweist, und b) dass
die Spreadingrate nicht konstant war (unter
Annahme einer konstanten südatlantischen Rate).
Die Konstanz der Spreadingrate im Südatlantik
konnte mit Hilfe von Bohrungen des Forschungsschiffes Glomar Challenger verifiziert
Abb. 2.25
29
Abb. 2.26
werden. Hierbei wurden Bohrkerne gezogen, die die
Sedimentschicht und die oberste Basaltschicht des
Ozeanbodens durchstoßen haben. Eine radiometrische
Altersbestimmung der Basalte war auf Grund chemischer
Veränderungen der Basalte nicht möglich. Dagegen konnte
das höchste Alter der Sedimente eines jeden Bohrkerns durch die darin vorkommenden Fossilien
ermittelt werden. Plottet man dieses Alter gegen den Abstand vom Rücken, so erhält man
wiederum eine Gerade, die in spektakulärer Weise das Sea-Floor-Spreading bestätigte (Abb.
2.26).
Seit den sechziger Jahren wurde die geomagnetische Zeitskalen vielfach verbessert und
modifiziert. Abb. 2.27 zeigt eine moderne Zeitskala bis zurück in die Jurazeit. Die
Polarisierungsperioden sind ziemlich unregelmäßig, was ihre weltweite Korrelation erleichtert.
Die
wichtigsten
magnetischen
Episoden bis 80 Ma
werden als Anomalie
1 bis 34 bezeichnet.
In der Kreidezeit fällt
eine lange Periode
normaler
Abb. 2.27
30
Polarisierung auf, in der keine Feldumkehrungen stattgefunden haben. Die Anomalien davor
(nun bezeichnet man negative Störungen als Anomalien) werden von M0 bis M27 durchgezählt
(M für Mesozoisch).
Mit Hilfe solcher geomagnetischer Zeitskalen und gemessenen Anomalien ist der gesamte
Ozeanboden kartiert worden und eine Alterskarte hergestellt worden (Abb. 2.28). Man erkennt,
dass es keinen Ozeanboden gibt, der älter als vielleicht 160 Ma ist. Offensichtlich wird alter
Ozeanboden so kalt und daher dicht, dass er instabil wird und in Form von Subduktion in den
31
Mantel abtaucht. Man erkennt an der Breite der Altersstreifen, dass die Spreadingraten sehr
unterschiedlich sein können. An einigen Stellen (Pazifik, Nord-Atlantik) erkennt man, dass
Spreading unregelmäßig verlaufen sein muss und dass der Rücken gesprungen sein muss.
2.4 Plattentektonik: Geometrischer Ansatz
In diesem Kapitel sollen die Grundlagen besprochen werden, mit denen es möglich ist, die
Relativbewegungen von Platten zueinander zu beschreiben.
Abb. 2.29
Platten auf einer flachen Erde.
Es ist instruktiv, die Kinematik von mehreren Platten mit
unterschiedlichen Typen von Rändern (Spreading Zone,
Transform Verwerfung, Subduktionszone) auf einer flachen
Erde zu betrachten. Betrachten wir zunächst die drei
Plattenränder separat. In Abb. 2.29a,c,e wird die Platte A von
der Platte B durch eine Spreading Zone, Subduktionszone, bzw.
Transform-Störung getrennt. Relativ zu A bewegt sich die Platte
r
B mit einem Geschwindigkeitsvektor A v B, wobei der erste
Index die festgehaltene Referenzplatte bezeichnet. Relativ zu B
r
lässt sich die Plattengrenze durch den Vektor B v A charakterisieren, d.h. ein Beobachter auf der Platte B sieht die Platte A mit
r
der Geschwindigkeit B v A bewegen. Wie aus Abb. 2.29b,d,f
hervorgeht, müssen die Vektoren sich zu Null addieren, d.h.
r
r
( 2.12)
A v B =− B v A
Wir betrachten nun ein Zwei-Plattensystem mit verschiedenen Rändern (Abb. 2.30). Platte A
habe an ihrem Westrand zu Platte B eine Spreading Zone mit der
Plattenseparationsgeschwindigkeit von 4 cm/Jahr (halbe Spreadingrate = 2 cm/Jahr). Es ist klar,
dass der Nord- und Südrand von A eine Transform-Störung sein muss. Die Verwerfung am
Nordrand ist linkshändig (sinistral), beim Überqueren sind die Gesteine nach links hin versetzt.
Die Süd-Grenze stellt eine rechtshändige (dextrale) Verwerfung dar. Die zugehörigen Vektoren
sind in Abb. 2.30b dargestellt. Die östliche Plattengrenze ist konvergent mit einer
32
Relativgeschwindigkeit von 4 cm/Jahr. Es muss sich daher um eine Subduktionszone handeln.
Hierbei ist jedoch nicht eindeutig, welche Platte unter welche abtaucht. Die Abb. 2.30c,d zeigt
die beiden Möglichkeiten. Taucht A unter B ab (Abb. 2.30c), so vergrößert sich B mit 2 cm/Jahr
auf Grund der Spreadingzone. Die Subduktionszone wird sich mit 4 cm/Jahr relativ zu A nach
Osten verschieben. Taucht B unter A, so bleibt die Subduktionszone relativ zu A stationär, Platte
B wird sich verkleinern und schließlich ganz verschwinden.
33
Im nächsten Beispiel (Abb. 2.31) addieren wir eine weitere Platte, Platte C. Während die
Relativbewegungen zwischen Platte A und B beibehalten werden sollen wie im letzten Beispiel,
soll zwischen A und C eine konvergente Relativbewegung von 6 cm/Jahr herrschen. Aus diesen
Vorgaben ist es nun durch Vektoraddition möglich, die Relativbewegung zwischen B und C zu
bestimmen:
C
r
r
r
v B =C v A + A v B
(2.13)
Platte B wird also mit 10 cm/Jahr unter C subduziert. Die Nettorate der Zerstörung der Platte B
beträgt 10 - 2 = 8 cm/Jahr. Am Ende wird B vollständig subduziert sein.
Während wir bisher eigentlich auch ohne Vektoraddition ausgekommen wären (alle
Plattenbewegungen waren in der gleichen Richtung), benötigen wir Vektoren im nächsten Fall,
da eine zusätzliche Nord-Süd-Bewegung angenommen wird. Platten A und B sollen die gleiche
Kinematik wie vorher haben. Platte C soll sich nun mit einer Relativgeschwindigkeit von 3
cm/Jahr zu Platte A längs einer Transform-Störung bewegen (Abb. 2.32). Gesucht ist die
r
Bewegung zwischen B und C. Mit Hilfe von Glg (2.13) ergibt sich C v B (Abb. 2.32d). Als eine
Lösung des Problems taucht B schräg unter C mit 5 cm/Jahr ab (Abb. 2.32c). Als alternative
Lösung kann C unter B abtauchen. In diesem Fall wird die Plattengrenze von C einen Versatz am
jetzigen Triple-Punkt (d.h. dort, wo drei Plattengrenzen aneinander stoßen) bekommen. Platte B
wird sich weiter und weiter in Platte C hineinschieben. (Dies wäre ein Beispiel für eine
Instabilität eines Tripel-Punktes, s.u.).
Rotationsvektoren und -pole. Weiter oben wurde schon das Euler-Theorem erwähnt. Es besagte,
dass man eine beliebige Verschiebung einer Platte auf einer Kugeloberfläche durch eine einzige
Rotation um eine Rotationsachse beschreiben kann. Um diese Operation auf driftende Platten
anwenden zu können, fassen wir den Betrag der Rotationsgeschwindigkeit und die Richtung in
r
r
r
einen Rotationsvektor ω = ω k zusammen, wobei k ein Einheitsvektor längs der Rotationsr
achse ist, und ω die Winkelgeschwindigkeit der rotierenden Platte ist (Abb. 2.33). Die
Vorzeichen sind so definiert, dass die Rotation im Uhrzeigersinn ist, wenn man vom Erdmittelpunkt längs der Rotationsachse blickt.
Wie ändert sich die Geschwindigkeit in Abhängigkeit vom Abstand vom Rotationspol? Ist θ
der Winkelabstand eines Punktes X auf der Erdoberfläche vom Rotationspol, so kann die
Relativgeschwindigkeit zwischen zwei Platten geschrieben werden als (Abb. 2.33c):
v = ωR sin θ
(2.14)
Die relative Geschwindigkeit zwischen zwei Platten ist also 0 an den Rotationspolen und hat ihr
Maximum bei θ=90o vom Rotationspol. Läuft zufälligerweise die Plattengrenze zwischen zwei
Platten durch den Rotationspol (Abb. 2.33b), so muss die Plattengrenze vom divergenten Typ in
einen konvergenten Typ übergehen.
Relative gegenwärtige Plattenbewegungen. Zur Bestimmung der gegenwärtigen relativen
Winkelgeschwindigkeiten der Platten und ihrer Rotationspole stehen verschiedene Methoden zur
Verfügung. Das Wort gegenwärtig bezieht sich auf geologische Zeiten, d.h. auf Geschwindigkeiten, die über Perioden von wenigen Jahren bis wenigen Millionen Jahren gemittelt
sind.
1. Rotationspole der relativen Bewegung zweier Platten können aus der Richtung von
Transform-Störungen ermittelt werden, die die beide Platten trennen. Die relative Bewegung
beider Platten ist parallel zu den Transform-Störungen, und hat eine konstante Geschwindigkeit
34
Abb. 2.33
längs der Verwerfungen. Die TransformStörungen liegen auf Kleinkreisen, die um den
Rotationspol zentriert sind (Abb.2.34). Der
Rotationspol muss daher auf einem Großkreis liegen, der senkrecht auf den Transform-Störungen
steht. Falls man also mehr als eine TransformStörung zwischen zwei Platten lokalisiert hat,
dann kann man den Rotationspol aus den
Schnittpunkten dieser Großkreise ermitteln. Hat
man eine Anzahl solcher Schnittpunkte zur
Verfügung, dann erhält man auf Grund der
Streuung eine Abschätzung der Genauigkeit der
Polbestimmung. Während Transform-Störungen,
die
Segmente
destruktiver
Plattenränder
verbinden, nur schwer zu lokalisieren sind, sind
solche an mittelozeanische Rücken auffällig und
werden häufig zur Polbestimmung gebraucht.
2. Wie Gleichung (2.14) zeigt, variiert die
Spreading
Geschwindigkeit
längs
mittelozeanischer Rücken. Man kann die
Spreading-Geschwindigkeiten
mit
Hilfe
magnetischer Anomalien bestimmen und aus ihrer
Variation die Winkelgeschwindigkeit und
Richtung der Rotationsvektoren bestimmen.
3.
Erdbeben-Herdflächenlösungen
können
Aufschluss über die räumliche Lage von
Bruchflächen und der Relativbewegung an diesen
Flächen geben. Finden solche Beben an
Plattengrenzen statt (auf die bei weitem größte Anzahl der Beben trifft das zu), so kann man aus
ihnen die großräumige Relativbewegung zwischen den Platten ermitteln. Am aussagekräftigsten
sind hierzu die Blatt-Verschiebungsbeben, die an Transform-Störungen stattfinden.
4. Falls Plattengrenzen auf der Landoberfläche verlaufen, dann können Oberflächenstrukturen
kartiert und vermessen werden, die durch die Relativbewegung beeinflusst wurden (Versätze in
Flussbetten, Kanälen, Straßen etc).
5. Die Genauigkeit der direkten Vermessung von zwei weit auseinanderliegenden Punkten auf
der Erdoberfläche ist in der letzten Zeit so gesteigert worden, dass Plattengeschwindigkeiten
erstmals direkt ermittelt wurden. Mit Hilfe von Satelliten können durch Laser-Ranging und GPSMessungen (Global Positioning Satellites) die Lage von Messpunkten cm bis mm-genau
35
Abb. 2.24
bestimmt werden. Wiederholungsmessungen über Jahre hinweg erlauben die Bestimmung von
Abstandsänderungen zwischen zwei Punkten auf verschiedenen Platten. Weiterhin wird eine als
VLBI (Very Long Baseline Interferometry) bekannte Methode zur Abstandsmessung entfernter
Abb. 2.35
Punkte benutzt. Hierbei werden Radiosignale entfernter Quasare durch Radioteleskope an
verschiedenen Orten empfangen. Aus der Interferenz dieser Signale ermittelt man dann die
relative Lage der Orte zueinander. Abb. 2.35 zeigt die Übereinstimmung der Daten aus VLBI
Abb. 2.36
Messungen mit geologisch bestimmten Daten für die San Andreas Verwerfung. Abb. 2.36 zeigt
als Beispiel die Abstandsänderung zwischen Hawaii und Fairbanks während 2.5 Jahre durch
GPS Messungen.
36
Tabelle von Larson et al., 1997: GPS Global Plate
motions, J. Geophys. Res., 102, 9961 - 9981
Aus einer
Vielzahl von solchen Daten wurden die
gegenwärtigen Positionen der Rotationspole
und die Winkelgeschwindigkeiten für eine
Anzahl
von
Plattenpaaren
ermittelt
(Tabelle). So stellt NUVEL1A ein Modell
aus Daten der Punkte 1-4 dar (277
Schätzungen der Spreadingraten, 121
Bestimmungen aus ozeanischen TransformStörungen, 727 Erdbeben-Versatzvektoren),
während Larson et al. GPS Daten eines
globalen Netzes benutzten.
Bestimmung der relativen Bewegung an einer Plattengrenze. Ist nun der Rotationsvektor für ein
bestimmtes Plattenpaar bekannt, so kann man mit Hilfe sphärischer Trigonometrie die
Relativbewegung der einen Platte relativ zur anderen an einem beliebigen Punkt an der Plattengrenze (oder auch sonst wo) bestimmen.
Hierzu betrachten wir wieder ein sphärisches Dreieck (Abb. 2.37), in dem N der
geographischen Nordpol, P der Rotationspol eines Plattenpaares, und X ein Punkt auf dem Plattenrand sei (es besteht hier eigentlich keine Einschränkung für X, X könnte auch ein beliebiger
37
Punkt sonst wo sein, an dem die Relativbewegung einer Platte zu einer anderen bestimmt werden
soll). Die benutzten Größen seien in der Tabelle unten zusammengefasst.
Symbol
Bedeutung
λp
λx
φp
φx
r
v
v
β
Breite des Rotationspols
Breite des Punktes X
Länge des Rotationspols
Länge des Punktes X
Geschwindigkeit bei X
r
Betrag von v
Azimut der Geschwindigkeit
gegenüber N
Erdradius
Winkelgeschwindigkeit um den Pol P
R
ω
Vorzeichen
o
N positiv
S negativ
o
E positiv
o
W negativ
o
positiv im Uhrzeigersinn
A, B, D seien die Winkel in dem abgebildeten sphärischen Dreieck,
a,b,d die Bogenlängen in Grad der gegenüberliegenden Seiten. Zur
Bestimmung der Geschwindigkeit am Punkt P benötigen wir den
Betrag der Geschwindigkeit unter Benutzung von Gleichung
r
(2.14) und die Richtung, d.h. den Azimut β von v bezüglich
Nord. Gesucht sind also:
90 - λP
N
A
d
90 - λx
D
X
v = ωR sin a (2.15)
a
r
v
β = 90° + D
Es ist also die Bestimmung der Größen a und D erforderlich. Zur
Bestimmung dieser Größen benutzen wir wieder den Cosinus- und
Sinussatz der sphärischen Trigonometrie:
Abb. 2.37
cos a = cos b cos d + sin b sin d cos A ( 2.16)
während die Sinus-Formel lautet:
sin a sin d
=
sin A sin D
(2.16a )
Wir ersetzen
b = 90° − λ x
, d = 90° − λ p
,
A = φ p − φx
(2.17)
im Cosinus- und Sinussatz und erhalten unter Berücksichtigung von sin(90-x) = cos x, cos(90-x)
= sin x:
P
38
casa = sin λ x sin λ p + cos λ x cos λ p cos(φ p − φ x )
sin D =
(2.18)
cos λ p sin(φ p − φ x )
sin a
Mit Hilfe dieser Formeln ist es also möglich, bei gegebenem Rotationsvektor (z.B. aus der
angegebenen Tabelle) an einem beliebigen Punkt der Grenze zwischen zwei Platten oder im
Innern der Platte die Geschwindigkeit der einen Platte bezüglich der anderen anzugeben. Es ist
lediglich die Zweideutigkeit der inversen Sinus und Cosinus Funktionen zu berücksichtigen (am
einfachsten an einem Globus überprüfen).
Addition von Rotationsvektoren. Angenommen, man hat drei Platten A, B, C auf einer
r
Kugeloberfläche, und man kennt den Rotationsvektor von A bzgl. B, B ω A, sowie den von B
r
bzgl. C, C ω B. Die Bewegung von A bzgl. C kann nun einfach ermittelt werden durch
Vektoraddition, genau wie bei der flachen Erde,
C
r
r
r
ω A =C ω B + B ω A
(2.19)
(der erste Index bezeichnet immer die festgehaltene Referenz-Platte). Da jeweils ein Vektor als
negative Summe der anderen beiden Vektoren darstellbar ist, müssen alle drei Vektoren auf
einem Großkreis liegen. Es sei bemerkt, dass Gleichung (2.19) sowie auch (2.15) immer nur die
gegenwärtigen oder instantanen Rotationsbewegungen beschreiben. Sie können daher nur für
infinitesimale Verschiebungen der Platten genommen werden (infinitesimal im Sinne
geologischer Zeiten). Bei endlichen Verschiebungen muss die zeitabhängige Änderung der Rotationspole mit berücksichtigt werden.
Tripelpunkte
Ein Tripelpunkt (triple junction) ist der Ort, an dem drei Plattenränder aneinander stoßen. Da es
drei verschiedene Typen von Plattenrändern (spreading-Zonen oder "ridges" R, Subduktionszonen oder "trenches" T und Transformverwerfungen oder "faults" F) gibt, von denen die
Subduktionszone asymmetrisch ist, sind theoretisch 16 prinzipiell unterschiedliche Tripelpunkte
auf der Erde möglich. Diese werden dann mit Buchstabenkombinationen wie RRR, FFT, ...
bezeichnet. Eine Reihe von ihnen ist auch tatsächlich auf der Erde realisiert und beeinflusst die
Tektonik an der Oberfläche in charakteristischer Weise. Daher ist eine systematische Betrachtung des kinematischen Verhaltens von Tripelpunkten wichtig.
Man unterscheidet zwischen stabilen und instabilen Tripelpunkten:
Ein Tripelpunkt ist stabil, wenn die Plattenbewegungen der drei angrenzenden Platten sowie
das Azimut ihrer Plattengrenzen so sind, dass sich die
Konfiguration des Tripelpunktes mit der Zeit nicht ändert. Die Abbildung 2.38 zeigt als Beispiel den
Tripelpunkt zwischen einer Spreadingzone, einer
Transform-Verwerfung, und einer Subduktionszone.
Der Tripelpunkt bewegt sich zwar relativ zu jeder
einzelnen Platte, legt man jedoch das Bezugssystem in
den Tripelpunkt selbst, so bleibt er ortsfest und ändert
nicht seine Konfiguration. Der Plattenrand der Platte C
ändert lokal seine Natur, wenn der Tripelpunkt an ihm
entlangläuft.
Abb. 2.38
Ein Tripelpunkt ist instabil, wenn er seine
39
Konfiguration ändert. Ein instabiler Tripelpunkt existiert daher nur einen kurzen Augenblick,
und entwickelt sich dann zu einer anderen Geometrie. Falls vier Platten an einem Punkt
zusammentreffen, so ist dieser
Quadrupelpunkt immer instabil, und es
bilden sich zwei oder mehr
Tripelpunkte.
Als
Beispiel
eines
instabilen
Tripelpunktes zeigt Abb. 2.39 das
Zusammentreffen dreier Subduktionszonen (TTT-Tripelpunkt). Platte B
taucht unter Platte A und C ab, Platte C
taucht unter A ab. Die zeitliche
Entwicklung dieses Tripelpunktes ist in
Abb. 2.39 c dargestellt. Wählen wir als
Bezugssystem die Platte A, so lässt
sich die Position der anderen Platten
nach einer kurzen Zeit angeben für den
Fall, dass sie nicht subduziert worden
wären (gestrichelte Linien). Da A
selbst nicht überschoben wurde, ist der
Plattenrand von A konstant geblieben.
Die Subduktionszone zwischen B und Abb. 2.39
C, die ja an der Platte C fixiert ist, ist
dagegen nach Norden gewandert,
entlang dem Nord-Süd-Rand der Platte
A. Offensichtlich hat sich die
Konfiguration
des
Tripelpunktes
geändert, er war instabil. Der neue
Tripelpunkt dagegen ist stabil, seine
Konfiguration ändert sich nun nicht
mehr. Bezüglich der Platte A wandert
er nach Norden. Ein Beobachter auf
Platte A bei X wird eine plötzliche
Änderung
der
Subduktionsgeschwindigkeit und -richtung beobachten.
Bei dem betrachteten Tripelpunkt gibt es zwei mögliche Spezialfälle, unter denen er stabil ist.
r
Einmal kann A v C Ost-West gerichtet sein. Dadurch würde die Subduktionszone zwischen B und
C nicht nach Norden wandern, sondern ortsfest bezüglich A bleiben. Als weitere Möglichkeit
könnte die Plattengrenze AB ko-linear mit der Grenze AC sein. Dies wäre dann genau die in
Abb. 2.39 gezeigte spätere Konfiguration.
Es gibt eine systematische Methode, die Stabilität oder Instabilität eines Tripelpunktes zu
ermitteln. Hierzu betrachtet man wieder ein Geschwindigkeitsdreieck (Abb. 2.39d), in dem jeder
Eckpunkt durch die Platte gekennzeichnet ist, relativ zu der der Geschwindigkeitsvektor
genommen ist. Falls der Tripelpunkt stabil ist, muss es in dem Geschwindigkeitsdiagramm
(repräsentiert durch das Dreieck A B C) einen Punkt geben, der den sich relativ zu den Platten
bewegenden Tripelpunkt repräsentiert. Dieser Punkt muss gleichzeitig auf allen drei Rändern
liegen, und kann sich jeweils nur längs eines jeden Randes bewegen. Nehmen wir hierzu den
Plattenrand zwischen den Platten A und B. Sämtliche möglichen Bewegungen längs dieses
Plattenrandes müssen Nord-Süd verlaufen und durch den Punkt A des Dreiecks gehen (da der
Rand an der Platte A fixiert ist, und sich die Geometrie des Plattenrandes nicht ändern soll). Die
gestrichelte Gerade ab stellt den Ort aller solchen Geschwindigkeiten dar. Bewegt sich der
40
Tripelpunkt längs des Randes zwischen Platte A und C, so muss diese Geschwindigkeit auf der
Gerade ac liegen, die ebenfalls an der Platte A festgepinnt ist und parallel zum Streichen des
Plattenrandes AC verläuft. Eine Bewegung des Tripelpunktes längs des Plattenrandes zwischen
B und C schließlich müsste auf der Geraden bc liegen. Diese läuft durch den Punkt C, da der
Plattenrand fest mit der sich überschiebenden Platte C verbunden ist. Da ein stabiler Tripelpunkt
sich gleichzeitig nur längs aller drei Plattenränder bewegen kann, müssen die zugehörigen
Geschwindigkeitsgeraden (gestrichelte Geraden) sich
in einem Punkt treffen. Dies ist die Bedingung eines
stabilen Tripelpunktes. Falls sie es nicht tun, ist der
Tripelpunkt instabil, wie in dem hier gezeigten
Beispiel.
Man erkennt nun auch sofort, dass die
Stabilitätsbedingung genau dann erfüllt ist, wenn
entweder die AC-Seite des Geschwindigkeitsdreiecks
parallel zur bc-Gerade (d.h. der Plattengrenze
zwischen B und C) verläuft, oder die ac-Gerade kolinear mit der ab-Geraden verläuft.
Nach diesen Betrachtungen ist also klar, dass die
Stabilität eines Tripelpunktes einfach ermittelt werden
kann, indem man die Geschwindigkeitsvektoren zu
einem Dreieck verbindet, und die Azimute der drei
Plattenränder einzeichnet.
Abb. 2.40 zeigt die Stabilität eines Tripelpunktes
zwischen zwei Transformverwerfungen und einer
Spreadingzone (FFR-Tripelpunkt). In diesem Fall
muss die Gerade ab senkrecht auf dem Ger
schwindigkeitsvektor B v A stehen, da Spreading
senkrecht zur ozeanischen Schwelle angenommen
wird. Außerdem wird symmetrisches Spreading
angenommen, daher halbiert ab die AB-Seite. Da die
Bewegungsrichtungen bei Transformverwerfungen
Abb. 2.40
parallel zur Verwerfungslinie selbst liegen, liegen
auch die bc, ac Geraden auf den entsprechenden
Seiten des Geschwindigkeitsdreiecks. Man erkennt,
dass ein solcher Tripelpunkt nur dann stabil ist, falls
ab durch C verläuft, die beiden Transformverwerfungen also identische Versatzraten haben
und symmetrisch zur Spreadingzone liegen. Alternativ
müssen ac, bc ko-linear sein.
Abb. 2.41 zeigt eine Zusammenstellung aller
möglichen
Tripelpunkte,
die
zugehörigen
Geschwindigkeitsdreiecke, Aussagen über die
Stabilität, sowie natürliche Beispiele.
Ein natürliches Beispiel für einen instabilen Tripelpunkt stellt möglicherweise die "Mendocino
triple junction" an der nordamerikanischen Westküste dar. In Abb. 2.42 ist zunächst die Evolution der ostpazifischen Platten und der amerikanischen Westküste dargestellt. Vor ungefähr 80
bis 55 Ma gab es in diesem Raum vier Platten: die nordamerikanische, die Kula-, die Farallon-,
und die pazifische Platte. Hiervon wurden die Kula-Platte im Norden und die Farallon Platte
weiter südlich unter die amerikanische Platte subduziert. Die Kula Platte ist heute vollständig
verschluckt, auf ihre frühere Existenz deuten jedoch heute noch magnetische Streifenmuster im
nördlichen Teil der pazifischen Platte hin. Vor 55 Ma brach der nördliche Teil der Farallon Platte
41
Abb. 2.41
ab und bildete die Vancover Platte. Die heutige Juan de Fuca Platte ist der Rest dieses Teils der
ehemaligen Farallon Platte. Vor 30 Ma erreichte die Spreadingzone die amerikanische Küste. Es
endete dort die Subduktion, da jetzt die pazifische und die amerikanische Platte aneinander
stießen und ihre Relativbewegung parallel zu ihrer gemeinsamen Grenze verlief. Dies war der
Punkt, an dem die San Andreas Verwerfung und die Mendocino triple junction geboren wurden.
Fortschreitende Verschluckung der südlichen Farallon Platte (erst Guadalupe, und heute CocosPlatte genannt) unter Nordamerika führte zu einer Verlängerung der San Andreas Verwerfung.
Zwischen 9 und 5 Ma änderte sich schließlich noch die Spreading-Richtung an der Juan de Fuca
Schwelle um 20o. Das Resultat dieser plattentektonischen Evolution ist die heutige Konfiguration
(Abb. 2.43).
42
Abb. 2.42
In dieser Konfiguration stellt der
Mendocino Tripelpunkt einen
FFT-Tripelpunkt dar. Falls nun
die Subduktionszone der Juan de
Fuca Platte (der Cascade
Gebirgsbogen) ko-linear mit der
San
Andreas
Verwerfung
verlaufen würde, wäre dieser
Tripelpunkt stabil (siehe z.B.
Abb. 2.43
Abb. 2.41 oder 2.44a,b). Dies ist
jedoch zumindest heute nicht der
Fall, der Tripelpunkt ist, und war
möglicherweise auch vorher,
instabil. In der heutigen
Konfiguration fallen die Geraden fp, fa, pa nicht in einem Punkt
zusammen (Abb. 2.44c,d). Die mögliche Evolution eines solchen instabilen Tripelpunktes ist in Abb. 2.44e oder f gezeigt. Durch das
NW-Driften der pazifischen Platte relativ zu amerikanischen Platte
würde am Tripelpunkt ein Plattendefizit oder Loch entstehen (unter
der Annahme vollständig starrer Platten). Ein solches Loch würde
durch aufsteigendes Mantelmaterial von unten und durch Sedimente
von oben verfüllt. Hierdurch würde sich eine neue sogenannte
Mikroplatte bilden. Alternativ kann man annehmen, dass die kontinentale amerikanische Platte deformierbar ist. Das mit der
Instabilität verbundene Massendefizit würde dann durch Dehnung der
amerikanischen Platte im Hinterland der Subduktions- und
Abb. 2.44
43
Verwerfungszone sowie durch Rotation der Subduktionszone ausgeglichen. Tatsächlich deuten
tektonische Daten in diesem Bereich auf eine Dehnung der amerikanischen Platte hin, die vor 30
Ma begonnen hat (zu diesem Zeitpunkt wurde die Mendocino triple junction gebildet). Weiterhin
ist die rekonstruierte sprunghafte Verlagerung der San Andreas Verwerfung nach Osten
konsistent mit einem solchen Modell (früher gehörten Küstenteile Kaliforniens noch zur
amerikanischen Platten, heute dagegen zur pazifischen).
Absolute Plattenbewegungen
Bisher wurden die Plattenbewegungen nur relativ zueinander betrachtet. Absolute Plattenbewegungen beziehen sich dagegen auf ein absolutes Bezugssystem. Die Festlegung eines
solchen Bezugssystems in einer sich während langer Zeiträume dynamisch verändernden Erde
ist nicht trivial. Eine Möglichkeit zur Bestimmung absoluter Plattenbewegungen beruht auf der
Annahme, dass sich die Platten sehr viel schneller bewegen als Strömungen im Erdmantel. Der
Erdmantel kann dann als starr relativ zu den sich bewegenden Platten betrachtet werden, und das
Bezugssystem wird dann im Mantel verankert. Innerhalb dieses Konzeptes lässt sich die Relativbewegung der Platten zum Mantel durch die sogenannten Hot spots bestimmen. Man spricht
daher auch vom Hot spot - Bezugssystem. Was sind Hot spots?
Hot spots. Während der größte Teil des Vulkanismus auf der Erde an mittelozeanischen
Rücken und längs Vulkanketten hinter Subduktionszonen auftritt, gibt es einige isolierte
Vulkanketten in Ozeanen und,
schwächer
ausgeprägt,
in
Kontinenten, die mit keiner
Plattengrenze
in
Verbindung
gebracht werden können. Diese
sogenannten "Intraplattenvulkane"
(intraplate volcanoes) weisen einen
anderen Chemismus auf als
mittelozeanischer oder Subduktions-Vulkanismus
(die
Quellregion dieser Basalte ist
weniger stark verarmt als die
Quellregion der mittelozeanischen
Rücken). Der Ursprung dieser
Basalte ist unklar. Möglicherweise
könnten diese Basalte aus dem
unteren Mantel stammen. Nach
einer anderen Idee könnte das
Muttergestein zu diesen Basalten
subkontinentales
Lithosphärenmaterial sein, das bei SubduktionsAbb. 2.45: Linear chains in the Pacific Ocean on a Meroder Kollisionsprozessen in den
cator projection. The chains young to the east
Mantel gelangt ist. Außerdem wird die
Möglichkeit diskutiert, dass es sich bei den Schmelzen zumindest teilweise um ehemals
subduzierte ozeanische Kruste handelt. Diese Intraplattenvulkane treten in Form von Ketten auf,
an deren einem Ende jeweils ein aktiver Vulkan sitzt, während das Alter der übrigen Vulkane
längs der Kette zunimmt. Die Kette beschreiben allgemein Kleinkreise auf der Erdoberfläche.
Siehe hierzu Abb. 2.45.
44
Diese Charakteristika sind konsistent mit der Vorstellung einer im Mantel oder an der KernMantel-Grenze fixierten Quelle, von der mehr oder weniger gleichmäßig heißes Mantelmaterial
aufsteigt.
Dieser
sogenannte
aufsteigende
Mantelplume hinterlässt in
der über ihn hinwegdriftenden
Platte
eine
"Brennspur", an deren
Ende der gerade aktive Hot
spot sitzt. Der am besten
ausgeprägte Hot spot ist die
Vulkaninsel Hawaii mit
dem sich anschließenden
Emperor-Hawaii-Rücken.
Das Basaltalter nimmt nach
Nord-Westen
hin
zu,
beträgt an dem Knickpunkt
43 Ma und erreicht nahe
der Kamchatka Halbinsel
78 Ma. Die einfachste
Abb. 2.46: World wide distribution of hotspots (redrawn from Wilson,
Erklärung
für
den
Knickpunkt
(und
die 1973)
ähnlichen Knickpunkte der
anderen Intraplattenvulkanketten im Pazifik) ist eine Änderung der Driftrichtung der pazifischen
Platte vor 43 Ma. Die Anzahl der aktiven Hot spots schwankt je nach Autor zwischen Morgan's
originaler Liste von 19 Stück bis zu 117 weltweit. Abb. 2.46 zeigt die Lokationen der
wichtigsten Hot spots.
Unter der Annahme, dass die Quelle der Hot spots fest in einem ruhenden Mantel verankert
sind, kann man aus der Altersverteilung der Spuren absolute Plattengeschwindigkeiten ermitteln.
Vergleicht man solche Geschwindigkeitsbestimmungen mit den Relativgeschwindigkeiten der
Platten untereinander, ermittelt aus magnetischen Streifenmustern, so kann man die
ursprüngliche Annahme eines ruhenden Mantels testen. Tatsächlich stellt sich heraus, dass die
Hot spots ebenfalls Relativbewegungen zueinander ausführen, die einige mm/Jahr betragen.
Einer neueren Analyse zufolge (die allerdings noch etwas umstritten ist) betragen
Relativbewegungen der Hot spots sogar 1 bis 2 cm/Jahr, gemittelt über die letzten 50 Ma.
Trotzdem sollten die "Absolutgeschwindigkeiten" im "Hot spot-Bezugssystem" einen ersten
Anhaltspunkt über wahre Geschwindigkeiten geben (Abb. 2.47, dünne Pfeile, sowie Tabelle).
Danach bewegen sich die eurasische und afrikanische Platte langsam nach SW, die
amerikanischen Platten bewegen sich mäßig schnell nach W, während die pazifischen und die
nordindische Platte (inklusive Indien) hohe Geschwindigkeiten aufweisen.
Ein alternatives Bezugssystem stellt das "No net rotation" System dar (NNR). Hierbei wird das
Bezugssystem gewählt, in dem die Summe aller Plattenrotationen Null ergibt. In diesem System
hat die eurasische Platte eine mäßige Geschwindigkeit nach NO. Es besteht allerdings kein
physikalischer Grund, nach dem die Nettorotation aller Platten Null sein sollte, bei lateralen
Viskositätsvariationen im Erdmantel und aufgrund der Anwesenheit von Transform-Störungen
ist sogar mit einer nicht verschwindenden Nettorotation zu rechnen.
Abb. 2.48 und 2.49 zeigt schließlich die gegenwärtigen absoluten Plattengeschwindigkeiten
bestimmt aus GPS-Messungen, sowie den Vergleich mit den NUVEL1-Geschwindigkeiten im
Hotspot-Referenzsystem. Noch ist nicht vollständig geklärt, ob die Unterschiede real sind, also
den Unterschied zwischen geologisch rezenten Plattengeschwindigkeiten (auf der Ma-Zeitskala)
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und instantanen Geschwindigkeiten (auf der 5 Jahresskala) darstellen, oder auf MessUngenauigkeiten beruhen.
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