BVL/PEI ➜ Pharmakovigilanz BVL/PEI Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), Abteilung Tierarzneimittel, Mauerstraße 39–42, 10117 Berlin, Tel. (0 30) 18 44 43 04-44, Fax (0 30) 18 44 43 04-09, www.bvl.bund.de Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, Dr. Klaus Cußler, Paul-Ehrlich-Str. 51–59, 63225 Langen, Tel. (0 61 03) 77-18 00, Fax (0 61 03) 77-12 79, www.pei.de Fokus Antiparasitika Topische Mittel für Hund und Katze von Gwenda Pirk Topische Mittel zur Bekämpfung von Parasiten sind ein wichtiger Teil prophylaktischer Maßnahmen bei Hunden und Katzen. Welche Wirkstoffe dabei zum Einsatz kommen und welche unerwünschten Wirkungen bisher dazu dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gemeldet worden sind, wird hier zusammengefasst. Bild Tierarzneimittel zur Bekämpfung von Ektoparasiten bei Hund und Katze werden auf dem deutschen Markt in vielen verschiedenen Darreichungsformen angeboten. Im Kleintierbereich sind sie zahlenmäßig die mit am meisten verkauften Präparate. Bedingt durch Hinweis Die in dieser Rubrik aufgeführten Informationen basieren auf Spontanmeldungen von Verdachtsfällen, welche die in der veterinärmedizinischen Praxis tatsächlich auftretenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAWs) nur zum Teil erfassen. UAWs werden nur dann erwähnt, wenn mindestens drei unabhängige Meldungen zu einer Substanzklasse erfolgt sind. Die Auflistung hat deskriptiven Charakter und kann nur als Orientierung dienen. Rückschlüsse auf Inzidenzen (Verhältnis der UAW zur Zahl der Behandlungen) sind, basierend auf dem Spontanmeldesystem, nicht möglich. Auch ein Vergleich zwischen bestimmten Wirkstoffen oder Präparaten in Bezug auf ihre Verträglichkeit, Sicherheit oder Wirksamkeit ist auf Basis dieser Meldungen nicht vertretbar. Es sei darauf hingewiesen, dass es bei einer häufigen Anwendung auch zu einer häufigeren Meldung von UAWs kommen kann. 700 Deutsches Tierärzteblatt 5/2016 die häufige Anwendung stellen sie gleichzeitig die Medikamentengruppe mit den meisten Meldungen zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAWs) [1]. Neben den neueren Antiparasitika zur oralen Anwendung bei Hund und Katze (s. [2]) gibt es seit Jahren viele topisch anwendbare Medikamente, die in Form von Spot-onPräparaten, Sprays, Puder, Shampoos oder Halsbändern vermarktet werden [2]. In Deutschland sind derzeit 17 Wirkstoffe in 28 verschiedenen Wirkstoffkombinationen unter mehr als 70 Markennamen zugelassen und in unterschiedlichen Dosierungen erhältlich. Ein Kombinationspräparat enthält zusätzlich auch das Endoparasitikum Praziquantel. Die Wirkstoffe Fipronil, seit 1996 zugelassen, ist der am häufigsten enthaltene Wirkstoff. Er gehört wie Pyriprol zu der Gruppe der Phenylpyrazole, die insektizid und akarizid auf adulte Flöhe und Zecken wirken. Sie haben keinen repellierenden Effekt, sodass sie einen kurzzeitigen Parasitenbefall, insbesondere mit Zecken, nicht verhindern können. Sie hemmen den Ionenfluss an Gamma-Aminobuttersäure(GABA)gesteuerten Chloridkanälen der Arthropoden und verursachen eine tödliche Übererregung des ZNS. Durch die schwache Affinität zu GABARezeptoren von Vertebraten ist die Toxizität von Phenylpyrazolen bei Säugetieren wie Hund und Katze vergleichsweise gering [3]. Unverträglichkeiten sind bei Kaninchen, Hühnervögeln und geschwächten Igeln beschrieben [4]. Eine Anwendung bei diesen Tieren (v. a. bei Kaninchen) ist daher kontraindiziert [5]. Zur Ergänzung des Wirkspektrums wird Fipronil in Spot-on-Kombinationspräparaten mit Permethrin (zugelassen ausschließlich für Hunde!), S-Methopren oder Pyriproxyfen, Amitraz und S-Methopren sowie Eprinomectin, S-Methopren und Praziquantel verwendet. Pyrethroide stellen – v. a. für den Hund – eine weitere häufig zugelassene Wirkstoffgruppe dar. Die Pyrethroide sind von Pyrethrum (einem Extrakt aus Chrysanthemen) abgeleitete chemische Verbindungen, zu denen neben Permethrin auch Deltamethrin und Flumethrin gehören, und werden v. a. in Form von Spot-on- BVL/PEI ➜ Pharmakovigilanz Präparaten, Halsbändern und Shampoos angewendet. Sie wirken insektizid, akarizid und repellierend durch lang anhaltende Öffnung der spannungsabhängigen Natriumkanäle an Nervenmembranen von Arthropoden. Durch die so gestörte Erregungsleitung kommt es zu Erregungszuständen, Koordinationsstörungen, Lähmung und bei entsprechend langer Einwirkungsdauer zum Tod der Parasiten [3]. Permethrin ist als Tierarzneimittel für nicht Lebensmittel liefernde Tiere ausschließlich für Hunde zugelassen. Katzen haben eine angeborene Glukuronidierungsschwäche, die bereits bei der für Hunde üblichen Dosierung zu einem deutlich erhöhten Intoxikationsrisiko führt. Versehentliche Verabreichung permethrinhaltiger Tierarzneimittel an Katzen sowie der Kontakt zwischen einem frisch behandelten Hund und einer Katze sollten daher vermieden werden. Permethrin wird häufig mit anderen Mitteln, z. B. Fipronil, Imidacloprid und Indoxacarb, kombiniert, um das Wirkspektrum zu erweitern. Die Gruppe der makrozyklischen Laktone spielt eine zunehmende Rolle in der Floh- und Zeckenbehandlung. Zu dieser Gruppe gehören die Avermectine (z. B. Selamectin, Eprinomectin) und die Milbemycine (z. B. Moxidectin), die v. a. in Form von Spot-on-Präparaten und Halsbändern zur Anwendung kommen. Diese Substanzen werden als Endektozide bezeichnet, da sie sowohl gegen viele Endo- als auch Ektoparasiten wirksam sind. Makrozyklische Laktone bewirken eine Immobilisation der Parasiten mit schlaffer Paralyse über die Aktivierung zelleinwärts gerichteter Chlorid­ströme an verschiedenen Chloridkanälen und einer daraus resultierenden Hyperpolarisation der betroffenen Strukturen. Sie haben eine hochaffine Bindung zu den für Parasiten spezifischen Glutamat-gesteuerten Chloridkanälen und potenzieren die Wirkung des Neurotransmitters GABA. Säuger verfügen über keine Glutamat-gesteuerten Chloridkanäle und die Wirkung der makrozyklischen Laktone auf andere Chloridkanäle von Säugetieren ist um das 100-fache geringer als bei Parasiten. In der Regel erreichen makrozyklische Laktone nur sehr geringe Konzentrationen im Gehirn von Säugetieren, da es sich bei den Stoffen um Substrate der MDR1-Gen exprimiertes P-Glycoprotein(P-GP)-Effluxpumpe handelt, die für einen schnellen Auswärtstransport der Wirkstoffe über die Blut-Hirn-Schranke sorgt. ZNS-Störungen werden dementsprechend erst bei Dosierungen gesehen, die weit über den für die Tierarten zur Therapie und Prophylaxe von Endo- und Ektoparasiten zugelassenen Dosierungen liegen. Eventuelle Wechselwirkungen mit anderen P-GP-Substraten sollten allerdings bei der Anwendung von makrozyklischen Laktonen – besonders bei systemischer Verabreichung – berücksichtigt werden. Problematisch sind diese Wirkstoffe für Tiere mit einer Störung dieser Effluxpumpe, wie es z. B. bei bestimmten Hunderassen wie Collies und 702 Deutsches Tierärzteblatt 5/2016 anderen Hütehunderassen mit einer homo­ zygoten Mutation des MDR1-Gens der Fall ist. Dadurch kommt es zu höheren Konzentrationen im Gehirn, was sehr schnell bereits bei üblicherweise bei Hunden verwendeten Dosierungen zu Intoxikationserscheinungen wie Koordinationsstörungen bis hin zu Krämpfen, Koma und Tod führen kann [3]. Die für Hunde in Deutschland zugelassenen Präparate mit makrozyklischen Laktonen zur topischen Anwendung sind alle vor der Zulassung an Ivermectin-empfindlichen Collies auf Verträglichkeit getestet worden. Auch für empfindliche Hunde sind die Präparate zugelassen, allerdings sollte bei diesen Hunden besonders auf die nach Körpergewicht exakte Dosierung geachtet und eine orale Aufnahme der topischen Mittel unbedingt vermieden werden, da dies zu Intoxikationen führen kann (s. Fachinformationen der entsprechenden Produkte). Zu dem nur für Katzen zugelassenen Präparat mit Eprinomectin (ein Spot-on-Präparat) liegen keine Unterlagen über Studien bei empfindlichen Hunden vor. Eine Anwendung sollte daher bei Hunden – auch im Rahmen einer Umwidmung – vermieden werden, genauso wie die akzidentielle Aufnahme nach Kontakt mit einer behandelten Katze. Imidacloprid und Dinotefuran gehören zur Gruppe der Neonicotinoide. Es sind Agonisten mit sehr hoher Affinität zu nikotinergen Cholinrezeptoren von Insekten. Das führt bei diesen zu einer dauerhaften Depolarisation der Neuronen mit Tremor, Paralyse und Tod. Auf Nikotinrezeptoren von Säugern haben Neonicotinoide wegen ihrer sehr geringen Affinität und 1000-fach schwächeren Wirkung praktisch keinen Einfluss. Die ausschließlich als Spot-onPräparate erhältlichen Neonicotinoide wirken nur gegen adulte Flöhe [3]. Das Oxadiazin Indoxacarb, enthalten in Spot-on-Präparaten für Hunde und Katzen, ist ebenso nur für die Behandlung gegen Flöhe zugelassen. Es ist eine Arzneimittelvorstufe („prodrug“) und wird durch enzymatische Spaltung erst im Darm der Insekten zum aktiven Metaboliten umgewandelt. Durch Blockade spannungsabhängiger Natriumkanäle im Nervensystem der Insekten kommt es zu Lähmung und Tod. Es wirkt auf adulte Flöhe sowie auf sich entwickelnde larvale Stadien in der unmittelbaren Nähe durch den Kontakt mit behandelten Tieren [3]. Juvenilhormon-Analoga von Insekten wie S-Methopren und Pyriproxyfen werden in Spoton-Präparaten überwiegend in Kombination mit Adultiziden zur Bekämpfung von Flöhen angewendet. Juvenilhormon-Analoga greifen in das Gleichgewicht von Juvenilhormon und Häutungshormon bei der Entwicklung der Flöhe ein und verhindern so die geregelte Häutung und Verpuppung, was zum Abbruch der Metamorphose und zum Tod im Puppenstadium führt. Juvenilhormon-Analoga haben keine Wirkung auf adulte Parasiten; S-Methopren wirkt zusätzlich ovizid [3]. Ein weiterer, ausschließlich in frei verkäuflichen Produkten wie Shampoos, Sprays und Halsbändern eingesetzter Wirkstoff ist das Carbamat Propoxur. Carbamate sind indirekte Parasympathomimetika und wirken insektizid und akarizid. Sie verursachen eine reversible Hemmung der Cholinesterase mit Störung der neuromuskulären Übertragung, was bei Parasiten zu einer schnell eintretenden Lähmung führt. Carbamate werden auch von Säugetieren resorbiert, aber schnell metabolisiert und eliminiert, sodass die Toxizität sehr gering ist [3]. Zu erwähnen sind außerdem noch der Wirkstoff Amitraz, der v. a. zur Milbenbekämpfung eingesetzt wird, sowie die Gruppe der Organo­ phosphate mit Dimpylat oder Fenthion als wichtige Vertreter. Gegenwärtig sind nur wenige Tierarzneimittel (Spot-on-Präparate und eine Waschlösung ) mit diesen Wirkstoffen zugelassen. Amitraz beeinflusst vermutlich die Octapamin-Rezeptoren im ZNS der Parasiten und führt über zentrale Erregung und Paralyse zum Tod der Insekten. Bei Säugern wirkt Amitraz agonistisch auf M2- Adrenozeptoren. Dadurch kann es bei exponierten Tieren zu schwacher Sedation, vorübergehendem Blutdruckanstieg, gefolgt von Hypotension, Bradykardie und Bradypnoe, kommen [3,6]. Amitraz wirkt insektizid, akarizid und repellierend bei Fliegen und Zecken, jedoch nicht bei Flöhen. Organophosphate werden nur noch in Form von Halsbändern eingesetzt. Sie sind irreversible Hemmstoffe der Cholinesterase, was die Störung der neuromuskulären Übertragung und Lähmung im cholinergen Nervensystem der Parasiten bewirkt [3]. Nebenwirkungen von topischen Antiparasitika Entscheidend für die Auswahl eines Antiparasitikums sind für den Tierhalter und Tierarzt neben der Wirksamkeit auch die Art der Anwendung und die Sicherheit für Tier und Anwender. Topische Präparate liegen in fünf verschiedenen Darreichungsformen vor: Spot-on-Prä­ parate, Sprays, Shampoos, Puder sowie Halsbänder. Jede dieser Darreichungsformen hat Vor- und Nachteile für die Handhabung. Felllänge und Lebensgewohnheiten sollten dabei beachtet werden. Nicht alle Hunde und Katzen tolerieren die Behandlung mit Sprays oder Shampoos. Heftige Abwehrreaktionen können zu Verletzungen des Tierhalters oder beim Tier zu Kontamination der Augen, Abschlucken oder Einatmen des Arzneimittels führen. Bei Tieren, die sich häufig in Gewässern aufhalten (z. B. beim Baden oder Jagen), sind Halsbänder unpraktisch, wenn sie Substanzen enthalten, die toxisch für aquatische Organismen sind, da diese Halsbänder vor dem Bad abgenommen werden müssen (s. Fachinformation oder Packungsbeilage). Bei verschiedenen Halsbändern und Spot-on-Präparaten ist außerdem zu befürchten, dass der häufige Kontakt mit Wasser die Wirkungsdauer beeinträchtigt. BVL/PEI ➜ Pharmakovigilanz Von 2005 bis Ende November 2015 sind 2175 Meldungen zu topischen Antiparasitika im Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) eingegangen, wovon etwa 47 Prozent als schwerwiegend und 53 Prozent als nicht schwerwiegend einge­stuft wurden. Die beschriebenen Reaktionen in den 2175 UAW-Meldungen lassen sich z. T. mehreren auch unterschiedlichen Organsystemen zuordnen. Diese Einteilung erfolgt nach einem EU-weiten System (VeDDRA) und dient der Vereinheitlichung von Symptomen für statistische Zwecke. Die Nebenwirkungsmeldungen zu topischen Antiparasitika umfassen insgesamt 5145 Reaktionen, nach Organsystemen und Reaktionsklassen eingeteilt (sogenannte High Level Terms, HLT, nach VeDDRA). Anders als bei den oralen Antiparasitika haben alle topisch anzuwendenden Präparate gemeinsam, dass sie v. a. durch die Applikationsform Haut- und allergische Reaktionen hervorrufen können. 16 Prozent der HLT aller UAW-Meldungen, die zu topischen Antiparasitika bei Hund und Katze eingegangen sind, betreffen Reaktionen am Applikationsort, Fell und/oder Hautveränderungen sowie allergische oder autoimmune Reaktionen. In den überwiegenden Fällen handelte es sich um vorübergehende Reaktionen. Gerade bei Spot-on-Präparaten und Halsbändern gibt es durch lokale Unverträglichkeiten vermehrt Reaktionen am Applikationsort. Klinische Zeichen können z. B. bei Halsbändern auch durch mechanische Irritationen oder nicht sachgemäße Anwendung (z. B. zu enges Anlegen) hervorgerufen werden. Nur in sehr seltenen Fällen gibt es schwerwiegende Meldungen bedingt durch die Applikationsart z. B. bei allergischen oder Auto­ immunreaktionen. Vereinzelte Meldungen betrafen Halsbänder bei frei laufenden Katzen, die durch Strangulation zu Tode kamen. In der Literatur sind Fälle von Pemphigus foliaceus beim Hund publiziert, die durch die Anwendung von Amitraz-Kombinationspräparaten getriggert wurden. In ungefähr einem Drittel dieser Fälle kam es jeweils nur lokal an der Applikationsstelle zu klinischen und histologischen Veränderungen. Die anderen Hunde zeigten zusätzlich generalisierte Symptome [7,8]. Am häufigsten wurden bei Hund und Katze im Zusammenhang mit der Anwendung von topischen Antiparasitika neurologische Reak­ tionen gemeldet (ca. 38 Prozent der gemeldeten HLT). Dazu gehören u. a. verschiedene ZNS-Störungen wie Krämpfe und Epilepsie, Paralyse, beeinträchtigtes Bewusstsein und Koordinationsstörungen. Diese Nebenwirkungen sind mit der pharmakologischen Wirkung der Antiparasitika zu erklären. Nahezu alle Wirkstoffe, mit Ausnahme der JuvenilhormonAnaloga, nehmen Einfluss auf Neurotransmitter und damit auf die Signalweiterleitung im Bereich der Neuronen bei Parasiten. Das kann 704 Deutsches Tierärzteblatt 5/2016 in Einzelfällen trotz der relativen Selektivität für die neuronalen Strukturen der Parasiten auch bei sehr sensiblen Wirtstieren zu Reaktionen führen [9]. Ausgelöst durch vermehrte Meldungen überwiegend aus den USA und durch publizierte Fallberichte über Blindheit nach der Anwendung von Avermectinen in Kombination mit dem oralen Wirkstoff Spinosad [10] wurde in den letzten Jahren besondere Aufmerksamkeit auf die Auswirkung bestimmter Antiparasitika auf das Auge gelegt. Die Auswertung der UAW-Meldungen zu dieser Thematik zeigt einen Anteil von 2,45 Prozent der HLT, die sich auf Veränderungen am Auge beziehen. Diese Veränderungen betreffen allerdings nicht ausschließlich die Sehfähigkeit, sondern neben neuronalen Reaktionen auch Veränderungen an der Kornea, Linse, Retina sowie an den Augenlidern. Der als „abnormal vision“ (veränderte Sehfähigkeit) kodierte Term wurde bei allen Wirkstoffen in mindestens einem Fall gemeldet, außer bei Pyriproxyfen, Amitraz und Flumethrin. Der Kausalzusammenhang mit einem der verwendeten Antiparasitika konnte allerdings nur sehr selten bestätigt werden. Die Veränderungen des Auges sind nach dem heutigen Stand noch nicht eindeutig wissenschaftlich zu erklären und es besteht dahingehend ein erhöhter Forschungsbedarf. Durch das BVL gefördert wird bereits daran gearbeitet, eventuelle Wirkmechanismen der betroffenen Medikamente am Auge zu identifizieren, um sie von individuellen Krankheitsgeschehen abgrenzen zu können. Etwa 10 Prozent der 2175 UAW-Meldungen zu topischen Antiparasitika beinhalten gastrointestinale Symptome. Dazu zählen Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall und Pankreatitis sowie Hypersalivation, was häufig nach unbeabsichtigter oraler Aufnahme der Präparate auftritt und in vielen Fällen auch den Trägersubstanzen zur Last gelegt wird. Mangelnde Wirksamkeit des verwendeten Präparats betrafen 6,5 Prozent der Meldungen. Viele dieser Fälle sind allerdings nicht auswertbar, da die genauen Umstände der Anwendung nicht analysiert werden konnten (z. B. durch mangelnde Informationen) oder weil das Präparat für eine nicht zugelassene Indikation angewendet wurde (z. B. wirken nicht alle Präparate gegen Flöhe und gleichzeitig auch gegen Zecken). Zusätzlich muss die genaue Wirkungsweise des Produktes beachtet werden. Einige Präparate haben keine repellierenden Eigenschaften, das Auffinden von vereinzelten erwachsenen Ektoparasiten auf dem behandelten Tier ist deshalb nicht gleichbedeutend mit einer mangelnden Wirksamkeit. Insbesondere bei Flöhen kann ein hochgradiger Befall der Umgebung ohne entsprechende Gegenmaßnahmen (Umgebungsbehandlung) zu Reinfektionen führen, ohne dass es sich hier um eine mangelnde Wirksamkeit des Tierarzneimittels handelt. Allerdings können Meldungen über mangelnde Wirksamkeit auch einen ersten Hinweis auf eine Resistenz der Parasiten gegen den verwendeten Wirkstoff darstellen. Gut dokumentierte Meldungen über mangelnde Wirksamkeit eines Präparats sind von erheblichem Wert für das BVL und den Zulassungsinhaber des Produktes, da sie zum Erhalt der Wirksamkeit beitragen. Vom Tod des behandelten Tieres berichten 4,37 Prozent der UAW-Meldungen. Jedoch ist in den meisten Fällen kein Kausalzusammenhang mit der Anwendung des Antiparasitikums herzustellen. Weitere Reaktionen, die zwischen 0,2 und 2 Prozent der HLT ausmachen, waren Veränderungen der weißen Blutkörperchen, Herzrhythmusstörungen, Kreislaufprobleme, Ohrprobleme (Innen- und Außenohr), Leberfunktionsstörungen, muskuloskeletale Störungen, Nebenwirkungen an der Harnblase sowie im Respirationstrakt. Erste Maßnahmen bei Nebenwirkungen Ein Antidot oder eine spezifische Therapie ist für die meisten Wirkstoffe nicht vorhanden. Bei Halsbändern ist das Abnehmen des Bandes eine erste Maßnahme, bei den anderen Darreichungsformen sind Waschen/Baden mit einem milden Shampoo und ggf. Scheren der betroffenen Stellen hilfreich, um weitere Wirkstoffaufnahme über die Haut und/oder oral zu vermeiden. Dermatologische Symptome können in Abhängigkeit von den jeweiligen Veränderungen mit entzündungshemmenden, desinfizieren­den oder antimikrobiellen Präparaten behandelt werden. Unerwünschte Reaktionen nach Amitraz lassen sich häufig mit der Anwendung von Atipamezol (0,005 mg/kg KGW intramuskulär) antagonisieren [6]. Als Antidot bei Carbamatund Organophosphatvergiftungen wird Atropin eingesetzt [3]. In allen Fällen sollte, nachdem versucht wurde, den Wirkstoff durch Baden/Waschen/ Scheren zu entfernen, in Abhängigkeit von der jeweiligen Nebenwirkung zusätzlich symptomatisch behandelt werden, ggf. mit Diazepam, Infusionstherapie, forcierter Diurese oder Aktivkohle. Bei Permethrinvergiftungen von Katzen wurde in Publikationen ein positiver Effekt von Lipidinfusionen beschrieben [11]. Fazit Antiparasitika sind aus der heutigen Tierarztpraxis nicht mehr wegzudenken und bei bestimmungsgemäßem Gebrauch als sichere Tierarzneimittel einzustufen. Sie sind wichtig, um einem massiven Befall unserer Haustiere mit Ektoparasiten vorzubeugen und diesen gegebenenfalls zu beseitigen. Damit verhindern sie die Verbreitung von „Vector-born diseases“ (durch Insekten übertragene Erkrankungen) und Zoonosen. Bedingt durch ihre Pharmakologie, die das Abtöten der Parasiten bewirken BVL/PEI ➜ Pharmakovigilanz soll, haben alle Wirkstoffe das Potenzial, bei sensiblen Individuen z. T. schwerwiegende ­Nebenwirkungen hervorzurufen. Deutlich stärker als bei oralen Antiparasitika birgt die topische Anwendung durch die Möglichkeit des direkten Kontaktes mit dem Wirkstoff ein zusätzliches Risiko für den Anwender oder andere Personen und Tiere in der Umgebung des behandelten Tieres. Die häufigsten gemeldeten Nebenwirkungen dieser Produktgruppe betreffen Wirkungen auf das Nervensystem des behandelten Tieres und lokale Reaktionen. Resistenzen können regional sehr unterschiedlich ausgeprägt sein, Tierärzte sollten daher Berichte von Tierhaltern über nachlassende Wirksamkeit der verordneten Präparate ernst nehmen. Die bestimmungsgemäße Anwendung und der wechselnde Einsatz von Wirkstoffen aus verschiedenen Substanzklassen sind grundlegende Maßnahmen zur Vorbeugung von unerwünschten Resistenz­ entwicklungen bei Parasiten. Anschrift der Autorin: Dr. Gwenda Pirk, Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), Abteilung Tierarzneimittel, Ref. 304/ Postmarketing, Mauerstr. 39–42, 10117 Berlin, [email protected] [7] Bizikova P, Linder KE, Olivry T (2014): Fipronil-amitrazS-methoprene-triggered pemphigus foliaceus in 21 dogs: clinical, histological and immunological characteristics. Vet Dermatol 25(2): 103-11 [8] Oberkirchner U, Linder KE, Dunston S, Bizikova P, Olivry T (2011): Metaflumizone-amitraz (Promeris)- Literatur: associated pustular acantholytic dermatitis in 22 dogs: [1] von Krueger X, Ibrahim C (2015): Pharmakovigilanzre- evidence suggests contact drug-triggered pemphigus port Tierarzneimittel 2014. DTBl. 5: 662–9 foliaceus. Vet Dermatol 22(5): 436-48 [2] Pirk G (2015): Fokus Antiparasitika, orale Mittel gegen [9] Freeborn DL, McDaniel KL, Moser VC, Herr DW (2014): Flöhe und Zecken bei Hund und Katze. DTBl. 3: 346–8 Use of electroencephalography (EEG) to assess CNS [3] Löscher W, Richter A, Potschka H, Hrsg. (2014): changes produced by pesticides with different modes Pharmakotherapie bei Haus – und Nutztieren. Enke, of action: effects of permethrin, deltamethrin, fipronil, Stuttgart imidacloprid, carbaryl, and triadimefon. Toxicol Appl [4] Beck CW (2000): Zur Wirksamkeit von Fipronil (Front- Pharmacol, pii: S0041-008X(14)00426-8. line) gegen Ektoparasiten: Anwendung gegen Läuse, [10] Dunn ST, Hedges L, Sampson KE, Lai Y, Mahabir S, Milben, Haar- und Federlingsbefall bei diversen Klein- Balogh L, Locuson CW (2011): Pharmacokinetic in- tieren. Tierärztl Umsch 55: 244–50 teraction of the antiparasitic agents ivermectin and [5] Frontline, Fachinformation in Form der Zusammenfassung der Merkmale des Tierarzneimittels [6] Plumb DC (2005): Veterinary Drug Handbook, 5th ed. Blackwell, Ames, S. 101 spinosad in dogs. Drug Metab Dispos 39(5): 789–95 [11] Brückner M, Schwedes CS (2012): Successful treatment of permethrin toxicosis in two cats with an intravenous lipid administration. Tierärztl Prax Ausg Kleintiere Heimtiere 40: 129–34 Informationen in Kürze Nebenwirkungen nach zu kalter i. m.-Injektion von Benzylpenicillin-­Procain beim Pferd Aktuell sind dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel­ sicherheit (BVL) schwerwiegende Fälle zu Nebenwirkungen nach Benzylpenicillin-Procain-Injektion bei Pferden berichtet worden. Kurz nach der intramuskulären Injektion von Benzylpenicillin-Procain zeigten die Pferde unkontrollierbares Verhalten mit Angst, Panik und Losstürmen, gefolgt von Exzitationen, Ataxie und Stürzen. Nach ca. 10 Minuten beruhigten sich die Pferde ohne Behandlung. Ein leichtes Zittern verblieb bei einem Pferd noch für ca. 6 bis 12 Stunden. Alle Pferde erholten sich komplett. Die beschriebenen Nebenwirkungen nach Verabreichung des Benzylpenicillin-Procain beruhen vermutlich auf einem Phänomen, das bekannt ist bei der Verabreichung von zu kühl gelagerten Arzneimitteln. In der tierärztlichen Praxis nimmt es der Tierarzt, der das Arzneimittel ordnungsgemäß im Kühlschrank lagert, kurz vor der Verabreichung aus dem Kühlschrank. Im Zuge der Behandlung wird das Arzneimittel sodann bei einer Temperatur von 2 bis 8 °C verabreicht. Bei winterlichen Temperaturen und einer Verabreichung außerhalb temperierter Räume kann die Temperatur des Arzneimittels jedoch niedrig gehalten oder sogar abgesenkt sein. Auf eine mögliche Nebenwirkung bei Pferden in der beschriebenen Art wird in den Packungsbeilagen von Benzylpenicillin-Procain hingewiesen. Bei den eingetretenen Reaktionen handelt es sich nicht um eine klassische anaphylaktische Reaktion, sondern sehr wahrscheinlich um vergleichbare Erscheinungen des sog. Hoigné-Syndroms, das bereits seit den 1950er Jahren für Menschen bekannt und in der Literatur beschrieben ist. Dabei gelangen Mikrokristalle versehentlich in venöse Strombahnen und können so als Mikroemboli kleinste Gehirn- und Lungengefäße verstopfen. Die Symptome wie Schwindel, Angstzustände und Halluzinationen dauern nur einige Minuten an; eine Therapie ist daher nicht angezeigt (Malota 1973; Meyer 1978; vgl. CliniPharm, Wirkstoffdaten, Penicillin G). Deshalb ist vor der Verabreichung darauf zu achten, dass das Tierarzneimittel nicht zu kühl injiziert wird und die zur Lagerung verwendeten Kühlschränke die entsprechende Temperatur aufweisen. Es reicht nach Erfahrung der pharmazeutischen Unternehmer aus, sehr kühl gelagerte oder im Winter außerhalb temperierter Räume verabreichte Tierarzneimittel vor der Injektion kurz in der Hand anzuwärmen. X. von Krueger, BVL 706 Deutsches Tierärzteblatt 5/2016 Keratitis nach topischer Anwendung von Carboanhydrasehemmer (CAH) zur Glaukombehandlung In einer Beobachtungsstudie an einer kleinen Zahl von Hunden wird das Auftreten von Keratitis nach der Behandlung mit Carboanhydrase­ hemmern (CAHs – Brinzolamid oder Dorzolamid) beschrieben. Die topische Anwendung von CAHs ist eine häufige Erstbehandlung beim Glaukom. CAHs sind Sulfonamide, die durch eine Senkung der Kammerwasserproduktion zu einer Senkung des Augeninnendrucks führen. Trotz der häufigen Anwendung in der Veterinärmedizin werden Nebenwir­kungen am Auge nur sehr selten beschrieben. Rötungen des Auges und Hornhautödeme werden vermutlich als klinische Anzeichen des Glaukoms gedeutet anstatt als Nebenwirkung des CAHs. In der Studie kommen die Autoren jedoch zu dem Fazit, dass aufgrund des Krankheitsverlaufs, der klinischen und histopathologischen Merkmale die beobachtete Keratitis punctata bei den Hunden durch eine Überempfindlichkeitsreaktion auf das CAH hervorgerufen wurde. Quelle: Beckwith-Cohen B, Bentley E, Gasper DJ, McLellan GJ, Dubielzig RR (2015): Keratitis in six dogs after topical treatment with carbonic anhydrase inhibitors for glaucoma. J Am Vet Med Assoc 247(12): 1419–26 Jahresbericht der Europäischen Arzneimittelagentur zur Veterinärpharmakovigilanz Der Veterinärmedizinische Ausschuss der Europäischen Arzneimittel­ agentur (EMA) hat in seiner Februarsitzung den Public Bulletin on Veterinary Pharmacovigilance for 2015 verabschiedet. Das Dokument beinhaltet zahlreiche Tabellen und Abbildungen zu den auf europäischer Ebene eingegangenen Meldungen zum Verdacht unerwünschter Arzneimittelnebenwirkungen. Ausführlich wird hierbei auf die Meldungen und Sicherheitsberichte zu den zentralisiert zugelassenen Arzneimitteln eingegangen. Der Bericht bietet außerdem einen Überblick über die in der Pharmacovigilance Working Party während des Jahres 2015 durchgeführten Aktivitäten und diskutierten Probleme. Das Dokument (EMA/CVMP/818155/2015) ist auf der EMA-Homepage zu finden (www.ema.europa.eu).