Elektrophysik - PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt

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Elektrophysik
Einige Bemerkungen zum Skript
Dieses Skript ist entstanden, weil Schulbücher für Lehrende geschrieben sind. Die Lernenden sollten in
den Büchern Basisinformationen finden, die einen roten Faden liefern und so ein richtiges Verständnis
aufbauen. Leider ist das nicht möglich, da immer noch überholte Darstellungen mit Fehlern verwendet
werden und Zusammenhänge für Lernende nicht oder nur schlecht erkennbar sind. Wenn Lernende in
Anwendungen Lösungen finden sollen, müssen sie aber auf diese Basis zurückgreifen können. Werden
Theorie und Anwendung in einen Topf geworfen, können die Lernenden nur Vermutungen äußern.
Dadurch entsteht eine Irritation; das vorhandene Interesse schwindet. Dies zeigt sich an Äußerungen von
Lernenden mit hohen Intelligenzquotienten. Leider hat sich die Lernkultur in unseren Schulen immer noch
nicht verändert. Die Lehrerenden haben die Macht (das Wissen) und nur durch sie kommen die Lernenden
zu einem Wissenszuwachs. Daran ändert sich auch nichts, wenn verschiedene Formen des Unterrichts
eingesetzt werden. Jeder Schüler/jede Schülerin lernt nun einmal anders und mit anderem Tempo.
Verstärkend kommt hinzu, dass die Lernenden falsche Informationen aus den Medien erhalten und
dadurch der Meinung sind, schon viel zu wissen. Dadurch wird das Chaos im Kopf nur noch größer. Hier ist
Ordnung zu schaffen!
Ich biete durch dieses Skript den Lernenden eine Möglichkeit, sich das Basiswissen anzueignen. Einige
Versuche können auch in der Freizeit zu Hause durchgeführt werden. Die dazu benötigten Messgeräte
können als Digitalgeräte billig erworben werden. Lampen und Batterien sind auch günstig zu bekommen.
Der Kurs ist in fünf große Kapitel aufgeteilt. Er beginnt im ersten Kapitel mit den Ladungsströmen, die mit
Wasserkreisläufen oder auch mit einem gleichmäßigen Transport von Sand über Förderbänder verglichen
werden können. Über die Potentiale im zweiten Kapitel werden die Spannungen (Potentialgefälle)
eingeführt. Anhand der Potentiale und der Ladungsstromstärken können erst sinnvoll der Energiestrom und
die Energiestromstärke im dritten Kapitel eingeführt werden, da sonst die Energie latent und nicht konkret
definiert wird. Im vierten Kapitel wird der Widerstand unter die Lupe genommen. Der ohmsche Widerstand
existiert nur im Labor und wird hier daher nur erwähnt. Er spielt in der Anwendung keine Rolle. Wichtig sind
die Kennlinien einiger Bauelemente der Elektrotechnik und Elektronik.
Den
Abschluss
des
Kurses
bildet
die
Anwendung
der
kirchhoffschen
Regeln
und
des
Überlagerungsprinzips im fünften Kapitel. Hierzu müssen die Lernenden bereits eine gewisse Reife
besitzen, also im 9. oder 10. Lernjahr sein. Dies gilt insbesondere für das Lösen mit linearen inhomogenen
Gleichungssystemen.
In der Oberstufe können Ströme durch Kodifferentialformen beschrieben werden, da Ströme in der
mathematischen Beschreibung von der gewählten Orientierung abhängen.
Ich wünsche allen Lernenden gutes Gelingen, Spaß am Lernen und dadurch hoffentlich Äußerungen in den
Medien als falsch entlarven zu können. Bedenke doch: Wissen ist, was ich selbst überprüft habe, alles
andere ist Glauben und „Gottvertrauen“!
Bünde, den 01.06.2005
Durch die Einführung des neunjährigen Abiturs haben sich die Bücher verbessert. Leider kann aber noch nicht
von Stoff losgelassen werden. Sie sind immer noch hoffnungslos überladen, so dass die Lernenden schwer
den „roten Faden“ finden. Profundes Wissen ist besser als virtuelles Allwissen! Weniger ist manchmal mehr!
In dieser Überarbeitung sind die ersten beiden Kapitel aus didaktischen Gründen getauscht worden. Darüber
hinaus wird ein neues Modell des elektrischen Feldes für metallische Leiter benutzt.
Bünde, den 20.09.2009
Dr. Gert Hillebrandt
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
1
Elektrophysik
Inhaltsverzeichnis
1.
Das elektrische Potential
3
1.1
Reibungselektrizität
3
1.2
Elektrische Eigenschaften der Atome
4
1.3
Das Wassermolekül
4
1.4
Das Kupferatom
5
1.5
Atomgitteraufbau eines Metalls
5
1.6
Das Elektroskop
6
1.7
Alessandro Volta, der Namensgeber der Potentialeinheit
10
1.8
Das elektrische Feld eines Leiters
10
1.9
Batterieschaltungen
11
1.10 Messen von Potentialen
12
1.11 Der Vorteil des Potentials
13
1.12 Der Potentialnullpunkt
13
1.13 Aufgaben
15
1.14 Die elektrischen Potentiale der elektrochemischen Spannungsreihe
15
1.15 Elektrotechnische Probleme
17
1.16 Weitere Übungen
17
1.17 Die Maschenregel
18
2.
Die Ladungsstromstärke
19
2.1
Definition der Ladungsstromstärke
19
2.2
Charles Augustin de Coulomb, der Namensgeber der Ladungsmengeneinheit
19
2.3
Oersted-Versuch
20
2.4
André-Marie Ampère, der Namensgeber der Stromstärkeeinheit
20
2.5
Der elektrische Stromkreis
21
2.6
Die Verzweigungsregel (Knotenpunktregel)
22
2.7
Aufgaben
23
2.8
Spannung und Stromstärke
23
3.
Die Energiestromstärke und die Energie
24
3.1
Arbeitsbeispiel
24
4.
Der elektrische Widerstand
26
4.1.
Widerstand im Metallgitter
26
4.2.
Praktische Bestimmung des elektrischen Widerstandes
26
4.3
Das ohmsches Gesetz
29
4.4
Georg Simon Ohm, der Namensgeber der Widerstandseinheit
29
4.5
Definition des dynamischen Widerstandes
30
4.6
Spezifischer Widerstand und elektrische Leitfähigkeit
30
4.7
Aufgaben
31
5.
Berechnung elektrischer Netzwerke
33
5.1
Ein Arbeitsbeispiel
33
5.2
Das Überlagerungsprinzip in der Elektrotechnik
34
5.3
Berechnung mit den Kirchhoffschen Gesetzen
35
5.5
Der stationäre Stromkreis (Zusammenfassung)
40
5.6
Arbeitsblätter zu den Versuchen
44
5.4
Berechnung einer Sternschaltung
37
2
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Elektrophysik
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
3
Elektrophysik
1. Das elektrische Potential
1.1
Reibungselektrizität
Beginnen wir mit einigen Versuchen. Dazu benötigen wir:
Ein Baumwolltuch, ein Fellstück, einen PVC-Stab, einen Glasstab, zwei Luftballons, Plastikstreifen aus
einer Folie geschnitten, zwei Schreibfolien und ein Elektroskop.
Erstes Experiment
Der mit dem Fell geriebenen PVC-Stab wird an einen schwachen Wasserstrahl gehalten. Ebenso verfahren
wir mit dem mit Wolle geriebenem Glasstab.
Beobachtung: In beiden Fällen wird der Wasserstrahl zum Stab abgelenkt.
Zweites Experiment
Wir bewegen den mit dem Fell geriebenen PVC-Stab „blitzartig“ über den Kopf des Elektroskops. Dabei
halten wir genügend Abstand zum Kopf ein.
Beobachtung: Der Zeiger schlägt unmittelbar aus und geht sofort wieder in seine Ausgangsstellung zurück.
Diese Beobachtung machen wir auch, wenn wir einen Plastikstreifen oder Aluminiumfolie über einen
langen gespannten dünnen Faden legen. Die Wirkung ist allerdings schwächer, da wir keinen verstärkenden
Kopf wie beim Elektroskop haben.
Drittes Experiment
Nun berühren wir den Kopf des Elektroskops mit dem PVC-Stab, der zuvor mit dem Fell gerieben wurde.
Beobachtung: Der Ausschlag des Zeigers bleibt nun erhalten.
Legen wir anschließend das Fell auf den Kopf des Elektroskops, so geht der Zeiger in die Nullstellung
zurück.
Viertes Experiment
Wir reiben den Glasstab mit dem Wolltuch und führen ihn über den Kopf des noch ausgeschlagenen
Elektroskops ohne den Kopf zu berühren.
Beobachtung: Der Ausschlag geht deutlich zurück. Entfernen wir den Glasstab, so kehrt der Zeiger in
seine ursprüngliche Stellung zurück.
Berühren wir den Kopf, so geht der Zeigerausschlag in die Nullstellung zurück.
Fünftes Experiment
Wir blasen die Luftballons auf und binden je einen dünnen Faden (ca. 75 cm lang) an das verknotete Ende.
Wir fassen die Enden der Fäden und lassen die Luftballons hängen. Sie befinden sich dicht beieinander und
berühren sich. Nun reiben wir beide mit dem Wolltuch und lassen sie wieder nebeneinander hängen.
Beobachtung: Sie mögen sich nun nicht mehr. Etwas Unsichtbares hält sie auseinander. Sie stoßen sich ab.
Sechstes Experiment
Wir legen die Folien aufeinander. Sie können gegeneinander verschoben werden ohne aneinander zu
haften.
Wir reiben die aufeinander liegenden Folien mit dem Fellstück.
Beobachtung: Sie haften aneinander, auch wenn wir sie hochheben und versuchen die Folien auseinander
zu ziehen. Nachdem wir sie getrennt haben, wollen sie wieder zusammen kommen. Sie ziehen sich
gegenseitig an.
Jeder kann weitere Experimente nach Belieben fortsetzen.
Zum Beispiel eine geriebene Folie an die Haare halten. Einen geriebenen Luftballon an die Zimmerdecke
hängen. Mit der geriebenen Folie einen geriebenen Luftballon schweben lassen.
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Elektrophysik
1.2
Elektrische Eigenschaften der Atome
Information
Erstes Wissen über elektrische Erscheinungen reicht schon mehrere
Jahrtausende zurück. Die Ägypter, Babylonier und Griechen wussten
bereits, dass Bernstein durch Reiben in einen besonderen Zustand
versetzt wird, in dem Bernstein Wollfäden, Haare usw. anzieht. Das
griechische Wort für Bernstein lautet Elektron. Davon abgeleitet haben
wir heute die Begriffe Elektron und Elektrizität. Anstatt von Elektronen
sprechen wir gleich allgemein von Ladungen.
Hülle
Kern
Bild 1: Prinzipieller Atomaufbau
Bild 2: Elektronen um den Kern
(frühere Vorstellung)
Um eine sinnvolle und rationelle Nutzung von Energie zu ermöglichen,
sind Basiskenntnisse über die elektrischen Erscheinungen notwendig. Wir
müssen zum Wesen der Elektrizität vordringen und die gesetzmäßigen
Zusammenhänge, die Ursachen und Wirkungen des „elektrischen
Potentials“ und des „elektrischen Stromes“ untersuchen.
Den Atomaufbau kann man sich vereinfacht anhand von Modellen
vorstellen. Wir stellen uns den Aufenthaltsort der Elektronen verschmiert
um den Atomkern als Wolke vor, da nicht angegeben werden kann, wo
sie „leben“. (Bild 1)
Der Atomkern hat den größten Masseanteil am Atom. Er besteht aus
Protonen und Neutronen. In der Atomhülle bewegen sich die Elektronen
in gewissen Orbitalen. (Bild 2) Die Masse der Elektronen ist gering, etwa
1/1800 der Masse des Protons.
Bei tiefergehenden Experimenten (Atomphysik) stellen wir fest, dass die
Wolke sogar aus Unterwolken (Schalen) besteht. Die äußere Schale, die
für chemische Verbindungen maßgeblich ist, heißt daher Valenzschale.
Sie gibt die Wertigkeit der möglichen Verbindungen an. Nur aus der
Valenzschale lassen sich leicht, z. B. durch Erhitzen, Elektronen lösen.
Betrachten wir noch einmal unsere Experimente.
Unser 4. Experiment zeigt einen deutlichen Unterschied zwischen den beiden geriebenen Stäben. Trotzdem
zeigt das 1. Experiment keinen Unterschied. Es muss daher einen Unterschied in den Materialien Wasser
und Metall geben.
Wir müssen uns folglich den Aufbau von Wasser und Metall genauer anschauen.
1.3 Das Wassermolekül
Wasser besteht aus Molekülen. Ein Molekül Wasser, chemisch H 2O , besteht aus einem Teil Sauerstoff O
und zwei Teilen Wasserstoff 2H. Das Wasserstoffatom lagert sein Elektron so an das Sauerstoffatom an,
dass eine minimale energetische Energie dafür nötig ist, um eine „Freundschaft“ einzugehen, aber
gleichzeitig ein maximaler Zusammenhalt gewährleistet wird.
H
H
O
Wassermolekül
Die Kerne befinden etwa an den Buchstaben. In den gelben Bereichen sich je ein Wasserstoffelektron.
Wir können daher schließen, dass eine Ladungsverschiebung der Elektronen zum Wasserstoffatom
stattgefunden hat. Folglich ist das Molekül an den Wasserstoffatomen ehr positiv, am Sauerstoff ehr
negativ. Das Molekül besitzt damit zwei Pole. Wir bezeichnen diese Eigenschaft als Dipol.
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
5
Elektrophysik
H
+
+
H
O
⇒
–
–
Wassermolekül
Dipol
Einen Dipol stellen wir in Kurzform wie rechts gezeichnet dar.
Hinweis: Ein Molekül wurde früher als ein Molekel bezeichnet.
Auch in Gasen und anderen Flüssigkeiten verbinden sich zwei oder mehrere Atome zu einem Molekül.
Einige Moleküle können mehr oder weniger Elektronen haben, als es der Summe der Protonen in den
Atomkernen entspricht. Es ist dann elektrisch nicht neutral. Positiv bzw. negativ geladene Moleküle
werden als Ionen bezeichnet.
Betrachten wir nun Kupfer, ein wichtiges exemplarisches Beispiel eines Metalls.
1.4 Das Kupferatom
Als nützlich zeigt sich das bohrsche Atommodell (ein sehr idealisiertes Modell), benannt nach dem
Dänischen Physiker Niels Henrik David Bohr, 1885-1962.
Prinzipieller Aufbau
eines Kupferatoms
Zählmodell
Stellvertretend für metallische Leiter soll das Kupferatom näher
beschrieben werden, da Kupfer eine wichtige Rolle in der Elektrotechnik
spielt.
Der Kern eines Kupferatoms enthält 29 Protonen und 34 Neutronen. Die 29
Elektronen bewegen sich in verschiedenen Schalen um den Kern. Auf der
inneren Schale (geringster Abstand zum Kern) sind es 2 Elektronen, auf
der zweiten Schale 8, der dritten 18 und der Valenzschale 1. Nur diese
können sich bei Zimmertemperatur aus der Wolke lösen und werden dann
Leitungselektronen genannt. Im Metall im Mittel 1,5 Elektronen. Die
Leitungselektronen werden auch als Elektronengas bezeichnet. Das Kupfer
zeigt noch eine besondere Eigenschaft. Bevor das 18. Elektron die dritte
Schale besetzt, werden erst zwei Elektronen aus energetischen Gründen in
die Valenzschale integriert.
In festen Verbindungen bauen sich die Metallatome zu einem Gitter zusammen.
1.5 Atomgitteraufbau eines Metalls
Wie auch Kupfer besitzen Gold, Silber, Nickel, Aluminium, Blei und γ-Eisen ein kubisch flächenzentriertes
Gitter. Da Leitungselektronen vorhanden sind, bleiben positive Ionen zurück. Das linke Bild stellt eine
sogenannte Elementarzelle dar. Jedes Eckion gehört zu 8 Elementarzellen (rechtes Bild, mittleres Ion) und
jedes Flächenion zu 2 Elementarzellen. In der Elementarzelle wird folglich jedes Eckion 18 und jedes
Flächenion 12 gezählt. Dies liefert 8 ⋅ 18 + 6 ⋅ 12 = 1 + 3 . Also besteht jede Elementarzelle aus 4 Ionen.
●
●
●
Kubisch
flächenzentriertes
Gitter
Mikrofotografie
von Kupfer
Metallgitter
Wie sich die Elektronen genau durch das Gitter bewegen, ist nicht bekannt. Es kann sich vermutlich nur
von Wolke zu Wolke oder auch an den Wolken vorbei in sogenannten Schläuchen bewegen. Die mittlere
km
Geschwindigkeit (Thermo- oder Fermigeschwindigkeit) beträgt zwischen 900 km
s bis 1600 s .
6
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
Elektrophysik
1.6
Das Elektroskop
Mit Hilfe des Elektroskops soll ein mögliches Modell für das elektrische Potential und die
Stromstärke in Metallen erstellt werden.
Aufbau eines Elektroskops
Kopf
Isolierung
Stange
Gehäuse
Zeiger
Fuß
Kopf, Stange und Zeiger sind metallisch leitend
untereinander verbunden. Durch eine Isolierung
sind sie vom Gehäuse und Fuß leitend getrennt.
Kommen wir zurück zu den Versuchen.
Um die beiden geriebenen Stäbe muss sich etwas befinden, um die Dipole der Moleküle, die Metallionen
und die Leitungselektronen beeinflussen zu können. Umgekehrt müssen die Dipole der Moleküle, die
Metallionen sowie die Leitungselektronen dieselbe Eigenart haben, damit sie auf die Stäbe reagieren.
Nennen wir dieses unsichtbare Etwas ein Elektrisches Feld.
Merke: Elektrische Felder üben auf andere elektrische Felder oder Ladungen Kräfte aus.
Durch Reiben der Stäbe wird dieses elektrische Feld aktiviert. Wird der Stab nur durch eine Wärmequelle
erhitzt, so beobachten wir kein elektrisches Feld. Zwischen den reibenden Materialien wird folglich etwas
ausgetauscht. Atome gehören sicher nicht dazu. Bleiben nur die Valenzelektronen.
Sowohl die Elektronen als auch die Protonen enthalten eine bestimmte Menge Elektrizität. Diese
Elektrizitätsmenge nennt man elektrische Elementarladung. Da die Ladungsarten der Protonen und
Elektronen unterschiedlich sind, bezeichnet man die Ladung der Protonen als positive elektrische
Elementarladung und die der Elektronen als negative elektrische Elementarladung. Die Neutronen
(Klebstoff des Kerns) haben keine elektrische Ladung, sie sind elektrisch neutral. Jedes Atom hat im Kern
genau so viele Protonen wie Elektronen in der Schale. Daher sind die Atome elektrisch neutral.
Vergleichen wir mit einem magnetischen Feld.
Magnetische Felder zeigen eine Anziehung und auch eine Abstoßung ohne Berührungen. Eine solche
Eigenschaft sehen wir auch in unseren Versuchen.
Die Richtung des Magnetfeldes wird durch einen Mikrokompass im Feld festgelegt. Die Spitze des
Nordpols bestimmt dann die Richtung.
Übertragen wir diese Festlegung auf das elektrische Feld.
Das Wassermolekül hat ein elektrisches Feld, kurz E-Feld.
+
–
Elektrisches Feld
eines Dipols
Stellt sich nun die Frage, wodurch das elektrische Feld des Stabes verursacht wird.
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
7
Elektrophysik
Durch Reiben des PVC-Stabes mit dem Fell werden Elektronen aus den Haaren des Fells gelöst und auf
den Stab übertragen. Er ist jetzt negativ geladen. Das Feld ist radialsymmetrisch um den Stab angeordnet,
wenn wir von Stabende absehen. Dort ist es igelförmig.
–
– ––
– –
–
Radialsymmetrisches
Feld
Wir definieren:
Die Richtung des elektrischen Feldes wird von der positiven Ladung zu der negativen
Ladung zeigend festgelegt. Kurz: Von Plus nach Minus.
Elektrische Felder verhalten sich wie magnetische Felder. Gleiche Pole stoßen sich ab, ungleiche Pole stoßen sich
ab. Bei elektrischen Feldern sagen wir: Gleichnamige Ladungen stoßen sich ab, ungleichnamige Ladungen ziehen
sich an (Bild 3). Gleichnamige Ladungen werden nun durch Felder gleicher Richtung und ungleichnamige
Ladungen durch Felder ungleicher Richtung ersetzt!
–
–
+
+
–
+
Bild 3: Gleichnamige Ladungen stoßen sich
ab, ungleichnamige ziehen sich an.
Der Vergleich mit Bernstein zeigt, das der PVC-Stab negativ und der Glasstab positiv geladen ist.
Deuten wir nun das 1. Experiment.
Wassermoleküle sind leicht beweglich. Ihr winziges elektrisches Dipolfeld richtet sich im elektrischen Feld
des geriebenen Stabes so aus, dass das Molekül immer angezogen wird.
–
+
–
– ––
– –
–
Zum 2. Experiment
Kommt der geladene PVC-Stab in die Nähe des Kopfes des Elektroskops, so erkennen wir einen heftigen
Ausschlag des Zeigers. Nun könnten wir annehmen, dass die Leitungselektronen schlagartig nach unten
verschoben werden. Das ist aber nicht so, da die Elektronendriftgeschwindigkeit nur im Nanometerbereich pro Sekunde liegt. Die Ursache des Ausschlages erklären wir daher anders.
Nehmen wir das Wassermolekül als Vorbild.
Durch das elektrische Feld des PVC-Stabes werden Elektronen in der Wolke des Ions des Metallatoms
verschoben. Es entsteht ein Dipol. Dies können wir nur für die Oberflächenionen behaupten. Wir sagen,
dass das Ion polarisiert ist.
+••
•
•
• ••–
•
•
•
•
Polarisiertes Atom
Dipol
8
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
Elektrophysik
In der Nähe des Elektroskops, wechselwirkt das Feld des PVC-Stabes mit den positiven Ionen des Metalls.
Das E-Feld des Stabes wird verbogen, die Oberflächenionen polarisieren. Durch die Polarisierung der
Oberflächenionen entsteht ein eigenständiges E-Feld um den Leiter, das sich mit Lichtgeschwindigkeit
ausbreitet und alle Ionen gleich ausrichtet. Nach der Polarisierung kann das elektrische Feld des PVCStabes nun nicht mehr tief in den metallischen Leiter eindringen. Das Innere des Metalls bleibt somit
feldfrei.
– –– –––
–––
– –– –– –– –– –
+– +–+
– + –+ –
Die Polarisationen der
Ionen des Elektroskops
sind durch ± -Zeichen
dargestellt.
++
– –
+
+– +
+– + – –
+
+––++
–
–
+–– +
–
+ ++–
–
+
+ + –+ –
– – –+
+ + +– –
– –
++
– –
1
1
1
1
1
1
1
1
Zwei Dipolpaare stoßen sich ab.
2. Experiment
Die Elementardipole der einzelnen Ionen bilden zusammen einen großen Dipol.
Zum 3. Experiment
Durch die Annäherung des negativ geladenen PVC-Stabes an den Kopf des Elektroskops werden nun
zusätzlich Leitungselektronen aus der Oberfläche des Kopfes einige Nanometer in die unteren Schichten
verdrängt. Dadurch entsteht eine von Leitungselektronen freie Zone. Diese Zone ist positiv geladen, da sie
nur aus positiven Ionen besteht. Die überschüssigen Elektronen des Stabes können leicht in diesen Bereich
eindringen, um ihn zu neutralisieren. Sie nehmen dort sofort die Fermigeschwindigkeit an.
Entfernen wir den Stab, so ist das Elektroskop mit Elektronen negativ überladen. Sie erhalten die
Polarisation der Oberflächenionen und damit das elektrische Feld.
Zum 4. Experiment
Dieses Experiment bestätigt die Richtungsumkehrung des elektrischen Feldes des positiv geladenen
Glasstabes. Es hebt die Polarisation auf. Die eingelagerten Elektronen werden wieder entfernt.
Zum 5. Experiment
Beide Luftballons sind gleich geladen. Deshalb stoßen sie sich ab.
Zum 6. Experiment
Diesen Vorgang nennt man Influenz1 oder elektrostatische Induktion2. Durch Reiben der PVC-Folie
werden Elektronen vom Fell auf die Folie übertragen. Das elektrische Feld der Elektronen durchdringt die
Folie und polarisiert die Atome. Die Dipolfelder stehen sich insbesondere an den Berührstellen gegenüber.
Trennen wir die Folien, so werden Elektronen aus den Valenzschalen der Oberflächenatome aus der
unteren Folie mitgerissen. Die obere Folie ist nun negativ, die untere positiv geladen. Sie ziehen sich
folglich an. Halten wir eine Glimmlampe an die obere Folie, egal welche Seite, so leuchtet die zur Folie
zeigende Seite auf. An der unteren Folie die andere Seite der Glimmlampe auf. Dies zeigt noch einmal die
verschiedenen Ladungen bzw. Polungen.
Zusammenfassung der Felder
–
Elektrisches Dipolfeld eines Wassermoleküls, stilisiert dargestellt
1
2
Elektrisches Feld eines Elektrons
influere: lat. hineinfließen, beeinflussen, Einfluss
inducere: lat. hineinführen
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
9
Elektrophysik
Erkenntnis für Metalle
Durch ein elektrisches Feld werden Metallatome an der Oberfläche polarisiert. Sie bilden Dipole.
Leitungselektronen (Ladungen) können durch ein starkes auf die Oberfläche einwirkendes E-Feld
einige Nanometer im Rand des Metalls verschoben werden.
Ist das Feld durch negative Ladungen (Elektronenüberschuss) induziert, so entsteht eine von Leitungselektronen freie Zone aus positiven Ionen im Nanobereich des Randes. Bei Kontakt mit einem negativ
geladenen Körper dringen Elektronen in diese Zone ein, um diese Zone zu neutralisieren. Die
eingedrungenen Elektronen nehmen sofort die Fermigeschwindigkeit an und sind gleichmäßig im
Metall verteilt. Sie erhalten die Polarisierung der Oberflächenionen.
Wird das E-Feld durch positive Ladungen (Elektronenmangel) induziert, so entsteht eine von Leitungselektronen überladene Zone im Nanobereich des Randes. Bei Kontakt mit einem positiv geladenen
Körper können Elektronen aus dieser Zone den positiv geladenen Körper ausgleichen und
neutralisieren. Nach Entfernen des Körpers besitzt das Metall einen Elektronenmangel. Die restlichen
Leitungselektronen verteilen sich wieder gleichmäßig im Metall. Sie erhalten die Polarisierung der
Oberflächenionen.
Bemerkung
Ich betone an dieser Stelle noch einmal, dass ich ein Modell erstelle, um wesendliche Eigenschaften erklären zu
können. Beim Einbringen eines „Körpers“ in ein elektrisches Feld tritt sofort eine Wechselwirkung zwischen
elektrischem Feld und Körpers ein. Daher ist es schwierig, das tatsächliche Feld zu bestimmen. Natürlich wird
versucht, aus verschiedenen geometrischen Körpern und deren Wechselwirkungen rückwärts theoretisch auf das
tatsächliche Feld zu schließen, von dem wir theoretisch annehmen, dass es auch vorhanden ist, wenn keine Wirkung
gemessen wird. Meiner Meinung nach ist das Feld nichts anderes als eine Ausrichtung des Äthers oder der noch
nicht messbaren Teilchen oder der Schwingungen des Raumes.
Ich weise außerdem darauf hin, dass sich mein Modell von den bisherigen Modellen für Metalle unterscheidet. Wie
sich ein Ion im Metall bei der Polarisation genau verhält, liegt noch im Verborgenen. Anzunehmen ist meines
Erachtens, dass sich die Ionen wie winzige Kompasse zusammenschließen. Dadurch kommt die metallische
Verbindung zustande. Die Leitungselektronen haben die Aufgabe den Leiter elektrisch neutral erscheinen zu lassen.
Innere Potentialgefälle geben hier den Ton an. Zu klären bleiben natürlich noch die unterschiedlichen magnetischen
Reaktionen der metallischen Leiter.
In den anderen Modellen wird angenommen, dass sich die Leitungselektronen in den Metallen „sehr schnell“ vom
Kopf nach unten in Stange und Zeiger gedrückt oder nach oben in den Kopf „gesaugt“ werden, wenn sich ein
elektrisches Feld nähert. Dazu müsste das elektrische Feld in das Metall eindringen und alle Leitungselektronen
gleichzeitig in Bewegung setzen. Das kann aus anderen Überlegungen ausgeschlossen werden. Bleibt nur die
abstoßende Wirkung der Leitungselektronen aufeinander. Dies ist jedoch auch nicht möglich, wechselwirkt doch jedes
Leitungselektron auch mit den positiven Ionen des Gitters, so dass hier eine gewisse Abschirmung vorhanden ist.
Bedenken wir doch, dass nach der gängigen Theorie im Mittel die Geschwindigkeit der Elektronen um den Kern bei
5 % der Lichtgeschwindigkeit und die Fermigeschwindigkeit der Leitungselektronen bei 0,5 % der Lichtgeschwindigkeit liegt.
Die Elektronendriftgeschwindigkeit (Stromstärke) liegt nach der derzeitigen Theorie bei ca.
mm
0, 000 001 mm
s bis 0, 01 s , abhängig von dem Potentialgefälle des Leiters (Zwangsbedingung).
Zur Beschreibung weiterer Wirkungen erweisen sich einige Festlegungen als nützlich.
Definition
Stellen, an denen elektrische Feldlinien beginnen oder enden heißen elektrische Potentiale. Eine positive
Ladung hat ein hohes elektrisches Potential. Eine negative Ladung hat ein niedriges elektrisches
Potential. Als Symbol für das elektrische Potential wird der kleine griechische Buchstabe ϕ - gesprochen
Phi - verwendet.
Das Potentialgefälle ϕhoch – ϕniedrig heißt elektrische Spannung. Als Symbol der Spannung wird der
lateinische Buchstabe U verwendet. Die Einheit des elektrischen Potentials ist das Volt. Sie ist nach dem
Italiener Alessandro Volta benannt worden. Es gilt folglich
[ϕ] = 1 V.
Merke: Die Spannung ist immer positiv.
10
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
Elektrophysik
1.7
Alessandro Volta
Der SI-Einheit des elektrischen Potentials und der elektrischen Spannung wurde zu Ehren des italienischen Physikers
Alessandro Volta (Bild links) den Namen Volt gegeben. Volta wurde am 18. 2. 1745 in Como/Norditalien geboren.
Nach seinem Studium wurde er Physik-Professor und lehrte von 1774 bis 1778 in seinem Geburtsort Como,
anschließend ab 1779 dann in Pavia. Im Jahre 1786 beobachtete der italienische Anatomie- und Medizin-Professor
Luigi Aloysius Galvani (1737 bis 1798) beim Experimentieren mit Froschschenkeln seltsame Erscheinungen. Sobald
er einen Froschschenkel, der an einem Eisengitter hing, mit einem Seziermesser berührte, stellte er
Muskelkontraktionen fest. Galvani veröffentlichte 1791 mit der Schrift „De viribus electricitatis in motu musculari“
seine interessanten Beobachtungen. Jedoch kam er zu der nicht richtigen Erkenntnis, dass es sich um „tierische
Elektrizität“ handele. Erst Alessandro Volta, ein Landsmann von Luigi Galvani, fand für das Auftreten der „tierischen
Elektrizität“ die richtige Erklärung und prägte für die Erscheinung den Begriff „Galvanismus“. Volta erkannte, dass
zwischen zwei verschiedenen Metallen, die sich in einer stromleitenden Flüssigkeit befinden, eine elektrische
Spannung entsteht. Er entwickelte im Jahre 1799 das erste galvanische Element und baute eine aus mehreren
Elementen bestehende Spannungsquelle, die als „Volta-Säule“ bezeichnet wurde. Mit der „Volta-Säule“ bekam die
Menschheit ihre erste elektrische Spannungsquelle, die größere Ströme liefern konnte. Das Experimentieren mit der
Elektrizität wurde dadurch wesentlich vereinfacht. Am 20. 3. 1800 berichtete Alessandro Volta in einem Brief an den
Präsidenten der Royal Society in London erstmals über seine erfundene elektrochemische Spannungsquelle, und am
21. 11. 1801 demonstrierte er seine „Volta-Säule“ dem französischen Ersten Konsul General Napoleon Bonaparte.
Auf dieses Ereignis ließ Napoleon eine Medaille schlagen. Als Napoleon Kaiser war, erhob er Volta in den
Grafenstand. Alessandro Graf Volta starb am 5. 3.1827 im 83. Lebensjahr in seinem Geburtsort Como/Norditalien.
Seit 1978 wissen wir jedoch, dass Volta nicht die Spannungsquelle erfunden hat. Im Jahre 1936 wurde in der Nähe
von Bagdad eine 2000 Jahre alte Spannungsquelle ausgegraben. Sie liefert heute noch 0,5 V.
Es gibt auch Geräte, die Potentialgefälle liefern. Einige sind uns längst aus dem Alltag bekannt.
Die Batterie (Ladungspumpe), der Fahrraddynamo, das Piezokristall und das Thermoelement.
1.8
Das elektrische Feld eines Leiters
Versuch: Potentialgefälle längs eines Leiters
Wir schließen einen Leiter aus Konstantan (54 % Cu, 45 % Ni, 1 % Mn) der Länge 1 m an ein Netzgerät.
4V =
Versuchsskizze
○
0V
0m •
Netzgerät
○
ℓ
• 4V
Konstantanleiter
Schleifkontakt
V
1m
ϕ (ℓ)
Voltmeter
Durchführung
Das Netzgerät liefert uns eine konstante Spannung von 4 V . Mittels eines Voltmeters wird längs des
Leiters das Potential abgegriffen. Die gemessenen Daten werden in eine Messwertetabelle eingetragen.
Länge in cm 0 5 15 30 35 45 50 55 65 75 80 90 95 100
Potential in V 0 0,2 0,6 1,2 1,4 1,8 2,0 2,2 2,6 3,0 3,2 3,6 3,8 4,0
Erhöhen wir die Spannung, so beobachten wir eine Abnahme des Potentialgefälles. Der Leiter hat
während der Messung seine Temperatur verändert. Die Temperatur ist gestiegen.
Auswertung
Bei konstanter Temperatur ist das Potential direkt proportional zur abgegriffenen Leiterlänge.
Formel
4 V ⋅ ℓ, 0 cm ≤ ℓ ≤ 100 cm
ϕ (ℓ ) = 100
cm
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
11
Elektrophysik
Allgemein
ϕ (ℓ ) =
ϕℓ
0
ℓ0 ⋅ ℓ
Hierbei ist ϕ ℓ 0 das Potentialgefälle der gesamten Leiterlänge bezogen auf 0 V (Erde) und ℓ 0 ist die
gesamte Leiterlänge. ϕ (ℓ ) ist das Potentialgefälle über der Leitung der Länge ℓ .
Bemerkung
V auf. Dies ist die Einheit der elektrischen
In der ersten Formel tritt im Quotienten die Einheit cm
Feldstärke.
Der aufmerksame Leser stellt sich natürlich sofort die Frage, ob um den Leiter ein elektrisches Feld
vorhanden ist.
Dies ist tatsächlich so, wie folgende Bilder3 zeigen.
Die eingespeiste Spannung beträgt zwischen 20 und 40 kV .
Elektrische Feldlinien eines
stromdurchflossenen Leiters
Elektrische Feldlinien eines
stromdurchflossenen Leiters
zu einem Bügel gebogen
Elektrische Feldlinien des
Bügels im Querschnitt
Damit kein Kurzschluss entsteht, ist hier graphitiertes Papier verwendet worden.
Interpretation der Bilder im Modell.
Im ersten Bild zeigt sich in der Tat ein elektrisches Feld wie es unser Modell beschreibt. Die Einzelfelder
überlagern sich zu einem neuen Gesamtfeld. Wird nun der Leiter zu einem U gebogen, so wechselwirken
die beiden gegenüberstehenden Leiter. Die Oberflächendipole drehen sich zueinander. Im dritten Bild
verhält sich der Querschnitt wie ein Dipol.
+
–
+
+
– +
–
+
– +
– +
– +
–
– +
–
+
–
–
– +
– +
– +
– +
– +
+
Dipolketten beim
U-Leiter
Dipolkette eines
Leiters
Fazit: Unser Modell beschreibt den Sachverhalt richtig!
1.9
Batterieschaltungen
Das Schaltsymbol einer Batterie
+ −
ist uns schon geläufig. Das Pluszeichen bezeichnet
das hohe, das Minuszeichen das niedrige Potential. Neu kommt jetzt die Spannung hinzu. Sie wird durch
3
Bergmann-Schäfer, von H. Gobrecht Lehrbuch der Experimentalphysik, Band II, Elektrizität und Magnetismus, 6. Auflage;
de Gruyter 1971
12
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
Elektrophysik
einen Pfeil und dem Zahlenwert symbolisiert. Dabei zeigt der Pfeil immer vom hohen zum niedrigen
Potential. Die +,− entfallen.
4,5 V
Aufgabe: Untersuche folgende Batterieschaltungen auf Ihre Spannungen. Alle Batterien sind gleich
gebaut.
4,5 V
a)
b)
4,5 V
●
●
4,5 V
4,5 V
a) In dieser Schaltung sind zwei Batterien hintereinander geschaltet. Insgesamt ergibt dies eine Spannung
von 4,5V + 4,5V = 9 V .
b) In dieser Schaltung sind zwei Batterien parallel geschaltet. Das Potentialgefälle ist folglich gleich.
Aus beiden Schaltungen kann die gleiche Energiemenge entnommen werden.
1.10 Messen von Potentialen
Die Potentialdifferenz einer Batterie kann man leicht messen. Dazu braucht man ein Voltmeter. Ein
Voltmeter hat wie das Amperemeter zwei Anschlüsse. Um die Potentialdifferenz zwischen zwei Punkten
zu messen, verbindet man die beiden Punkte mit den Anschlüsse des Voltmeters. Die Leitung wird nicht
unzerbrochen. Stellen, die mit einem Kabel miteinander verbunden sind, befinden sich auf demselben
Potential. Die vier Voltmeter links zeigen daher alle dieselbe Spannung an. Voltmeter messen wie
Amperemeter das magnetische Feld, sind also auch Amperemeter. Der Unterschied besteht darin, dass ein
winziger Strom abgezweigt wird. Er sollte im Mikroamperebereich liegen. Geeicht wird es durch die
elektrochemische Spannungsreihe.
Messen der elektrischen Spannung
V
Schaltzeichen
Wie aber werden Potentiale in einer Schaltung gemessen?
In der rechten Schaltung sollen alle Potentiale gemessen werden. Dazu benötigen
wir einen Bezugspunkt, das sogenannte Nullpotential. Legen wir das niedrige
Potential der Batterie für einen Moment als Nullpotential fest. Das Schaltzeichen
hierfür ist . Dieses Zeichen steht immer für 0 V. In dieser Schaltung finden wir
vier weitere Potentiale, die durch einen blauen dicken Punkt gekennzeichnet
sind. Also sind vier Messungen durchzuführen.
V
•
V
V
V
Jetzt sind alle Potentiale bekannt und die Potentialgefälle über den Geräten (Lampen) können ausgerechnet
werden, falls sie benötigt werden.
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
13
Elektrophysik
1.11 Der Vorteil des Potentials
In den beiden folgenden Bildern sehen wir eine Platine mit gedruckter Schaltung. Im linken Bild erkennt
man hellglänzend die leitende Kupferschicht. Sie ist durch ein Verfahren dünn auf den Kunststoff
aufgebracht worden. Die kleinen Löcher dienen zum Durstecken und Verlöten der Anschlüsse der
elektrischen Bauelemente. Diese erkennen wir in der rechten fertigen Schaltung. Will man einen Fehler in
der Schaltung durch ein defektes Bauelement finden, so ist man auf Potentialangaben an sogenannten
Messstellen angewiesen. Hier kann der Spannungsbegriff nicht verwendet werden. Diese Messstellen
werden auch in der sogenannten elektronischen Schaltung (zeichnerische Darstellung) angegeben.
Elektronische Schaltung mit Strömen und Potentialen.
Wie am unteren rechten Bild zu erkennen ist, gibt es sogar negative Potentiale. Solche Potentiale sind leicht
zu beschaffen, wie am folgenden Bild zu erkennen ist. Beachte, der lange Strich bezeichnet das hohe
Potential. Beide Batterien tragen die Aufschrift 9 V.
9V
0V
–9V
1.12 Der Potentialnullpunkt
Vor dir liegt eine volle Flachbatterie. Die Potentialdifferenz zwischen ihren Anschlüssen ist 4,5 V, das
Potential am Plusanschluss ist also um 4,5 V höher als am Minusanschluss. Wie groß ist aber das Potential
des Minusanschlusses selbst? Und wie groß ist das Potential des Plusanschlusses?
14
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
Elektrophysik
Diese Fragen sind recht leicht zu beantworten. Die Lösung des Problems wird dir leichter fallen, wenn wir
zunächst eine andere Frage klären. Das linke Bild zeigt einen Berg. Wie hoch ist aber dieser Berg? Sicher
wirst du sagen: Das kann ich mit einem Maßband messen. Du beziehst also die Höhe auf deinen Standort.
Aber in welcher Höhe befindet sich der Berg auf der Karte? Du ziehst hierzu eine Karte mit Höhenlinien zu
Rate und findest eine andere Angabe. Die Karte bezieht sich auf die Meereshöhe. Sie ist willkürlich gleich
0 m gesetzt. Jede neue Bezugshöhe liefert dir eine andere Angabe.
Du kannst dich auf das Niveau der Erde außerhalb des
Wohnhauses oder auf noch irgendein anderes Niveau beziehen.
Tatsächlich ist der Abstand zum Meeresniveau im Allgemeinen
nicht leicht festzustellen.
Mit dem Potential verhält es sich nun ganz ähnlich wie mit der
Höhe. Wir müssen als Erstes festlegen, welchem elektrischen
Leiter wir den Potentialwert 0 V zuschreiben. Von diesem
ausgehend kann man dann die Potentialwerte aller anderen Drähte,
elektrische Anschlüsse usw. angeben. Der Leiter, dessen Potential
wir zum Bezugspotential erklären, soll natürlich jedem zugänglich
sein. Ein Leiter, der diese Bedingung erfüllt, ist die Erde.
Man hat daher festgelegt:
Das Potential der Erde beträgt 0 V.
Gefahr
Keine
Gefahr
(Erde)
Verbindet man irgendeinen Punkt eines elektrischen Stromkreises über einen
Draht mit der Erde, so ist sichergestellt, dass sich dieser Punkt auf 0 Volt
befindet. Man sagt, man hat den Punkt geerdet. Um etwas zu erden, braucht man
aber nicht einmal eine Leitung zur Erde zu legen. Der Schutzkontakt der
Steckdose ist mit dem sogenannten Nullleiter des elektrischen Netzes verbunden,
und dieser Nullleiter ist geerdet.
Der Schutzkontakt der Steckdose befindet sich also auf 0 V.
Der Schutzkontakt der Steckdose
befindet sich auf Erdpotential.
Nun zurück zu der Batterie, die vor dir auf dem Tisch steht. Wir kennen nach
dem bisher Gesagten die Potentialwerte von Plus- und Minusanschluss einzeln
nicht, genauso wie wir die Höhenlagen der Enden des Meterstabes nicht kennen.
Wir können aber bei der Batterie leicht klare Verhältnisse schaffen: Wir erden
einfach einen der beiden Pole.
– 4,5V
Das Bild zeigt eine Flachbatterie, deren Minusanschluss geerdet ist, d. h. es ist ϕ– = 0 V
(Beachte das Symbol für die Erde). Für den Plusanschluss ist daher ϕ+= + 4,5 V.
+4,5V
Der Minusanschluss der Batterie ist geerdet, der Plusanschluss hat ein Potential von
ϕ– = + 4,5 V. Der Plusanschluss der Batterie ist geerdet. Der Minusanschluss hat ein
Potential von ϕ+ = – 4,5 V.
0V
0V
Die Wörter Plusanschluss und Minusanschluss haben sich eingebürgert, sind aber etwas irreführend. Sie
bedeuten nur, dass das elektrische Feld bei Plus startet und bei Minus endet. Sie legen fälschlicher Weise
nahe, dass sich der Plusanschluss immer auf positivem und der Minusanschluss auf negativem Potential
befindet. Dass das nicht der Fall zu sein braucht, zeigt schon obiges linkes Bild. Im oberen Bild hat der
Minusanschluss das Potential 0 V, sein Potential ist also nicht negativ; und im unteren Bild ist der
Plusanschluss nicht positiv.
Im linken Bild sieht man es noch deutlicher. Hier sind eine 4,5V Batterie und ein 24-V-Netzgerät „hintereinandergeschaltet“. Der
– 24
– 28,5 V
0V
Plusanschluss des Netzgeräts ist geerdet, sein Potential ist 0 V. Sein
Minusanschluss liegt um 24 V tiefer, d. h. bei −24 V . Da der
Plusanschluss der Batterie mit dem Minusanschluss des Netzgeräts verbunden ist, hat auch der Plusanschluss der Batterie das Potential – 24 V. Das Potential des Plusanschlusses der Batterie ist also negativ.
+ –
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15
Elektrophysik
1.13 Aufgaben
2
1
2
1
3
1. Die Batterien in Bild links erzeugen eine Spannung von je 4,5 V.
Auf welchen Potentialen befinden sich die Punkte 1, 2 und 3?
3
2. Jede der Batterien in (b) erzeugt eine Potentialdifferenz von 12 V.
Auf welchen Potentialen befinden sich die Punkte 1, 2 und 3?
V
3. Zwei 9-V-Batterien sind links hintereinandergeschaltet. Was
zeigen die beiden Voltmeter an? Trage die Potentiale ein!
V
4. Zeichne ein Voltmeter ein, dass das Potential des oberen Knoten
misst. Zeichne ein Voltmeter ein, das die Batteriespannung misst.
Zusammenfassung
Ein Dynamo, Piezokristall, Thermoelement oder eine Batterie erzeugt ein Potentialgefälle. Ein Potentialgefälle heißt auch Spannung. Eine Spannung ist immer positiv!
Als Symbol für das Potential wird der griechische Buchstabe ϕ (gesprochen Phi) und als Symbol der
Spannung der lateinische Buchstabe U verwendet. Die einzelnen Messpunkte bekommen jetzt noch
Bezeichnungen durch Tiefstellen.
ϕ1, ϕ2, usw.
U1, 2 = ϕ1 - ϕ2 > 0
Für eine Flachbatterie ergibt sich dann ϕ+ = 4,5V, ϕ− = 0V. Daraus berechnen wir das Potentialgefälle U =
ϕ+ − ϕ− = 4,5V - 0V = 4,5V. Also ist die Spannung U = 4,5V.
Name der physikalischen Größe
Abkürzung
Name der Maßeinheit
Abkürzung
Elektrisches Potential
Elektrische Spannung
φ
U
Volt
Volt
V
V
Zum Abschluss noch etwas aus der Chemie.
1.14 Die elektrischen Potentiale der elektrochemischen Spannungsreihe
Um eine Batterie zu bauen, kommt es vor allem auf den Energiestrom an, die der Batterie entnommen
werden kann. Da die Ladungen (Elektronen, Ionen) Träger der Energie sind, der Energiestrom aber auch
mit der Spannung der Batterie größer wird, müssten alle Kombinationen der Werkstoffe und deren
Spannungen aufgelistet werden. Die Liste würde folglich sehr lang und unübersichtlich. Es wurde daher als
Bezugselement (Wasserstoff) gewählt. Das Vorzeichen wurde historisch festgelegt.
Die Wasserstoffelektrode bezeichnet man als Nullpotential. Die Spannungen, die bezüglich der
Wasserstoffelektrode gemessen werden, bezeichnet man als Potentiale. Es ist wichtig diese Potentiale zu
kennen. Sie sind bei einer Temperatur von T = 298 K gemessen und gelten für den unbelasteten Fall, also
ohne Anschluss eines Gerätes.
16
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
Elektrophysik
Werkstoff
Wertigkeit
Potential ϕ in V
Werkstoff
Wertigkeit
Potential ϕ in V
Fluor
1
+2,87
Antimon
3
−0,51
Gold
1
+1,69
Eisen
3
−0,04
Chlor
1
+1,35
Blei
2
−0,13
Gold
3
+1,40
Zinn
2
−0,14
Brom
1
+1,07
Nickel
2
−0,26
Platin
2
+1,18
Kobalt
2
−0,28
Quecksilber
2
+0,80
Indium
3
−0,34
Silber
1
+0,80
Gallium
3
−0,55
Graphit
2
+0,75
Chrom
2
−0,91
Jod
1
+0,54
Zink
2
−0,76
Kupfer
1
+0,52
Tellur
2
−1,14
Polonium
4
+0,76
Mangan
2
−1,19
Sauerstoff
2
+0,39
Aluminium
3
−1,66
Kupfer
2
+0,34
Uran
3
−1,80
Arsen
3
+0,23
Magnesium
2
−2,37
Wismut
3
+0,31
Beryllium
2
−1,85
Zinn
2
+0,02
Natrium
1
−2,71
Wasserstoff
1
±0,00
Kalzium
2
−2,87
Strontium
2
−2,90
Barium
2
−2,91
Kalium
1
−2,93
Rubidium
1
−2,98
Lithium
1
−3,04
Beispiele: Das Potential von Fluor ist ϕ F = +2,87 V und von Lithium ist ϕ Li = −3, 04 V .
Aufgabe: Welche Potentiale haben 2-wertiges Kupfer, Aluminium und Chrom?
In der Tabelle finden wir für 2-wertiges Kupfer das Potential +0,34 V , für Aluminium das Potential
−1,66 V und für Chrom das Potential – 0,91 V.
Aus dieser Tabelle mit ihren Potentialen kann nun jedes Potentialgefälle (Spannung) U einer Kombination
errechnet werden.
Beispiel: Es soll eine Batterie aus Fluor und Lithium gebaut werden. Welche Spannung kann auf das
Gehäuse geschrieben werden?
Aus der Tabelle entnehmen wir ϕ F = +2,87 V und ϕ Li = −3, 04 V . An der positiven Elektrode haben wir
ϕ F = +2,87 V und an der negativen Elektrode ϕ Li = −3, 04 V . Wenn wir aber die negative Elektrode null
setzen wollen, müssen wir alle Potentiale um +3,04 V erhöhen. Auf die Batterie ist die Spannung +5,91V
zu schreiben. Die Berechnung erfolgt über das Potentialgefälle.
U F , Li = ϕ F − ϕ Li = +2,87 V − (−3,04 V ) = +2,87 V + 3,04 V = +5,91 V
Aufgabe: Berechne die Batteriespannungen aller Kombinationen folgender Werkstoffe.
Kupfer, Chrom, Quecksilber und Nickel.
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17
Elektrophysik
1.15 Elektrotechnische Probleme
Wir lernen nun eine Methode kennen, die uns das Lösen elektrotechnischer Probleme erleichtert. Damit
eine Schaltung handhab- und berechenbar wird, treffen wir eine Vereinbarung.
Wir wissen, dass jeder Leiter bei Anschluss einer Spannungsquelle ein Potentialgefälle verursacht. Das
macht ein kompliziertes Netzwerk unberechenbar. Deshalb vereinbaren wir, dass die Potentialgefälle zu
den Geräten addiert werden.
Beispiel
Eine Glühlampe ist an eine Batterie angeschlossen. Die Batterie verursacht ein Potentialgefälle von 3,9 V .
Die Verbindungsleitungen verursachen zusammen ein Potentialgefälle von 0,1V .
Wir nehmen nun folglich an, dass die Verbindungsleitungen kein Potentialgefälle verursachen, sondern die
Glühlampe allein ein Potentialgefälle von 4,0 V verursacht.
Immer dann, wenn der Plan einer elektrischen Schaltung vorgegeben ist, werden als erstes die Leitungen
farbig nachgezeichnet. Dies geschieht so, dass alle Leitungen, die dasselbe Potential haben, auch dieselbe
Farbe bekommen. Nach Vereinbarung ist es klar, dass dabei ein durchgehender Draht eine einheitliche
Farbe bekommt. Beim Durchgang durch ein elektrisches Gerät (Lampe, Motor, Batterie, Dynamo etc.)
ändert sich gewöhnlich die Farbe.
Zwei einfache Beispiele
Alle Lampen sind gleich gebaut. Die Batterien haben die Aufschrift 3V . Welche Potentiale haben die
einzelnen Leitungen?
1, 5 V
3V
3V
0V
Zunächst färben wir die Leitungen. Dann
verteilen wir das Potentialgefälle der Batterie von
3V auf
die beiden Lampen der Reihenschaltung. Da sie gleich gebaut sind, geschieht
dies zu gleichen Teilen. Beachte, dass die Masse
null Volt hat.
In der Parallelschaltung kann keine Verteilung
einstellen. Beide Lampen sind direkt mit der
Batterie verbunden.
3V
3V
0V
1.16 Weitere Übungen
Alle Batterien tragen die Aufschrift 9V und alle Lampen sind gleich gebaut. Welche Potentiale haben die
einzelnen Leitungen? Schließe anschließend den Schalter und färbe neu!
18
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
Elektrophysik
1.17 Die Maschenregel
Eine Masche in einer elektrischen Schaltung ist ein geschlossener Umlauf längs Leitungen, bei der
aktive und passive Geräte genau einmal vorkommen. Ein einfacher Stromkreis ist folglich eine Masche.
Die Maschenregel bekommt erst dann eine Bedeutung, wenn mehrere Spannungsquellen in einer
Schaltung vorhanden sind, oder, wenn die Schaltung sehr kompliziert bzw. unübersichtlich wird.
Man denke an einen Würfel, wo jede Kante einen Widerstand darstellt, zusätzlich in den Flächendiagonalen Widerstände und in drei Raumdiagonalen Widerstände eingebaut ist. Die Batterie befinde sich
in der letzten Raumdiagonalen.
Die Maschenregel besagt folgendes:
Starten wir von irgendeinem Potentialpunkt in der Schaltung und addieren dabei alle Potentialdifferenzen
denen wir begegnen, so ist diese Summe null. Dieses ist die 1. kirchhoffsche Regel.
Schauen wir uns ein Beispiel an.
1V
Starten wir bei 1,5 V, gehen über 0 V zu 1 V und wieder zu
1,5 V. Bilden wir die Differenzen und addieren.
( 0V − 1,5V ) + ( 1V − 0V ) + ( 1,5V − 1V ) = 0 V
Du kannst es nun selbst für die verbleibenden zwei Kreise
ausrechnen. Die Regel stimmt also.
Es ist sogar völlig egal wie du herumläufst, nur ankommen
musst du wieder. Die Summe der aufeinanderfolgenden
Potentialgefälle ist immer null.
Diese Regel hat natürlich eine größere Bedeutung, als hier
angedeutet. Eine Anwendung findet man in 5.1.
3V
1,5V
0V
Lösungen zu 1.16
9V
9V
–9V
9V
– 4,5 V
4,5V
3V
9V
9V
9V
9V
9V
6V
3V
3V
4,5 V
9V
9V
9V
4,5V
18V
4,5V
3V
4,5V
9V 9V
4,5V
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9V
–9V
9V 9V
– 4,5 V
4,5V
19
Elektrophysik
2.
Die Ladungsstromstärke
2.1
Definition der Ladungsstromstärke
In einer galvanischen Batterie findet durch Ionen ein Austausch zwischen Anode und Kathode statt. Beim
Daniel-Element hat die Anode einen Elektronenüberschuss durch Abgabe von Zn 2+ . An der Kathode
werden Elektronen durch Cu 2+ aufgenommen. Wird nun die Batterie in einem geschlossenen Stromkreis
verwendet, so werden an der Anode Elektronen in den metallischen Leiter eingespeist und an Kathode
eingesammelt. Da sich die Leitungselektronen gleichmäßig im Metall verteilen, sprechen wir von einem
Ladungsstrom im Metall. Nun trägt jedes Elektron eine negative Ladung. Der Ladungsstrom ist folglich
durch die Ladungsmenge pro Sekunde gegeben, die in den Leiter eingespeist wird. Es ist folglich
unmittelbar klar, dass die Ladungen, die am Anfang in den Leiter strömen auch am Ende wieder aus dem
Leiter strömen (Zwangsbedingung). Während des Strömungsprozesses gehen damit keine Ladungen
verloren. Diese Überlegung führt zur Definition der Stromstärke. Hierbei gehen wir davon aus, dass die
durch die Querschnittsfläche eingespeiste Ladungsmenge an jeder Stelle des Leiters durch eine gedachte
Querschnittsfläche strömt. Im Gegensatz zur thermischen Geschwindigkeit der Elektronen von ca.
1,5 ⋅106 ms sprechen wir hier von der Driftgeschwindigkeit der Elektronen.
Information:
International ist die Driftbewegung der Ladungen durch die technische Stromrichtung umgekehrt
festgelegt. Damit der Ladungsstrom ständig fließt, wird eine Batterie benötigt. Diese sorgt für ein
elektrisches Feld im geschlossenen Leiterstromkreis und damit für die Polarisation der positiven Ionen
(nicht eingezeichnet). Das Bild zeigt eine Momentaufnahme der Leitungselektronen.
Die technische Stromrichtung
Die Ladungsbewegung
Definition:
Die Einheit der Ladung ist [Q ] := 1C , gelesen Coulomb. In Metallen ist die Anzahl n der Leitungselektronen etwa 1023 je cm3. Jedes Elektron trägt eine Ladung (Elementarladung) e = −1,602 ⋅10−19 C . Hat
der Leiter eine Länge von 1 m und den Querschnitt 1 mm2, so befindet sich in ihm die Ladungsmenge von
−1,602 ⋅10−19 ⋅1023 C = −16 020C . Als Gleichung
Q = n ⋅ e ⋅ A⋅ l .
Misst man die Zeit ∆t, in der ein Teil der Ladung ∆Q braucht, um durch eine Fläche A zu strömen, so heißt
der Quotient
I Q := ∆Q
∆t
die Ladungsstromstärke. Die Einheit der Ladungsstromstärke ist [ I Q ] := 1A , gelesen Ampère. Es gilt
folglich 1C = 1A⋅1s = 1As .
Leider gibt es keine Möglichkeit die Ladungsstromstärke direkt zu messen. Alle Messungen
beruhen daher auf indirekte Bestimmungen. Dies macht es besonders schwierig die wahren
Ursachen der durchgeführten Messungen zu finden.
2.2 Charles Augustin de Coulomb
Die SI-Einheit (Système International d’Unités) der elektrischen Ladungsmenge trägt den besonderen
Namen Coulomb zu Ehren des französischen Physikers Charles Augustin Coulomb. Er wurde am 14. Juni
1736 in Angouleme (Frankreich) geboren und studierte Mathematik sowie Naturwissenschaften.
Anschließend war der Ingenieuroffizier auf Martinique und begleitete mehrere staatliche Ämter in
Frankreich. 1802 wurde ihm von Napoleon die Aufsicht über das neu zu organisierende Schulsystem
übertragen. Er starb am 23. August 1806 in Paris.
20
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
Elektrophysik
2.3 Oersted-Versuch
Wird ein kleiner Kompass in die Nähe eines stromdurchflossenen Leiters gebracht, so reagiert die Nadel
heftig. Folglich muss sich um den Leiter herum ein weiteres Feld befinden. Der Physiker nennt es
magnetisches Feld, in Zeichen H , da er mit dem magnetischen Feld des Kompasses wechselwirkt. Das
magnetische Feld ist schlauchförmig um den Leiter angeordnet. Die Richtung des Feldes wird durch die
Kompassnadel festgelegt. Die Nordseite gibt die Richtung an. Dieser Zusammenhang wurde von Hans
Christian Oersted (1777 – 1851) im Jahre 1820 beschrieben.
Wir machen das Magnetfeld mit Eisenstaub sichtbar. Dies zeigte Seebeck im Jahre 1822.
Stellen wir kleine Kompassnadeln auf den Eisenstaub, so erhalten wir für das magnetische Feld die
folgende schematische Darstellung. Hierbei nehmen wir die technische Stromrichtung.
•
Dabei bedeutet das Kreuz im Leiter, dass der Strom von uns wegfließt (in das Blatt hinein) und der Punkt
im Leiter, dass der Strom auf uns zufließt (aus dem Blatt heraus). Die Pfeile geben die Richtung des
magnetischen Feldes an.
Diesen Zusammenhang merken wir uns mit einer Schraube. Im Kreuz wird der Schraubendreher angesetzt
und der Punkt symbolisiert die Spitze der Schraube.
Nehmen wir nun an, dass die elektrische Ladungsstromstärke für dieses Magnetfeld verantwortlich ist,
so kann durch die Stärke des Magnetfeldes umgekehrt auf die Ladungsstromstärke geschlossen
werden! Die Messung der Stärke des Magnetfeldes um den Leiter geschieht mit einem Drehspul- oder
Dreheisenmessgerät. Es gilt folgender Zusammenhang.
2⋅ π⋅ r ⋅ H = I
Dabei ist r der Abstand der Feldlinie zum Leitermittelpunkt in der obigen Querschnittszeichnung.
Ferner π die Kreiszahl, H die magnetische Feldstärke und I die Ladungsstromstärke.
2.4 André-Marie Ampère
Benannt wurde die SI-Einheit der elektrischen Stromstärke nach dem französischen Mathematiker und
Physiker André-Marie Ampère.
Ampère wurde am 22. Januar 1775 in Lyon (Frankreich) geboren. Nach seinem Mathematik- und
Physikstudium und einer Tätigkeit als Lehrer für naturwissenschaftliche Fächer wurde er in Paris Professor
für Mathematik an der École Polytechnique und Professor der Physik im Collège de France. Im Jahre 1808
wurde er auch Generalinspektor der Universität und lehrte außerdem Philosophie an der historischphilologischen Fakultät. Ampère war vor allem Mathematiker. Seine Arbeiten aus den Jahren 1820 bis
1825 fasste André-Marie Ampère 1826 in der Abhandlung „Über die mathematische Theorie
elektrodynamischer Erscheinungen allein aus dem Experiment abgeleitet“ zusammen. Dieses theoretische
naturwissenschaftliche Werk bildete das Fundament, auf welches das Gebäude der Elektrotechnik errichtet
wurde, wie wir es heute kennen. Ampère lehnte die Wirbeltechnik von Descartes ab und erfand die
Driftgeschwindigkeitshypothese. André-Marie Ampère starb am 10. Juni 1836 im 62. Lebensjahr in
Marseille (Frankreich). Arm und verlassen erlag er während eines Besuches der Universität nach
vierundzwanzig Stunden einem Fieberanfall.
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
21
Elektrophysik
2.5 Der elektrische Stromkreis
Der einfachste schaltbare Stromkreis besteht aus einer Batterie oder einem Netzgerät, einem Schalter und
einem Gerät, die durch metallische Leiter verbunden sind. Es kann nur dann ein Ladungsstrom fließen,
wenn der Stromkreis geschlossenen ist. Der Leser denke immer bei einer elektrischen Stromstärke
gleichzeitig synonym an die magnetische Feldstärke.
P
Symbolische Darstellung eines elektrischen Stromkreises mit zwei verschiedenen Schalterstellungen,
Batterie und Schalter.
An der Stelle P des elektrischen Stromkreises
fließt pro Sekunde eine bestimmte Ladungsmenge durch den Leiter. Die Lampe leuchtet.
Einige typische in der Technik vorkommende Ladungsstromstärken
durch eine 75-W-Glühlampe
in den Leitungen eines Taschenrechners
durch einen Spielzeugmotor
durch den Motor einer Elektrolok
in einem Blitz
0,34 A
0,01 mA
1A
500 A
einige 1000 A
Um die Ladungsstromstärke zu messen, wird ein Amperemeter benötigt. Der Leiter wird unterbrochen und
das Messgerät als neue Verbindung eingeführt, damit der Ladungsstrom durch das Messgerät fließen kann.
Ein Amperemeter wird durch das Symbol
A
dargestellt.
In der folgenden Schaltung sollen die Ladungsstromstärken an den gekennzeichneten Stellen gemessen
werden.
P
P
12 V
P
12 V
6V
P
Dazu trennen wir die Leitungen an der ersten Stelle P1 und bauen das Amperemeter ein. An den anderen
Stellen verfahren wir dann genau so. Die vier Schaltungen sind nachfolgend dargestellt. Achte bei der
Messung darauf, dass das Messgerät auf Gleichstrom eingestellt ist. Beginne auch mit dem größten Bereich
und stelle, wenn nötig, einen kleineren Bereich ein.
A
A
12 V
12 V
12
12 V
v
6V
12
12
v
6V
v
12
v
12 V
A
6
v
6
v
A
In allen vier Fällen zeigt das Amperemeter die gleiche Zahl an. Es ist also egal, an welcher Stelle gemessen
wird. Dies bestätigt noch einmal die eingangs gemachten Überlegungen.
Es gehen keine Ladungen verloren. Alle Ladungen fließen zur Batterie zurück.
22
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
Elektrophysik
2.6
Die Verzweigungsregel (Knotenpunktregel)
Halten wir noch einmal fest:
In einem geschlossenen elektrischen Stromkreis können keine Ladungen ab- und zufließen.
Gibt es einen Punkt der Verzweigung in einem elektrischen Stromkreis, so gibt es auch einen Punkt der
Zusammenführung. Zwischen diesen beiden Punkten existiert ein Potentialgefälle. Die verschiedenen
Wege zwischen den beiden Punkten heißen Zweige.
Sind zwei parallel geschaltete Geräte an eine Batterie angeschlossen, so strömen Elektronen in den Leiter.
Jeder Zweig besitzt aber einen eigenen Elektronenstrom. Die Summe aller Elektronen, die von der Batterie
in den Leiter strömen, muss also gleich der Summe der Elektronen sein, die in den Zweigen strömen. Diese
Eigenschaft gilt dann natürlich auch für den Punkt der Zusammenführung
Knotenpunktregel
Dieser Sachverhalt heißt Verzweigungs- oder Knotenpunktregel. Da sie von dem Physiker Kirchhoff als
erster eingehend untersucht wurde, nennt man sie auch 2. kirchhoffsche Regel.
Symbolische Darstellung
Knoten
3A
Zweige
7A
4A
Soll noch die Strömungsrichtung festgelegt werden, so zeichnet man Pfeile für die Richtungen ein. Die
Richtungen sind durch das Potentialgefälle gegeben.
600 mA
A
450 mA
K1
A
A
150 mA
K2
Die Ladungsströme werden gemessen.
Zwei Knoten und zwei Zweige
In der rechten Schaltung ist zu erkennen, dass am Knoten K1 die Ströme verzweigen und am Knoten K2
wieder zusammenfließen. Genauer fließen zum Knoten K1 600 mC pro Sekunde, links durch das
Amperemeter sowie Lampe 450 mC pro Sekunde und rechts durch das Amperemeter sowie Lampe 150 mC
pro Sekunde.
Statt des Amperemeters werden im folgenden Bild die Ströme auch direkt in die Leitungen gezeichnet.
600 mA
450 mA
150 mA
600 mA
Natürlich können mehrere Leitungen in einem Knoten zusammentreffen.
1,1 mA
3,0 mA
2,2 mA
A
1,7 mA
A
Merke:
A
A
A
A
0,5 mA
Die Summe der zu einem Knoten hinfließenden Ströme
ist genauso groß wie die Summe der vom Knoten wegfließenden Ströme. In einem Knoten können sich keine
Ladungen sammeln.
1,5 mA
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
23
Elektrophysik
2.7 Aufgaben:
1. Wie groß ist die Ladungsstromstärke an der Stelle P
in Abb. 1a? Zeichne die Strömungsrichtung ein!
2. Wie groß ist die Ladungsstromstärke an der Stelle P
in Abb. 1b? In welcher Richtung fließt er?
230 mA
3,1 A
230 mA
4,8 A
480 mA
P
5. Was lässt sich über die Ladungsstromstärken an
den Stellen P und Q in Abb. 3a sagen?
6. Baue in die Schaltung von Abb. 3b zwei Schalter so
ein, dass sich die Lampen unabhängig voneinander
ein- und ausschalten lassen.
P
Abb. 1a
3. Wie groß ist die Ladungsstromstärke an der Stelle P
in Abb. 2a? Zeichne die Strömungsrichtung ein!
4. Wie groß ist die Ladungsstromstärke an der Stelle P
in Abb. 2b? In welcher Richtung fließt er?
3,1 A
Abb. 1b
3,1 A
4,8 A
P
9. Was zeigen die Amperemeter in Abb. 4b an, wenn
alle Lampen gleich gebaut sind. Das rechte
Amperemeter zeigt 60 mA an?
P
Abb. 2a
4,8 A
0,7 A
0,7 A
1,1 A
Q
P
Abb. 2b
Abb. 3a
7. Können auch mit einem Schalter in Abb. 3b beide
Lampen ein- und ausgeschaltet werden? Realisiere
das!
8. Was zeigen die Amperemeter in Abb. 4a an, wenn
alle Lampen gleich gebaut sind. Das untere
Amperemeter zeigt 50 mA an?
480 mA 1,1 A
Abb. 3b
A
A
A
A
A
A
Abb. 4a
Abb. 4b
Abschließende Bemerkung
In der Technik wird ein Stromkreis anders dargestellt, um eine bessere Übersicht zu haben.
Hier sind noch einmal die Stromkreise aus 4a und 4b übersichtlich als Stromlaufplan dargestellt.
4a)
9V
9V
4b)
0V
0V
In diesen Plänen kann der Stromfluss - von oben nach unten - gut verfolgt werden.
2.8 Spannung und Stromstärke
0,2 A
6V
24
0,3 A
12 V
Wir schließen eine 12-V-Glühlampe einmal an 6 V und einmal an 12 V
Netzgerät an. Im zweiten Fall ist die Lampe natürlich heller als im ersten.
Am Amperemeter sehen wir, dass der elektrische Strom im zweiten Fall
stärker ist als im ersten. Wir schließen eine Lampe an ein regelbares
Netzgerät an und drehen die Spannung langsam hoch. Je höher die
Spannung ist, desto stärker ist der Strom, der durch die Lampe fließt. Die
beiden Experimente zeigen, was du sicher schon erwartet hast: Je höher
die Spannung, desto stärker der Strom.
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
Elektrophysik
Merke: Je größer das Potentialgefälle an den Anschlüssen eines Gerätes ist, desto größer ist im
Allgemeinen die Ladungsstromstärke, die durch das Gerät fließt.
0,1 A
4V
4V
Wiederholen wir die Versuche mit verschiedenen Lampen.
Offensichtlich sind die Ladungsströme unterschiedlich. Diesen Zusammenhang
zwischen dem Potentialabfall und Ladungsstrom nennen Physiker Widerstand. Die
Lampen haben einen verschiedenen Widerstand.
Die Stärke des Ladungsstroms, der durch ein Gerät fließt, ist umso größer,
- desto größer das Potentialgefälle zwischen den Anschlüssen des Geräts ist,
- desto kleiner der Widerstand ist, den das Gerät dem Strom entgegensetzt.
Versuch: Ladungsstromstärke quer zum Leiter
Wir schließen mehrere Leiter aus Konstantan der Länge 1m an ein Netzgerät mit 1 V.
Versuchsskizze
1V =
○
0V
0m
•
Netzgerät
○
Amperemeter
A
• 1V
Konstantanleiter
1m
Durchführung
Das Netzgerät liefert eine konstante Spannung von 1V . Diese wird während des Versuches nicht
verändert. Mittels eines Amperemeters wird die Ladungsstromstärke des Querschnitts gemessen. Die Daten
werden in eine Messwertetabelle eingetragen.
Querschnitt in mm2
Ladungsstromstärke
0 0,05 0,10 0,15 0,20 0,25 0,30 0,35 0,40 0,45 0,50
in mA 0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000
Erhitzen wir den Konstantanleiter während der Messung, so beobachten wir eine Abnahme der
Ladungsstromstärke.
Auswertung
Bei konstanter Temperatur und gleichem Material ist die Ladungsstromstärke eines Leiters proportional
zur Querschnitt.
Formel
1
Ι ( A) = 0,50
Allgemein
Ι ( A) =
A ⋅A
mm2
I ( A0 )
A0 ⋅ A
Hierbei ist I ( A0 ) die Ladungsstromstärke des Leiters bezogen auf den Querschnitt A0 .
Bemerkung
In der ersten Formel tritt als Quotient die Einheit Ampere pro Quadratmillimeter auf. Dies ist die Einheit
der magnetischen Feldstärke H . Es gilt folglich [ H ] = 1 A 2 .
mm
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
25
Elektrophysik
3.
Die Energiestromstärke und die Energie
Jedes Jahr rechnet das Energieversorgungsunternehmen die Kosten der gelieferten Energie ab. Der Bürger
spricht meist von Stromkosten. Hier wollen wir klären, dass dies nicht ganz richtig ist.
Wir könnten dem Unternehmen einen freundlichen Brief schreiben und erklären, dass es doch alle
Ladungen zurückbekommen hätte und somit nichts zu bezahlen wäre. Das Unternehmen schriebe sicher
zurück, dass es natürlich seine Maschinen betreiben und unterhalten müsse und daher der Betrag
gerechtfertigt sei. Die Maschinen würden ja schließlich das Potentialgefälle liefern.
Wir haben bisher doch festgestellt, dass ein größerer Ladungsstrom durch eine Lampe ein helleres
Leuchten hervorbringt. Außerdem wissen wir, jedes Gerät ruft ein Potentialgefälle hervor und je größer das
Potentialgefälle ist, desto größer ist auch die Ladungsstromstärke, die durch das Gerät fließt. Beides,
Potentialgefälle und Ladungsstrom, muss folglich für den Energiestrom verantwortlich sein, der in das
Gerät fließt.
Da bisher noch kein Energiestrom definiert wurde, können wir festlegen: Das Produkt aus Potential und
Ladungsstromstärke heißt Energiestromstärke. Der Energiestrom fließt folglich in die gleiche
Richtung wie der Ladungsstrom. Die Energiestromstärke bezeichnen wir mit IE = P . Damit gilt:
P = ϕ ⋅ IQ .
Die Einheit der Energiestromstärke ist [ P ] = 1V⋅1A = 1VA . James Watt zu Ehren (Erfinder der Dampfmaschine) schreibt man auch 1VA = 1W . Den Zusammenhang zur Energie liefert James Prescott Joule:
1W = 1 sJ . Daher der Begriff Energiestrom. Halten wir fest:
1 W ist der Energiestrom, der in einer Sekunde die Energie von 1 J fließen lässt.
Also ist auch die Zeit maßgeblich, in der ein Gerät eingeschaltet (in Betrieb) ist. Die Energie bekommt das
Symbol E und hat die Einheit [ E ] = 1J . Da die Energiemenge ∆E , die in der Zeit ∆t in das Gerät fließt
eine proportionale Zuordnung ist, gilt: ∆E = ∆P ⋅ ∆t , wobei ∆P = ∆ϕ ⋅ I Q = U ⋅ I Q .
Wir können demzufolge wie folgt vorgehen. Wir berechnen den Energiestrom vor den Gerät und nach dem
Gerät. Die Differenz dieser beiden Energieströme ∆P = ∆ϕ ⋅ I Q ist in das Gerät geflossen. Multiplizieren
wir diese Differenz mit der Zeit der Dauer des Betriebes, so erhalten wir die Energie, die im Gerät
umgeladen wurde.
Die auf ein Gerät umgeladene Energiemenge berechnet sich aus dem Produkt des Energiestromgefälles
am Gerät und der Betriebszeit ∆t zu
∆E = ∆ϕ ⋅ I Q ⋅ ∆t = U ⋅ I Q ⋅ ∆t .
Verinnerlichen wir uns den Energiestrom und die Energie konkret an einem Arbeitsbeispiel.
Arbeitsbeispiel
In der folgenden Schaltung hast du die angegebenen Ladungsstromstärken und Potentiale gemessen. Die
Schaltung ist 15 Minuten in Betrieb. Bestimme alle Energiestromstärken und Energien.
12 V
8V
L1
200 mA
80 mA
12 V =
H
L2
L
0V
26
120 mA
L4
L3
2V
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
Elektrophysik
Zuerst berechnen wir die Energiestromstärken.
Energiestromstärken
Vor der Lampe L1:
Nach der Lampe L1:
Pvor = 12 V⋅ 200 mA
= 2400 mW
= 2, 4 W
Pnach = 8 V⋅ 200 mA
= 1600 mW
= 1, 6 W
In die Lampe L1 geflossen:
∆P1 = 2, 4 W−1, 6 W
= 0,8 W
Vor der Lampe L2:
Nach der Lampe L2:
Pvor = 8 V⋅ 80 mA
= 640 mW
= 0, 64 W
Pnach = 2 V⋅ 80 mA
= 160 mW
= 0,16 W
In die Lampe L2 geflossen:
∆P2 = 0, 64 W− 0,16 W
= 0, 48 W
Vor der Lampe L3:
Nach der Lampe L3:
Pvor = 8 V⋅120 mA
= 960 mW
= 0,96 W
Pnach = 2 V⋅120 mA
= 240 mW
= 0, 24 W
In die Lampe L3 geflossen:
∆P3 = 0,96 W− 0, 24 W
= 0,72 W
Vor der Lampe L4:
Nach der Lampe L4:
Pvor = 2 V⋅ 200 mA
= 400 mW
= 0, 4 W
Pnach = 0 V⋅ 200 mA
= 0 mW
= 0W
In die Lampe L4 geflossen:
∆P4 = 0, 4 W− 0 W
= 0, 4 W
Nun müssen noch die Energien berechnet werden, die in die Lampen umgeladen wurden. Dazu benötigen
wir die Zeit ∆t = 15min = 900s . Erinnern wir noch die Formel ∆E = ∆P ⋅ ∆t .
Energien
Lampe L1:
∆E = 0,8 W⋅ 900s
= 720 J
Lampe L2:
∆E = 0, 48 W⋅ 900s
= 432 J
Lampe L3:
∆E = 0,72 W⋅ 900s
= 648 J
Lampe L4:
∆E = 0, 4 W⋅ 900s
= 360 J
Insgesamt ist folglich in der Schaltung während des Betriebes von 15 Minuten die Energie von 2160 J in
Licht und Wärme umgeladen worden. Dafür müssen wir bezahlen.
Wenn 1kWh = 3 600 kJ etwa 20 Cent kosten, wären das 0,012 Cent.
Zuletzt möchte ich dich noch auf veralterte, historisch entstandene Begriffe hinweisen. Diese sind
überflüssig, werden aber noch verwendet.
Der Energiestrom wird auch als Leistung (Formelzeichen P ) und die Energie als Arbeit (Formelbuchstabe W ) bezeichnet.
Damit schließt sich dieser erste große Teil und wir beschäftigen uns jetzt mit den „Geräten“ und ihre
„inneren“ Eigenschaften.
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
27
Elektrophysik
4.
Der elektrische Widerstand
4.1.
Widerstand im Metallgitter
Auch in diesem Abschnitt setzen wir das Modell des Elektronenstroms in
Metallen fort, solange keine genaue Klärung der Ursache der magnetischen
Feldstärke vorliegt.
Du erinnerst dich sicher, dass metallische Leiter einen Gitteraufbau haben,
zwischen denen sich Leitungselektronen frei bewegen können. Schneiden wir
einen Kupferleiter durch und betrachten ihn unter einer „großen Lupe“ so
könnte es wie folgendes Bild aussehen.
●
●
●
Bewegungen freier Elektronen
im Metallgitter
Die positiven Ionen schwingen dabei um ihre Ruhelage. Beim Zusammenstoß
der Elektronen mit diesen Ionen geben die Elektronen einen Teil ihrer
Bewegungsenergie ab. Beachte, dass die Ionen eine Elektronenhülle besitzen.
Die Atomrümpfe werden dadurch in stärkere Schwingungen versetzt. Diese
Schwingungen empfinden wir als Temperaturanstieg. Je größer die
Schwingung, desto stärker erwärmt sich das Metall. Letztlich kann man sagen,
dass die gerichtete Elektronenbewegung – der Ladungsstrom – durch
Weitergabe der Energie der
Zusammenstößen mit den schwingenden Atomrümpfen gehemmt wird. Diese
Elektronen an die Atomrümpfe Hemmung ruft den elektrischen Widerstand hervor.
4.2
Praktische Bestimmung des elektrischen Widerstandes
Soll durch ein Gerät ein Ladungsstrom fließen, muss ein Potentialgefälle vorhanden sein. Jedes Gerät neigt
aber dazu, die Strömung der Ladungen zu behindern. Es setzt den fließenden Ladungen einen Widerstand
entgegen. Manches Gerät hat einen großen Widerstand, es leitet den Ladungsstrom schlecht oder gar nicht.
Andere haben einen geringen Widerstand, sie leiten die Ladungen gut.
Elektrische Kabel zum Beispiel haben einen kleinen Widerstand. Das heißt aber nicht, dass sie gar keinen
Widerstand haben.
Wie der elektrische Strom, der durch ein Gerät hindurchfließt, auf die angelegte Spannung reagiert, kann
eine komplizierte Sache sein. Wenn man die Spannung erhöht, nimmt die Stromstärke gewöhnlich - aber
nicht immer - zu. Es gibt folglich Ausnahmen.
Wir wollen den Zusammenhang zwischen Spannung und Stromstärke für verschiedene elektrische Geräte
untersuchen.
Die Aufnahme von Kennlinien:
A
Das linke Bild zeigt, wie man es macht: Wir schließen das zu
untersuchende Gerät an eine Spannungsquelle (ein Netzgerät) an,
dessen Spannung man verändern kann. Diese Spannung kann am
Einstellknopf des Netzgeräts abgelesen werden (Wenn man sich auf die
Skala an diesem Knopf nicht verlassen will, kann die Spannung auch
nachgemessen werden).
A
Prinzipieller Aufbau zur Aufnahme
einer Kennlinie.
6V=
+
–
6V
V
Man gibt verschiedene Spannungswerte vor und misst jeweils die Stärke des durch die Spannung
verursachten Ladungsstroms. Diese werden in eine Wertetabelle eingetragen. Man kann auch umgekehrt
den Ladungsstrom vorgehen. Dazu wird aber auf jeden Fall ein Voltmeter benötigt. Jetzt wird der fließende
Strom durch das Gerät eingestellt und die zugehörige Spannung am Voltmeter abgelesen.
28
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
Elektrophysik
U/V
IQ/mA
R/Ω
0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
3,5
4,0
4,5
5,0
0,0
60
120
180
240
290
340
370
400
420
410
5,5
6,0
415 420
–
Wertetafel für die Kennlinie einer kleinen Glühlampe.
Die Kennlinie (Graph der Funktion U(I)) ist keine Ursprungsgerade. Sie ist aber symmetrisch zum
Ursprung, da ein negativer Strom durch das Gerät nur dann möglich ist, wenn auch die Spannung negativ
ist. Dies bedeutet eine Umpolung der Spannungsquelle.
I
U
Prinzipielle Kennlinie einer Glühlampe
Die Kennlinienaufnahme eines elektrischen Gerätes ist eine der wichtigsten Aufgaben, die zuallererst
durchgeführt werden muss, um eine Abhängigkeit der Messgrößen oder eine Gesetzmäßigkeit erkennen zu
können. Daher sind hier noch zwei weitere Kennlinien abgebildet. Das linke Bild stellt die Kennlinie einer
gewöhnlichen Diode und das rechte Bild die Kennlinie einer Tunneldiode dar.
I
I
U
U
Wir nehmen also zuerst die Kennlinie oder das Kennlinienfeld (mehrere Kennlinien) auf.
Der Statische Widerstand RQ eines Bauteiles hängt vom Potentialgefälle U am Bauteil und von der
durch ihn fließenden Ladungsstromstärke I Q ab. Er ist definiert durch
RQ :=
U
IQ
und wird kurz Widerstand genannt.
Ergänze nun die obige Tabelle.
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
29
Elektrophysik
4.3
Das ohmsches Gesetz
Wird die Temperatur eines von einem Ladungsstrom durchflossenen Materials konstant gehalten, so sind
Ladungsstrom und Potentialgefälle in weiten Bereichen proportional. Wird ein gewisser Temperaturbereich
eingehalten, so kann durch geschickte Legierungen erreicht werden, dass die Proportionalität bei technisch
hergestellten Widerständen eingehalten wird. Dies wird durch Präzisionswiderstände erreicht. Dieser
Zusammenhang, indem Proportionalität vorliegt, heißt ohmsches Gesetz. Widerstände, die diesem
Gesetz genügen heißen ohmsche Widerstände.
Für die Praxis ist das ohmsche Gesetz jedoch unbrauchbar, ausgenommen Präzisionswiderstände, wie an
den Kennlinien zu sehen ist.
Die Einheit des statischen Ladungswiderstandes ist 1 Ohm (Georg Simon Ohm zu Ehren) mit dem
Einheitszeichen Ω (griechisch: Omega). Es gilt damit die Einheitengleichung
[ R ] := 1Ω = 1 VA .
4.4
Georg Simon Ohm
Die internationale Einheit des Widerstandes ist das Ohm. Die SI-Einheit 1 Ohm mit dem Einheitenzeichen Ω ist festgelegt als der
elektrische Widerstand zwischen zwei Punkten eines fadenförmigen, homogenen Metalldrahtes von konstanter Temperatur, durch
den bei einer elektrischen Spannung von 1 Volt (V) zwischen den beiden Punkten ein zeitlich konstanter Strom von der Stärke 1
Ampere (A) fließt. Damit ist die Einheit des elektrischen Widerstandes eine von den Einheiten Volt (V) und Ampere (A)
abgeleitete Einheit des Internationalen Einheitensystems. Namensgeber der SI-Einheit des elektrischen Widerstandes ist der
deutsche Physiker Georg Simon Ohm.
Ohm wurde am 16. März 1789 in Erlangen als Sohn eines Universitätsschlossers geboren. Mit 11 Jahren trat er im Juni 1800 in das
Gymnasium ein. Nach Bestehen der Abschlussprüfung am 22. April 1805 studierte er an der Universität in Erlangen Physik,
Mathematik und Philosophie. Im Jahr 1806 gab er aus finanziellen Gründen sein Studium auf und reiste in die Schweiz, wo er
zunächst an der Privatschule eines Pfarrers in Gottstadt im Kanton Bern Mathematik-Unterricht gab. 1809 verließ er diese Schule
und ging als Privatlehrer nach Neuenburg, dem heutigen Neuchátel in der Westschweiz. Zwei Jahre später kehrte Ohm nach
Erlangen zurück, nahm sein Studium wieder auf und legte Ende des Jahres 1811 an der Philosophischen Fakultät der Universität
seiner Vaterstadt die Doktorprüfung ab. Anschließend war er Privatdozent, bis er eine besser bezahlte Stelle als Lehrer an der
Realschule in Bamberg bekam. Im Spätherbst 1817 wechselte Georg Simon Ohm zum Gymnasium nach Köln, das mit
physikalischen Einrichtungen gut ausgestattet war, so dass er seiner Freude am physikalischen Experimentieren nachgehen konnte.
Er wandte sich zunächst vor allem der Erforschung der damals noch geheimnisvollen, galvanischen Ströme zu. Ohm untersuchte
mit primitiven Mitteln, wie die Stromstärke bei verschiedenen Metallen von der Drahtlänge abhängig ist. Als Maß für die
Stromstärke galt die Ablenkung einer Kompassnadel, die sich in der Nähe des stromdurchflossenen Leiters befand. Eindeutige
Erkenntnisse konnten nur schwer gewonnen werden, da die Klemmenspannung der verwendeten galvanischen Elemente nicht
konstant, sondern vom Belastungsstrom abhängig war. Deshalb verwendete Ohm bei späteren Versuchen auch Thermoelemente als
Spannungsquellen, die zu eindeutigen Ergebnissen führten. Im Jahre 1825 veröffentlichte Georg Simon Ohm in einem Jahrbuch
der Physik und Chemie die ersten Ergebnisse seiner Arbeit unter dem Titel „Vorläufige Anzeige des Gesetzes, nach welchem
Metalle die Kontaktelektrizität leiten“.
Im Jahre 1826, nachdem Georg Simon Ohm seine ersten Erkenntnisse formuliert und veröffentlicht hatte, richtete er ein Gesuch
um einen einjährigen Studienaufenthalt in Berlin an die zuständige Behörde, das auch bewilligt wurde. In Berlin konnte Ohm bei
seinem Bruder wohnen, der Professor an der Universität war. Da ihm nun vielfältigere Möglichkeiten zur Fortsetzung seiner
Studien zur Verfügung standen, zeigten sich bald die Früchte seiner Forschungen. Im Mai 1827 erschien seine weitere Schrift „Die
galvanische Kette mathematisch bearbeitet“, die eindeutig das beinhaltete, was in der ganzen Welt als Ohmsches Gesetz bekannt
wurde.
Georg Simon Ohm formulierte damals seine Erkenntnisse etwa folgendermaßen.
Die Stärke des elektrischen Stromes ist in einem geschlossenen Stromkreis bei konstanter Temperatur proportional der Spannung
und umgekehrt proportional der „reduzierten Länge“ (Bild 16). Unter der „reduzierten Länge“ verstand er den elektrischen
Widerstand, ohne diesen Begriff zu verwenden. Er hatte auch erkannt, dass diese „reduzierte Länge“ proportional der
Leitungslänge und umgekehrt proportional dem Leitungsquerschnitt sowie der materialabhängigen Leitungsgüte (elektrischen
Leitfähigkeit) ist.
Ohm wandte sich danach an den König von Bayern mit der Bitte um eine Anstellung an der Akademie oder Universität in
München. Daraufhin ernannte ihn Ludwig I. Am 3. Juli 1833 in einem Dekret endlich zum Professor für Physik, aber nicht in
München, sondern an der Polytechnischen Schule in Nürnberg. Nachdem sich der Ruf von Georg Simon Ohm als Gelehrter
langsam durchgesetzt hatte, folgten für ihn die Jahre der Ehrungen. Im Jahre 1839 wurde er korrespondierendes Mitglied der
Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. 1841 wurde Ohm durch die Royal Society in London mit der
Copley-Medaille geehrt, die dem heutigen Nobelpreis entspricht. Außerdem wurde er im gleichen Jahr noch korrespondierendes
Mitglied der Physikomathematischen Klasse der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Turin. Nach all diesen
ausländischen Auszeichnungen wollte man in seinem Vaterland auch nicht länger nachstehen. Am 1. Oktober 1845 ernannte ihn
die Mathematisch-Physikalische Klasse der Königlichen Bayerischen Akademie der Wissenschaften zum ordentlichen Mitglied.
Von Maximilian II. wurde er am 23. November 1849 außerdem zum zweiten Konservator der Mathematisch-Physikalischen
Staatssammlung bei der Bayerischen Akademie berufen. Und endlich wurde Georg Simon Ohm mit 63 Jahren am 1. Oktober 1852
zum ordentlichen Professor für Mathematik und Physik an die Universität in München berufen. Hier wirkte Ohm noch einige
Jahre, bis ein Schlaganfall sein erfülltes, wenn auch nicht leichtes Leben beendete. Georg Simon Ohm starb am 6. Juli 1854 im 66.
Lebensjahr in München.
30
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
Elektrophysik
4.5
Definition des dynamischen Widerstandes
Wird die durch ein elektrischen Gerät fließende
Ladungsstromstärke I0 = 2A um ∆I geändert, so
ändert sich damit die Spannung U0 = 2V am Gerät
um ∆U. Der Quotient
U/V
4
3
∆U
2
r :=
1
I/A
-4
-3
-2
-1
0
-1
1
2
3
∆U
∆I
heißt dynamischer Ladungswiderstand an der
Stelle (2V| 2A). Im Fall ∆ I → 0 (die Differenz wird
immer kleiner) heißt der Quotient differentieller
Ladungswiderstand. Der differentielle Ladungswiderstand stellt die Steigung der Tangente der
Kennlinie dar. Er hängt vom Arbeitspunkt (2 A | 2V )
und der Temperatur ab.
4
∆I
-2
-3
-4
Der dynamische Widerstand wird dann benötigt, wenn sich die Spannung und damit der Ladungsstrom am
Arbeitspunkt zeitlich verändert. Als Beispiel sei hier die Wechselspannung genannt. Er kann sogar negativ
sein, wie du auf Seite 20 an der Tunneldiode sehen kannst. In elektronischen Schaltungen ist er unerlässlich.
4.6
Spezifischer Widerstand und elektrische Leitfähigkeit
Hier wollen wir untersuchen, wie der Ladungswiderstand von der Leiterlänge ℓ und der Querschnittsfläche
A abhängt, um aus diesen Daten ein vom Material spezifisches Merkmal zu erhalten.
Klären wir nun an Hand unserer bisherigen Untersuchungen, wie der Widerstand von der Leiterlänge und
dem Leiterquerschnitt abhängt. Vergleiche dazu Seite 10 und Seite 24.
ϕℓ
I(A )
Wir wissen:
R = UI , ϕ (ℓ ) = ℓ 0 ⋅ ℓ und Ι ( A) = A 0 ⋅ A
0
0
Das Potential ist auf 0 V bezogen. Folglich gilt bei konstanter Temperatur
R (ℓ , A) =
ϕ (ℓ )
I ( A)
∼
ℓ
.
A
Ergebnis:
Der Widerstand ist proportional zur Leiterlänge ℓ und umgekehrt proportional zur Querschnittsfläche A des Leiters, wenn die Temperatur des Leiters konstant gehalten wird.
Formel:
R=γ ⋅
ℓ
A
Die „Konstante“ γ heißt spezifischer Widerstand, ist eine Materialkonstante und von der Temperatur
abhängig. Die Einheit des spezifischen Widerstandes ist folglich
[γ ] = 1 Ω⋅mm
m
2
Kupfer hat z. B. einen geringeren spezifischen Widerstand als Aluminium oder Silber. Daher bestehen
viele Leiter aus Kupfer. Silber wäre natürlich auch zu teuer und zu weich.
Die folgende Tabelle gibt die Werte des spezifischen Widerstandes einiger Leiterwerkstoffe bei 20°C an.
Leiterwerkstoff
Kupfer
Aluminium
Eisen
Silber
Chromnickel
Kohle
Spezifischer Widerstand
0,0178
0,029
0,125
0,016
1,1
20,0
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
31
Elektrophysik
Der spezifische Widerstand ist also eine Materialkonstante. Der reziproke spezifische Widerstand heißt
Ladungsleitfähigkeit. Er hat den Formelbuchstaben σ. Es gilt damit γ ⋅ σ = 1 .
Ladungsleitfähigkeit σ
bei 20 °C in
Silber
Kupfer
Gold
Aluminium
Magnesium
Wolfram
Messing Ms 58
Zink
Messing Ms 63
Kadmium
Nickel
Eisen (rein)
Platin
Konstantan
62,5
57
45
36
23
17
17
m
Ω⋅mm 2
16,5
14
13,1
11,5
10
9,0
2,08
Kommen wir noch einmal auf die Temperaturänderungen zurück.
Bei den meisten elektrischen Leitern steigt die Größe des Widerstandes an, wenn sie erwärmt werden. Derartige Leiter
heißen Kaltleiter, da sie im kalten Zustand besser leiten als im warmen. Kaltleiter haben einen positiven Temperaturkoeffizienten (PTC-Widerstand).
Daneben gibt es Werkstoffe, die ihren Widerstand bei Temperaturerhöhung verringern. Sie heißen Heißleiter.
Halbleiter haben diese Eigenschaft. Heißleiter haben einen negativen Temperaturkoeffizienten (NTC-Widerstand).
Zusammenfassung
Abhängigkeiten
Die Experimente mit gleichem Material ergeben:
Ladungsstromstärke
•
Das Potentialgefälle auf einem Leiter ist proportional zur
Potentialgefälle
Leiterlänge.
•
Je länger der Leiter, desto größer ist der Ladungswiderstand.
•
Je kleiner die Fläche, desto größer ist der Ladungswiderstand.
•
Temperaturänderungen wirken sich auf den Ladungswiderstand Querschnittsfläche
aus.
Ladungswiderstand
Material
Länge
Natürlich hängen alle von der Temperatur ab.
Im Folgenden sprechen wir nur noch von dem Widerstand!
4.7 Aufgaben
1. Aus welchem Material besteht ein Draht, der einen Widerstand von R = 10 Ω bei einer Länge von ℓ = 15,4 m und
einem Durchmesser von d = 0,5 mm besitzt?
2. Beschreibe kurz die Vorgänge, die einen Widerstand hervorrufen!
3. Warum ist jeder reale Widerstand temperaturabhängig?
4. Welcher Werkstoff wäre gegenüber dem Kupfer der bessere Leiter?
5. In einem Stromkreis mit einem linearen Widerstand von 100 Ω steigt die Stromstärke von 3 A auf 5A an. Um
welchen Wert hat sich die Spannung erhöht?
6. Der menschliche Körpers hat einen Widerstand von ca. 1000 Ω. Wie hoch ist die Stromstärke, falls eine Spannung
von 230 V überbrückt wird? (Elektrounfall!)
7. Ein Stromkreis in einer Wohnung (230 V) ist mit 16 A abgesichert. Wie viel parallelgeschaltete Glühlampen
(Einzelwiderstand ca. 500Ω) können ungefähr gleichzeitig betrieben werden?
8. An einen unbekannten Widerstand wird eine Spannung von 20 V gelegt. Du misst eine elektrische Stromstärke
von 4 mA. Wie groß ist der Widerstand in Ω?
9. An einen 2 kΩ-Widerstand wird eine Spannung von 120 V gelegt. Wie stark ist
der Ladungsstrom, der durch den Widerstand fließt?
10. Das Netzgerät rechts erzeugt eine Spannung von 35 V. Das Amperemeter zeigt 5
A an und das Voltmeter 10 V. Die Spannung am Widerstand R2 kann nicht
gemessen werden. Wie groß ist der Widerstand R1? Wie groß ist die Spannung
an Widerstand R2? Wie groß ist der Widerstand R2?
11. Die Spannung der Batterie beträgt 12 V. Jeder der Widerstände hat 100 Ω. Gib
die Potentialwerte aller Leitungsabschnitte an. Welche Spannungen liegen an den
32
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
A
R1
R2
V
Elektrophysik
drei Widerständen? Wie stark sind die Ladungsströme, die durch die drei
Widerstände fließen? Wie stark ist der Ladungsstrom, den die Batterie liefern
muss?
12. Zwei 100 Ω-Widerstände werden parallelgeschaltet bzw. hintereinandergeschaltet. Wie groß muss ein Widerstand sein, der die jeweilige gesamte
Anordnung ersetzt? Formuliere eine Regel für diesen Widerstand.
Hinweis: Benutze die Definitionsgleichung des Widerstandes.
5.
Berechnung elektrischer Netzwerke
Das Überlagerungsprinzip beruht auf sich überlagernden Ladungsstromdichten in Leitungen. Für sie gilt:
Sind j A,1 und j A, 2 zwei Ladungsstromdichten in einem Leiter, so ist j A,1 + j A, 2 die tatsächlich
Ladungsstromdichte. Die Richtungen (Orientierungen) der Ladungsstromdichten sind hierbei zu
beachten. Auf Orientierungen gehe ich an einer anderen Stelle für die Sekundarstufe II ein.
5.1 Ein Arbeitsbeispiel
Erinnern wir die Kirchhoffschen Regeln.
1. Knotenregel:
Die Summe aller Ladungsströme in einem Knoten ist null.
2. Maschenregel: Die Summe aller Potentialgefälle in einem Kreis ist null.
Aufgabe: Berechne alle Ladungsstromstärken und Potentialgefälle im folgenden Netzwerk.
I2
I1
I3
800 Ω
5V
U1
500 Ω
I
U4
U2
15V
200 Ω
U3
II
250 Ω
8V
U5
750 Ω
Vorgehensweise zum Lösen des Problems:
1. Schreibe bei n gegebenen Knoten n – 1 Knotengleichungen auf. Der n-te Knoten ergibt sich aus
den schon bekannten Knoten (Linearkombination).
2. Für die Maschenregel wählen wir einen Algorithmus.
Wähle einen Kreis und schreibe die Maschenregel für diesen Kreis auf. Trenne diesen Kreis an
einer beliebigen Stelle auf, so dass der Zweig unterbrochen ist. Nun beginne von vorn.
Der Algorithmus endet, wenn kein Kreis mehr vorhanden ist.
Bemerkung: Dieser Algorithmus ist wird zum Beweis in der Graphentheorie verwendet.
3. Als letztes stelle den Zusammenhang zwischen
Spannungen her, die in der Schaltung gegeben sind.
den
Ladungsstromstärken
und
den
Lösen wir nun unser Problem:
Zu 1.: Da es nur zwei Knoten gibt, ist nur der obere Knoten wichtig. Die Gleichung lautet:
I1 − I 2 − I 3 = 0
A
Zu 2.: Für die Maschengleichungen verwende ich zuerst den Kreis I. Hier gilt:
U1 + U 2 − 15V + U 4 − 5V = 0
B1
Schneide ich den Stromkreis in dem I1 fließt durch, so bleibt nur der Kreis II. Hier gilt:
U 3 + 8V + U 5 + 15V − U 2 = 0
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
B2
33
Elektrophysik
Zu 3.: Aus der Schaltung entnehmen wir folgende Zusammenhänge:
U1 = 800 Ω ⋅ I1 , U 2 = 500 Ω ⋅ I 3 , U 3 = 250 Ω ⋅ I 2 , U 4 = 200 Ω ⋅ I1 , U 5 = 750 Ω ⋅ I 2
C
Aus der Gleichung A folgt I 3 = I1 − I 2 , so dass wir in C für U 2 die Gleichung U 2 = 500 Ω ⋅ ( I1 − I 2 )
bekommen. Ersetzen wir diese in C, so treten hier nur noch die beiden Ströme I1 und I 2 auf. Folglich
reichen die Gleichungen B1 und B2 aus, um eine Lösung in I1 und I 2 zu bekommen. Wir erhalten:
800 Ω ⋅ I1 + 500 Ω ⋅ ( I1 − I 2 ) − 15V + 200 Ω ⋅ I1 − 5V = 0
250 Ω ⋅ I 2 + 8V + 750 Ω ⋅ I 2 + 15V − 500 Ω ⋅ ( I1 − I 2 ) = 0
Ordnen wir die Ströme und fassen zusammen.
1500 Ω ⋅ I1 − 500 Ω ⋅ I 2 = 20V
− 500 Ω ⋅ I1 + 1500 Ω ⋅ I 2 = −23 V
Multiplizieren wir die erste Gleichung mit 3 und addieren sie zur zweiten Gleichung sowie die zweite
Gleichung mit 3 und addieren sie zur ersten Gleichung, so erhalten wir
4 000 Ω ⋅ I1 = 37 V
4 000 Ω ⋅ I 2 = −49V
Damit sind die Ströme I1 und I 2 bekannt. Sie lauten: I1 = 9,25 mA und I 2 = −12,25 mA . Der negative Strom
besagt nur, dass wir die willkürliche Richtung in der Schaltung falsch gewählt haben. Hieraus bekommen
wir mit A den Strom I 3 = 21,50 mA .
Berechnen wir noch die Potentialgefälle in C.
U 1 = 800 Ω ⋅ 9, 25 mA U 2 = 500 Ω ⋅ 21,50 mA U 3 = 250 Ω ⋅ ( −12, 25 mA) U 4 = 200 Ω ⋅ 9, 25 mA U 5 = 750 Ω ⋅ ( −12, 25 mA)
,
,
,
,
= 7, 4V
= 10,75V
= 1,85V
= −3,0625V
= −9,1875V
Damit ist die Aufgabe gelöst. Zeichen wir noch die korrigierenden Richtungen in die Schaltung ein.
I1
I2
I3
800 Ω
5V
U1
500 Ω
I
U4
15V
200 Ω
34
U2
II
U3
250 Ω
8V
U5
750 Ω
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
Elektrophysik
5.2 Das Überlagerungsprinzip in der Elektrotechnik
Ri1
Im linken Bild sind zwei Spannungsquellen parallel geschaltet. Die
reale Spannungsquelle ist aufgeteilt in eine ideale Spannungsquelle,
deren Innenwiderstand null ist und dem tatsächlichen
Innenwiderstand. Ein angeschlossenes Gerät ist noch nicht
vorhanden. Gesucht ist eine Ersatzspannungsquelle mit idealer
Spannung U o und realem Innenwiderstand Ri .
Ri 2
U o2
U o1
1. Der resultierende Innenwiderstand Ri
Die Widerstände Ri1 und Ri 2 sind parallel geschaltet. Folglich ist
R R
1
1
1
bzw. Ri = i1 i 2 .
=
+
Ri Ri1 Ri 2
Ri1 + Ri 2
2. Die Leerlaufspannung U o
I o1
Ri1
I o2
Wir wählen wie links dargestellt einen vollständigen
Maschenumlauf. Die Stromrichtung der Spannungsquellen ist vom
hohen zum niedrigen Potential festgelegt. Die Stromrichtungen
beider Spannungsquellen werden unabhängig von der jeweils
anderen eingezeichnet. Jeder der Ströme durchfließt die
Innenwiderstände hintereinander.
Ri 2
U o2
U o1
Aus dieser Betrachtung folgt I o1 =
U o1
U o2
und I o 2 =
. Der tatsächliche Strom I ergibt sich aus
Ri1 + Ri 2
Ri1 + Ri 2
der Differenz der beiden Ströme zu I =
bzw. U o = U o1
U o1 − U o 2
. Hieraus folgt die Leerlaufspannung U o = I ⋅ Ri 2 + U o 2
Ri1 + Ri 2
Ri 2
Ri1
.
+ U o2
Ri1 + Ri 2
Ri1 + Ri 2
3. Das Ersatzschaltbild
Ri1
U o1
Ri 2
U o2
Ri
⇒
Uo
4. Der Kurzschlussstrom I k
I k1
Ik2
Ri1
Ri 2
Ik
Wegen I k = I k1 + I k 2 =
U o1 U o 2
ist hier der Kurzschlussstrom
+
Ri1 Ri 2
leicht zu berechnen.
U o1
U o2
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
35
Elektrophysik
5. Der Stromfluss durch einen äußeren Widerstand R
Da Ri und R in Reihe geschaltet sind, folgt I =
I
Ri1
U o1
Ri 2
Uo
. Ersetzen
Ri + R
wir die Leerlaufspannung und den resultierenden Innenwiderstand
Ri durch die tatsächlichen Gegebenheiten, so finden wir
R
U o2
Ri 2
Ri1
.
+ U o2
Ri1 Ri 2 + ( Ri1 + Ri 2 ) R
Ri1 Ri 2 + ( Ri1 + Ri 2 ) R
I = U o1
5.3 Berechnung mit den kirchhoffschen Gesetzen
I1
I
I2
Ri1
U o1
Ri 2
I
II
R
U o2
1.
Knoten: I1 − I 2 − I = 0
Knoten lösen ⇒ kein Stromfluss mehr ⇒ kein weiterer Knoten
2.
Maschen: I : − U o1 + I1 Ri1 + I 2 Ri 2 + U o 2 = 0
Linken Zweig durchtrennen ⇒ Masche II
II : − U o 2 − I 2 Ri 2 + IR = 0
rechten Zweig durchtrennen ⇒ keine geschlossene Masche mehr
In der Gleichung II ersetzen wir den abhängigen Strom mit der Knotenregel und ordnen die Gleichungen.
I1 Ri1 + I 2 Ri 2
= U o1 − U o 2
I1 R − I 2 ( Ri 2 + R ) = U o 2
lineares inhomogenes Gleichungssystem
⇒
und
I 2 Ri 2 R + I 2 ( Ri 2 + R ) Ri1 = U o1R − U o 2 ( R + Ri1 )
I1 Ri1 ( Ri 2 + R ) + I1 Ri 2 R = U o1 ( Ri 2 + r ) − U o 2 R
Damit sind I1 und I 2 bekannt. Wir setzen Λ = Ri1Ri 2 + RRi1 + RRi 2 . Dann sind
R
R + Ri1
− U o2
,
Λ
Λ
R + Ri 2
R
I1 = U o1
− U o2 .
Λ
Λ
I 2 = U o1
Hieraus erhalten wir mit I = I1 − I 2 :
I = U o1
Ri 2
R
+ U o 2 i1
Λ
Λ
und die Betriebsspannung U = RI .
Grenzbetrachtungen:
Für R = 0 ist Λ = Ri1 Ri 2 . Folglich sind I1 ( R = 0) =
Für R → ∞ betrachten wir
36
U
U o1
U
U
, I 2 ( R = 0) = − o 2 und I ( R = 0) = o1 + o 2 .
Ri1
Ri1 Ri 2
Ri 2
Λ
→ Ri1 + Ri 2 . Daraus ergeben sich die Leerlaufströme
R
1
1
,
I1 ( R → ∞) = U o1
− U o2
Ri1 + Ri 2
Ri1 + Ri 2
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
Elektrophysik
I 2 ( R → ∞) = U o1
1
1
,
− U o2
Ri1 + Ri 2
Ri1 + Ri 2
was zu erwarten war.
Als letztes berechnen wir die Leerlaufspannung.
U o = U ( R → ∞) = U o1
Ri 2
Ri1
+ U o2
Ri1 + Ri 2
Ri1 + Ri 2
Die nächsten Abschnitte sind nur für die Oberstufe bestimmt!
5.4 Berechnung einer Sternschaltung
Gegeben ist folgendes Netzwerk. Berechnen Sie die bezeichneten Ströme. Untersuchen Sie insbesondere
die Grenzfälle R = 0 und R → ∞ .
Uo1
R1
I1
Uo2
I2
R2
Uo3
I
I3
R3
U
R
Wir verwenden die Kirchhoffschen Regeln.
1. Knotenregel:
Der rechte Knoten liefert I1 + I 2 + I 3 − I = 0 . Lösen wir den Knoten, so finden wir keine geschlossene
Masche mehr. Damit ist die Knotenregel abgearbeitet.
2. Maschenregel:
Die obere Masche liefert U o1 − U o 2 + I 2 R2 − I1 R1 = 0 . Der obere Zweig (irgendeiner) wird nun
durchtrennt. Die mittlere Masche liefert U o 2 − U o3 + I 3 R3 − I 2 R2 = 0 . Nun trennen wir einen weiteren
Zweig auf, zum Beispiel R3 . Es verbleibt eine Masche U o 2 − IR − I 2 R2 = 0 . Trennen wir noch einen
Zweig auf, so gibt es keine Masche mehr. Folglich ist die Maschenregel abgearbeitet.
3. Zweigregel:
Die Zweigregel haben wir oben schon eingearbeitet.
Die Maschen liefern folglich ein lineares inhomogenes Gleichungssystem in drei unbekannten Strömen.
Dazu ersetzen wir noch I durch die im Knoten angegebenen Ströme. Wir erhalten:
− R1I1 + R2 I 2
= U o 2 − U o1
− R2 I 2 + R3 I 3
= U o3 − U o 2
− RI1 − RI 2 − RI 3 − R2 I 2
=
− U o2
Als Matrix geschrieben ergibt sich, wenn wir die letzte Zeile mit −1 multiplizieren und I 2
zusammenfassen:
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
37
Elektrophysik
 − R1

 0
 R

R2
− R2
R + R2
0  I1   U o 2 − U o1 
  

R3  I 2  = U o3 − U o 2 
− R  I 3   U o 2 
Hieraus ergibt sich
R2 R
0  I1   (U o 2 − U o1 )R 
 − R1 R

  

0
R
R
−

2
3  I 2  =  U o 3 − U o 2 
 R R R (R + R ) − R R  I   U R

1
2
1  3  
o2 1
 1

 − R1

 0
 0

 − R1

 0
 0

 − R1

 0
 0

R2
0  I1  
U o 2 − U o1

  

− R2 R1 R
R1R3 R  I 2  = 
(U o3 − U o 2 ) R1R

R3 R1 (R + R2 ) + R3 R2 R − R1R3 R  I 3  U o 2 ( R1 + R ) R3 − U o1 RR3 
R2
− R2
R3 R1 (R + R2 ) + R3 R2 R − R1 R2 R
Damit ist I 2 bekannt. I 2 =
 − R1

 0
 0

R2
U o 2 − U o1
0  I1  

  

− R2
R3  I 2  = 
U o3 − U o 2

R1 (R + R2 ) + R2 R − R1 R  I 3  U o 2 ( R1 + R) − U o1 R 
U o 2 − U o1
0  I1  

  

R3  I 2  = 
U o3 − U o 2

0  I 3  U o 2 ( R1 + R) R3 − U o1 RR3 + (U o3 − U o 2 ) R1 R 
U o 2 ( R1 + R) R3 − U o1RR3 + (U o3 − U o 2 ) R1R
( R1R3 + R2 R3 − R1 R2 ) R + R1 R2 R3
R2
0  I1  
U o 2 − U o1

  

− R2
R3  I 2  = 
U o3 − U o 2

R1 R3 R + R1 R2 R3 + R2 R3 R − R1 R2 R 0  I 3  U o 2 ( R1 + R) R3 − U o1RR3 + (U o3 − U o 2 ) R1 R 
Zur Abkürzung setzen wir R1R3 R + R1 R2 R3 + R2 R3 R − R1 R2 R = Λ
 − R1 0

0
 0
 0
Λ

0  I1   (U o 2 − U o1 )Λ − U o 2 ( R1R2 R3 + RR2 R3 − R1 R2 R) + U o1 RR2 R3 − U o3 R1R2 R 
  

R3  I 2  =  (U o3 − U o 2 )Λ + U o 2 ( R1 R2 R3 + RR2 R3 − R1 R2 R) − U o1RR2 R3 + U o3 R1R2 R 

0  I 3  
U o 2 ( R1R2 R3 + RR2 R3 − R1 R2 R) − U o1RR2 R3 + U o3 R1 R2 R

 − R1 0

0
 0
 0
Λ

0  I1   (U o 2 − U o1 )Λ − U o 2 ( R1R2 R3 + RR2 R3 − R1 R2 R) + U o1 RR2 R3 − U o3 R1R2 R 
  

R3  I 2  =  (U o3 − U o 2 )Λ + U o 2 ( R1 R2 R3 + RR2 R3 − R1 R2 R) − U o1RR2 R3 + U o3 R1R2 R 

0  I 3  
U o 2 ( R1R2 R3 + RR2 R3 − R1 R2 R) − U o1RR2 R3 + U o3 R1 R2 R

Nun kennen wir auch I1 und I 3 . Sortieren wir noch nach den Spannungen.
I1 =
(U o 2 − U o1 )Λ − U o 2 ( R1R2 R3 + RR2 R3 − R1R2 R ) + U o1RR2 R3 − U o 3 R1 R2 R
− ΛR1
= U o1
I3 =
(U o3 − U o 2 )Λ + U o 2 ( R1R2 R3 + RR2 R3 − R1R2 R ) − U o1 RR2 R3 + U o 3 R1 R2 R
ΛR3
= U o3
38
Λ − RR2 R3
R R R + RR2 R3 − RR1 R2 − Λ
R R
+ U o2 1 2 3
+ U o3 2
ΛR1
ΛR1
Λ
R R R + RR2 R3 − R1R2 R − Λ
Λ + R1 R2 R
RR2
+ U o2 1 2 3
− U o1
ΛR3
ΛR3
Λ
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
Elektrophysik
Insgesamt haben wir folglich:
I1 = U o1
R1 R2 R3 + ( R1R3 − R1 R2 ) R
RR
R R
− U o 2 ( 3 ) + U o3 2
ΛR1
Λ
Λ
I 2 = −U o1
I 3 = U o3
I = U o1
RR3
R R + ( R3 − R1 ) R
RR
+ U o2 1 3
+ U o3 1
Λ
Λ
Λ
R1 R2 R3 + ( R1R3 + R2 R3 ) R
RR
RR2
− U o 2 1 − U o1
ΛR3
Λ
Λ
R2 ( R3 − 2 R )
R ( R − 2R)
R R + 2( R1 + R2 ) R
+ U o2 1 3
+ U o3 1 2
Λ
Λ
Λ
Grenzbetrachtungen:
Für R = 0 ist Λ = R1R2 R3 . Daraus ergeben sich die Ströme I1 =
Für R → ∞ betrachten wir
I1 = U o1
U o1
U
U
, I 2 = o 2 , I 3 = o3 .
R1
R2
R3
Λ
→ R1 R3 + R2 R3 − R1R2 . Daraus ergeben sich die Ströme
R
R3 − R2
R3
R2
) − U o2
+ U o3
R1 R3 + R2 R3 − R1R2
R1R3 + R2 R3 − R1 R2
R1 R3 + R2 R3 − R1R2
I 2 = −U o1
R3
R3 − R1
R1
+ U o3
+ U o2
R1R3 + R2 R3 − R1 R2
R1R3 + R2 R3 − R1 R2
R1R3 + R2 R3 − R1 R2
I 3 = U o3
R1 + R2
R1
R2
− U o2
− U o1
R1 R3 + R2 R3 − R1R2
R1R3 + R2 R3 − R1R2
R1 R3 + R2 R3 − R1R2
Damit schließen wir diesen Abschnitt über Gleichstrom, Potentiale und Energien sowie
Widerstände.
PD Dr. rer. nat. habil. Gert Hillebrandt
39
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